L 4 P 33/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 P 90030/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 33/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 5/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 21. September 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 3. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2008 werden abgeändert und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin für den Versicherten D. R. vom 1. Juni 2009 bis zum 26. Juli 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin des am ... 1934 geborenen und am ... 2010 verstorbenen D. R. (im Folgenden: Versicherter) Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI).

Bereits am 25. Januar 2007 hatte der Versicherte einen Antrag auf Leistungen nach der Pflegeversicherung bei der Beklagten gestellt. Die darauf bezogenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten konnten nicht mehr ermittelt werden. Nach einem Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) hatte die Pflegefachkraft D. unter dem 18. Februar 2007 (Untersuchung vom 16. Februar 2007) einen Grundpflegebedarf von 27 Minuten und in der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Hilfebedarf von 45 Minuten ermittelt.

Am 21. Januar 2008 beantragte der Versicherte bei der Beklagten Pflegegeld und begründete dies mit Einschränkungen in der Körperpflege sowie der Mobilität. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete die Pflegefachkraft D. am 7. März 2008 (Untersuchung vom 6. März 2008) ein MDK-Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Sie schätzte den Grundpflegebedarf für die Körperpflege auf 15 Minuten und für die Mobilität auf 19 Minuten ein, was zu einem Grundpflegebedarf von 34 Minuten und einem Hilfebedarf für die Hauswirtschaft von 45 Minuten täglich führe. Mit Bescheid vom 3. April 2008 lehnte die Beklagte Leistungen nach dem SGB XI ab. Hiergegen richtete sich der am 21. April 2008 eingegangene Widerspruch des Versicherten: Der pflegerische Aufwand sei bei ihm sehr unterschiedlich. Durch die bestehende Infektionsneigung komme es unvorhersehbar zu gesundheitlichen Verschlechterungen. Dies mache dann eine tägliche Sauerstoffgabe erforderlich, wobei er dann nicht mehr belastbar sei.

Die Beklagte ließ daraufhin von der Pflegefachkraft T. ein MDK-Pflegegutachten vom 19. Juni 2008 (Untersuchung vom 18. Juni 2008) erstatten. Diese ermittelte einen Grundpflegebedarf für die Körperpflege von 16 Minuten und für die Mobilität von 15 Minuten, entsprechend einen Grundpflegebedarf von 31 Minuten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin für den Versicherten am 4. September 2008 Klage beim Sozialgericht Stendal (SG) erhoben und das Begehren weiter verfolgt. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin R. vom 30. August 2008 vorgelegt, der ausgeführt hat: Die vorliegenden MDK Gutachten seien lückenhaft, da sie den nächtlichen Pflegebedarf aufgrund der bestehenden Luftnot nicht berücksichtigt hätten. Beim Versicherten seien zur Milderung der akuten Beschwerden allein 4 bis 6 Hausbesuche pro Monat erforderlich.

Das SG hat einen Pflegebefundbericht von Herrn R. vom 21. Februar 2009 eingeholt. Hiernach habe der Versicherte seit mindestens 2002 an einer COPD sowie seit 2004 an einer arteriellen Hypertonie gelitten. Außerdem habe seit Juli 2005 ein Glaukom bestanden. Im Oktober 2006 seien eine Gicht und im Januar 2007 eine chronische Niereninsuffizienz hinzugekommen. Insbesondere durch die ausgeprägte COPD sei er in der Bewältigung seiner alltäglichen Anforderungen erheblich eingeschränkt, da er sich in der Wohnung nur unter Einsatz des Sauerstoffsgerätes bewegen könne. Ferner sei seit Anfang 2007 eine Inkontinenz festzustellen. Die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren sowie die Darm- und Blasenentleerung könne der Versicherte noch allein durchführen. Bei den Verrichtungen Waschen und Duschen sei dagegen eine Unterstützung durch die Pflegeperson notwendig. Für den Bereich der Ernährung (mundgerechtes Zubereiten der Nahrung sowie Aufnahme der Nahrung) sei keine Hilfe erforderlich. Der Versicherte könne noch allein stehen, jedoch weder Treppensteigen noch die Wohnung eigenständig verlassen. Für den Bereich Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden sowie Gehen sei teilweise eine Unterstützung durch die Pflegeperson notwendig. Nach einem beigefügten Arztbrief des Altmark Klinikums Krankenhaus G. vom 21. Januar 2008 sei der Versicherte vom 4. bis 14. Januar 2008 stationär behandelt worden. Die Einweisung sei aufgrund einer akuten COPD mit deutlicher Ruhedyspnoe erfolgt. Nach der Gabe von Antibiotika habe sich der Zustand wieder verbessert.

Das SG hat die Krankenschwester sowie Lehrerin für Pflegeberufe H. mit der Erstellung eines Pflegesachverständigengutachtens vom 18. Juni 2009 (Untersuchung vom 2. Juni 2009 von 8.00 bis 9:15 Uhr) beauftragt. Diese hat differenziert nach verschiedenen Verrichtungen ausgeführt:

Waschen

Der Versicherte werde am Morgen durch die Pflegeperson am Waschbecken sitzend gewaschen. Nach Darstellung der Pflegeperson sowie des Versicherten müsse dieser vollständig gewaschen werden. Während zum Zeitpunkt der Begutachtungen durch den MDK noch eine Teilwäsche von Unterkörper und Rücken ausreichend gewesen sei, habe der Versicherte seit Januar 2009 zunehmend Schmerzen sowie Bewegungseinschränkungen in der linken Schulter und im linken Arm angegeben. Dem Hausarzt sei dies noch nicht mitgeteilt worden. Aus gutachtlicher Sicht könne der Versicherte Hände und Gesicht sowie den vorderen Oberkörperbereich und auch den vorderen Genitalbereich im Sitzen noch selbstständig waschen. Das Waschen der Beine und Füße sei dagegen zu anstrengend und müsse vollständig von der Pflegeperson übernommen werden. Aufgrund seiner Atemnot könne sich der Versicherte nicht mehr bücken. Zum Waschen werde die Sauerstoffbrille abgelegt. Aufgrund des Sauerstoffmangels könne der Kläger nur bei den notwendigsten Tätigkeiten mitwirken.

Duschen

Das Duschen erfolge zweimal wöchentlich am Mittwoch und am Samstag. Hierbei helfe die Pflegeperson dem Versicherten in die Dusche und setze ihn auf einen Duschstuhl. Die Pflegeperson stelle das Wasser ein, brause den Versicherten ab und seife ihn dann ein. Anschließend spüle sie ihn mit dem Brauseschlauch wieder ab. Das Waschen der Haare erfolge durch die Pflegeperson allein. Aus gutachtlicher Sicht sollte es jedoch dem Versicherten möglich sein, einzelne Körperteile selbstständig zu waschen, auch wenn dies nicht mit einer Zeitreduzierung für die Pflegeperson verbunden sei. Diese müsse weiterhin anwesend sein sowie den Brauseschlauch führen.

Zahn- und Mundpflege

Der Versicherte trage eine vollständige Oberkieferzahnprothese. Im Unterkieferbereich habe er teilweise noch eigene Zähne sowie zusätzlich eine prothetische Versorgung. Nach Einschätzung des Versicherten sei eine zahnärztliche Behandlung notwendig, könne jedoch nicht durchgeführt werden, da der Zahnarzt über keinen Fahrstuhl verfüge. Die Hilfe der Pflegeperson beziehe sich nach eigener Darstellung auf das Befüllen des Wasserbechers sowie das Dosieren der Zahncreme. Diese Verrichtung sei aufgrund der zittrigen Hände dem Versicherten nicht mehr möglich. Das Herausnehmen und Einsetzen der Prothese sowie das Reinigungen im Reinigungsbad könne der Versicherte noch selbständig ausführen. Hierfür benötige er nach eigenen Aussagen keine Hilfe. Der Hilfebedarf sei aus gutachtlicher Sicht als sehr gering einzuschätzen. Nach Einschätzung des Versicherten sei für die Vorbereitung der Zahn- und Mundpflege ein Bedarf von 2 Minuten anzusetzen.

Kämmen

Der Versicherte habe sich bis Januar 2009 noch kämmen können. Aufgrund der erwähnten Schmerzen im linken Schulterbereich übernehme dies die Pflegeperson zweimal täglich.

Rasieren

Die Pflegeperson rasiere den Versicherten täglich mit dem Trockenrasierer, während der Versicherte dabei auf dem Toilettendeckel sitze. Die Einschränkungen der Hände sowie Arme seien bei ihm nicht so stark, dass hieraus erhebliche Bewegungseinschränkungen abzuleiten wären. Von daher sei nur bedingt nachvollziehbar, dass er den Elektrorasierer nicht mehr in Eigenregie führen könne. Die Vor- und Nachbereitung durch die Pflegeperson seien dagegen nachvollziehbar. Notwendig sei daher nur eine Teilhilfe beim Nachrasieren sowie die Vor- und Nachbereitung des Materials. Auch der Hausarzt habe in seinem Befundbericht von Februar 2009 keinen Hilfebedarf beim Rasieren bejaht.

Darm und Blasenentleerung

Die Darm- und Blasenentleerung erfolge selbstständig. Der Versicherte sei kontinent und benötige seit der Operation keinen Blasenkatheter mehr. So könne er nach eigenen Angaben das Gesäß selbstständig reinigen. Auch das Aus- und Ankleiden bei dieser Verrichtung erfolge eigenständig. Diese Selbsteinschätzung werde auch durch Hausarzt bestätigt.

Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung

Der Versicherte sei in der Lage, sich die Nahrung am gedeckten Tisch selbstständig mundgerecht zuzubereiten. Die im Pflegetagebuch hierfür angesetzten 55 Minuten bezögen sich auch auf hauswirtschaftliche Verrichtungen.

Aufnahme der Nahrung

Die Aufnahme der Nahrung erfolge selbständig.

Selbständiges Aufstehen und Zubettgehen

Der Versicherte benötige Unterstützung beim Aufstehen und Zubettgehen. Aufgrund seines geschwächten Allgemeinzustandes sowie der reduzierten körperlichen Kraft und des Sauerstoffmangels könne er nicht eigenständig aufstehen. Beispielsweise müsse die Pflegeperson am Morgen die Bettdecke zur Seite ziehen und den Versicherten in eine sitzende Position bringen. Anschließend könne er sich die Hausschuhe selbstständig anziehen, wobei er teilweise einen Schuhlöffel benutze. Dann hake sich die Pflegeperson ein und ziehe ihn in den Stand. Entsprechend werde dies beim Zubettgehen durchgeführt, wobei die Pflegeperson darauf achten müsse, dem Versicherten ein Kissen unter den Kopf zu legen, um eine mögliche Atemnot zu vermeiden. Weitere Hilfen seien auch bei den nächtlichen Toilettengängen notwendig.

Selbständiges An- und Auskleiden

Das An- und Auskleiden erfolge mit Unterstützung durch die Pflegeperson, wobei der Versicherte in der Lage sei, zumindest im Oberkörperbereich zu helfen. So könne er beide Arme etwas hochheben. Das Auskleiden des Unterkörpers werde dagegen vollständig von der Pflegeperson übernommen, da der Versicherte sich nicht bücken könne.

Gehen/Stehen/Transfer

Der Versicherte könne innerhalb der Wohnung mit Hilfe eines Gehstocks weitgehend selbstständig gehen. Er benötige Hilfe, um aus dem Sessel hoch zukommen. Aus Gutachtersicht sei keine ständige Unterstützung beim Gehen notwendig.

Treppensteigen; Verlassen der Wohnung; Wiederaufsuchen der Wohnung

Innerhalb der Wohnung befänden sich keine Treppen. Der Versicherte verlasse die Wohnung nur für Besuche bei Ärzten. Da sich die Wohnung in der zweiten Etage befinde und kein Aufzug vorhanden sei, könne er diese nur unter extremer Anstrengung verlassen. Daher führe der Hausarzt regelmäßig Hausbesuche durch. Auch die Fußpflege sowie der Friseur kämen zum Versicherten.

Insgesamt betrage der Grundpflegebedarf aktuell durchschnittlich 40,4 Minuten am Tag. In der Zeit vor der Untersuchung sei der ab Januar 2009 eingetretene Mehraufwand für Waschen und Kämmen von 3 Minuten abzuziehen, es seien jedoch noch Hilfen des nachts notwendig gewesen, so dass 2,5 Minuten wieder hinzuzurechnen seien und sich für diese Zeit ein Pflegeaufwand von 39,9 Minuten ergeben. Der Versicherte sei aufgrund seiner Atemnot deutlich in seiner Lebensqualität eingeschränkt. Dies gelte insbesondere für körperliche Belastungen. Nach Aussagen der Pflegeperson wegen der Atemnot durchschnittlich alle 2 bis 3 Wochen ein Hausarztbesuch erforderlich. Danach gehe es dem Versicherten wieder besser. Für die hauswirtschaftliche Verrichtung seien 66 Minuten festzustellen.

Das SG hat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Klage mit Urteil vom 21. September 2009 abgewiesen und sich in der Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen H. gestützt.

Der Versicherte hat gegen das Gutachten am 28. September 2009 eingewandt: Beim Duschen benötige er die volle Hilfe seiner Frau. Durch den feuchten Wasserdampf bekomme er erhebliche Luftnot, so dass die einzelnen Duschvorgänge von ihm nicht selbstständig ausgeführt werden könnten. Auch beim täglichen Waschen bilde die Luftfeuchtigkeit ein Problem und mache einen zusätzlichen Pflegeaufwand notwendig. Aufgrund des Zustands der Hände sei eine Mund- und Zahnpflege nicht mehr allein zu bewältigen. So sei für das Vorbereiten der Zahnbürste, das Befüllen des Zahnbechers mit Wasser sowie die Mundspülung eine Hilfe erforderlich (mindestens 5 Minuten). Das Rasieren sei aufgrund der zittrigen Hände vollständig von der Pflegeperson zu übernehmen und mit 6 bis 8 Minuten zu bewerten. Aufgrund von Schmerzen im Schulter- und Armbereich bestehe zudem eine Bewegungseinschränkung.

Der Versicherte hat gegen das ihm am 24. September 2009 zugestellte Urteil am 12. Oktober 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen Anhalt eingelegt. Er hat sich mit dem Gutachten und den Verrichtungen im Einzelnen auseinandergesetzt und die unberücksichtigten Pflegezeiten dargelegt. Hierauf wird Bezug genommen. Insbesondere benötige der Versicherte zweimal täglich eine Ganzkörperwäsche.

Am 27. Juli 2010 hat der Versicherte auf Anregung des Berichterstatters einen Verschlimmerungsantrag bei der Beklagten gestellt. Diese veranlasste eine Begutachtung durch die MDK-Gutachterin D. vom 30. August 2010 (Untersuchung vom 27. August 2010). Hiernach sei es in den letzten Wochen und Monaten zu einem allgemeinen Leistungs- und Mobilitätsabbau gekommen. Der Versicherte habe wegen akuter Atemnotzustände sowie wegen reduziertem Allgemeinzustand wiederholt stationär behandelt werden müssen. Der Zeitaufwand für die Grundpflege betrage nun 146 Minuten, so dass die Voraussetzungen der Pflegestufe II gegeben seien. Dem folgend gewährte die Beklagte Pflegegeld der Pflegestufe II ab dem 27. Juli 2010 (bestandskräftiger Bescheid vom 6. September 2010).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 21. September 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2008 aufzuheben und der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin für den Versicherten D. R. für den Zeitraum vom 21. Januar 2008 bis 26. Juli 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide sowie die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Akten des Schwerbehindertenverfahrens des Versicherten vor dem Sozialgericht Stendal (S 6 SB 49/09) sowie Auszüge der Verwaltungsakte des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt beigezogen. Der Hausarzt R. gab in einem Befundbericht von November 2008 an, dass der Versicherte bei ihm seit 5. September 2002 in Behandlung sei. Seit ca. drei Jahren sei eine dauerhafte Sauerstoffgabe unumgänglich geworden. Insbesondere bei stärkeren Wetterwechseln komme es zu typischen Exazerbationen, die eine intravenöse Cortisongabe erforderten. In einem Bescheid vom 24. Juli 2007 stellte das Landesversorgungsamt beim Versicherten einen Grad der Behinderung von 80 sowie das Merkzeichen "G" ab dem 25. Januar 2007 fest. In einem Befundbericht vom 24. August 2010 berichtete Facharzt R. über seit Juni 2010 deutlich zunehmende Luftbeschwerden. Nach beigefügten Unterlagen des Altmark Klinikums Krankenhaus G. befand sich der Versicherte vom 21. bis 27. Juli 2010 und vom 10. August bis 20. August 2010 in stationärer Behandlung. So berichtete Chefarzt Dr. S. unter dem 19. August 2010 über einen massiv reduzierten Allgemeinzustand mit ausgeprägter Ruhedyspnoe sowie peripheren Ödemen.

Der Senat hat ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage vom Diplom-Pflegewirt B. vom 10. April 2012 erstatten lassen. Hiernach sei beim Versicherten von folgenden pflegerelevanten Erkrankungen auszugehen:

COPD (seit 2002; seit Dezember 2006 mit Sauerstoffgerät),

Akut exazerbierte Bronchitis,

arterielle Hypertonie (seit 2004),

BPH (benigne Prostatahyperplasie seit 2005),

Glaukom und Katarakt beidseits (seit 2005),

Gicht (seit 2006),

koronare Herzerkrankung (seit 2006),

Cor pulmonale (seit 2010),

Hypercholesterinämie (seit 2006),

chronische Niereninsuffizienz (seit 2007),

Leberzirrhose (seit 2007),

Anämie.

Ferner hat der Sachverständige angegeben: Nach Abschnitt F der Begutachtungsrichtlinien sei von pflegeerschwerenden Faktoren unter anderem bei eingeschränkter Belastbarkeit infolge schwerer kardiopulmonaler Dekompensation mit Orthopnoe, ausgeprägter zentraler und peripherer Zyanose sowie peripheren Ödemen auszugehen, was beim Versicherten vorgelegen habe. So würden eine Ruheluftnot, Fußrücken- und Unterschenkelödeme und eine ausgeprägte Lippenzyanose sowie ein dekompensiertes Cor pulmonale berichtet. Entgegen dem MDK-Gutachten im Widerspruchsverfahren sei daher von pflegeerschwerenden Faktoren auszugehen. Zu Unrecht hätten die bisher vorliegenden Gutachten die außerordentlich eingeschränkte Belastbarkeit des Versicherten nicht hinreichend berücksichtigt. Auch die Angabe des Versicherten, er gerate beim Duschen durch Wasserdampf in Atemnot, sei nicht hinreichend als erschwerender Faktor gewürdigt worden. Nach Auffassung der gerichtlichen Sachverständigen H. habe der Versicherte das Reinigen der Zähne im Reinigungsbad selbstständig durchführen können. Dieser Vorgang sei jedoch nicht ausreichend, da die bloße Reinigung mit Prothesenreiniger nicht genüge, da sie eine mechanische Reinigung nicht ersetzen könne. Die von ihr hierfür angenommene Pflegezeit einmal täglich sei zudem unzutreffend, da die Reinigung der Zähne nach jeder Mahlzeit, mindestens jedoch morgens und abends erfolgen müsse. Zudem seien die Aussagen der Sachverständigen H. nicht konsistent. Auf der einen Seite berichtet sie von zitternden Händen des Versicherten, die ihm bestimmte Arbeiten bei der Zahnreinigung nicht möglich machten. Auf der anderen Seite halte sie eine Rasur mit Ausnahme von Teilhilfen selbstständig für möglich. Gleiches gelte auch für das An- und Auskleiden. So gehe die Sachverständige H. davon aus, dass sich der Versicherte die Hausschuhe selbstständig anziehen könne, jedoch die Pflegeperson das Waschen des Unterkörpers vollständig übernehmen müsse. Zusammenfassend werde daher der Hilfebedarf für die Grundpflege für den Zeitraum Januar 2008 bis Juli 2010 mit 65 Minuten eingeschätzt. Wahrscheinlich habe dieser Grundpflegebedarf auch bereits im Jahr 2007 bestanden.

Daraufhin hat die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung der Leistungen nach dem SGB XI ab dem 25. Januar 2007 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestellt. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 hat die Beklagte diesen Antrag zurückgewiesen und sich im wesentlichen (Zeitraum vom 25. Februar 2007 bis 31. Dezember 2007) auf Verjährung berufen. Bezogen auf den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 20. Januar 2008 seien die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht gegeben. Überdies sei dieser Anspruch zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht fällig gewesen und daher erloschen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie Auszüge aus den Akten des Schwerbehindertenverfahrens vor dem Sozialgericht Stendal (Az: S 6 SB 49/09) des Versicherten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber nur teilweise begründet. Bei der noch von dem Versicherten erhobenen Klage handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 3. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2008 ist zum Teil rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG insoweit, als ihr ein Anspruch als Rechtsnachfolgerin des Versicherten auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis 26. Juli 2010 zusteht.

Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) berechtigt, die fälligen Ansprüche des verstorbenen Versicherten auf Pflegegeld als laufende Geldleistungen im eigenen Namen geltend zu machen, da sie als Ehefrau im streitigen Zeitraum mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

1. Ab dem 1. Juni 2009 steht der Klägerin ein Pflegegeldanspruch der Pflegestufe I bis zum 26. Juli 2010 zu. Nach § 37 SGB XI können Pflegebedürftige Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen kann. Die Höhe des Pflegegeldes bemisst sich nach der Pflegestufe. Voraussetzung ist zunächst, dass Pflegebedürftigkeit vorliegt. Die Definition hierfür liefert § 14 SGB XI. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift sind Personen pflegebedürftig im Sinne dieses Gesetzes, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Was unter gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zu verstehen ist, wird in Abs. 4 definiert. Darunter fallen im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung und im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. § 15 SGB XI differenziert zwischen den einzelnen Pflegestufen. Danach ist für die von dem Versicherten begehrte Pflegestufe I Voraussetzung, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Person für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochendurchschnitt mindestens 90 Minuten beträgt und hierbei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.

Die Feststellung der Pflegestufe unterliegt dabei den Grundsätzen der objektiven Beweislast (sog. materielle Feststellungslast), wonach derjenige die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache trägt, der aus dieser Tatsache ein Recht oder einen Vorteil herleiten will (so bereits grundlegend BSGE 6, S. 70, 72, BSGE 19, S. 52, 53). Dies ist für die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs auf Pflegegeld nach der Pflegeversicherung grundsätzlich der Versicherte. Im vorliegenden Fall trägt daher die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die volle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen eines Pflegegeldanspruchs für die geltend gemachte Zeit vom 21. Januar 2008 bis zum 26. Juli 2010 vorgelegen haben. Der Nachweis im Sinne des erforderlichen Vollbeweises für die Voraussetzungen der Pflegestufe I ist nur teilweise erbracht. Die Nichterweislichkeit der Anspruchsvorraussetzungen für die Zeit vom 21. Januar 2008 bis zum 31. Mai 2009 geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.

Zunächst ist der Senat davon überzeugt, dass am 1. Juni 2009 zu Gunsten des Versicherten die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorgelegen haben. Der Senat stützt sich dabei auf das Pflegegutachten von Frau H. vom 8. Juni 2009, hält jedoch weitere Zeitaufschläge in der Grundpflege von insgesamt 8 Minuten für gerechtfertigt. Nach diesem Gutachten erreichte der Versicherte zusammenfassend einen Grundpflegebedarf von 40,4 Minuten. Auf der Grundlage des weiteren Sachverständigengutachtens vom Dipl.-Pflegewirt B. vom 10. April 2012 nach Aktenlage müssen über das von Frau H. festgestellte Ergebnis hinaus weitere Minuten hinzugerechnet werden, die dann zum Überschreiten der Grenze der Pflegestufe I von mehr als 45 Minuten Grundpflege ab dem 1. Juni 2009 geführt haben. Der Senat misst dabei den besonderen, die Pflege erschwerenden Faktoren beim Versicherten erhebliche Bedeutung zu. Dies waren die Luftnot, Fußrücken- und Unterschenkelödeme sowie ein dekompensiertes Cor pulmonale (ab 2010). Entgegen der Darstellung des Sachverständigen Dipl.-Pflegewirt B. hat auch die Sachverständige H. diese erschwerenden Gesichtspunkte durchaus erkannt. Denn sie beschreibt einen geschwächten Allgemeinzustand sowie eine reduzierte körperliche Kraft infolge des Sauerstoffmangels, der dem Versicherten beispielsweise das selbständige Aufstehen aus dem Bett und das Bücken beim Waschen unmöglich gemacht hat. Zutreffend hat der Sachverständige Dipl.-Pflegewirt B. jedoch darauf hingewiesen, dass Frau H. dem Versicherten wegen eines Tremors einen Pflegebedarf für das Herausdrücken der Zahnpasta auf die Zahnbürste zuerkannt habe, nicht jedoch für das Rasieren, wo sich der Tremor ebenfalls ausgewirkt hat. Wegen der Einschränkungen im feinmotorischen Bereich sind für die Verrichtungen Zahnpflege, Kämmen und Rasieren die Einschätzungen von Dipl.-Pflegewirt B. von insgesamt 11 Minuten nach Ansicht des Senats zutreffender, als die von der Sachverständigen H. angesetzten 6 Minuten. Dafür spricht auch, dass sich die Zahnpflege des Versicherten nicht nur auf die Reinigung der Zahnprothese im Oberkiefer beschränkt haben konnte, sondern von ihm auch die vorhandenen Zähne im Unterkiefer gereinigt werden mussten. Dies rechtfertigt einen Aufschlag von 5 Minuten bezogen auf die genannten Verrichtungen.

Zusammenfassend hält der Senat das Gutachten der Sachverständigen H. hinsichtlich der ermittelten Pflegezeiten aber für zutreffender, weil diese weitgehend auf eigener Wahrnehmung und Untersuchung beruhen. Denn vor allem die eigene Untersuchung ermöglicht es einem Sachverständigen regelmäßig, die Angaben der Beteiligten vor dem Hintergrund eigener Feststellungen kritisch zu würdigen. Diese kritische Würdigung ist dem Gutachten des Dipl.-Pflegewirt B. über weite Strecken nicht zu entnehmen. Denn er hat im Wesentlichen die Angaben des Versicherten als wahr unterstellt, obwohl diese zum Teil im Widerspruch zum Gutachten der Frau H. gestanden haben. Vergleicht man alle vorliegenden Gutachten sowie die beigefügten medizinischen Befunde lässt sich zumindest eine Tendenz zur kontinuierlichen Verschlechterung im Gesundheitszustand des Versicherten ableiten, die sich dann im Jahr 2010 nochmals deutlich beschleunigte und letztendlich auch seinen Tod herbeigeführt hat. Während im ersten MDK-Gutachten vom 18. Februar 2007 noch ein Grundpflegebedarf von 27 Minuten eingeschätzt wurde, steigerte sich dieser Bedarf auf 34 Minuten bzw. 31 Minuten (MDK-Gutachten vom 7. März 2008 und MDK-Gutachten vom 19. Juni 2008) und im gerichtlichen Gutachten vom 18. Juni 2009 nochmals auf ca. 40 Minuten bzw. nach Auffassung des Senats auf mehr als 45 Minuten. Im Jahr 2010 stellte der MDK nach mehreren stationären Aufenthalten des Versicherten im Gutachten vom 30. August 2010 dann sogar einen Grundpflegebedarf von 146 Minuten fest. Vor diesem Hintergrund hält der Senat auf der Grundlage der Feststellungen der Sachverständigen H. einen Aufschlag in der Grundpflege von 5 Minuten wegen der Verrichtungen Kämmen, Rasieren sowie Zahnpflege und einen Sicherheitsaufschlag von weiteren 3 Minuten zu Gunsten des Versicherten für vertretbar. Dies führt zu einem Grundpflegebedarf von 48 Minuten und damit zu den Voraussetzungen der Pflegestufe I ab dem 1. Juni 2009.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld wegen häuslicher Pflege aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I für die Zeit ab 21. Januar 2008 bis zum 31. Mai 2009. Für diese Zeit kann auf der Grundlage der nach nachvollziehbaren MDK-Gutachten kein Pflegebedarf von mehr als 45 Minuten in der Grundpflege festgestellt werden. Nach beiden MDK-Gutachten vom 7. März 2008 und vom 19. Juni 2008 wird diese Grenze mit 34 Minuten bzw. 31 Minuten klar verfehlt, sodass die Pflegestufe I auch mit Hilfe etwaiger Zuschläge entsprechend dem Gutachten H. nicht erreicht würde. Der anderslautenden Bewertung von Dipl.-Pflegewirt B. , der sich seit der Antragstellung im Jahr 2008 für das Vorliegen der Pflegestufe I ausgesprochen hatte, ist nicht zu folgen, da er seine Schlussfolgerungen nicht auf eigene Wahrnehmungen stützen konnte und auch nicht durch überzeugende Argumente plausibel gemacht hat. Deshalb gehen noch verbleibende Zweifel und Ungewissheiten nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin.

Nach allem ist von einem Grundpflegebedarf vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Mai 2009 von mehr als 45 Minuten nicht auszugehen. Soweit der Sachverständige Dipl.-Pflegewirt B. nach Aktenlage höhere Grundpflegezeiten ab Antragstellung im Januar 2008 ermittelt hat, folgt der Senat dem nicht. Die Feststellung, der Versicherte gerate durch den Wasserdampf beim Duschen in Atemnot, was zu einer Unterbrechung der Verrichtung führe und die Sauerstoffgabe erforderlich mache, hat Dipl.-Pflegewirt B. auf die Angaben des Versicherten gestützt, ohne diese kritisch zu hinterfragen. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob diese vermeintliche Erschwerung der Pflege tatsächlich vorgelegen hat. Denn der Versicherte hat auf diesen Umstand erstmals nach dem Sachverständigengutachten der Frau H. hingewiesen. Dabei wurde dieser bedeutsame Aspekt weder anlässlich der zahlreichen MDK-Gutachten aus den Jahren 2007 bis 2008 noch während der ausführlichen Befragung durch die Sachverständige H. jemals problematisiert, obwohl dies nahe gelegen hätte. Der Senat kann sich deshalb rückschauend nicht davon überzeugen, dass dieser erschwerende Umstand zum angegebenen Zeitraum tatsächlich vorgelegen hat. Erhärtet werden die Zweifel auch durch den Sachvortrag des Versicherten nach dem Urteil erster Instanz, wo er erstmals eine zweimalige Ganzkörperwäsche am Tag behauptet hat und sich damit in Widerspruch zu seinen vorherigen Angaben anlässlich mehrerer Begutachtungen gestellt hat. Dabei misst der Senat auch den Erstangaben des Versicherten im Verwaltungsverfahren Bedeutung zu. Hier hat er immer wieder auf seinen ständig schwankenden Gesundheitszustand hingewiesen. Die pflegeerschwerenden Umstände hingen demnach immer von der jeweiligen aktuellen gesundheitlichen Situation des Versicherten ab und wiesen offenbar erhebliche Schwankungen. Dies bestätigen auch die gerichtliche Sachverständige H. und der Hausarzt R.

Schultergelenksbeschwerden des Versicherten, die der Sachverständige Dipl.-Pflegewirt B. ebenfalls beim Pflegebedarf berücksichtigt hat, sind dem Hausarzt R. erst während des Verfahrens im Nachhinein vom Versicherten mitgeteilt worden (vgl. Ärztliches Attest vom 9. Juli 2009; Bl. 80 GA; Sachverständigengutachten H. ). Wären diese Beschwerden tatsächlich gravierend und pflegerelevant gewesen, hätte es nahegelegen, dies dem Hausarzt zeitnah anzuzeigen, um entsprechende Behandlungen zu übermöglichen. Der Senat hält daher die zu diesem Punkt getroffenen Feststellungen der Sachverständigen H. für nachvollziehbar und zutreffend, wonach der Versicherte u.a. beim Waschen und Duschen Eigenleistungen noch zeitweise selbstständig handeln konnte.

Zur Stützung dieses Ergebnisses ist auch die Rechtsprechung des BSG zu Grenzfällen zwischen den jeweiligen Pflegestufen heranzuziehen. Gerade in Grenzfällen beim Übergang der jeweiligen Pflegestufen, in denen die beauftragten Pflegegutachter zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangt sind, ist eine besondere Prüfungssorgfalt geboten. Im Bereich der Pflegeversicherung erweist sich die Feststellung einer "wesentlichen" Änderung des Pflegebedarfs bereits aus praktischen Gründen als ausgesprochen schwierig. Der Ermittlung des zeitlichen Pflegebedarfs gehen schließlich keine exakten Messungen voraus. Vielmehr kann nur im Rahmen einer zeitlich beschränkten medizinisch-pflegerischen Begutachtung ein Gesamtpflegebedarf durch Addition einer Reihe von einzelnen zeitlich geschätzten Hilfeleistungen festgestellt werden. Der Pflegegutachter greift dabei auf seine medizinisch-pflegerische Erfahrung zurück und bringt diese mit den Richtzeitwerten und Zeitkorridoren in den Begutachtungsrichtlinien in Zusammenhang. In hohem Maße muss er auch die Angaben des Pflegebedürftigen und/oder der jeweiligen Pflegeperson berücksichtigen und - soweit glaubhaft - seiner Begutachtung zu Grunde legen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 B 3 P 8/04 R, zitiert nach juris). Hierbei kann auch einem sog. Pflegetagebuch eine besondere Bedeutung zukommen (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 RdNr. 13). Bei der Prüfung hat der Sachverständige auf der Grundlage einer durchschnittlichen, nicht professionellen Pflegekraft den angemessenen Pflegebedarf zu schätzen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 3 P 8/04 R, zitiert nach juris). Nach der Rechtsprechung des BSG unterliegt die Pflegebegutachtung bei diesen Schätzungen einer typischen Bewertungsbandbreite. Regelmäßig kommen an einem Verfahren beteiligte Gutachter daher kaum zu exakt demselben Ergebnis, obwohl sich die Verhältnisse unverändert darstellen. Diese Bewertungsrealität in der Ermittlung des konkreten Pflegebedarfs ist solange unkritisch, wie alle voneinander abweichende Zeitschätzungen zum selben rechtlichen Ergebnis führen, etwa zur Erfüllung der Voraussetzungen einer bestimmen Pflegestufe (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 B 3 P 8/04 R, zitiert nach juris). Besonders sind dann die Fälle zu bewerten, die sich an der zeitlichen Schnittstelle der jeweiligen Pflegestufen bewegen. Hier ist eine besondere Sorgfalt bei den Schätzungen, eventuell auch eine Zeitmessung geboten, die im Einzelfall auch einer Pflegeperson überantwortet werden kann (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 RdNr 12 und 13). In Grenzfällen ist es daher nach Ansicht des BSG nicht zu beanstanden, einen großzügigen Maßstab anwenden und den Leistungsanspruch nicht an wenigen Minuten scheitern lassen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 B 3 P 8/04 R, zitiert nach juris). Diesen großzügigen Maßstab hat der Senat durch seinen Aufschlag von insgesamt 8 Minuten bereits vorgenommen. Diese unmittelbare Grenznähe zur Pflegestufe I hat der Versicherte jedoch erst zum Zeitpunkt der Untersuchung der Sachverständigen H. im Juni 2009 mit ca. 40 Minuten nach Ansicht des Senats erreicht. Demgegenüber lagen die ermittelten Grundpflegewerte nach den beiden nachvollziehbaren MDK-Gutachten aus dem Jahr 2008 mit unter 35 Minuten noch deutlich unterhalb dieser Grenze.

3. Bezogen auf den Antrag der Klägerin gemäß § 44 SGB X für den Zeitraum vom 25. Februar 2007 bedurfte es keiner Entscheidung des Senats. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er nicht die Voraussetzungen des § 96 SGG erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe die Revision nach § 160 SGG zuzulassen liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gefestigter Rechtsprechungsgrundlage.
Rechtskraft
Aus
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