L 4 R 3581/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2844/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3581/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Januar 2010.

Der am 1964 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1979 bis 31. August 1982 eine Ausbildung zum Schreiner, die er mit der Gesellenprüfung abschloss. Anschließend war er bis zum 22. Juni 2007 als Bauschreiner mit der Montage von Türen, Fenstern und im Innenausbau versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 23. Juni 2007 bezog er zunächst bis 5. November 2007 Krankengeld und bis 11. Dezember 2007 Übergangsgeld, anschließend Arbeitslosengeld. Ab 1. Dezember 2008 betrieb er ein Café. Seit Januar 2012 betreibt er selbstständig als Franchisenehmer ein "Kochlöffel"-Lokal mit neun geringfügig beschäftigten Angestellten. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 wurde dem Kläger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Vermittlungsbescheid erteilt.

Im Mai 2007 kam es beim Kläger zu einer Symptomatik einer inkompletten Querschnittslähmung. Nach operativer Entfernung eines nicht malignen intraspinalen Meningeoms im Bereich der Brustwirbelkörper (Th) 5 und 6 am 15. Oktober 2007 führte er vom 6. November bis 11. Dezember 2007 eine Anschlussheilbehandlung in den Kliniken S. in K. durch, aus der er arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schreiner entlassen wurde. Vom 28. Juli bis 18. August 2009 führte er eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik K. in N. durch, aus der er arbeitsfähig entlassen wurde. Im Entlassbericht vom 21. August 2009 stellten Leitender Arzt Dr. D. und Stationsarzt H. die Diagnosen Residualbeschwerden bei Zustand nach Operation eines intraspinalen Meningeoms Th 5, chronifizierte Lumbalgien bei deutlichem muskulären Hartspann im Bereich der Rückenmuskulatur, Cervicocephalsyndrom bei muskulärer Tonuserhöhung des Nackengürtelschultermuskels und leichte Retropatellararthrosen. Die letzte Tätigkeit als Bauschreiner könne weniger als drei Stunden täglich ausgeübt werden. Für eine körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen in Tagesschicht, bestehe ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr ohne häufiges Bücken, ohne Hebe- und Tragebelastung über fünf bis sieben kg, ohne Zwangshaltungen der Brustwirbelsäule (BWS)- und Lendenwirbelsäule (LWS) und ohne kniebelastende Tätigkeiten. Der Kläger berichte über anhaltende Lumbalbeschwerden seit einem gescheiterten Arbeitsversuch Anfang Oktober 2008. Nach einer Gehstrecke von zwei km fühle er sich ermüdet und habe das Gefühl verminderter Kontrolle über seine Beine, er habe Beschwerden beim Gehen am Berg, intermittierende Schmerzen an der Operationsnarbe, Durchschlafstörungen, Potenzstörungen. Im Verlauf der Reha habe sich die körperliche Belastbarkeit gebessert (tägliches Ergometertraining bis 75 Watt, Spaziergänge von fünf km). Bei der Abschlussuntersuchung habe schmerzfreie Halswirbelsäulen (HWS)-, BWS- und LWS-Beweglichkeit ohne lumbal radikulär bedingte sensomotorische Ausfälle bestanden, Nacken-Hinterkopfschmerzen mit Einstrahlung in die Nacken-Schultergürtelmuskulatur seien nicht angegeben worden, ebenso keine Kniegelenksreizzustände, keine schmerzbedingte Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit. Klinisch neurologisch hätten sich keine objektivierbaren Paresen, keine Sensibilitätsstörungen, keine beeinträchtigenden Koordinationsstörungen bei regelgerechtem Reflexstatus gefunden; keine Armkraftminderung, keine Handkraftminderung, keine objektivierbare Kraftminderung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur. Das Gangbild sei flüssig, kein Schonhinken, der Einbeinstand beidseits sicher, Seiltänzergang und Seiltänzerblindgang sicher.

Die Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. J. am 4. Dezember 2008 (Gutachten vom 10. Dezember 2008) ergab bei den Diagnosen noch Trainingsmangel nach inkompletter Querschnittsymptomatik unterhalb Th 4 bei operiertem intraspinalen Meningeom Th 5 ohne Malignität, leichte Verspannungen der Muskulatur der HWS und diskrete retropatellare Reibegeräusche ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten in Wechselhaltung. Es bestehe noch verminderte Leistungsfähigkeit bei deutlicher Besserungstendenz. Der Kläger beklage fehlende Kraft; er könne keine Tischtennisplatte aufbauen, beim Aushängen einer Tür sei ihm vor Schmerzen schwarz vor Augen geworden.

Die Begutachtung durch den Chirurgen Dr. R. am 17. März 2010 (Gutachten vom 18. März 2010) ergab keinen wesentlichen pathologischen Befund; freie Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Knie, keine Muskelverspannungen, kein Anhalt für wesentliche degenerative Veränderungen. Aus chirurgisch-orthopädischer Sicht bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten. Die geklagten Beschwerden seien Residualbeschwerden nach der Operation des Meningeoms. Der Kläger sei nicht mehr in ärztlicher Behandlung.

Ein mit Antrag vom 7. November 2008 eingeleitetes Rentenverfahren wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 16. Dezember 2008; Widerspruchsbescheid vom 20. November 2009). Der Kläger trug mit seinem Widerspruch vor, die Behauptung eines Trainingsmangels seitens des Gutachters sei unzutreffend. Er trainiere seit 1. Mai 2008 regelmäßig im Fitness-Studio. Den am 3. Oktober 2008 durchgeführten leichten Arbeitsversuch (Verfugen von Fenstern) habe er wegen starker Schmerzen abbrechen müssen. Dies zeige, dass er entgegen den Feststellungen im angegriffenen Bescheid keinesfalls mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu üblichen Bedingungen erwerbstätig sein könne. Er könne eine Propangasflasche weder ein- noch beidhändig tragen. Der Transport von drei Getränkekisten mit je acht Flaschen vom Keller ins Untergeschoss führe zu Komplikationen. Er könne auch Gegenstände von geringem Gewicht nicht heben und tragen.

Am 27. Januar 2010 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Angesichts der vorhandenen Leistungseinschränkungen könne er keinen Arbeitsplatz erlangen, was auch die Agentur für Arbeit feststelle. Nicht einmal eine Vermittlung als Pförtner sei mit seinem Leistungsbild möglich. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholen des genannten Gutachtens des Dr. R. vom 18. März mit Bescheid vom 30. März 2010 ab. Der Kläger legte Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe in der von ihm betriebenen Gastwirtschaft Tische umgestellt und am darauffolgenden Tag schmerzbedingt das Bett nicht verlassen können. Damit sei er für keinen Arbeitgeber zumutbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die chirurgische Begutachtung durch Dr. R. am 17. März 2010 und der Entlassungsbericht des Dr. D. vom 21. August 2009 sowie die medizinischen Unterlagen aus vorangegangenen Renten- und Rehabilitationsverfahren hätten die Diagnosen Trainingsmangel nach inkompletter Querschnittsymptomatik unterhalb Th 4 bei operiertem intraspinalen Menigeom Th 5 ohne Malignität (Operation am 15. Oktober 2007), etwas Verspannungen der Muskulatur der Halswirbelsäule und diskrete retropatellare Reibegeräusche ergeben. Danach sei eine Tätigkeit als Schreiner weniger als drei Stunden täglich möglich, leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.

Mit seiner am 13. August 2010 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Selbst leichte Tätigkeiten seien mit gewisser körperlicher Belastung verbunden. Wegen der auch bei leichter Belastung auftretenden Schmerzen im Bereich der Operation sei selbst die für leichte Tätigkeiten erforderliche Belastbarkeit bei ihm nicht mehr vorhanden. Es liege ein Seltenheitsfall vor. Wie vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. Kr. zutreffend festgestellt, führten bei ihm notwendige betriebsunübliche Pausen zur Erwerbsminderung. Er könne nicht sechs, auch nicht vier Stunden am Stück ohne Pause arbeiten, da dann der Fuß aussetze. Die Agentur für Arbeit sehe ihn als unvermittelbar an.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. Bu. vom 12. Januar 2011 entgegen.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen und beauftragte auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie sowie klinische Geriatrie Dr. Kr. mit der Erstattung eines Gutachtens. Facharzt für Allgemeinmedizin E. gab unter dem 10. Dezember 2010 an, den Kläger zuletzt am 18. November 2009 untersucht zu haben. Angaben über den Gesundheitszustand in 2010 könne er daher nicht machen. Er legte Arztbriefe und Entlassberichte aus den Jahren 2007 und 2008 vor. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ep. gab in seiner Auskunft vom 21. April 2011 an, den Kläger nur zweimal gesehen zu haben, am 28. September 2009 zur Befundaufnahme nach einer nächtlichen Schlägerei und am 14. Oktober 2010 wegen einer Erkältung.

Dr. Kr. erstattete sein Gutachten vom 9. November 2011 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am selben Tage. Dem Gutachten beigefügt war der Arztbrief der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. He. vom 4. Juli 2011. Diese gab nach der Untersuchung am 1. Juli 2011 an, beim Kläger bestünden gewisse Einschränkungen der Koordination. Schnelle Umwendbewegungen, Romberg- und Unterbergversuch, würden unsicher durchgeführt. Bei Wegfall der okkulären Kontrolle habe er Schwierigkeiten, was für Arbeiten im Dunkeln und Halbdunkeln von Bedeutung sei. Er habe nachvollziehbare lumbale Schmerzen. Es bestünden neurologische Defizite, eine Tätigkeit im Sitzen sei ihm aber vollschichtig zumutbar. Der Kläger berichte, früher habe er bis zu 80 kg mit der rechten Hand tragen können, jetzt gehe fast gar nichts mehr. Früher habe er gearbeitet bis zum Umfallen. Beim Auto fahren habe er Schwierigkeiten mit der Kupplung, weil das Gefühl im Bein eingeschränkt sei. Er könne nicht nur im Büro sitzen, er sei eben Handwerker. Er sei im Betrieb der Spezialist für Silikonverfugungen gewesen, sein Chef würde ihn heute noch holen. Dazu brauche man aber Kraft in den Füßen, weil man ganz langsam und gleichmäßig in die Hocke gehen müsse. Das könne er nicht mehr. Man müsse auch einen Kompressor tragen. Zum Tischtennis spielen sei er nicht mehr schnell genug, verliere gegen Leute, gegen die er einfach nicht verlieren dürfe. Erst letzte Woche habe er Schmerzen an der Operationsnarbe gehabt, nachdem er Hähnchenspieße hochgetragen habe. Mit dem "Kochlöffel"-Lokal hoffe er, sich eine Existenz aufbauen zu können. Er könne schon mal ein paar Stunden hinter der Theke arbeiten, müsse sich aber dann zurückziehen, vielleicht etwas später Büroarbeiten machen. Er könne maximal vier Stunden arbeiten und benötige dann eine längere Pause. Das gehe nicht, wenn man fest angestellt sei. Der Sachverständige stellte in Übereinstimmung zum Befundbericht der Dr. He. eine Latenzverzögerung im Tibialis-somatosensibel evozierten Potenzial (SEP), eine Unsicherheit im Gleichgewicht und belastungsabhängige Funktionsbeeinträchtigung der Beine bei längeren Gehstrecken und Rückenschmerzen unter Belastung fest. Er stellte die Diagnosen Folgezustand nach Operation eines intraspinalen Meningeoms in Höhe Th 5 mit belastungsabhängiger Schwäche der Beine, Gleichgewichtsstörungen, vereinzelt auftretender Blasenstörung und sexueller Impotenz sowie ein reaktives leicht bis mittelschwer ausgeprägtes depressives Syndrom. Unter Berücksichtigung dieser Beeinträchtigungen könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, zu größerem Anteil im Sitzen, täglich sechs Stunden verrichten. Vermieden werden müsse jedoch häufiges Tragen und Bewegen von Lasten über fünf kg, Arbeiten in größeren Höhen, das Besteigen von Leitern sowie Arbeiten in Zwangshaltungen und unter ungünstigen klimatischen Bedingungen. Der Kläger müsse unter Berücksichtigung seiner Vorerfahrungen die Arbeitszeiten und den Arbeitsablauf hinsichtlich der Auswahl der momentan zu verrichtenden Tätigkeiten frei gestalten können. Eine Gehstrecke von 500 m könne der Kläger in adäquater Zeit zurücklegen, er könne öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen und in einem Radius von 50 km Auto fahren. Es bestehe keine prinzipielle Abweichung zu den sozialmedizinischen Beurteilungen der Vorgutachten, jedoch sei zu berücksichtigen, dass eine reguläre Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis ohne die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Arbeitsabfolge und der nötigen häufigeren Pausen im Angestelltenverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich sechs Stunden nicht durchführbar sein werde. Dies folge aus den nicht direkt messbaren, aber durchaus glaubhaften Funktionsbeeinträchtigungen und belastungsabhängigen Beschwerden.

Mit Urteil vom 15. Juni 2012 wies das SG die Klage ab. Es (das SG) schließe sich den sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungen des Entlassberichts des Dr. D. vom 21. August 2009 und des Sachverständigen Dr. Kr. an, dass der Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen für leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden leistungsfähig sei. Die vom Sachverständigen angesprochenen zusätzlichen Pausen führten nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Voraussetzung hierfür, die Notwendigkeit zusätzlicher Pausen von zweimal 15 Minuten oder mehrere notwendige Pausen von unter 15 Minuten, sei nicht erfüllt. Die pauschalen Angaben des Sachverständigen, aufgrund der vom Kläger geschilderten Vorerfahrungen seien zusätzliche Pausen erforderlich, ohne Angaben, nach welcher Zeit und von welcher Länge, seien unzureichend. Dass, wie vom Kläger vorgetragen, der Fuß nach einer gewissen Arbeitszeit "aussetze", wirke sich bei einer leidensgerechten, überwiegend sitzenden Tätigkeit nicht aus.

Gegen das am 12. Juli 2012 über seinen Bevollmächtigten zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. August 2012 Berufung eingelegt. Zur Unvermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt führten bereits die Einschränkungen, häufiges Tragen und Bewegen von Lasten über fünf kg, Arbeiten in größerer Höhe, das Steigen auf Leitern, körperliche Zwangshaltungen und ungünstige klimatische Bedingungen vermeiden zu müssen. Die Erwerbsminderung bestehe auf jeden Fall wegen der vom Sachverständigen festgestellten betriebsunüblichen Pausen. Die Angabe sei entgegen der Ansicht des SG nicht zu pauschal, denn Zeitpunkt und Dauer der Pausen hingen vom Ausmaß der vorliegenden Beschwerden ab. Es bestehe insoweit kein Widerspruch zu den übrigen medizinischen Befunden, weil andere Ärzte sich zur Frage von Pausen nicht geäußert hätten.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Juni 2012 und den Bescheid vom 30. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 30. November 2012 in nichtöffentlicher Sitzung erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 30. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung und wegen teilweiser Erwerbsminderung.

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung vom 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat entnimmt dies den vorliegenden medizinischen Erkenntnissen, insbesondere dem Entlassbericht von Dr. D. und Stationsarzt H. vom 21. August 2009, dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. R. vom 17. März 2010, dem Befundbericht der Dr. He. vom 4. Juli 2011 und dem Gutachten des Dr. Kr. vom 9. November 2011.

Der Kläger leidet unter den Folgen eines im Oktober 2007 entfernten, nicht malignen intraspinalen Meningeoms. Dieses führt zu einer Einschränkung der Dauerbelastbarkeit beim Gehen. Bei Belastung treten Rückenschmerzen im Operations-Bereich auf. Es besteht eine neurologisch bedingte Unsicherheit im Gleichgewicht, eine Latenzverzögerung im Tibialis-SEP, ein gestörtes Vibrationsempfinden. Vereinzelt treten Blasenstörungen auf sowie Impotenz. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Kr. besteht eine leichte reaktive depressive Verstimmung.

Aus den beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Überzeugung des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Er kann keine mittelschweren und schweren körperlichen Arbeiten verrichten, nicht häufig Lasten über fünf kg tragen und bewegen, er kann nicht überwiegend im Stehen oder Gehen arbeiten. Wegen des gestörten Gleichgewichts kann er keine Arbeiten in der Höhe durchführen und nicht Leitern und Gerüste besteigen. Körperliche Zwangshaltungen und ungünstige klimatische Bedingungen sind zu vermeiden. Dies ergibt sich bereits aus dem Entlassbericht von Dr. D. und Stationsarzt H. vom 21. August 2009 sowie weiter aus dem Befundbericht der Dr. He. vom 4. Juli 2011 und dem Gutachten des Dr. Kr. im SG-Verfahren vom 9. November 2011.

Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nach Überzeugung des Senats zu keiner Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch dies folgt aus dem Gutachten des Dr. R. im Verwaltungsverfahren, dem Entlassbericht von Dr. D. und Stationsarzt H., dem Befundbericht der Dr. He. und dem Gutachten von Dr. Kr. im SG-Verfahren.

Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R - in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Beim Kläger liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Zwar ist Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ebenso wie Zwangshaltungen, von vornherein zu vermeiden. Außerdem sollte der Kläger nicht überwiegend im Stehen und Gehen arbeiten und wegen des beeinträchtigten Gleichgewichts nicht in der Höhe, auf Leitern oder Gerüsten. Darin ist weder eine schwere spezifischen Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist beim Kläger vorhanden.

Der für den Kläger noch in Betracht kommende Arbeitsmarkt ist nicht verschlossen. Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats zu betriebsüblichen Bedingungen erwerbstätig sein. Er benötigt insbesondere keine zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen. Nach § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) steht Beschäftigten mit einer Tätigkeit von mehr als sechs Stunden täglich eine Ruhepause von 30 Minuten bzw. zweimal 15 Minuten zu. Neben den betriebsüblichen Pausen werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch sog. Verteilzeiten zugestanden, z.B. für den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten bzw. Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gelten Pausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteile vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - und vom 26. Oktober 2010 - L 11 R 5203/09 -, beide in juris). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG benötigt der Kläger bei einer leidensgerechten Tätigkeit nicht mehr als diese betriebsüblichen Pausen. Der Gutachter im Verwaltungsverfahren Dr. R. sowie Dr. D. und Stationsarzt H. und Dr. He. hielten vermehrte, betriebsunübliche Pausen nicht für erforderlich. Dies liegt zur Überzeugung des Senats entgegen den Vermutungen des Klägers nicht daran, dass sie nicht ausdrücklich gefragt wurden. Ärzte, die Leistungsbeurteilungen hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit im Rentenverfahren abgeben, kennen die maßgeblichen Kriterien und weisen ggf. unaufgefordert auf entsprechende Einschränkungen hin. Die Darlegungen des Sachverständigen Dr. Kr. sind nicht geeignet, die Erforderlichkeit betriebsunüblicher Pausen zu belegen. Dieser hat angegeben, nach den durchaus glaubhaften Vorerfahrungen des Klägers sei es erforderlich, dass dieser in Abhängigkeit vom Ausmaß der vorliegenden Beschwerden vermehrte Arbeitspausen einlege, d.h. Arbeitszeiten und Arbeitsablauf hinsichtlich der Auswahl der momentan zu verrichtenden Tätigkeiten frei gestalten könne. Abgesehen davon, dass die Aufnahme einer anderen Tätigkeit, z.B. von Büroarbeiten, wenn die Arbeit hinter der Theke zu anstrengend wird, keine Arbeitspause ist, beruht die Einschätzung des Sachverständigen erkennbar auf der Übernahme der beim Kläger fehlenden Differenzierung zwischen quantitativem und qualitativem Leistungsvermögen. Die Beschwerden, die zur Erforderlichkeit vermehrter oder längerer Pausen führen, treten jeweils bei nicht leidensgerechten Tätigkeiten auf. So hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen angegeben, wenn er keine Dummheiten mache (wie z.B. eine Tür aushängen), und Rücksicht auf sich nehme, gehe es ihm einigermaßen gut. Schmerzen habe er eine Woche vor der Untersuchung durch den Sachverständigen gehabt, als er mehrere mit Hühnern bestückte Spieße hochgetragen hat. Heben und Tragen von Lasten über fünf kg sind aber nach dem festgestellten Leistungsbild zu vermeiden. Die vom Sachverständigen als Beleg angeführten durchaus glaubhaften Vorerfahrungen des Klägers bestehen jeweils in Erfahrungen bei Nichtbeachtung dieser qualitativen Einschränkungen. Beim Verfugen treten Beschwerden auf, weil man langsam in die Hocke gehen muss, was besondere Kraft in den Beinen erfordert. Beim Aushängen einer Tür treten mehrere Tage anhaltende Beschwerden auf, ebenso beim Bewegen von Möbeln in der Gaststätte. Auch die stehende Tätigkeit in der Gaststätte hinter der Theke oder der Transport von Lebensmitteln aus dem Untergeschoss in die Gaststätte sind sämtlich nicht leidensgerecht und haben daher für die Frage, ob eine vollschichtige Erwerbstätigkeit möglich ist, außer Betracht zu bleiben. Bei einer leidensgerechten Tätigkeit, z.B. im Büro, würden - wie vom SG zutreffend festgestellt - die gesundheitlichen Probleme nicht auftreten.

Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 -, in juris). Wegefähigkeit setzt darüber hinausgehend auch voraus, dass solche Wege auch in noch zumutbarer Zeit bewältigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Der Bereich des Zumutbaren wird nach Einschätzung des BSG dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 m mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten, benötigt (vgl. BSG, a.a.O.; zum Ganzen siehe zuletzt auch BSG, Urteile vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R - beide in juris; Urteil des Senats vom 1. März 2013 - L 4 R 848/12 -, nicht veröffentlicht).

Nach diesem Maßstab ist eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit nicht gegeben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Kr. ist die Gehfähigkeit des Klägers für längere Gehstrecken zwar eingeschränkt. Eine Gehstrecke von 500 m zu Fuß ist ihm aber in adäquater Zeit möglich, er kann auch öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit benutzen und einen Pkw in einem Radius von 50 km fahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved