Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 EG 1/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Voraussetzungen des ausnahmsweisen Bezuges von Elterngeld für die Dauer von 14 Monaten nach §
4 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 1. Alt. liegen vor, wenn der eine Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne
Einschränkungen auf den anderen Elternteil übertragen hat.
2. Es bedarf keiner Entscheidung des Familiengerichts nach § 1671 BGB, da § 4 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 1. und 2.
Alt. BEEG nicht kumulativ sondern alternativ verknüpft sind.
4 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 1. Alt. liegen vor, wenn der eine Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne
Einschränkungen auf den anderen Elternteil übertragen hat.
2. Es bedarf keiner Entscheidung des Familiengerichts nach § 1671 BGB, da § 4 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 1. und 2.
Alt. BEEG nicht kumulativ sondern alternativ verknüpft sind.
1. Der Bescheid vom 8. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2011 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Elterngeld für die Tochter M für den 13. und 14. Lebensmonat zu gewähren. 3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
STREITIG IST DIE GEWÄHRUNG VON ELTERNGELD FÜR DEN 13. UND 14. LEBENSMONAT.
Die in Deutschland geborene Klägerin ist Mutter der am in geborenen. Der in geborene Vater des Kindes lebte und lebt in Am 21. Oktober 2009 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. – 12. Lebensmonat des Kindes. Diesem Antrag entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2009 und bewilligte Elterngeld bis zum 13. Oktober 2010.
Am 19. Oktober 2010 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Elterngeldes für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes. Sie machte geltend, sie lebe von ihrem Ehemann getrennt, der sich weiterhin in aufhalte und habe ein Verfahren auf Ehescheidung eingeleitet. Sie fügte eine vom Ehemann der Klägerin unterzeichnete Erklärung mit dem folgenden Wortlaut bei:
"Hiermit erkläre ich, dass das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für unsere Tochter , geboren bei der Mutter ist; Herewith I declare, that the right to ascertain the abidance alone for our daughter , born is with the mother, born
Beigefügt war auch der Antrag auf Scheidung bei dem Familiengericht am Amtsgericht Bad Segeberg vom 4. Mai 2010.
Mit Bescheid vom 8. November 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Verlängerung des Elterngeldes über den 12. Lebensmonat hinaus mit der Begründung ab, der alleinige Bezug von Elterngeld durch einen Elternteil für die Dauer von 14 Monaten komme nur ausnahmsweise in Betracht. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Eine schriftliche Erklärung des Kindesvaters über die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes reiche dabei nicht aus, um die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BEEG zu erfüllen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und wandte ein, die übersandte Erklärung des Kindsvaters sei rechtswirksam, da sie den Fall der tatsächlichen Verhinderung im Sinne des § 1674 BGB dokumentiere. Der Kindsvater habe keinen Kontakt und auch keinerlei Beziehung zu seinem Kind. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Ausnahmeregelung von § 4 Abs. 3 Ziff. 1 BEEG so zu verstehen sei, dass diese auch bei tatsächlicher Unmöglichkeit vorliege und keiner Gerichtsentscheidung bedarf.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Erklärung eines Elternteils, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den anderen Elternteil zu übertragen, habe nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen eines 14monatigen Elterngeldanspruchs gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG erfüllt wären. Die elterliche Sorge könne zwar zur Ausübung übertragen werden, dies genüge jedoch nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG.
Dagegen richtet sich die am 28. Februar 2011 bei dem Sozialgericht Lübeck erhobene Klage. Die Klägerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend, der Ehemann sei tatsächlich an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert, so dass schon nach der gesetzlichen Regelung in § 1678 Abs. 1 BGB der andere Elternteil, also hier die Klägerin, das Sorgerecht allein ausübe. Die Einreichung einer einstweiligen Anordnung sei nicht erforderlich. &8195;
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß Elterngeld für die Tochter für den 13. und 14. Lebensmonat zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Widerspruchsbescheid.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. März 2013 haben die Gerichts- und die Verwaltungsakte vorgelegen. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Die Klage ist auch begründet, denn die Beklagte hat zu Unrecht den Anspruch der Klägerin auf zwei weitere Monate Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihrer Tochter abgelehnt. Der angefochtene Bescheid vom 8. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2011 verletzt die Klägerin in ihren Rechten und war deshalb aufzuheben. Die Beklagte war zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß das Elterngeld weiterzugewähren.
Auch wenn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG ein Elternteil höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen kann und grundsätzlich die weiteren 2 Monate für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes nur vom anderen Elternteil beansprucht werden können, kennt das Gesetz zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz, wobei im Fall der Klägerin Anhaltspunkte allein für die Ausnahmevorschrift in § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG vorliegen.
Danach steht Elterngeld für 14 Monate einem Elternteil auch zu, wenn ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht oder er eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden sind. Die Regelung enthält aufgrund der Oder-Verknüpfung zwei Tatbestandsalternativen, wobei die erste auf die Klägerin Anwendung findet. Denn der Vater und Ehemann der Klägerin – die Scheidung ist noch nicht durchgeführt worden – hat eine Erklärung abgegeben, wonach das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zusteht. Diese Erklärung erfüllt unzweifelhaft die Voraussetzungen von § 4 Abs. 3 Satz 4 Ziff. 1 1. Alt. BEEG. Eine einstweilige Anordnung bei dem Familiengericht auf Übertragung der elterlichen Sorge oder zumindest des Aufenthaltsbestimmungsrechtes bedarf es nicht. Anderenfalls wäre vom Gesetzgeber eine kumulative Verknüpfung vorgesehen worden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist jedoch von zwei eigenständigen Alternativen auszugehen.
Ohnehin wäre nur eine Entscheidung des Familiengerichtes auf dem Hintergrund des § 1671 BGB denkbar: Denn wenn Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt (§ 1671 Abs. 1 BGB). Dem Antrag ist stattzugeben, soweit der andere Elternteil zustimmt (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Da diese Zustimmung des Kindsvaters vorliegt, wäre dem Antrag – wenn er gestellt worden wäre – stattzugeben gewesen. Eines solchen Beschlusses bedurfte es zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht.
Die Beklagte hat im Termin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes ein Schreiben des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend vom 19. Januar 2009 vorgelegt. Darin äußerte der Referent Dr. Vollmer die Auffassung, dass eine Verzichtserklärung des Vaters gegenüber der Elterngeldstelle oder der Mutter, bei gleichzeitiger Erklärung, das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu übertragen, nicht zur Folge habe, dass die Voraussetzungen eines 14monatigen Elterngeldanspruchs der Mutter gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 BEEG erfüllt wären. Diese Rechtsauffassung ist damit begründet worden, dass die elterliche Sorge zwar zur Ausübung übertragen werden könne, dies jedoch den Anforderungen des § 4 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 ( jetzt Abs. 3 Satz 4 Nr. 1) BEEG nicht genüge, da auch bei Übertragung zur Ausübung das Recht selbst bei dem übertragenen Elternteil verbleibe.
Dieser Rechtsauffassung vermochte die Kammer nicht zu folgen, denn sie widerspricht dem Gesetzeswortlaut.
Danach reicht es aus, wenn dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Stellungnahme des Bundesministeriums einen Auslandsfall betraf, bei dem der andere Elternteil an der Ausübung der elterlichen Sorge aus tatsächlichen Gründen gehindert ist: Als ein in geborener Kanadier war und ist der Kindesvater nach den Angaben der Klägerin an einem ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehindert. Die in Kanada geschlossene Hochzeit ist in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht anerkannt worden. Ob es sich in diesem Zusammenhang um eine Scheinehe gehandelt hat, ist für die Beantwortung der Rechtsfrage unerheblich.
Die Stellungnahme des Bundesministeriums stellt im Übrigen auch keine von der Beklagten bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigende Weisung dar sondern lediglich die Antwort auf eine konkrete Frage eines bestimmten unbekannten Sachverhalts dar. Steht der Klägerin bereits ein Rechtsanspruch auf Elterngeld aufgrund von § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 1. Alt. BEEG zu, konnte es die Kammer dahinstehen lassen, ob dieser Anspruch auch aus § 4 Abs. 3 Satz 3 2. Alt besteht. Nach dieser Vorschrift kann ein Elternteil abweichend von Satz 1 für 14 Monate Elterngeld beziehen, wenn eine Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann; für die Feststellung der Unmöglichkeit der Betreuung bleiben wirtschaftliche Gründe und Gründe einer Veränderung wegen anderweitiger Tätigkeiten außer Betracht.
Nach alldem waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu der beantragten Leistung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Direktor des Sozialgerichts
Tatbestand:
STREITIG IST DIE GEWÄHRUNG VON ELTERNGELD FÜR DEN 13. UND 14. LEBENSMONAT.
Die in Deutschland geborene Klägerin ist Mutter der am in geborenen. Der in geborene Vater des Kindes lebte und lebt in Am 21. Oktober 2009 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. – 12. Lebensmonat des Kindes. Diesem Antrag entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2009 und bewilligte Elterngeld bis zum 13. Oktober 2010.
Am 19. Oktober 2010 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Elterngeldes für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes. Sie machte geltend, sie lebe von ihrem Ehemann getrennt, der sich weiterhin in aufhalte und habe ein Verfahren auf Ehescheidung eingeleitet. Sie fügte eine vom Ehemann der Klägerin unterzeichnete Erklärung mit dem folgenden Wortlaut bei:
"Hiermit erkläre ich, dass das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für unsere Tochter , geboren bei der Mutter ist; Herewith I declare, that the right to ascertain the abidance alone for our daughter , born is with the mother, born
Beigefügt war auch der Antrag auf Scheidung bei dem Familiengericht am Amtsgericht Bad Segeberg vom 4. Mai 2010.
Mit Bescheid vom 8. November 2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Verlängerung des Elterngeldes über den 12. Lebensmonat hinaus mit der Begründung ab, der alleinige Bezug von Elterngeld durch einen Elternteil für die Dauer von 14 Monaten komme nur ausnahmsweise in Betracht. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Eine schriftliche Erklärung des Kindesvaters über die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes reiche dabei nicht aus, um die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BEEG zu erfüllen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und wandte ein, die übersandte Erklärung des Kindsvaters sei rechtswirksam, da sie den Fall der tatsächlichen Verhinderung im Sinne des § 1674 BGB dokumentiere. Der Kindsvater habe keinen Kontakt und auch keinerlei Beziehung zu seinem Kind. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Ausnahmeregelung von § 4 Abs. 3 Ziff. 1 BEEG so zu verstehen sei, dass diese auch bei tatsächlicher Unmöglichkeit vorliege und keiner Gerichtsentscheidung bedarf.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Erklärung eines Elternteils, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den anderen Elternteil zu übertragen, habe nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen eines 14monatigen Elterngeldanspruchs gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG erfüllt wären. Die elterliche Sorge könne zwar zur Ausübung übertragen werden, dies genüge jedoch nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG.
Dagegen richtet sich die am 28. Februar 2011 bei dem Sozialgericht Lübeck erhobene Klage. Die Klägerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend, der Ehemann sei tatsächlich an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert, so dass schon nach der gesetzlichen Regelung in § 1678 Abs. 1 BGB der andere Elternteil, also hier die Klägerin, das Sorgerecht allein ausübe. Die Einreichung einer einstweiligen Anordnung sei nicht erforderlich. &8195;
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß Elterngeld für die Tochter für den 13. und 14. Lebensmonat zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Widerspruchsbescheid.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. März 2013 haben die Gerichts- und die Verwaltungsakte vorgelegen. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Die Klage ist auch begründet, denn die Beklagte hat zu Unrecht den Anspruch der Klägerin auf zwei weitere Monate Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihrer Tochter abgelehnt. Der angefochtene Bescheid vom 8. November 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2011 verletzt die Klägerin in ihren Rechten und war deshalb aufzuheben. Die Beklagte war zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäß das Elterngeld weiterzugewähren.
Auch wenn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG ein Elternteil höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen kann und grundsätzlich die weiteren 2 Monate für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes nur vom anderen Elternteil beansprucht werden können, kennt das Gesetz zahlreiche Ausnahmen von diesem Grundsatz, wobei im Fall der Klägerin Anhaltspunkte allein für die Ausnahmevorschrift in § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG vorliegen.
Danach steht Elterngeld für 14 Monate einem Elternteil auch zu, wenn ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht oder er eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden sind. Die Regelung enthält aufgrund der Oder-Verknüpfung zwei Tatbestandsalternativen, wobei die erste auf die Klägerin Anwendung findet. Denn der Vater und Ehemann der Klägerin – die Scheidung ist noch nicht durchgeführt worden – hat eine Erklärung abgegeben, wonach das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zusteht. Diese Erklärung erfüllt unzweifelhaft die Voraussetzungen von § 4 Abs. 3 Satz 4 Ziff. 1 1. Alt. BEEG. Eine einstweilige Anordnung bei dem Familiengericht auf Übertragung der elterlichen Sorge oder zumindest des Aufenthaltsbestimmungsrechtes bedarf es nicht. Anderenfalls wäre vom Gesetzgeber eine kumulative Verknüpfung vorgesehen worden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist jedoch von zwei eigenständigen Alternativen auszugehen.
Ohnehin wäre nur eine Entscheidung des Familiengerichtes auf dem Hintergrund des § 1671 BGB denkbar: Denn wenn Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt (§ 1671 Abs. 1 BGB). Dem Antrag ist stattzugeben, soweit der andere Elternteil zustimmt (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Da diese Zustimmung des Kindsvaters vorliegt, wäre dem Antrag – wenn er gestellt worden wäre – stattzugeben gewesen. Eines solchen Beschlusses bedurfte es zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht.
Die Beklagte hat im Termin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes ein Schreiben des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend vom 19. Januar 2009 vorgelegt. Darin äußerte der Referent Dr. Vollmer die Auffassung, dass eine Verzichtserklärung des Vaters gegenüber der Elterngeldstelle oder der Mutter, bei gleichzeitiger Erklärung, das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu übertragen, nicht zur Folge habe, dass die Voraussetzungen eines 14monatigen Elterngeldanspruchs der Mutter gemäß § 4 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 BEEG erfüllt wären. Diese Rechtsauffassung ist damit begründet worden, dass die elterliche Sorge zwar zur Ausübung übertragen werden könne, dies jedoch den Anforderungen des § 4 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 ( jetzt Abs. 3 Satz 4 Nr. 1) BEEG nicht genüge, da auch bei Übertragung zur Ausübung das Recht selbst bei dem übertragenen Elternteil verbleibe.
Dieser Rechtsauffassung vermochte die Kammer nicht zu folgen, denn sie widerspricht dem Gesetzeswortlaut.
Danach reicht es aus, wenn dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zusteht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Stellungnahme des Bundesministeriums einen Auslandsfall betraf, bei dem der andere Elternteil an der Ausübung der elterlichen Sorge aus tatsächlichen Gründen gehindert ist: Als ein in geborener Kanadier war und ist der Kindesvater nach den Angaben der Klägerin an einem ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehindert. Die in Kanada geschlossene Hochzeit ist in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht anerkannt worden. Ob es sich in diesem Zusammenhang um eine Scheinehe gehandelt hat, ist für die Beantwortung der Rechtsfrage unerheblich.
Die Stellungnahme des Bundesministeriums stellt im Übrigen auch keine von der Beklagten bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigende Weisung dar sondern lediglich die Antwort auf eine konkrete Frage eines bestimmten unbekannten Sachverhalts dar. Steht der Klägerin bereits ein Rechtsanspruch auf Elterngeld aufgrund von § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 1. Alt. BEEG zu, konnte es die Kammer dahinstehen lassen, ob dieser Anspruch auch aus § 4 Abs. 3 Satz 3 2. Alt besteht. Nach dieser Vorschrift kann ein Elternteil abweichend von Satz 1 für 14 Monate Elterngeld beziehen, wenn eine Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann; für die Feststellung der Unmöglichkeit der Betreuung bleiben wirtschaftliche Gründe und Gründe einer Veränderung wegen anderweitiger Tätigkeiten außer Betracht.
Nach alldem waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu der beantragten Leistung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Direktor des Sozialgerichts
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