Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 SB 3643/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4961/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in der Person der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ("G") festzustellen sind.
Bei der am 02.11.1937 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Stuttgart zuletzt mit Bescheid vom 17.04.2003 (Widerspruchsbescheid vom 15.12.2003) bestandskräftig einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 seit dem 27.11.2002 fest. Es berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 11.04.2003 eine "Sehminderung beidseitig" mit einem Einzel-GdB von 50, ein "postthrombotisches Syndrom rechtsseitig, chronisch-venöse Insuffizienz" mit einem solchen von 30, eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Polyarthrose", "Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar)", eine "Fingerpolyarthrose, Schulter-Arm-Syndrom", "psychovegetative Störungen" und "Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck" jeweils mit einem solchen von 20 sowie einen "Leberschaden" mit einem Einzel-GdB von 10.
Einen Antrag auf Höherbewertung des GdB und Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilausgleiche "G" und "H" (Hilflosigkeit) lehnte das Landratsamt Böblingen - Versorgungsamt in Stuttgart - (VA), gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W., der die Voraussetzungen der Nachteilausgleiche nicht als gegeben erachtete, mit Bescheid vom 17.03.2005 bestandskräftig (Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005) ab.
Am 18.06.2008 beantragte die Klägerin beim VA erneut die Feststellung eines höheren GdB sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G". Nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen bei Dr. K.-B. und versorgungsärztliche Überprüfung durch Dr. F., der unter dem 12.08.2008 ausführte, die Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" seien unverändert nicht feststellbar, lehnte das VA den Antrag mit Bescheid vom 29.08.2008 ab. Eine wesentliche Verschlimmerung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin sei, so das VA, nicht feststellbar. Mit ihrem hiergegen am 22.09.2008 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, das VA habe die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht angemessen gewürdigt. Nach Beiziehung augenärztlicher Befundunterlagen bei Dr. B., die von einem Visus von 0,5 (rechts) und 0,63 (links) sowie einer beidseitigen Makulopathie berichtete und versorgungsärztlicher Überprüfung half das VA dem Widerspruch teilweise ab und stellte bei der Klägerin mit Teil-Abhilfebescheid vom 26.03.2009 einen GdB von 90 seit dem 18.06.2008 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) fest; die Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens "G" lägen demgegenüber weiterhin nicht vor. Das VA berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 16.03.2009 eine "Sehminderung und Gesichtsfeldeinengung beidseitig" mit einem Einzel-GdB von 60, eine "Gebrauchseinschränkung beider Beine, postthrombotisches Syndrom beidseitig, chronisch-venöse Insuffizienz beidseitig, Arthrose" mit einem solchen von 30, eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel, Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar), Polyneuropathie", ein "Schulter-Arm-Syndrom, Fingerpolyarthrose", "Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Herzleistungsminderung" sowie "psychovegetative Störungen, chronisches Schmerzsyndrom" jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 sowie einen "Leberschaden" mit einem solchen von 10. Der Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2009 als unbegründet zurück. Eine weitere Erhöhung des GdB auf über 90 komme nicht in Betracht. Die Feststellung des Merkzeichens "G" setze, bei Sehminderungen mit einem GdB von 50 oder 60, erhebliche Störungen der Ausgleichsfunktion voraus, die bei der Klägerin nicht bestünden. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilausgleichs "G" lägen nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.05.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren, die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" vorliegen, weiter verfolgt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat sie sich auf ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren berufen und diverse Arztbriefe vorgelegt. Sie leide insbesondere unter schweren Stand- und Gang- bzw. Gleichgewichtsstörungen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Götz vom 09.06.2010 vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K.-B. hat unter dem 08.08.2009 mitgeteilt, dass bei der Klägerin schwerwiegende neurotische und psychische Störungen bzw. allergische Reaktionen vorlägen. Der stabile Diabetes mellitus ohne Hypoglykämien, die Hypertonie und die Schilddrüsenstörung seien als mittelgradig einzuordnen. Im Hinblick auf die zunehmenden Depressionen, Ängste und Herz-Kreislaufbeschwerden sei es zu einer Verschlechterung im klägerischen Gesundheitszustand gekommen. Nach Eigenerklärung müsse die Klägerin "alle paar Schritte" stehenbleiben. Eine Wegstrecke von zwei Kilometern im Ortsverkehr könne sie nach eigener Angabe wohl nicht innerhalb einer halben Stunde zurücklegen, wäre dabei aber nicht gefährdet. Dr. S.-B., Augenärztin, hat unter dem 07.08.2009 angegeben, bei der Klägerin bestünden unter anderem eine sehr schwere Sicca, eine mittlere Kurzsichtigkeit, der Verdacht auf ein Niederdruckglaukom sowie eine mittel- bis schwergradige Gesichtsfeldeinschränkung mit herabgesetztem Orientierungsvermögen. Die Klägerin sei ihrer Meinung nach nicht in der Lage, eine Wegstrecke von zwei Kilometern im Ortsverkehr ohne Eigengefährdung innerhalb einer halben Stunde zurückzulegen. Dr. W., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, hat unter dem 19.08.2009 bekundet, die Klägerin zuletzt im November 2008 "lediglich" wegen rezidivierender Wirbelsäulenbeschwerden behandelt zu haben. Zu einer erheblichen Beeinträchtigung der klägerischen Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr könne er nichts sagen. Dr. P., Arzt für Orthopädie, hat in seiner Auskunft vom 27.08.2009 mitgeteilt, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin gegenüber dem, der seiner Stellungnahme an das VA vom 30.06.2008 zu Grunde lag, nicht verändert habe. Die bei der Klägerin bestehenden knöchernen, neurogenen, durchblutungsbedingten und koordinativ-psychogene Faktoren seien jeweils nicht "übermäßig" ausgeprägt, führten jedoch insgesamt zu einer zunehmenden Beeinträchtigung des Gehvermögens.
Das SG hat sodann Dr. N. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens unter Einbeziehung eines von Dr. W. zu erstattenden augenärztlichen Zusatzgutachtens beauftragt. Dr. W., Facharzt für Augenheilkunde, hat in seinem augenärztlichen Gutachten vom 21.12.2009 bekundet, bei der Klägerin bestehe eine durch die vorhandene Brille ausreichend korrigierte höhere Kurz- und Stabsichtigkeit beider Augen (korrigierte Sehschärfe rechts 0,2, links 0,3) sowie eine Gesichtsfeldeinengung rechts mit beginnendem Bjerrum-Skotum, die jeweils mit einem Einzel-GdB von 30 einzuschätzen seien. Ferner bestehe ein Sicca-Syndrom. Insgesamt sei der GdB von Seiten der Augen auf 50 einzuschätzen. Erhebliche Störungen der Ausgleichfunktionen seien nicht erkennbar. Dr. N., Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Notfall- und Sportmedizin, hat in seinem medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.02.2010 bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eine mäßige Wirbelsäulenfehlhaltung (BWS/LWS-Skoliose, Rundrücken), in Höhe C6/7, BWS-Mitte und bei L5/S1 die Altersnorm übersteigende mittelgradige Verschleißveränderungen ohne aktuelle Wurzelreizsymptomatik und ohne eine belangvolle, die Altersnorm übersteigende Funktionslimitierung, ohne senso-motorische Defizite und ableitbarem intermittierendem stato-myalgischem und degenerativem Wirbelsäulensyndrom mit anzunehmender Überlagerung durch Depression mit Anpassungsstörung, Somatisierung sowie einer histrionischen Persönlichkeitsstörung (Einzel-GdB 10), leichte degenerative Fingerendgelenksveränderungen ohne Bewegungseinschränkungen und ohne Reizzeichen (Einzel-GdB 10), altersgerechte Verschleißerscheinungen der Hüft-, Knie- und Großzehengrundgelenke ohne aktuelle Bewegungseinschränkungen und ohne Reizzeichen sowie beidseits Krampfadern mit jeweils mäßigem Unterschenkelödem ohne Anzeichen für eine chronisch-venöse Insuffizienz (Einzel-GdB 10) benannt. Die übrigen - fachfremden - Gesundheitsstörungen bedingten mit Ausnahme derjenigen auf augenärztlichem Fachgebiet jedenfalls keine Einzel-GdB über 20. Der Klägerin sei der Barfußgang anlässlich der Untersuchung ebenerdig ohne Hinken, kleinschrittig und pausenfrei möglich gewesen. Eine Teststrecke von 40 m habe mit Gehstock in 67 sek, ohne Stock in 64 sek. bewältigt werden können, woraus sich für eine Distanz von 2 km eine Gehdauer von 55 min ergebe. Das von der Klägerin hierbei gezeigte Gehverhalten habe das benannte Kriterium (etwa 2 km in einer halben Stunde) nicht erreicht, jedoch bestünden keine objektiven organ-morphologischen Veränderungen, die ein i.d.S. ausreichendes Gehvermögen negieren würden.
Die Klägerin ist den Feststellungen des Gutachters mit Schreiben vom 19.04.2010 entgegen getreten und hat hierzu im Wesentlichen vorgebracht, zwischen dem oberflächlichen Gutachten und der Realität bestehe eine tiefe Kluft.
Nachdem dem Beklagten das Gutachten übersandt wurde, hat das VA nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 23.07.2010 den Bescheid vom 26.03.2009 - gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - für die Zeit ab dem 29.07.2010 insoweit aufgehoben, als dass der GdB nur noch 70 betrage. Zugleich hat es das Merkzeichen "RF" entzogen.
Das SG hat den Beteiligten unter dem 30.07.2011 mitgeteilt, dass der Bescheid vom 23.07.2010, entgegen der dort verwandten Rechtsbehelfsbelehrung, nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sei.
Während des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens hat die Klägerin am 18.11.2010 und am 20.05.2011 beim VA die Erhöhung des GdB sowie (erneut) die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" beantragt. Ferner hat sie am 19.09.2011 gegen den Bescheid vom 23.07.2010 Widerspruch erhoben und zugleich hilfsweise die Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 SGB X durch die Versorgungsverwaltung beantragt. Entscheidungen hierüber sind, soweit ersichtlich, noch nicht ergangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass der Herabsetzungs- und Entziehungsbescheid vom 23.07.2010 nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Gegenständlich sei ausschließlich die Zuerkennung des Nachteilausgleichs "G". Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens - auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit - nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Hierbei komme es darauf an, welche Wegstrecken allgemein noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als übliche Wegstrecke gelte eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt werden müsse. Bei der Klägerin bestünden nach den Bekundungen des Gutachters Dr. N. zwar Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule, diese seien jedoch nicht derart schwerwiegend, dass sie einen GdB von 50 bedingten. Die Klägerin habe anlässlich der Untersuchung durch den Gutachter einen altersgemäßen, kleinschrittigen und flüssigen Gang bei stets erhaltener Balancefähigkeit ohne wesentliche Gang-, Bewegungs- und Haltungsauffälligkeiten gezeigt. Sie sei zur Exploration ohne Gehstützen, Rollator oder anderen Gehhilfen erschienen. Das SG hat ferner ausgeführt, dass die Einwände der Klägerin gegen das Gutachten dieses nicht entkräfteten, da die Klägerin letztlich lediglich die sachverständige Einschätzung von Dr. N. durch ihre eigene, subjektive Einschätzung ersetze. Die bei der Klägerin ferner bestehende Sehbehinderung bedinge keinen GdB von wenigstens 70, erhebliche Störungen der Ausgleichsfunktion, die bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von 50 bzw. 60 ausnahmsweise in Kombination mit Störungen der Orientierungsfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führten, lägen nicht vor. Eine schwere geistige Behinderung mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit bestehe bei der Klägerin nicht.
Gegen den am 13.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.11.2011, einem Montag, Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, die im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten böten keine zutreffende tatsächliche Bewertungsgrundlage, da sie nicht auf ausreichenden Untersuchungen der Klägerin basierten. Der Gutachter Dr. N. sei insb. nicht auf ihre Beschwerden eingegangen. Ferner hat sie Arztbriefe der Gemeinschaftspraxis Dres. B. u.a. vom 21.09.2010, vom 12.10.2011, vom 02.01.2012 und vom 21.06.2012 sowie der Dres. P./P. vom 23.01.2012 und vom 13.07.2012 sowie ärztliche Atteste von Dr. A., Facharzt für Orthopädie, vom 18.01.2012 und vom 25.10.2012 vorgelegt. Weiter hat sie teilweise bis ins Jahr 1989 zurückreichende medizinische Unterlagen beigebracht. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin am 11.12.2012 abermals beim VA die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" beantragt. Im Rahmen dieses Antrages hat sie darüber hin aus die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung "aG" geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. August 2008 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2009 zu verurteilen, bei ihr ab dem 18.06.2008 die gesundheitlichen Merkmale einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2013 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und unter Heranziehung von § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin entscheiden, obschon diese zur mündlichen Verhandlung am 08.05.2013 nicht erschienen ist. Die Klägerin, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wurde in der Ladung vom 12.04.2013 darauf hingewiesen, dass auch in ihrer Abwesenheit Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Auch kann dem Schreiben der Klägerin vom 02.05.2013, in dem sie ihr Nichterscheinen angekündigt hat, ein Verlegungsantrag nicht entnommen werden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.08.2008 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 26.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009, soweit hierin die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nach-teilausgleichs "G" abgelehnt wurden. Soweit in den Bescheiden auch die Höhe des GdB festgestellt wurde, wurde dies von der Klägerin nicht angefochten, da sie ausschließlich den Nach¬teilausgleich "G" geltend gemacht hat.
Der Bescheid vom 23.07.2010, mit dem der GdB der Klägerin ab dem 29.07.2010, den Bescheid vom 26.03.2009 aufhebend, mit 70 ab dem 29.07.2010 festgestellt und der Nachteilausgleich "RF" entzogen wurde, ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er den streitgegenständlichen Bescheid, soweit dieser im gerichtlichen Verfahren angefochten wurde, nicht abgeändert bzw. ersetzt hat (st. Rspr. des Bundessozialgerichts [BSG] seit Urteil vom 28.02.1957 - 8 RV 443/54 - veröffentlicht in juris).
Die Berufung führt für die Klägerin nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder ab dem 18.06.2008 noch für die Zeit danach Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G". Der Bescheid vom 29.08.2008 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Seine Rechtsgrundlage findet das klägerische Begehren in §§ 69 Abs. 4, 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Ohne rechtliche Relevanz ist, anderes als es das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ausgeführt hat, ob vorliegend eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten ist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt nach seinem Wortlaut das Vorliegen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung voraus, was anzunehmen ist, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert, wenn er m.a.W. in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen zeitigt (BSG, Urteil vom 16.02.1984 - 1 RA 15/83 - veröffentlicht in juris). Dies ist im Falle einer, einen Antrag ablehnenden Entscheidung, wie vorliegend der (erstmaligen) Ablehnung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" im Bescheid vom 17.03.2005, jedoch nicht der Fall (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1985 - 1 RJ 2/84 - veröffentlicht in juris), weswegen § 48 SGB X nicht einschlägig ist.
Gemäß §§ 69 Abs. 4, 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen, wenn ein schwerbehinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Nach der Rechtsprechung gilt als übliche Wegstrecke in diesem Sinne eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - veröffentlicht in juris).
Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 beinhalteten die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 2008) konkretisierende Fallgestalten, wann die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erfüllt angesehen werden können. Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipitierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - jeweils veröffentlicht in juris). Ab dem 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) getreten. Damit hat das Bundes¬ministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten jedoch weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -; vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -; Urteil des Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - jew. veröffentlicht in juris). Den VG lassen sich daher - jedenfalls unmittelbar - keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilausgleichsentnehmen. Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen der §§ 145, 146 SGB IX und die in ständiger Übung hierzu angewandten Bewertungsgrundsätze, die in den Bestimmungen der AHP fußen. Da diese der Wahrung der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen dienten, zieht der Senat die Regelungen der AHP zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Betroffenen ergänzend zur Ausfüllung der Kriterien der §§ 145, 146 SGB IX weiter heran, insb. da die VG materiell die Grundsätze zum Nachteilsausgleich "G" aus den AHP unverändert übernommen haben (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.02.2013 - L 11 SB 137/11 - veröffentlicht in juris; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 06.07.2011 - L 3 SB 202/09 -).
Die AHP und ihnen nachfolgend die VG gaben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein behinderter Mensch infolge der Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist" und tragen damit dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von diesen Faktoren filtern die in den AHP und VG getroffenen Bestimmungen all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen, erheblich beeinträchtigen.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind hiernach als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusserkrankungen mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (Ziff. 30 Abs. 3 [S.137 f] der AHP; vgl. auch Teil D 1 d) [S.139f] der VG)). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (Ziff. 30 Abs. 5 [S.138] der AHP; vgl auch Teil D 1 f) [S.140] der VG). In Ansehung dieser Maßstäbe ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar bestehen bei der Klägerin Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule, diese bedingen jedoch keine wesentlichen statischen oder funktionellen Auswirkungen. Nach den Bekundungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Arztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. N. besteht bei der Klägerin lediglich eine mäßige Wirbelsäulenfehlhaltung bei Skoliose mit mittelgradigen Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizsymptome, ohne senso-motorisches Defizit. Eine maßgebliche Funktionseinschränkung des Achsenorgans hat Dr. N. hieraus nachvollziehbar negiert. Auch die Beweglichkeit der klägerischen Hüft-, Knie- und Großzehengrundgelenke ist beidseits nicht eingeschränkt. Anzeichen für eine relevante chronisch-venöse Insuffizienz bestanden ebenso wenig wie Hinweise auf eine Polyneuropathie oder eine Polyarthrose. Die Klägerin zeigte nach den Bekundungen des Gutachters anlässlich der Begutachtung vielmehr einen altersgemäßen, kleinschrittigen und flüssigen Gang bei stets erhaltener Balancefähigkeit ohne wesentliche Gang-, Bewegungs- und Haltungsauffälligkeiten. Sie konnte sich zudem selbstständig ohne erkennbare Schonhaltung be- und entkleiden. Soweit Dr. N. im Rahmen der Untersuchung einen "Gehversuch" mit der Klägerin unternommen hat und hierzu mitgeteilt hat, dass die Klägerin für eine Gehstrecke vom 40 m 64 sek. ohne Zuhilfenahme eines Stockes und 67 sek. mit einem solchen benötigt habe, hieraus errechnet, dass die Klägerin für eine Strecke von 2.000 m rund 55 min. benötige, vermag der Senat, wie auch der Gutachter selbst, hieraus nicht den Schluss einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr zu ziehen. Die von der Klägerin gezeigte Gehfähigkeit, wie sie sich in den benannten Zeitrahmen ausdrückt, steht im Widerspruch zu den sonstigen Bekundungen des Gutachters zum Gehvermögen der Klägerin, welches zwar kleinschrittig aber flüssig und ohne Auffälligkeiten sei. Grund für die demonstrierte Einschränkung des Gehvermögens kann, wie der Gutachter - sinngemäß - ausführt das Alter der Klägerin sein, welches bei der Beurteilung der Gehfähigkeit jedoch nicht zu berücksichtigen ist. Jedenfalls bestehen bei der Klägerin keine organischen Befunde, die das demonstriere Gehvermögen nachvollziehbar machen könnten. Der Senat ist mithin nicht davon überzeugt, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, 2000 m in 30 min zurücklegen zu können.
Zweifel daran, dass die von Dr. N. erhobenen Befunde dem tatsächlichen Gesundheitszustand der Klägerin entsprechen, hat der Senat nicht. Die Einwände der Klägerin, der Gutachter habe ihre Beschwerden und die aktenkundigen Vorbefunde nicht ausreichend gewürdigt und habe sie nur oberflächlich untersucht, vermögen keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Gutachters zu begründen. Die Klägerin verkennt insofern, dass es im Rahmen der Begutachtungssituation zuvorderst darauf ankommt, aktuell bestehende Funktionsbeeinträchtigungen zu ermitteln, nicht jedoch darum, eine Therapiemöglichkeit zu eruieren. Im Übrigen hat Dr. N. überzeugend dargelegt, dass eine Vielzahl der in den aktenkundigen Vorbefunden genannten Diagnosen bei der Klägerin überhaupt nicht vorliegen. So hat auch Orthopäde Dr. W. die Klägerin ausweislich seiner Auskunft vom 19.08.2009 lediglich wegen Wirbelsäulenbeschwerden behandelt. Zwar nennt Orthopäde Dr. P. in seiner Auskunft vom 27.08.2009 diverse Diagnosen, entsprechende objektiv-klinische Befunde teilt er indessen nicht mit. Auch die zur Begründung der Berufung vorgelegten medizinischen Unterlagen begründen keine Zweifel daran, dass die Einschätzung von Dr. N. unverändert Gültigkeit beansprucht. Die (bloße) Benennung von Ergebnissen bildgebender Untersuchungsverfahren, wie in den vorgelegten Arztbriefen der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. B. u.a. vom 21.09.2010, vom 12.10.2011, vom 02.01.2012 und vom 21.06.2012 ist nicht geeignet, beweglichkeitseinschränkende Funktionslimitierungen zu belegen. Auch soweit Dr. A. in seinem Attest vom 25.10.2012 mitteilt, die Klägerin sei in ihrer Gehstrecke auf 50 m limitiert, weswegen der Nach¬teilausgleich "aG" befürwortet werde, vermag dies keine abweichende Einschätzung zu begründen, da hierfür tragende Befunde von Dr. A. nicht mitgeteilt worden sind.
Für die klägerischen Wirbelsäulenleiden kann jedenfalls kein höherer Einzel-GdB als 20 angenommen werden, weil weder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt noch mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bzw. im Lendenwirbelsäulenbereich, die die Annahme eines höheren GdB (vgl. Teil A, Ziff. 26.18 [S.116] der AHP bzw. Teil B, Ziff. 18.9 [S.107] der VG) bzw. die Annahme einer erheblichen Einschränkung des Gehvermögens (vgl. Teil B, Ziff. 30 Abs. 3 [S.137] der AHP bzw. Teil D 1 d) [S.139] der VG) rechtfertigen könnten, nachgewiesen sind.
Relevante Bewegungseinschränkungen der klägerischen Hüft-, Knie- und Sprunggelenke sind ebenfalls nicht nachgewiesen. Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. N. wurden lediglich endgradige Beweglichkeitseinschränkungen im Hüftgelenk (Streckung/Beugung: links 5-0-100°, rechts im Normbereich; Außen-/Innendrehung: rechts 40-0-20°, links 35-0-20°) und bei der Fußrücken- bzw. Fußsohlenwärtsführung in den oberen Sprunggelenken (rechts 15-0-40°, links 15-0-40°) festgestellt. Eine GdB-pflichtige funktionelle Einschränkung ist hieraus nicht abzuleiten (vgl. Ziff. 26.18 [S.124 f. und 127] der AHP bzw. Ziff. 18.14 [S.115 und 117], der VG).
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von 50 nicht gerechtfertigt. Die entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit denen, die beim Verlust eines Beines im Unterschenkel bestehen, nicht vergleichbar. Auch wirken sich die Gesundheitsstörungen nicht besonders auf die Gehfähigkeit aus.
Bei der Klägerin bestehen zur Überzeugung des Senats auch keine inneren Leiden, die sich entscheidend auf das Gehvermögen auswirken. Bei der letzten aktenkundigen kardialen Untersuchung durch den Internisten und Kardiologen Dr. H. am 09.07.2008 war die Klägerin in der Belastungsergometrie unter Ausschluss einer relevanten Herzinsuffizienz bis 75 Watt bei einer normalen linksventrikulären Funktion belastbar. Dies entnimmt der Senat, wie bereits das SG, dem Arztbrief von Dr. H. vom 09.07.2008. Bei einer derartigen Belastbarkeit liegt keine versorgungsmedizinisch erhebliche Herzleistungsbeeinträchtigung vor (vgl. Ziff. 30 Abs. 3 [S.137 f.], Ziff. 26.9 [S.71] der AHP bzw. Ziff. 9.1.1 [S.64] der VG). Die entgegenstehende Einschätzung von Dr. K.-B. ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Bei der Klägerin liegt ferner auch keine Sehbehinderung vor, die mit einem GdB von wenigstens 70 zu bewerten wäre. Die klägerische reduzierte Sehschärfe (korrigiert links 0,3 und rechts 0,2) bedingt in Übereinstimmung mit dem von Augenarzt Dr. W. (Gutachten vom 21.12.2009) schlüssig und nachvollziehbar erhobenen Befund gemäß Ziff. 26.4 [S.52] der AHP bzw. Ziff. 4.3 [S.46] der VG einen GdB von 30, die klägerischen Gesichtsfeldeinengungen in Ermangelung einer nachgewiesenen allseitigen Einengung binokular auf 10° Abstand vom Zentrum oder weniger gemäß Ziff. 26.4 [S.55] der AHP bzw. Ziff. 4.5 [S.48] der VG jedenfalls keinen höheren GdB als 30, so dass auf augenärztlichem Fachgebiet insgesamt unter gemeinsamer Berücksichtigung der Einschränkung der Sehschärfe und der Gesichtsfeldeinengungen kein GdB von wenigstens 70 erreicht ist. Das Sicca-Syndrom bzw. der beginnende graue Star sind dabei nicht zusätzlich zu bewerten (vgl. Ziff. 26.4 [S.55] der AHP bzw. Ziff. 4 [S.44] der VG), weil sich der GdB bei Augenerkrankungen im Wesentlichen nach dem Ausmaß der Sehbehinderung bemisst und vorliegend darüber hinausgehende erhebliche Beeinträchtigungen nicht ersichtlich sind. Erhebliche Störungen der Ausgleichsfunktion, die bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von 50 bzw. 60 ausnahmsweise in Kombination mit Störungen der Orientierungsfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (vgl. Ziff. 30 Abs. 5 [S.138] der AHP und Teil D 1 f) [S.140] der VG) sind hier ebenfalls nicht ersichtlich. Dafür, dass sich die Klägerin räumlich nicht mehr zu orientieren vermag, liegen keine Anhaltspunkte vor. I.d.S. haben Dr. N. und Dr. W. auch übereinstimmend keine Störungen der Ausgleichsfunktionen feststellen können. Vor diesem Hintergrund ist die Auskunft der Augenärztin Dr. S.-B. vom 07.08.2009 nicht nachvollziehbar. Sie beruht ersichtlich auf den subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin und lässt überdies jede Auseinandersetzung mit den einschlägigen gesetzlichen Bewertungsmaßstäben vermissen.
Dass bei der Klägerin eine schwere geistige Behinderung mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit (regelmäßig GdB von mindestens 80 auf psychischem Gebiet, vgl. Ziff. 30 Abs. 5 [S.138] der AHP und Teil D 1 f) [S.140] der VG) vorliegt, wie etwa die Allgemeinmedizinerin Dr. K.-B. (Auskunft vom 08.08.2009) und auch der Orthopäde Dr. P. (Auskunft vom 27.08.2009) im Hinblick auf eine Angst- und Depressionsstörung anführen, ist in Ermangelung der Benennung dies tragender psychopathologischer Befunde, nicht nachvollziehbar.
Mithin ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt; die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" liegen in der Person der Klägerin nicht vor.
Die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in der Person der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs der erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ("G") festzustellen sind.
Bei der am 02.11.1937 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Stuttgart zuletzt mit Bescheid vom 17.04.2003 (Widerspruchsbescheid vom 15.12.2003) bestandskräftig einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 seit dem 27.11.2002 fest. Es berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 11.04.2003 eine "Sehminderung beidseitig" mit einem Einzel-GdB von 50, ein "postthrombotisches Syndrom rechtsseitig, chronisch-venöse Insuffizienz" mit einem solchen von 30, eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Polyarthrose", "Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar)", eine "Fingerpolyarthrose, Schulter-Arm-Syndrom", "psychovegetative Störungen" und "Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck" jeweils mit einem solchen von 20 sowie einen "Leberschaden" mit einem Einzel-GdB von 10.
Einen Antrag auf Höherbewertung des GdB und Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilausgleiche "G" und "H" (Hilflosigkeit) lehnte das Landratsamt Böblingen - Versorgungsamt in Stuttgart - (VA), gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W., der die Voraussetzungen der Nachteilausgleiche nicht als gegeben erachtete, mit Bescheid vom 17.03.2005 bestandskräftig (Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005) ab.
Am 18.06.2008 beantragte die Klägerin beim VA erneut die Feststellung eines höheren GdB sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G". Nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen bei Dr. K.-B. und versorgungsärztliche Überprüfung durch Dr. F., der unter dem 12.08.2008 ausführte, die Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" seien unverändert nicht feststellbar, lehnte das VA den Antrag mit Bescheid vom 29.08.2008 ab. Eine wesentliche Verschlimmerung in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin sei, so das VA, nicht feststellbar. Mit ihrem hiergegen am 22.09.2008 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, das VA habe die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht angemessen gewürdigt. Nach Beiziehung augenärztlicher Befundunterlagen bei Dr. B., die von einem Visus von 0,5 (rechts) und 0,63 (links) sowie einer beidseitigen Makulopathie berichtete und versorgungsärztlicher Überprüfung half das VA dem Widerspruch teilweise ab und stellte bei der Klägerin mit Teil-Abhilfebescheid vom 26.03.2009 einen GdB von 90 seit dem 18.06.2008 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) fest; die Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens "G" lägen demgegenüber weiterhin nicht vor. Das VA berücksichtigte hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M.-T. vom 16.03.2009 eine "Sehminderung und Gesichtsfeldeinengung beidseitig" mit einem Einzel-GdB von 60, eine "Gebrauchseinschränkung beider Beine, postthrombotisches Syndrom beidseitig, chronisch-venöse Insuffizienz beidseitig, Arthrose" mit einem solchen von 30, eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel, Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar), Polyneuropathie", ein "Schulter-Arm-Syndrom, Fingerpolyarthrose", "Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Herzleistungsminderung" sowie "psychovegetative Störungen, chronisches Schmerzsyndrom" jeweils mit einem Einzel-GdB von 20 sowie einen "Leberschaden" mit einem solchen von 10. Der Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2009 als unbegründet zurück. Eine weitere Erhöhung des GdB auf über 90 komme nicht in Betracht. Die Feststellung des Merkzeichens "G" setze, bei Sehminderungen mit einem GdB von 50 oder 60, erhebliche Störungen der Ausgleichsfunktion voraus, die bei der Klägerin nicht bestünden. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilausgleichs "G" lägen nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.05.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren, die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" vorliegen, weiter verfolgt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat sie sich auf ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren berufen und diverse Arztbriefe vorgelegt. Sie leide insbesondere unter schweren Stand- und Gang- bzw. Gleichgewichtsstörungen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Götz vom 09.06.2010 vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K.-B. hat unter dem 08.08.2009 mitgeteilt, dass bei der Klägerin schwerwiegende neurotische und psychische Störungen bzw. allergische Reaktionen vorlägen. Der stabile Diabetes mellitus ohne Hypoglykämien, die Hypertonie und die Schilddrüsenstörung seien als mittelgradig einzuordnen. Im Hinblick auf die zunehmenden Depressionen, Ängste und Herz-Kreislaufbeschwerden sei es zu einer Verschlechterung im klägerischen Gesundheitszustand gekommen. Nach Eigenerklärung müsse die Klägerin "alle paar Schritte" stehenbleiben. Eine Wegstrecke von zwei Kilometern im Ortsverkehr könne sie nach eigener Angabe wohl nicht innerhalb einer halben Stunde zurücklegen, wäre dabei aber nicht gefährdet. Dr. S.-B., Augenärztin, hat unter dem 07.08.2009 angegeben, bei der Klägerin bestünden unter anderem eine sehr schwere Sicca, eine mittlere Kurzsichtigkeit, der Verdacht auf ein Niederdruckglaukom sowie eine mittel- bis schwergradige Gesichtsfeldeinschränkung mit herabgesetztem Orientierungsvermögen. Die Klägerin sei ihrer Meinung nach nicht in der Lage, eine Wegstrecke von zwei Kilometern im Ortsverkehr ohne Eigengefährdung innerhalb einer halben Stunde zurückzulegen. Dr. W., Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, hat unter dem 19.08.2009 bekundet, die Klägerin zuletzt im November 2008 "lediglich" wegen rezidivierender Wirbelsäulenbeschwerden behandelt zu haben. Zu einer erheblichen Beeinträchtigung der klägerischen Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr könne er nichts sagen. Dr. P., Arzt für Orthopädie, hat in seiner Auskunft vom 27.08.2009 mitgeteilt, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin gegenüber dem, der seiner Stellungnahme an das VA vom 30.06.2008 zu Grunde lag, nicht verändert habe. Die bei der Klägerin bestehenden knöchernen, neurogenen, durchblutungsbedingten und koordinativ-psychogene Faktoren seien jeweils nicht "übermäßig" ausgeprägt, führten jedoch insgesamt zu einer zunehmenden Beeinträchtigung des Gehvermögens.
Das SG hat sodann Dr. N. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens unter Einbeziehung eines von Dr. W. zu erstattenden augenärztlichen Zusatzgutachtens beauftragt. Dr. W., Facharzt für Augenheilkunde, hat in seinem augenärztlichen Gutachten vom 21.12.2009 bekundet, bei der Klägerin bestehe eine durch die vorhandene Brille ausreichend korrigierte höhere Kurz- und Stabsichtigkeit beider Augen (korrigierte Sehschärfe rechts 0,2, links 0,3) sowie eine Gesichtsfeldeinengung rechts mit beginnendem Bjerrum-Skotum, die jeweils mit einem Einzel-GdB von 30 einzuschätzen seien. Ferner bestehe ein Sicca-Syndrom. Insgesamt sei der GdB von Seiten der Augen auf 50 einzuschätzen. Erhebliche Störungen der Ausgleichfunktionen seien nicht erkennbar. Dr. N., Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Notfall- und Sportmedizin, hat in seinem medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.02.2010 bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eine mäßige Wirbelsäulenfehlhaltung (BWS/LWS-Skoliose, Rundrücken), in Höhe C6/7, BWS-Mitte und bei L5/S1 die Altersnorm übersteigende mittelgradige Verschleißveränderungen ohne aktuelle Wurzelreizsymptomatik und ohne eine belangvolle, die Altersnorm übersteigende Funktionslimitierung, ohne senso-motorische Defizite und ableitbarem intermittierendem stato-myalgischem und degenerativem Wirbelsäulensyndrom mit anzunehmender Überlagerung durch Depression mit Anpassungsstörung, Somatisierung sowie einer histrionischen Persönlichkeitsstörung (Einzel-GdB 10), leichte degenerative Fingerendgelenksveränderungen ohne Bewegungseinschränkungen und ohne Reizzeichen (Einzel-GdB 10), altersgerechte Verschleißerscheinungen der Hüft-, Knie- und Großzehengrundgelenke ohne aktuelle Bewegungseinschränkungen und ohne Reizzeichen sowie beidseits Krampfadern mit jeweils mäßigem Unterschenkelödem ohne Anzeichen für eine chronisch-venöse Insuffizienz (Einzel-GdB 10) benannt. Die übrigen - fachfremden - Gesundheitsstörungen bedingten mit Ausnahme derjenigen auf augenärztlichem Fachgebiet jedenfalls keine Einzel-GdB über 20. Der Klägerin sei der Barfußgang anlässlich der Untersuchung ebenerdig ohne Hinken, kleinschrittig und pausenfrei möglich gewesen. Eine Teststrecke von 40 m habe mit Gehstock in 67 sek, ohne Stock in 64 sek. bewältigt werden können, woraus sich für eine Distanz von 2 km eine Gehdauer von 55 min ergebe. Das von der Klägerin hierbei gezeigte Gehverhalten habe das benannte Kriterium (etwa 2 km in einer halben Stunde) nicht erreicht, jedoch bestünden keine objektiven organ-morphologischen Veränderungen, die ein i.d.S. ausreichendes Gehvermögen negieren würden.
Die Klägerin ist den Feststellungen des Gutachters mit Schreiben vom 19.04.2010 entgegen getreten und hat hierzu im Wesentlichen vorgebracht, zwischen dem oberflächlichen Gutachten und der Realität bestehe eine tiefe Kluft.
Nachdem dem Beklagten das Gutachten übersandt wurde, hat das VA nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 23.07.2010 den Bescheid vom 26.03.2009 - gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - für die Zeit ab dem 29.07.2010 insoweit aufgehoben, als dass der GdB nur noch 70 betrage. Zugleich hat es das Merkzeichen "RF" entzogen.
Das SG hat den Beteiligten unter dem 30.07.2011 mitgeteilt, dass der Bescheid vom 23.07.2010, entgegen der dort verwandten Rechtsbehelfsbelehrung, nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sei.
Während des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens hat die Klägerin am 18.11.2010 und am 20.05.2011 beim VA die Erhöhung des GdB sowie (erneut) die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" beantragt. Ferner hat sie am 19.09.2011 gegen den Bescheid vom 23.07.2010 Widerspruch erhoben und zugleich hilfsweise die Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 SGB X durch die Versorgungsverwaltung beantragt. Entscheidungen hierüber sind, soweit ersichtlich, noch nicht ergangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass der Herabsetzungs- und Entziehungsbescheid vom 23.07.2010 nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Gegenständlich sei ausschließlich die Zuerkennung des Nachteilausgleichs "G". Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens - auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit - nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Hierbei komme es darauf an, welche Wegstrecken allgemein noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als übliche Wegstrecke gelte eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt werden müsse. Bei der Klägerin bestünden nach den Bekundungen des Gutachters Dr. N. zwar Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule, diese seien jedoch nicht derart schwerwiegend, dass sie einen GdB von 50 bedingten. Die Klägerin habe anlässlich der Untersuchung durch den Gutachter einen altersgemäßen, kleinschrittigen und flüssigen Gang bei stets erhaltener Balancefähigkeit ohne wesentliche Gang-, Bewegungs- und Haltungsauffälligkeiten gezeigt. Sie sei zur Exploration ohne Gehstützen, Rollator oder anderen Gehhilfen erschienen. Das SG hat ferner ausgeführt, dass die Einwände der Klägerin gegen das Gutachten dieses nicht entkräfteten, da die Klägerin letztlich lediglich die sachverständige Einschätzung von Dr. N. durch ihre eigene, subjektive Einschätzung ersetze. Die bei der Klägerin ferner bestehende Sehbehinderung bedinge keinen GdB von wenigstens 70, erhebliche Störungen der Ausgleichsfunktion, die bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von 50 bzw. 60 ausnahmsweise in Kombination mit Störungen der Orientierungsfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führten, lägen nicht vor. Eine schwere geistige Behinderung mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit bestehe bei der Klägerin nicht.
Gegen den am 13.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.11.2011, einem Montag, Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, die im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten böten keine zutreffende tatsächliche Bewertungsgrundlage, da sie nicht auf ausreichenden Untersuchungen der Klägerin basierten. Der Gutachter Dr. N. sei insb. nicht auf ihre Beschwerden eingegangen. Ferner hat sie Arztbriefe der Gemeinschaftspraxis Dres. B. u.a. vom 21.09.2010, vom 12.10.2011, vom 02.01.2012 und vom 21.06.2012 sowie der Dres. P./P. vom 23.01.2012 und vom 13.07.2012 sowie ärztliche Atteste von Dr. A., Facharzt für Orthopädie, vom 18.01.2012 und vom 25.10.2012 vorgelegt. Weiter hat sie teilweise bis ins Jahr 1989 zurückreichende medizinische Unterlagen beigebracht. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin am 11.12.2012 abermals beim VA die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" beantragt. Im Rahmen dieses Antrages hat sie darüber hin aus die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung "aG" geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. August 2008 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 26. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2009 zu verurteilen, bei ihr ab dem 18.06.2008 die gesundheitlichen Merkmale einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2013 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und unter Heranziehung von § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin entscheiden, obschon diese zur mündlichen Verhandlung am 08.05.2013 nicht erschienen ist. Die Klägerin, deren persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, wurde in der Ladung vom 12.04.2013 darauf hingewiesen, dass auch in ihrer Abwesenheit Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann. Auch kann dem Schreiben der Klägerin vom 02.05.2013, in dem sie ihr Nichterscheinen angekündigt hat, ein Verlegungsantrag nicht entnommen werden.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 29.08.2008 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 26.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009, soweit hierin die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nach-teilausgleichs "G" abgelehnt wurden. Soweit in den Bescheiden auch die Höhe des GdB festgestellt wurde, wurde dies von der Klägerin nicht angefochten, da sie ausschließlich den Nach¬teilausgleich "G" geltend gemacht hat.
Der Bescheid vom 23.07.2010, mit dem der GdB der Klägerin ab dem 29.07.2010, den Bescheid vom 26.03.2009 aufhebend, mit 70 ab dem 29.07.2010 festgestellt und der Nachteilausgleich "RF" entzogen wurde, ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er den streitgegenständlichen Bescheid, soweit dieser im gerichtlichen Verfahren angefochten wurde, nicht abgeändert bzw. ersetzt hat (st. Rspr. des Bundessozialgerichts [BSG] seit Urteil vom 28.02.1957 - 8 RV 443/54 - veröffentlicht in juris).
Die Berufung führt für die Klägerin nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder ab dem 18.06.2008 noch für die Zeit danach Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G". Der Bescheid vom 29.08.2008 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Seine Rechtsgrundlage findet das klägerische Begehren in §§ 69 Abs. 4, 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Ohne rechtliche Relevanz ist, anderes als es das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid ausgeführt hat, ob vorliegend eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten ist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt nach seinem Wortlaut das Vorliegen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung voraus, was anzunehmen ist, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert, wenn er m.a.W. in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen zeitigt (BSG, Urteil vom 16.02.1984 - 1 RA 15/83 - veröffentlicht in juris). Dies ist im Falle einer, einen Antrag ablehnenden Entscheidung, wie vorliegend der (erstmaligen) Ablehnung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" im Bescheid vom 17.03.2005, jedoch nicht der Fall (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.1985 - 1 RJ 2/84 - veröffentlicht in juris), weswegen § 48 SGB X nicht einschlägig ist.
Gemäß §§ 69 Abs. 4, 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen, wenn ein schwerbehinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Nach der Rechtsprechung gilt als übliche Wegstrecke in diesem Sinne eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - veröffentlicht in juris).
Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 beinhalteten die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt Ausgabe 2008) konkretisierende Fallgestalten, wann die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr als erfüllt angesehen werden können. Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipitierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - jeweils veröffentlicht in juris). Ab dem 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) getreten. Damit hat das Bundes¬ministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung, die ursprünglich in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.06.2011 (BGBl I 1114) seit dem 01.07.2011 in § 30 Abs. 16 BVG erteilt ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten jedoch weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -; vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -; Urteil des Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - jew. veröffentlicht in juris). Den VG lassen sich daher - jedenfalls unmittelbar - keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilausgleichsentnehmen. Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen der §§ 145, 146 SGB IX und die in ständiger Übung hierzu angewandten Bewertungsgrundsätze, die in den Bestimmungen der AHP fußen. Da diese der Wahrung der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen dienten, zieht der Senat die Regelungen der AHP zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Betroffenen ergänzend zur Ausfüllung der Kriterien der §§ 145, 146 SGB IX weiter heran, insb. da die VG materiell die Grundsätze zum Nachteilsausgleich "G" aus den AHP unverändert übernommen haben (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.02.2013 - L 11 SB 137/11 - veröffentlicht in juris; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 06.07.2011 - L 3 SB 202/09 -).
Die AHP und ihnen nachfolgend die VG gaben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein behinderter Mensch infolge der Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist" und tragen damit dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von diesen Faktoren filtern die in den AHP und VG getroffenen Bestimmungen all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen, erheblich beeinträchtigen.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind hiernach als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusserkrankungen mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (Ziff. 30 Abs. 3 [S.137 f] der AHP; vgl. auch Teil D 1 d) [S.139f] der VG)). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z.B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (Ziff. 30 Abs. 5 [S.138] der AHP; vgl auch Teil D 1 f) [S.140] der VG). In Ansehung dieser Maßstäbe ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar bestehen bei der Klägerin Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule, diese bedingen jedoch keine wesentlichen statischen oder funktionellen Auswirkungen. Nach den Bekundungen des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Arztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. N. besteht bei der Klägerin lediglich eine mäßige Wirbelsäulenfehlhaltung bei Skoliose mit mittelgradigen Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizsymptome, ohne senso-motorisches Defizit. Eine maßgebliche Funktionseinschränkung des Achsenorgans hat Dr. N. hieraus nachvollziehbar negiert. Auch die Beweglichkeit der klägerischen Hüft-, Knie- und Großzehengrundgelenke ist beidseits nicht eingeschränkt. Anzeichen für eine relevante chronisch-venöse Insuffizienz bestanden ebenso wenig wie Hinweise auf eine Polyneuropathie oder eine Polyarthrose. Die Klägerin zeigte nach den Bekundungen des Gutachters anlässlich der Begutachtung vielmehr einen altersgemäßen, kleinschrittigen und flüssigen Gang bei stets erhaltener Balancefähigkeit ohne wesentliche Gang-, Bewegungs- und Haltungsauffälligkeiten. Sie konnte sich zudem selbstständig ohne erkennbare Schonhaltung be- und entkleiden. Soweit Dr. N. im Rahmen der Untersuchung einen "Gehversuch" mit der Klägerin unternommen hat und hierzu mitgeteilt hat, dass die Klägerin für eine Gehstrecke vom 40 m 64 sek. ohne Zuhilfenahme eines Stockes und 67 sek. mit einem solchen benötigt habe, hieraus errechnet, dass die Klägerin für eine Strecke von 2.000 m rund 55 min. benötige, vermag der Senat, wie auch der Gutachter selbst, hieraus nicht den Schluss einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr zu ziehen. Die von der Klägerin gezeigte Gehfähigkeit, wie sie sich in den benannten Zeitrahmen ausdrückt, steht im Widerspruch zu den sonstigen Bekundungen des Gutachters zum Gehvermögen der Klägerin, welches zwar kleinschrittig aber flüssig und ohne Auffälligkeiten sei. Grund für die demonstrierte Einschränkung des Gehvermögens kann, wie der Gutachter - sinngemäß - ausführt das Alter der Klägerin sein, welches bei der Beurteilung der Gehfähigkeit jedoch nicht zu berücksichtigen ist. Jedenfalls bestehen bei der Klägerin keine organischen Befunde, die das demonstriere Gehvermögen nachvollziehbar machen könnten. Der Senat ist mithin nicht davon überzeugt, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, 2000 m in 30 min zurücklegen zu können.
Zweifel daran, dass die von Dr. N. erhobenen Befunde dem tatsächlichen Gesundheitszustand der Klägerin entsprechen, hat der Senat nicht. Die Einwände der Klägerin, der Gutachter habe ihre Beschwerden und die aktenkundigen Vorbefunde nicht ausreichend gewürdigt und habe sie nur oberflächlich untersucht, vermögen keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Gutachters zu begründen. Die Klägerin verkennt insofern, dass es im Rahmen der Begutachtungssituation zuvorderst darauf ankommt, aktuell bestehende Funktionsbeeinträchtigungen zu ermitteln, nicht jedoch darum, eine Therapiemöglichkeit zu eruieren. Im Übrigen hat Dr. N. überzeugend dargelegt, dass eine Vielzahl der in den aktenkundigen Vorbefunden genannten Diagnosen bei der Klägerin überhaupt nicht vorliegen. So hat auch Orthopäde Dr. W. die Klägerin ausweislich seiner Auskunft vom 19.08.2009 lediglich wegen Wirbelsäulenbeschwerden behandelt. Zwar nennt Orthopäde Dr. P. in seiner Auskunft vom 27.08.2009 diverse Diagnosen, entsprechende objektiv-klinische Befunde teilt er indessen nicht mit. Auch die zur Begründung der Berufung vorgelegten medizinischen Unterlagen begründen keine Zweifel daran, dass die Einschätzung von Dr. N. unverändert Gültigkeit beansprucht. Die (bloße) Benennung von Ergebnissen bildgebender Untersuchungsverfahren, wie in den vorgelegten Arztbriefen der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. B. u.a. vom 21.09.2010, vom 12.10.2011, vom 02.01.2012 und vom 21.06.2012 ist nicht geeignet, beweglichkeitseinschränkende Funktionslimitierungen zu belegen. Auch soweit Dr. A. in seinem Attest vom 25.10.2012 mitteilt, die Klägerin sei in ihrer Gehstrecke auf 50 m limitiert, weswegen der Nach¬teilausgleich "aG" befürwortet werde, vermag dies keine abweichende Einschätzung zu begründen, da hierfür tragende Befunde von Dr. A. nicht mitgeteilt worden sind.
Für die klägerischen Wirbelsäulenleiden kann jedenfalls kein höherer Einzel-GdB als 20 angenommen werden, weil weder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt noch mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bzw. im Lendenwirbelsäulenbereich, die die Annahme eines höheren GdB (vgl. Teil A, Ziff. 26.18 [S.116] der AHP bzw. Teil B, Ziff. 18.9 [S.107] der VG) bzw. die Annahme einer erheblichen Einschränkung des Gehvermögens (vgl. Teil B, Ziff. 30 Abs. 3 [S.137] der AHP bzw. Teil D 1 d) [S.139] der VG) rechtfertigen könnten, nachgewiesen sind.
Relevante Bewegungseinschränkungen der klägerischen Hüft-, Knie- und Sprunggelenke sind ebenfalls nicht nachgewiesen. Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr. N. wurden lediglich endgradige Beweglichkeitseinschränkungen im Hüftgelenk (Streckung/Beugung: links 5-0-100°, rechts im Normbereich; Außen-/Innendrehung: rechts 40-0-20°, links 35-0-20°) und bei der Fußrücken- bzw. Fußsohlenwärtsführung in den oberen Sprunggelenken (rechts 15-0-40°, links 15-0-40°) festgestellt. Eine GdB-pflichtige funktionelle Einschränkung ist hieraus nicht abzuleiten (vgl. Ziff. 26.18 [S.124 f. und 127] der AHP bzw. Ziff. 18.14 [S.115 und 117], der VG).
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von 50 nicht gerechtfertigt. Die entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit denen, die beim Verlust eines Beines im Unterschenkel bestehen, nicht vergleichbar. Auch wirken sich die Gesundheitsstörungen nicht besonders auf die Gehfähigkeit aus.
Bei der Klägerin bestehen zur Überzeugung des Senats auch keine inneren Leiden, die sich entscheidend auf das Gehvermögen auswirken. Bei der letzten aktenkundigen kardialen Untersuchung durch den Internisten und Kardiologen Dr. H. am 09.07.2008 war die Klägerin in der Belastungsergometrie unter Ausschluss einer relevanten Herzinsuffizienz bis 75 Watt bei einer normalen linksventrikulären Funktion belastbar. Dies entnimmt der Senat, wie bereits das SG, dem Arztbrief von Dr. H. vom 09.07.2008. Bei einer derartigen Belastbarkeit liegt keine versorgungsmedizinisch erhebliche Herzleistungsbeeinträchtigung vor (vgl. Ziff. 30 Abs. 3 [S.137 f.], Ziff. 26.9 [S.71] der AHP bzw. Ziff. 9.1.1 [S.64] der VG). Die entgegenstehende Einschätzung von Dr. K.-B. ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Bei der Klägerin liegt ferner auch keine Sehbehinderung vor, die mit einem GdB von wenigstens 70 zu bewerten wäre. Die klägerische reduzierte Sehschärfe (korrigiert links 0,3 und rechts 0,2) bedingt in Übereinstimmung mit dem von Augenarzt Dr. W. (Gutachten vom 21.12.2009) schlüssig und nachvollziehbar erhobenen Befund gemäß Ziff. 26.4 [S.52] der AHP bzw. Ziff. 4.3 [S.46] der VG einen GdB von 30, die klägerischen Gesichtsfeldeinengungen in Ermangelung einer nachgewiesenen allseitigen Einengung binokular auf 10° Abstand vom Zentrum oder weniger gemäß Ziff. 26.4 [S.55] der AHP bzw. Ziff. 4.5 [S.48] der VG jedenfalls keinen höheren GdB als 30, so dass auf augenärztlichem Fachgebiet insgesamt unter gemeinsamer Berücksichtigung der Einschränkung der Sehschärfe und der Gesichtsfeldeinengungen kein GdB von wenigstens 70 erreicht ist. Das Sicca-Syndrom bzw. der beginnende graue Star sind dabei nicht zusätzlich zu bewerten (vgl. Ziff. 26.4 [S.55] der AHP bzw. Ziff. 4 [S.44] der VG), weil sich der GdB bei Augenerkrankungen im Wesentlichen nach dem Ausmaß der Sehbehinderung bemisst und vorliegend darüber hinausgehende erhebliche Beeinträchtigungen nicht ersichtlich sind. Erhebliche Störungen der Ausgleichsfunktion, die bei einer Sehbehinderung mit einem GdB von 50 bzw. 60 ausnahmsweise in Kombination mit Störungen der Orientierungsfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (vgl. Ziff. 30 Abs. 5 [S.138] der AHP und Teil D 1 f) [S.140] der VG) sind hier ebenfalls nicht ersichtlich. Dafür, dass sich die Klägerin räumlich nicht mehr zu orientieren vermag, liegen keine Anhaltspunkte vor. I.d.S. haben Dr. N. und Dr. W. auch übereinstimmend keine Störungen der Ausgleichsfunktionen feststellen können. Vor diesem Hintergrund ist die Auskunft der Augenärztin Dr. S.-B. vom 07.08.2009 nicht nachvollziehbar. Sie beruht ersichtlich auf den subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin und lässt überdies jede Auseinandersetzung mit den einschlägigen gesetzlichen Bewertungsmaßstäben vermissen.
Dass bei der Klägerin eine schwere geistige Behinderung mit Auswirkungen auf die Gehfähigkeit (regelmäßig GdB von mindestens 80 auf psychischem Gebiet, vgl. Ziff. 30 Abs. 5 [S.138] der AHP und Teil D 1 f) [S.140] der VG) vorliegt, wie etwa die Allgemeinmedizinerin Dr. K.-B. (Auskunft vom 08.08.2009) und auch der Orthopäde Dr. P. (Auskunft vom 27.08.2009) im Hinblick auf eine Angst- und Depressionsstörung anführen, ist in Ermangelung der Benennung dies tragender psychopathologischer Befunde, nicht nachvollziehbar.
Mithin ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt; die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs "G" liegen in der Person der Klägerin nicht vor.
Die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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