Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 66 AS 16696/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 1678/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin 14. Mai 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht den Wert von 750,00 Euro; die Berufung ist vom Sozialgericht nicht zugelassen worden.
Der Senat hatte von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung gegen das Urteil zulässig ist. Hierbei war von dem vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2012 gestellten und protokollierten Antrag, über den das Sozialgericht mit Urteil entschieden hat, auszugehen. Danach haben die Kläger mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten zu einer um 189,49 Euro monatlich höheren Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II für den Zeitraum 01. Februar bis 31. März 2011 begehrt (Bewilligt mit Bescheid vom 26. März 2011: 534,98 Euro, beantragt 724,47 Euro). Das Sozialgericht hat den Beklagten verurteilt, monatlich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 566,19 Euro anzuerkennen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Umfang der durch das Urteil eingetretenen Beschwer, nämlich 316,56 Euro (2 x 158,28 Euro [724,47 abzüglich 566,19]) erreicht daher nicht 750,00 Euro (§ 144 Abs. 2 SGG).
Der nach Zustellung des Urteils ergangene, den Bescheid vom 26. März 2011 für den Monat Februar 2011 ändernde Bescheid vom 02. Juli 2012, der bei Zulassung Gegenstand der Berufung wäre (§ 96 SGG), ändert hieran nichts. Mit diesem Bescheid sind die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung, die hier allein Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, nicht geändert worden.
Die Statthaftigkeit der Berufung bedurfte daher der Zulassung durch das Sozialgericht. Dieses hat die Berufung mit dem Urteil vom 14. Mai 2012 nicht zugelassen. Die hiergegen fristgemäß (§ 145 Abs. 1 SGG) eingelegte Beschwerde vom 11. Juli 2011 ist nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesver-fassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruht. Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache besteht nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft und die Klärung im allgemeinen Interesse steht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 144, Rn. 28). Nicht klärungsbedürftig ist weiterhin eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder unzweifelhaft ist (Leitherer, a.a.O., § 160, Rn. 7, 7b).
Bei der von den Klägern wohl als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob vorliegend bei der Bestimmung der Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft in Berlin an den Berliner Mietspiegel 2009 angeknüpft werden kann, ist schon fraglich, ob damit eine "Rechtsfrage" aufgeworfen ist. Jedenfalls liegt bereits ein Mietspiegel 2011 vor, so dass die Frage, ob für vergangene Zeiträume bei der Bestimmung der Angemessenheit von Kosten er Unterkunft eine Orientierung am Mietspiegel aus 2009 zulässig war, nicht mehr von allgemeinem Interesse ist, nur noch vergangene Zeiträume eine Leistungsbewilligung betrifft. Die Klärung diente nicht mehr einer Weiterentwicklung des Rechts. Welche rechtlichen Maßstäbe bei der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II allgemein zu berücksichtigen sind, ist mit den vom Sozialgericht mit den Entscheidungsgründen aufgeführten Entscheidungen des BSG hinreichend geklärt.
Weitere klärungsbedürftige Rechtsfragen werden mit der Beschwerdebegründung nicht aufgeworfen. Mit dem Vortrag wird umfänglich ein Abweichen des Sozialgerichts von Entscheidungen des BSG angeführt und somit zum Zulassungsgrund der Divergenz vorgetragen.
Die Berufung ist jedoch auch nicht deshalb, weil das Sozialgericht mit seiner Entscheidung von Entscheidungen der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abgewichen wäre, zuzulassen. Die Kläger machen einer Divergenz von Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg – hierauf müsste sich die Abweichung beziehen (Leitherer, a.a.O., Rn. 30) – nicht geltend.
Eine Abweichung der Entscheidung des Sozialgerichts von einer des BSG im Sinne einer Divergenz nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht erkennbar. Eine Divergenz in diesem Sinne setzt voraus, dass ein abstrakter Rechtssatz der von der Beschwerde betroffenen Entscheidung des Sozialgerichts mit einem abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung – hier des BSG – nicht übereinstimmt (Leitherer, a.a.O., § 160, Rn. 13). Die Kläger bezeichnen schon keinen vom Sozialgericht aufgestellten Rechtssatz, mit dem von einem Rechtssatz des BSG abgewichen wird. Der Vortrag, "das Sozialgericht meine, es habe die angemessene Miete anhand eines "schlüssigen Konzepts" zutreffend berechnet", betrifft den Maßstab der Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Soweit der Vortrag mit der Beschwerde dahin verstanden werden soll, dass das Sozialgericht bei der rechtlichen Auslegung der "Angemessenheit" im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II von Rechtssätzen des BSG abweicht, ist dies nicht zutreffend. Das Sozialgericht führt in dem Urteil aus, die Angemessenheitsprüfung setze eine Einzelfallprüfung voraus, diese habe getrennt für die Unterkunftskosten und die Heizkosten zu erfolgen (Entscheidungsgründe Seit 8). Dies entspricht der Rechtssprechung des BSG, auf die das Sozialgericht Bezug nimmt (v. 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, juris, Rn.24; v. 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R. Rn. 18). Sodann hat das Sozialgericht das so ausgelegte Recht des § 22 SGB II unter Bezugnahme auf die vom BSG erkannte sog. "Produkttheorie" (v. 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, a.a.O., Rn.20) angewendet. Selbst wenn dabei - und hierauf stellt der Beschwerdevortrag ab - das Sozialgericht unter Zugrundelegung der vom BSG bei der Ermittlung von im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II "angemessenen" Kosten der Unterkunft und Heizung eine unzutreffende Beurteilung vorgenommen hätte, was der Senat ausdrücklich offen lässt, handelte es sich hierbei allenfalls um eine fehlerhafte Subsumtion, eine unzutreffende Beurteilung (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 14). Welche Werte und Erkenntnisse bei Anwendung der Produkttherorie herangezogen werden, betrifft die Anwendung eines Rechtssatzes. Eine hier behauptete "unrichtige" Anwendung eines beachteten Rechtssatzes führt nicht zur Annahme einer Divergenz ((BVerwG v. 31.03.1988, 7 B 46.88, juris; BSG v. 27.01.1999, B 4 RA 131/98 B, juris, NZS 1999, 571).
Soweit mit der Beschwerde angeführt wird, das Sozialgericht weiche von der Rechtsprechung des BSG mit der Entscheidung vom 20.12.2011, B 4 AS 19/11 R ab, wird nicht dargelegt, mit welchem vom Sozialgericht aufgestellten Rechtssatz abgewichen wird. Dies gilt auch für den Vortrag, das Sozialgericht habe verkannt, dass eine Tatsachenvermutung nach der Rechtsprechung des BSG erschüttert werden könne. Auch hiermit wird ein vom Sozialgericht aufgestellter Rechtssatz, mit dem von einem – ebenfalls nicht genannten – Rechtssatz des BSG abgewichen wird, nicht dargestellt. Vielmehr wird wiederum eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt, die jedoch nicht zu einer Zulassung der Berufung führen kann.
Auch mit dem Vortrag, das Sozialgericht habe verkannt, dass den Klägern nicht ein Umzug innerhalb des gesamten Stadtgebietes in Berlin zumutbar sei und es nach der Rechtsprechung des BSG ungeklärt sei, welche Umzugsentfernungen zumutbar seien, wird keine Abweichung von Rechtssätzen geltend gemachten, sondern ausdrücklich eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt.
Die Berufung war auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist ein Verstoß des Gerichts gegen Vorschriften beim prozessualen Vorgehen auf dem Weg zur Entscheidung; auch das Urteil kann mit einem Verfahrensfehler behaftet sein.
Im Beschwerdeverfahren nach § 145 SGG können nur gerügte Verfahrensmängel Berücksichtigung finden, denn der Gesetzgeber hat die Rüge dem Beschwerdeführer zugewiesen (BSG v. 15.05.1985, 7 Rar 40/84, juris; Leitherer, a.a.O., § 145, Rn. 36; Frehse in Frehse, Sozialgerichtsgesetz, 4. Auflage 2012, § 144, Rn. 19a).
Die Kläger machen hier hinsichtlich des Verfahrens geltend, das Sozialgericht habe weitere, von Amts wegen vorzunehmende Ermittlungen unterlassen. So hätte das Sozialgericht weiter ermitteln müssen, in welchem Umfang die Kläger Betreuungsleistungen innerhalb der Familie zu erbringen haben, welche Fahrtzeiten ihnen zumutbar wären, wenn auf weiter entfernt liegende Wohnungen verwiesen werde. Weiterhin hätte sich das Sozialgericht durch den "vertieften Sachvortrag" der Kläger veranlasst sehen müssen, nähere Erkundigungen zur Mietentwicklung und zum Vorhandensein von preiswertem Wohnraum einzuholen. Dies sei entgegen § 103 SGG unterblieben. Gerügt wird damit eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG. Den Grundsatz hat das Sozialgericht jedoch unter Beachtung des Vortrages der Kläger nicht verletzt.
Nach § 103 SGG hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Es müssen alle Tatsachen ermittelt werden, die für die Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich, d.h. entscheidungserheblich sind. Im Sinne eines Verfahrensfehlers liegt eine Verletzung dann vor, wenn sich das Gericht auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Grundlage zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen (Leitherer, a.a.O., § 103, Rn. 20 m.w.N. aus Rspr., § 144, Rn. 34).
Wie bereits dargestellt hat das Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung eine Einzelfallbetrachtung voraussetzt. Es hat dabei auch für die Entscheidung erkannt, dass ein Umzug an einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, regelmäßig nicht verlangt werden könne, dies aber nicht bedeute, dass keinerlei Veränderungen des Wohnumfeldes hinzunehmen seien. Der Entscheidung hat es auch die Auffassung zugrunde gelegt, Umzüge innerhalb des örtlichen Vergleichsraumes führten nicht zur Aufgabe sozialer Bindungen. Sodann hat das Sozialgericht den Vortrag der Kläger zu den angeführten sozialen Bindungen und –verpflichtungen (Schriftsatz vom 07. Dezember 2011) als zutreffend unterstellt und erkannt, dass die von den Klägern vorgetragenen sozialen Umstände unter Berücksichtigung des in Berlin ausgestalteten öffentlichen Nahverkehrs einem Umzug nicht entgegen stünden. Da das Sozialgericht den Vortrag der Kläger – als richtig unterstellt – der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat, hätte es sich nicht zu weiteren Ermittlungen – quasi "ins Blaue hinein" – gedrängt sehen müssen. Auch werden – was ohnehin keinen Verfahrensfehler mehr begründen könnte – mit der Beschwerdeschrift keine weiteren, vom Sozialgericht aufgrund des erstinstanzlichen Vortrages der Kläger nicht bereits berücksichtigten sozialen Umstände vorgetragen. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass u.U. Fahrtzeiten von mehr als einer Stunde pro Strecke anfallen könnten, tragen die Kläger zur Rechtsauffassung des Sozialgerichts vor, nämlich zu der Annahme, dass Fahrtzeiten im ganzen Stadtgebiet zumutbar wären, um die vorgetragenen sozialen Bindungen zu erhalten. Eine Anforderung zu weiteren Ermittlungen ergibt sich aus dem Vortrag jedenfalls nicht.
Auch liegt in der von den Klägern gerügten nicht weiteren Ermittlung des Sozialgerichts zur Mietentwicklung und zum Vorhandensein von preiswertem Wohnraum kein Verfahrensfehler. Auch hier hätte sich das Sozialgericht nach der eigenen Rechtsauffassung nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen müssen.
Das Sozialgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass es den geltend gemachten Anspruch auf angemessene Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung anhand eines eigenen schlüssigen Konzepts bestimmen kann (Seite 8 der Entscheidungsgründe) und hat sodann mit den Entscheidungsgründen unter Darlegung des Konzepts den Anspruch geprüft. Danach waren gerade keine weiteren Ermittlungen vorzunehmen. Dass die Kläger meinen, dass das schlüssige Konzept, welches das Sozialgericht zur Anwendung gebracht hat, nicht zur Ermittlung richtiger Angemessensheitswerte im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II führt und das Sozialgericht sich deshalb zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, führt nicht zur Annahme der Verletzung des § 103 SGG. Gerügt wird die fehlerhafte Rechtsanwendung, nämlich die fehlerhafte Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Soweit nach Auffassung der Kläger das Sozialgericht damit zu einer inhaltlich fehlerhaften Entscheidung gelangt ist, rechtfertigt dies nach dem Gesetz nicht die Zulassung der Berufung (Leitherer, a.a.O., § 144, Rn. 34a; Frehse, a.a.O.). Gerade die Überprüfung einer fehlerhaften Entscheidung eines Sozialgerichts ist durch die in Abhängigkeit des Beschwerdewertes zulassungsbedürftige Berufung nur eingeschränkt möglich.
Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG. Das Urteil des Sozialgerichts wird mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht den Wert von 750,00 Euro; die Berufung ist vom Sozialgericht nicht zugelassen worden.
Der Senat hatte von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung gegen das Urteil zulässig ist. Hierbei war von dem vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2012 gestellten und protokollierten Antrag, über den das Sozialgericht mit Urteil entschieden hat, auszugehen. Danach haben die Kläger mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten zu einer um 189,49 Euro monatlich höheren Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II für den Zeitraum 01. Februar bis 31. März 2011 begehrt (Bewilligt mit Bescheid vom 26. März 2011: 534,98 Euro, beantragt 724,47 Euro). Das Sozialgericht hat den Beklagten verurteilt, monatlich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 566,19 Euro anzuerkennen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Umfang der durch das Urteil eingetretenen Beschwer, nämlich 316,56 Euro (2 x 158,28 Euro [724,47 abzüglich 566,19]) erreicht daher nicht 750,00 Euro (§ 144 Abs. 2 SGG).
Der nach Zustellung des Urteils ergangene, den Bescheid vom 26. März 2011 für den Monat Februar 2011 ändernde Bescheid vom 02. Juli 2012, der bei Zulassung Gegenstand der Berufung wäre (§ 96 SGG), ändert hieran nichts. Mit diesem Bescheid sind die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung, die hier allein Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, nicht geändert worden.
Die Statthaftigkeit der Berufung bedurfte daher der Zulassung durch das Sozialgericht. Dieses hat die Berufung mit dem Urteil vom 14. Mai 2012 nicht zugelassen. Die hiergegen fristgemäß (§ 145 Abs. 1 SGG) eingelegte Beschwerde vom 11. Juli 2011 ist nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesver-fassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruht. Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache besteht nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft und die Klärung im allgemeinen Interesse steht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 144, Rn. 28). Nicht klärungsbedürftig ist weiterhin eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder unzweifelhaft ist (Leitherer, a.a.O., § 160, Rn. 7, 7b).
Bei der von den Klägern wohl als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob vorliegend bei der Bestimmung der Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft in Berlin an den Berliner Mietspiegel 2009 angeknüpft werden kann, ist schon fraglich, ob damit eine "Rechtsfrage" aufgeworfen ist. Jedenfalls liegt bereits ein Mietspiegel 2011 vor, so dass die Frage, ob für vergangene Zeiträume bei der Bestimmung der Angemessenheit von Kosten er Unterkunft eine Orientierung am Mietspiegel aus 2009 zulässig war, nicht mehr von allgemeinem Interesse ist, nur noch vergangene Zeiträume eine Leistungsbewilligung betrifft. Die Klärung diente nicht mehr einer Weiterentwicklung des Rechts. Welche rechtlichen Maßstäbe bei der Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II allgemein zu berücksichtigen sind, ist mit den vom Sozialgericht mit den Entscheidungsgründen aufgeführten Entscheidungen des BSG hinreichend geklärt.
Weitere klärungsbedürftige Rechtsfragen werden mit der Beschwerdebegründung nicht aufgeworfen. Mit dem Vortrag wird umfänglich ein Abweichen des Sozialgerichts von Entscheidungen des BSG angeführt und somit zum Zulassungsgrund der Divergenz vorgetragen.
Die Berufung ist jedoch auch nicht deshalb, weil das Sozialgericht mit seiner Entscheidung von Entscheidungen der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abgewichen wäre, zuzulassen. Die Kläger machen einer Divergenz von Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg – hierauf müsste sich die Abweichung beziehen (Leitherer, a.a.O., Rn. 30) – nicht geltend.
Eine Abweichung der Entscheidung des Sozialgerichts von einer des BSG im Sinne einer Divergenz nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht erkennbar. Eine Divergenz in diesem Sinne setzt voraus, dass ein abstrakter Rechtssatz der von der Beschwerde betroffenen Entscheidung des Sozialgerichts mit einem abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung – hier des BSG – nicht übereinstimmt (Leitherer, a.a.O., § 160, Rn. 13). Die Kläger bezeichnen schon keinen vom Sozialgericht aufgestellten Rechtssatz, mit dem von einem Rechtssatz des BSG abgewichen wird. Der Vortrag, "das Sozialgericht meine, es habe die angemessene Miete anhand eines "schlüssigen Konzepts" zutreffend berechnet", betrifft den Maßstab der Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Soweit der Vortrag mit der Beschwerde dahin verstanden werden soll, dass das Sozialgericht bei der rechtlichen Auslegung der "Angemessenheit" im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II von Rechtssätzen des BSG abweicht, ist dies nicht zutreffend. Das Sozialgericht führt in dem Urteil aus, die Angemessenheitsprüfung setze eine Einzelfallprüfung voraus, diese habe getrennt für die Unterkunftskosten und die Heizkosten zu erfolgen (Entscheidungsgründe Seit 8). Dies entspricht der Rechtssprechung des BSG, auf die das Sozialgericht Bezug nimmt (v. 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, juris, Rn.24; v. 02.07.2009, B 14 AS 36/08 R. Rn. 18). Sodann hat das Sozialgericht das so ausgelegte Recht des § 22 SGB II unter Bezugnahme auf die vom BSG erkannte sog. "Produkttheorie" (v. 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, a.a.O., Rn.20) angewendet. Selbst wenn dabei - und hierauf stellt der Beschwerdevortrag ab - das Sozialgericht unter Zugrundelegung der vom BSG bei der Ermittlung von im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II "angemessenen" Kosten der Unterkunft und Heizung eine unzutreffende Beurteilung vorgenommen hätte, was der Senat ausdrücklich offen lässt, handelte es sich hierbei allenfalls um eine fehlerhafte Subsumtion, eine unzutreffende Beurteilung (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 14). Welche Werte und Erkenntnisse bei Anwendung der Produkttherorie herangezogen werden, betrifft die Anwendung eines Rechtssatzes. Eine hier behauptete "unrichtige" Anwendung eines beachteten Rechtssatzes führt nicht zur Annahme einer Divergenz ((BVerwG v. 31.03.1988, 7 B 46.88, juris; BSG v. 27.01.1999, B 4 RA 131/98 B, juris, NZS 1999, 571).
Soweit mit der Beschwerde angeführt wird, das Sozialgericht weiche von der Rechtsprechung des BSG mit der Entscheidung vom 20.12.2011, B 4 AS 19/11 R ab, wird nicht dargelegt, mit welchem vom Sozialgericht aufgestellten Rechtssatz abgewichen wird. Dies gilt auch für den Vortrag, das Sozialgericht habe verkannt, dass eine Tatsachenvermutung nach der Rechtsprechung des BSG erschüttert werden könne. Auch hiermit wird ein vom Sozialgericht aufgestellter Rechtssatz, mit dem von einem – ebenfalls nicht genannten – Rechtssatz des BSG abgewichen wird, nicht dargestellt. Vielmehr wird wiederum eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt, die jedoch nicht zu einer Zulassung der Berufung führen kann.
Auch mit dem Vortrag, das Sozialgericht habe verkannt, dass den Klägern nicht ein Umzug innerhalb des gesamten Stadtgebietes in Berlin zumutbar sei und es nach der Rechtsprechung des BSG ungeklärt sei, welche Umzugsentfernungen zumutbar seien, wird keine Abweichung von Rechtssätzen geltend gemachten, sondern ausdrücklich eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt.
Die Berufung war auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist ein Verstoß des Gerichts gegen Vorschriften beim prozessualen Vorgehen auf dem Weg zur Entscheidung; auch das Urteil kann mit einem Verfahrensfehler behaftet sein.
Im Beschwerdeverfahren nach § 145 SGG können nur gerügte Verfahrensmängel Berücksichtigung finden, denn der Gesetzgeber hat die Rüge dem Beschwerdeführer zugewiesen (BSG v. 15.05.1985, 7 Rar 40/84, juris; Leitherer, a.a.O., § 145, Rn. 36; Frehse in Frehse, Sozialgerichtsgesetz, 4. Auflage 2012, § 144, Rn. 19a).
Die Kläger machen hier hinsichtlich des Verfahrens geltend, das Sozialgericht habe weitere, von Amts wegen vorzunehmende Ermittlungen unterlassen. So hätte das Sozialgericht weiter ermitteln müssen, in welchem Umfang die Kläger Betreuungsleistungen innerhalb der Familie zu erbringen haben, welche Fahrtzeiten ihnen zumutbar wären, wenn auf weiter entfernt liegende Wohnungen verwiesen werde. Weiterhin hätte sich das Sozialgericht durch den "vertieften Sachvortrag" der Kläger veranlasst sehen müssen, nähere Erkundigungen zur Mietentwicklung und zum Vorhandensein von preiswertem Wohnraum einzuholen. Dies sei entgegen § 103 SGG unterblieben. Gerügt wird damit eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG. Den Grundsatz hat das Sozialgericht jedoch unter Beachtung des Vortrages der Kläger nicht verletzt.
Nach § 103 SGG hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Es müssen alle Tatsachen ermittelt werden, die für die Entscheidung in prozessualer und materieller Hinsicht wesentlich, d.h. entscheidungserheblich sind. Im Sinne eines Verfahrensfehlers liegt eine Verletzung dann vor, wenn sich das Gericht auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Grundlage zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen (Leitherer, a.a.O., § 103, Rn. 20 m.w.N. aus Rspr., § 144, Rn. 34).
Wie bereits dargestellt hat das Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung eine Einzelfallbetrachtung voraussetzt. Es hat dabei auch für die Entscheidung erkannt, dass ein Umzug an einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, regelmäßig nicht verlangt werden könne, dies aber nicht bedeute, dass keinerlei Veränderungen des Wohnumfeldes hinzunehmen seien. Der Entscheidung hat es auch die Auffassung zugrunde gelegt, Umzüge innerhalb des örtlichen Vergleichsraumes führten nicht zur Aufgabe sozialer Bindungen. Sodann hat das Sozialgericht den Vortrag der Kläger zu den angeführten sozialen Bindungen und –verpflichtungen (Schriftsatz vom 07. Dezember 2011) als zutreffend unterstellt und erkannt, dass die von den Klägern vorgetragenen sozialen Umstände unter Berücksichtigung des in Berlin ausgestalteten öffentlichen Nahverkehrs einem Umzug nicht entgegen stünden. Da das Sozialgericht den Vortrag der Kläger – als richtig unterstellt – der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat, hätte es sich nicht zu weiteren Ermittlungen – quasi "ins Blaue hinein" – gedrängt sehen müssen. Auch werden – was ohnehin keinen Verfahrensfehler mehr begründen könnte – mit der Beschwerdeschrift keine weiteren, vom Sozialgericht aufgrund des erstinstanzlichen Vortrages der Kläger nicht bereits berücksichtigten sozialen Umstände vorgetragen. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass u.U. Fahrtzeiten von mehr als einer Stunde pro Strecke anfallen könnten, tragen die Kläger zur Rechtsauffassung des Sozialgerichts vor, nämlich zu der Annahme, dass Fahrtzeiten im ganzen Stadtgebiet zumutbar wären, um die vorgetragenen sozialen Bindungen zu erhalten. Eine Anforderung zu weiteren Ermittlungen ergibt sich aus dem Vortrag jedenfalls nicht.
Auch liegt in der von den Klägern gerügten nicht weiteren Ermittlung des Sozialgerichts zur Mietentwicklung und zum Vorhandensein von preiswertem Wohnraum kein Verfahrensfehler. Auch hier hätte sich das Sozialgericht nach der eigenen Rechtsauffassung nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen müssen.
Das Sozialgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass es den geltend gemachten Anspruch auf angemessene Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung anhand eines eigenen schlüssigen Konzepts bestimmen kann (Seite 8 der Entscheidungsgründe) und hat sodann mit den Entscheidungsgründen unter Darlegung des Konzepts den Anspruch geprüft. Danach waren gerade keine weiteren Ermittlungen vorzunehmen. Dass die Kläger meinen, dass das schlüssige Konzept, welches das Sozialgericht zur Anwendung gebracht hat, nicht zur Ermittlung richtiger Angemessensheitswerte im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II führt und das Sozialgericht sich deshalb zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen, führt nicht zur Annahme der Verletzung des § 103 SGG. Gerügt wird die fehlerhafte Rechtsanwendung, nämlich die fehlerhafte Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Soweit nach Auffassung der Kläger das Sozialgericht damit zu einer inhaltlich fehlerhaften Entscheidung gelangt ist, rechtfertigt dies nach dem Gesetz nicht die Zulassung der Berufung (Leitherer, a.a.O., § 144, Rn. 34a; Frehse, a.a.O.). Gerade die Überprüfung einer fehlerhaften Entscheidung eines Sozialgerichts ist durch die in Abhängigkeit des Beschwerdewertes zulassungsbedürftige Berufung nur eingeschränkt möglich.
Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG. Das Urteil des Sozialgerichts wird mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
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