Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 R 420/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 50/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines dritten Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente.
Die am xxxxx 1948 geborene Klägerin war ab dem xxxxx 1967 mit dem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), rentenversicherten R.S. (geboren am xxxxx 1930, gestorben am xxxxx 1990; im Folgenden: Versicherter) verheiratet; die Eheleute lebten im Güterstand der Gütertrennung. Die Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind (A., geboren am xxxxx 1967, und M., geboren am xxxxx 1970) wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 2. Juli 1975 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Für diesen Fall hatten die Eheleute, die beide nicht wiedergeheiratet haben, zu Protokoll des Landgerichts (LG) Hamburg in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 1975 einen wechselseitigen Verzicht auf Unterhalt jeder Art einschließlich des Anspruchs auf Notbedarf im Rahmen eines Auseinandersetzungsvergleiches vereinbart, der auch Regelungen zum alleinigen Sorgerecht der Klägerin für beide Kinder, zum Kindesunterhalt, zum Kindergeldanspruch, zum Umgangsrecht des Kindsvaters, zum Grundstück der Ehewohnung sowie zum Hausstand enthielt, wodurch alle gegenseitigen Ansprüche geregelt werden sollten. Das monatliche Nettoeinkommen der Eheleute betrug nach den ersten Angaben der Klägerin, die 1967 eine Lehre als Bürokauffrau abgeschlossen, auf Bitten des Versicherten zum 30. Juni 1967 aufgehört hatte zu arbeiten, diese Tätigkeit aber ab März 1975 wieder aufgenommen hatte, zum Zeitpunkt der Scheidung etwa netto 700 DM (Klägerin) bzw. 2.000 DM (Versicherter) und zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten 2.350/2.650 DM (Klägerin, brutto im Oktober 1990 3.952 DM) bzw. 5.547 DM (Versicherter); zu einem späteren Zeitpunkt bezifferte sie das Jahreseinkommen für 1975 mit 7.931 DM (Klägerin) bzw. 33.600 DM (Versicherter) und für 1990 mit 41.517,50 DM (Klägerin) bzw. 145.419,76 DM (Versicherter).
Ein Antrag der Klägerin auf Geschiedenenwitwenrente blieb im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg (Bescheid der BfA vom 9. Januar 1991), ebenso ein erster Antrag auf Überprüfung des bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X (Bescheid der BfA vom 18. November 1996). Auch den zweiten Überprüfungsantrag lehnte die BfA (mit Bescheid vom 17. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004) ab. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Hamburg ab (Urteil vom 3. November 2006 - S 42 RA 694/04), ihre nachfolgende Berufung (L 6 R 223/06) nahm die Klägerin nach einem Hinweis des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg zurück. Dabei hatte die Klägerin erstmals mit dem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 17. Mai 2004 behauptet, der Unterhaltsverzicht sei ihr mit der Drohung abgepresst worden, ihr die Kinder wegzunehmen. Hierfür hatte sie zwei Zeuginnen benannt und schriftliche Erklärungen von diesen eingereicht: Frau F. hatte angegeben, dass der Versicherte sie aufgesucht habe, als die Klägerin ihm eröffnet habe, dass sie sich scheiden lassen wolle. Er habe gebeten, dass die Zeugin auf die Klägerin Einfluss nehme, damit diese den Scheidungsantrag zurücknehme. Anderenfalls wolle er der Klägerin die Kinder nicht überlassen. Frau R.-B. hatte nach ihren Angaben ein Telefonat der Klägerin aus einer Telefonzelle mit dem Versicherten im Mai 1975 als Zeugin verfolgt, in dem die Drohung erfolgt sei, der Versicherte werde der Klägerin die Kinder wegnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG im Klageverfahren S 42 RA 694/04 hatte die Klägerin erklärt, dass sie etwa 1981 vorübergehend Sozialhilfe bezogen habe, weil eine ihrer Töchter schwer erkrankt gewesen sei und sie die Betreuung habe übernehmen müssen.
Zur Begründung ihres am 18. Dezember 2008 gestellten dritten Überprüfungsantrags führte die Klägerin aus, ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Versicherten habe sich nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung geltenden Recht (§ 60 des insoweit bis zum 30. Juni 1977 geltenden Ehegesetzes (EheG)) allein aus Billigkeitserwägungen ergeben können, die im vorliegenden Fall jedoch nicht zu ihren Gunsten gegangen wären. Somit habe der anlässlich der Scheidung erklärte Unterhaltsverzicht "keine bloße Hülse" (gemeint: "eine leere Hülse") dargestellt, so dass die Voraussetzung für eine Hinterbliebenenrente nach § 243 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) gegeben sei.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2009 unter Hinweis darauf ab, dass die Frage einer möglichen Unbeachtlichkeit des Unterhaltsverzichts im Bescheid vom 9. Januar 1991 nicht geprüft worden sei, weil die Klägerin seinerzeit weder berufs- noch erwerbsunfähig noch über sechzig Jahre alt gewesen sei. Im Übrigen komme eine Geschiedenenwitwenrente trotz eines Unterhaltsverzichts dann in Betracht, wenn weder bei der Scheidung noch beim Tod des Versicherten ein Unterhaltsanspruch bestanden habe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin jedoch zur Zeit der Scheidung angesichts der unterschiedlich hohen Einkommen einen Unterhaltsanspruch gehabt, so dass der Verzicht auch tatsächlich Rechtswirkungen entfaltet und somit keine "leere Hülse" dargestellt habe.
Den am 27. Februar 2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. April 2009 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 9. April 2009 mit der Begründung zurück, Geschiedenenwitwenrente komme bei fehlendem Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten nur dann in Betracht, wenn dieses Fehlen seinen Grund entweder in der Höhe der eigenen Einkünfte oder aber im Gesamteinkommen des Versicherten gehabt habe. Im vorliegenden Fall sei ein Unterhaltsanspruch jedoch wegen des bei Scheidung erklärten Unterhaltsverzichts ausgeschlossen gewesen. Dieser Verzicht sei wegen eines Anspruchs der Klägerin nach § 60 EheG auch nicht etwa unbeachtlich gewesen.
Am 14. Mai 2009 hat die Klägerin Klage beim SG Hamburg mit dem Ziel der Rentengewährung ab 30. April 2004 erhoben und ausgeführt, dass sie nach dem Urteil im Verfahren S 42 RA 694/04, dem insoweit auch zu folgen sei, nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung gültigen Recht keinen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten gehabt habe (mit der Folge, dass der Unterhaltsverzicht rechtlich bedeutungslos gewesen sei). Die Beklagte bejahe einen solchen Unterhaltsanspruch aber gerade und leite hieraus die Beachtlichkeit des Unterhaltsverzichts ab. Somit seien die angegriffenen Entscheidungen falsch. Im Übrigen ergebe sich der Rentenanspruch aus § 243 Abs. 3 SGB VI, denn in Anwendung von § 60 EheG habe sie zum Zeitpunkt der Scheidung grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch gehabt, der jedoch wegen ihres eigenen Einkommens nicht zur Auszahlung gekommen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten, der indes tatsächlich nicht bestanden habe, habe nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Maßgeblich für die Versagung der Rente sei gewesen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Jahr 1990 nicht berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sei und auch kein Kind erzogen habe.
Das SG hat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Klage entschieden und diese mit Urteil vom 14. März 2011 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen und damit gemäß § 77 SGG bindenden früheren Ablehnungsbescheide nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagte habe weder bei der Ablehnung des Rentenerstantrags noch bei der Ablehnung der ersten beiden Überprüfungsanträge das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Soweit die Klägerin sich ursprünglich darauf berufen habe, die Beklagte habe sich in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2009 in Widerspruch zum Urteil vom 3. November 2006 gesetzt, sei dies im Rahmen der Prüfung von § 44 Abs. 1 SGB X bedeutungslos. Gegenstand einer solchen Nachprüfung seien die früheren – in der Regel bestandskräftigen – Bescheide des Sozialleistungsträgers und nicht etwa – wie die Klägerin offenbar meine – die im hiesigen Verfahren angegriffenen Bescheide, mit denen die Beklagte erst über den (dritten) Überprüfungsantrag entschieden habe. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin auch auf § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI, denn diese Vorschrift sei bereits nicht einschlägig. Die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten habe, beurteile sich – ebenso wie im vorangehenden Klageverfahren – nicht nach § 243 SGB VI, sondern nach § 42 des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI seien die Vorschriften des SGB VI vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn der Sachverhalt oder der Anspruch bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hätten. Aufgehobene und durch das SGB VI ersetzte Vorschriften seien gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung auf einen bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht worden sei. Somit sei auch im Rahmen des sogenannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X das vor Einführung des SGB VI geltende Recht weiterhin anzuwenden, wenn dem Berechtigten – wie er meine – unter seiner Geltung rechtswidrig Leistungen vorenthalten worden seien (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Dezember 2005 - B 13 RJ 41/04 R, SozR 4-2200 § 1290 Nr. 1). Dies gelte nicht nur bei einer zu niedrig festgestellten (gleichsam teilweise vorenthaltenen) Rente, sondern auch im Rahmen der Überprüfung der Ablehnung eines früheren Rentenantrags (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R, SozR 3-2600 § 300 Nr. 18). Die anderslautende ältere Rechtsprechung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Mai 1998 - B 5 RJ 8/97 R, SozR 3-2600 § 300 Nr. 13 m.w.N.) habe das BSG ausdrücklich aufgegeben (Hinweis auf BSG, Beschlüsse vom 23. Juni 1999 - B 5 RJ 20/98 R - und 1. September 1999 - B 13 RJ 3/99 S, juris). Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin ihren Anspruch ausdrücklich auf den Zeitraum ab dem 30. April 2004 beschränkt habe. Der Betreffende habe es – zumal bei gleichbleibendem Versicherungsfall (hier: Tod des Versicherten) – nicht in der Hand, auf diese Weise zu bestimmen, welche Rechtslage gelten solle. Die Beklagte habe das Recht auch nicht etwa insoweit unrichtig angewandt, als sie den von der Klägerin erklärten Unterhaltsverzicht als rentenrechtlich bedeutungslos hätte behandeln müssen. Die Klägerin dringe nicht damit durch, ihr Unterhaltsverzicht sei deswegen unbeachtlich gewesen, weil sie zum Zeitpunkt der Scheidung keinen Unterhaltsanspruch nach § 60 EheG gehabt habe. Rentenversicherungsrechtlich unbeachtlich sei ein nach bürgerlichem Recht wirksam erklärter Unterhaltsverzicht nur dann, wenn der hinterbliebene frühere Ehegatte es zum Zeitpunkt der Vereinbarung (hier: im Jahr 1975) vernünftigerweise als ausgeschlossen habe betrachten dürfen, dass die in § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AVG (bzw. § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) genannten Hinderungsgründe für einen Unterhaltsanspruch in der Zeit bis zum Tode des Versicherten infolge einer in Rechnung zu stellenden Änderung der Verhältnisse wieder entfallen könnten; da bei diesen Überlegungen einkommensmindernden Wechselfällen des Lebens wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit grundsätzlich Rechnung getragen werden müsse, bleibe das Vorliegen von soweit abgesicherten Verhältnissen eine Ausnahme und müsse deshalb gesondert festgestellt werden (Hinweis auf Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 243 SGB VI, Rn. 66 m.w.N.). Eine solche Einschätzung habe die Klägerin zum Zeitpunkt der Scheidung nicht treffen dürfen. Sie sei damals knapp 27 Jahre alt gewesen und habe zwischen dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau im Jahr 1967 und der erneuten Aufnahme einer Tätigkeit im März 1975 nicht gegen Entgelt gearbeitet. Hinzu sei gekommen, dass die Klägerin nach der Scheidung die elterliche Sorge für beide Töchter innegehabt habe, was wirtschaftlich betrachtet vernünftigerweise als Belastung der zukünftigen Erwerbsbiografie zu berücksichtigen gewesen sei.
Gegen dieses, ihrer Prozessbevollmächtigten am 17. März 2011 erstmals und wegen einiger unleserlicher Passagen am 24. März 2011 erneut zugestellte Urteil richtet sich die am 14. April 2011 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Begehren weiter verfolgt und sich zunächst ausführlich zu den ihrer Auffassung nach irrigen Ausführungen des Sozialgerichts zum Prüfungsmaßstab bei Anträgen nach § 44 SGB X einlässt. Auch vertritt sie die Ansicht, dass das Recht bei Erlass der bestandskräftig gewordenen Bescheide unrichtig angewandt worden sei. Sie ist weiter der Auffassung, dass gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI nicht § 42 AVG, sondern § 243 SGB VI als maßgebliche Norm anwendbar sei. Jedenfalls bestehe der geltend gemachte Anspruch auch bei Anwendung des § 42 AVG. Die Klägerin trägt nunmehr vor, dass der Unterhaltsverzicht zwar keine leere Hülse dargestellt habe, dass er jedoch nach § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sittenwidrig und daher nichtig sei. Der Versicherte habe ihre Zwangslage ausgenutzt ohne jede Gegenleistung. Da der Beklagten dieser Sachverhalt nicht bekannt gewesen sei, sei diese auch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Vor dem Tod des Versicherten habe sich die Klägerin im Sinne des § 60 EheG nicht selbst unterhalten können. Dies setze nicht das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit voraus, wie das Sozialgericht ausgeführt habe. Hierzu hat die Klägerin Auszüge von Kommentierungen zu § 60 EheG sowie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 4. April 1979 - IV ZR 62/78 - zur Akte gereicht. Hinsichtlich der - neben der Unverhältnismäßigkeit - aus ihrer Sicht Sittenwidrigkeit begründenden Drohung beruft sie sich nach wie vor auf Zeugenbeweis und nimmt Bezug auf die im Verwaltungsverfahren eingereichten Vermerke von sich und den benannten Zeuginnen F. und R.-B ...
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung der Bescheide vom 9. Januar 1991, vom 18. November 1996 und 17. Mai 2004, letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 große Witwenrente aus der Versicherung des R.S. ab dem 1. Januar 2004 zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, erkennt in dem Vortrag der Klägerin nichts Neues, verweist darauf, dass die entscheidenden Regelungen in § 42 AVG und § 243 SGB VI praktisch identisch seien und hält die behauptete Sittenwidrigkeit für nicht gegeben.
Am 26. September 2012 hat der Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt und folgende Hinweise erteilt (Schreibfehler beseitigt): Der Berichterstatter legt ausführlich dar, dass seiner Auffassung nach die Ausführungen des Sozialgerichts dazu, dass die Rechtsprechung zur sogenannten "leeren Hülse" hier nicht zur Anwendung komme, weil schon keine gesicherten Lebensverhältnisse vorgelegen haben, richtig seien. Unabhängig von der Reichweite des § 44 SGB X und der Frage, ob § 42 AVG oder § 243 SGB VI zur Anwendung kommt, könnte ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nur unter dem Gesichtspunkt zu diskutieren sein, dass der Unterhaltsverzicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Dann müsste im Übrigen auch festgestellt werden, ob tatsächlich vor dem Tod des Versicherten ein Unterhaltsanspruch bestand. Auch hierzu wäre von der Klägerin noch vorzutragen. Im Übrigen hält der Berichterstatter die Annahme von Sittenwidrigkeit für ausgeschlossen. Der damals geschlossene Vergleich in der Sitzung des Landgerichts Hamburg, in der die Klägerin anwaltlich vertreten war, regelt einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht und neben anderen Dingen im Sinne der Klägerin das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, den Kindesunterhalt und den Anspruch auf Kindergeld. Sollte dieser Vergleich durch Drohung zustande gekommen sein, wäre möglicherweise eine Anfechtbarkeit gegeben, deren Frist jedoch längst abgelaufen ist. Schließlich dürfte wesentliche Bedeutung haben, dass die Klägerin selbst die Scheidung betrieben hat, gegen die ihr damaliger Ehemann zunächst Widerstand geleistet und versucht hat, Bekannte dazu zu bringen, die Klägerin in seinem Sinne zu beeinflussen. Mit dem Unterhaltsverzicht hat die Klägerin daher auch ihr Ziel einer Scheidung ohne längeres Verfahren erreicht, was der ausdrücklich in § 72 Satz 2 EheG geregelten Situation der Konventionalscheidung entspricht, die danach ausdrücklich keine Nichtigkeit bedingt. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, sich hierzu ergänzend zu äußern. Der Berichterstatter regt bereits jetzt an, die Berufung zurückzunehmen.
Die Klägerin verbleibt auch danach bei ihrer Auffassung, dass der im Rahmen des Scheidungsverfahrens vereinbarte Unterhaltsverzicht sittenwidrig sei. Dass die Frist für eine Anfechtung nach § 123 BGB abgelaufen sei, hindere nicht die Beurteilung als nichtig nach § 138 BGB, weil das von ihr dargelegte grobe Missverhältnis zwischen der von ihr erbrachten Leistung (Unterhaltsverzicht) und der Gegenleistung ihres ehemaligen Mannes (Zubilligung des Sorgerechts) als weiterer Umstand hinzutrete (Hinweis auf Rechtsprechung des BGH, s.a. Ellenberger in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 138 Rn. 14). Ansprüche auf weitere werthaltige Gegenleistungen seien ihr durch den Auseinandersetzungsvergleich nicht zugestanden worden. Dass sie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten tatsächlich Anspruch auf Unterhalt gehabt habe, habe sie bereits mit Ihrem Schriftsatz vom 12. Oktober 2011 dargelegt. Im Übrigen könne keine Rede davon sein, dass sie als Gegenleistung für den Unterhaltsverzicht ihr Ziel einer Scheidung ohne längeres Verfahren erreicht habe. Dies ergebe sich zwingend aus dem Sitzungsprotokoll des LG Hamburg, wonach der dortige Beklagte - der Versicherte - gegenüber dem Scheidungsantrag ausdrücklich keinen Abweisungsantrag gestellt, sondern ebenfalls den Ausspruch der Scheidung beantragt habe. Ihr sei nicht nachvollziehbar, wie das Berufungsgericht zu der Auffassung komme, die Klägerin habe seinerzeit die Scheidung betrieben und ihr damaliger Ehemann habe zunächst Widerstand geleistet. Zwar habe nach Erinnerung der Zeugin F. der Beklagte im März/April 1975 mit seiner Drohung, der Klägerin die Kinder wegzunehmen, die Klägerin noch dazu bewegen wollen, den von ihr gestellten Scheidungsantrag zurückzunehmen. Spätestens am 28. April 1975 aber sei er mit der Scheidung einverstanden gewesen und habe seitdem seine Drohung mit dem Entzug der Kinder zu dem Zweck eingesetzt, die Klägerin zum Unterhaltsverzicht zu bewegen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Protokolle des am 26. September 2012 durchgeführten Erörterungstermins vor dem Berichterstatter und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 17. April 2013 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich des Protokolls vom 17. April 2013 beigezogenen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Geschiedenenwitwenrente unter Aufhebung der entgegenstehenden bestandskräftigen Bescheide vom 9. Januar 1991, vom 18. November 1996 und vom 17. Mai 2004, letzterer in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004. Weder ist im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt noch sind Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden, weil von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden wäre. Der geltend gemachte Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente kommt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.
Unabhängig von der Prüfungsdichte im Verfahren nach § 44 SGB X und der Frage, ob § 42 AVG oder § 243 SGB VI zur Anwendung kommt, fehlt es zunächst an der Voraussetzung, dass im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt geleistet wurde (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AVG bzw. § 243 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 SGB VI).
Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand davor bestand hierauf auch kein Anspruch (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AVG bzw. § 243 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 SGB VI). Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts wäre aufgrund der Scheidung aus beiderseitigem Verschulden allenfalls ein Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG in Frage gekommen. Denn auch nach der Reform des Ehe- und Familienrechts zum 1. Juli 1977 bestimmen sich Unterhaltsansprüche von Ehegatten, deren Ehen davor geschieden wurden, nach dem bis dahin geltenden Recht (Art. 12 Nr. 3 Satz 2 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421)). Der Rechtscharakter des Unterhaltsbeitrags nach § 60 EheG ist nicht unstreitig (vgl. Hoffmann-Stephan, Ehegesetz, 2. Auflage 1968, § 60 Rn. 4 ff. mN). Jedenfalls setzt er aber Bedürftigkeit in dem Sinne voraus, dass der Ehegatte, der den Unterhaltsbeitrag beansprucht, sich nicht selbst unterhalten kann (Hoffmann-Stephan, aaO Rn 9). Im Rahmen der Billigkeitserwägungen sind sogar Unterhaltsansprüche gegen Verwandte bei Vorliegen von Bedürftigkeit vorrangig und schließen einen Anspruch auf den Unterhaltsbeitrag aus (Hoffmann-Stephan, aaO Rn. 12 ff.). Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin ersichtlich nicht vor. Sie war weder zum Zeitpunkt der Scheidung noch vor dem Tod des Versicherten erwerbsunfähig, war tatsächlich berufstätig und konnte – mit Ausnahme der Zeit der schweren Erkrankung der einen Tochter – trotz ihres relativ geringen Einkommens ihren Unterhalt bestreiten. Insoweit spielt aufgrund des beiderseitigen Verschuldens die Differenz zum Einkommen ihres Ehemannes, mit dem sie in Gütertrennung gelebt hatte, keine Rolle. Noch gar nicht berücksichtigt ist, dass andere Verwandte der Klägerin vorrangig unterhaltsverpflichtet gewesen wären. Die von der Klägerin überreichten Auszüge von Kommentierungen des § 60 EheG sagen nichts anderes, und die von ihr in Bezug genommene BGH-Entscheidung befasst sich damit, dass der dortigen Klägerin wegen der Betreuung von vier Kindern keine Erwerbstätigkeit zumutbar sei, daher ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag bestehe und dieser nicht schon prospektiv zeitlich begrenzt werden könne; bei Änderung der Verhältnisse sei ggf. eine Abänderungsklage zu erheben. Die Klägerin übersieht, dass es sich hierbei um einen gänzlich anderen Sachverhalt handelt. Sie hatte bereits begonnen, wieder in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten und konnte sich – mit Ausnahme der Zeit der längeren Erkrankung der einen Tochter - selbst unterhalten. Dies galt bereits zum Zeitpunkt der Scheidung und erst recht zum für den hier streitigen Anspruch maßgeblichen Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. die Zeit unmittelbar davor. Darüber hinaus bestand kein Anspruch aufgrund des Unterhaltsverzichts. Dieser war entgegen der Auffassung der Klägerin wirksam. § 72 Satz 2 EheG sah gerade vor, dass Vertragsfreiheit hinsichtlich der Unterhaltspflicht bestand, eine Vereinbarung nicht schon deshalb nichtig war, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht hatte (so genannte Konventionalscheidung, vergleiche auch BSG, Urteil vom 16.6.1994 –13 RJ 23/93). Der Vortrag der Bevollmächtigten der Klägerin, dass diese nicht selbst die Scheidung betrieben habe, ist nach dem festgestellten Sachverhalt und ihrer eigenen späteren Einschränkung, dass dies zunächst so gewesen sei und erst ab einem späteren Zeitpunkt nicht mehr, nicht nachvollziehbar. Mit der schnellen Scheidung und dem Erhalt des Sorgerechts für beide Kinder hat die Klägerin ihre wesentlichen Ziele erreicht. Die behauptete, ggf. zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigende Drohung kann schon nicht als (alleiniger) Grund dafür herhalten, dass die Klägerin, die selbst die Scheidung eingeleitet hat, sich auf den Unterhaltsverzicht einließ, denn aufgrund anwaltlicher Beratung und Vertretung kannte sie die Rechtslage. Im Übrigen ist das grobe Missverhältnis zwischen den Einkommen der Eheleute unbeachtlich, weil es im Rahmen des § 60 EheG allenfalls zweitrangig eine Rolle spielt, die Klägerin sich auch selbst unterhalten konnte, so dass es nicht zur Begründung der Sittenwidrigkeit herangezogen werden kann. Schließlich entspricht die Regelung dem Umstand, dass die Eheleute in Gütertrennung gelebt hatten.
Bereits wegen des wirksamen Unterhaltsverzichts kommt auch kein Anspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AVG bzw. nach § 243 Abs. 3 SGB VI in Betracht, weil insoweit jeweils das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs (allein) wegen der Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse Voraussetzung wäre und der Verzicht nicht rein deklaratorischer Natur war, also keine "leere Hülse" darstellte (vergleiche hierzu auch Gürtner in: Kasseler Kommentar, 73. Ergänzungslieferung 2012 Rn. 65 ff.). Insoweit nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollen Umfangs Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im hier angefochtenen Urteil zu II. 2c (S. 7/8) dazu, dass die "Leere-Hülse"-Rechtsprechung vorliegend nicht durchschlägt (s.a. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1998 – 4/11a RA 42/86, NJW 1989, 2012, vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 23/93, HVBG-INFO 1994, 2069, und vom 16. Dezember 1993 – 13 RJ 1/93, BSGE 74, 9). Selbst wenn der Unterhaltsverzicht nichtig wäre, entfiele die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten nicht (ausschließlich) wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse, sondern wegen des Umstands der Scheidung aus beiderseitigem Verschulden, der nach dem noch anwendbaren Unterhaltsrecht nach dem EheG dazu führte, dass grundsätzlich jeder Ehegatte für sich selbst aufzukommen und nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG hatte (vgl. Hoffmann-Stephan, a.a.O., § 60 Rn. 3), was bei der Klägerin aufgrund ihrer Fähigkeit, sich (mit Ausnahme der Zeit der schweren Erkrankung der einen Tochter) selbst zu unterhalten, nicht der Fall war, wobei neben der Erwerbsfähigkeit, der Berufsausbildung und –praxis bereits wieder ab März 1975 und der Volljährigkeit der nicht behinderten Töchter auch etwaige Unterhaltsverpflichtungen Dritter als vorrangig zu berücksichtigen gewesen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG folgt dem Ausgang der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines dritten Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente.
Die am xxxxx 1948 geborene Klägerin war ab dem xxxxx 1967 mit dem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), rentenversicherten R.S. (geboren am xxxxx 1930, gestorben am xxxxx 1990; im Folgenden: Versicherter) verheiratet; die Eheleute lebten im Güterstand der Gütertrennung. Die Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind (A., geboren am xxxxx 1967, und M., geboren am xxxxx 1970) wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 2. Juli 1975 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Für diesen Fall hatten die Eheleute, die beide nicht wiedergeheiratet haben, zu Protokoll des Landgerichts (LG) Hamburg in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 1975 einen wechselseitigen Verzicht auf Unterhalt jeder Art einschließlich des Anspruchs auf Notbedarf im Rahmen eines Auseinandersetzungsvergleiches vereinbart, der auch Regelungen zum alleinigen Sorgerecht der Klägerin für beide Kinder, zum Kindesunterhalt, zum Kindergeldanspruch, zum Umgangsrecht des Kindsvaters, zum Grundstück der Ehewohnung sowie zum Hausstand enthielt, wodurch alle gegenseitigen Ansprüche geregelt werden sollten. Das monatliche Nettoeinkommen der Eheleute betrug nach den ersten Angaben der Klägerin, die 1967 eine Lehre als Bürokauffrau abgeschlossen, auf Bitten des Versicherten zum 30. Juni 1967 aufgehört hatte zu arbeiten, diese Tätigkeit aber ab März 1975 wieder aufgenommen hatte, zum Zeitpunkt der Scheidung etwa netto 700 DM (Klägerin) bzw. 2.000 DM (Versicherter) und zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten 2.350/2.650 DM (Klägerin, brutto im Oktober 1990 3.952 DM) bzw. 5.547 DM (Versicherter); zu einem späteren Zeitpunkt bezifferte sie das Jahreseinkommen für 1975 mit 7.931 DM (Klägerin) bzw. 33.600 DM (Versicherter) und für 1990 mit 41.517,50 DM (Klägerin) bzw. 145.419,76 DM (Versicherter).
Ein Antrag der Klägerin auf Geschiedenenwitwenrente blieb im Verwaltungsverfahren ohne Erfolg (Bescheid der BfA vom 9. Januar 1991), ebenso ein erster Antrag auf Überprüfung des bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X (Bescheid der BfA vom 18. November 1996). Auch den zweiten Überprüfungsantrag lehnte die BfA (mit Bescheid vom 17. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004) ab. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Hamburg ab (Urteil vom 3. November 2006 - S 42 RA 694/04), ihre nachfolgende Berufung (L 6 R 223/06) nahm die Klägerin nach einem Hinweis des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg zurück. Dabei hatte die Klägerin erstmals mit dem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 17. Mai 2004 behauptet, der Unterhaltsverzicht sei ihr mit der Drohung abgepresst worden, ihr die Kinder wegzunehmen. Hierfür hatte sie zwei Zeuginnen benannt und schriftliche Erklärungen von diesen eingereicht: Frau F. hatte angegeben, dass der Versicherte sie aufgesucht habe, als die Klägerin ihm eröffnet habe, dass sie sich scheiden lassen wolle. Er habe gebeten, dass die Zeugin auf die Klägerin Einfluss nehme, damit diese den Scheidungsantrag zurücknehme. Anderenfalls wolle er der Klägerin die Kinder nicht überlassen. Frau R.-B. hatte nach ihren Angaben ein Telefonat der Klägerin aus einer Telefonzelle mit dem Versicherten im Mai 1975 als Zeugin verfolgt, in dem die Drohung erfolgt sei, der Versicherte werde der Klägerin die Kinder wegnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG im Klageverfahren S 42 RA 694/04 hatte die Klägerin erklärt, dass sie etwa 1981 vorübergehend Sozialhilfe bezogen habe, weil eine ihrer Töchter schwer erkrankt gewesen sei und sie die Betreuung habe übernehmen müssen.
Zur Begründung ihres am 18. Dezember 2008 gestellten dritten Überprüfungsantrags führte die Klägerin aus, ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Versicherten habe sich nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung geltenden Recht (§ 60 des insoweit bis zum 30. Juni 1977 geltenden Ehegesetzes (EheG)) allein aus Billigkeitserwägungen ergeben können, die im vorliegenden Fall jedoch nicht zu ihren Gunsten gegangen wären. Somit habe der anlässlich der Scheidung erklärte Unterhaltsverzicht "keine bloße Hülse" (gemeint: "eine leere Hülse") dargestellt, so dass die Voraussetzung für eine Hinterbliebenenrente nach § 243 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) gegeben sei.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2009 unter Hinweis darauf ab, dass die Frage einer möglichen Unbeachtlichkeit des Unterhaltsverzichts im Bescheid vom 9. Januar 1991 nicht geprüft worden sei, weil die Klägerin seinerzeit weder berufs- noch erwerbsunfähig noch über sechzig Jahre alt gewesen sei. Im Übrigen komme eine Geschiedenenwitwenrente trotz eines Unterhaltsverzichts dann in Betracht, wenn weder bei der Scheidung noch beim Tod des Versicherten ein Unterhaltsanspruch bestanden habe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin jedoch zur Zeit der Scheidung angesichts der unterschiedlich hohen Einkommen einen Unterhaltsanspruch gehabt, so dass der Verzicht auch tatsächlich Rechtswirkungen entfaltet und somit keine "leere Hülse" dargestellt habe.
Den am 27. Februar 2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. April 2009 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 9. April 2009 mit der Begründung zurück, Geschiedenenwitwenrente komme bei fehlendem Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten nur dann in Betracht, wenn dieses Fehlen seinen Grund entweder in der Höhe der eigenen Einkünfte oder aber im Gesamteinkommen des Versicherten gehabt habe. Im vorliegenden Fall sei ein Unterhaltsanspruch jedoch wegen des bei Scheidung erklärten Unterhaltsverzichts ausgeschlossen gewesen. Dieser Verzicht sei wegen eines Anspruchs der Klägerin nach § 60 EheG auch nicht etwa unbeachtlich gewesen.
Am 14. Mai 2009 hat die Klägerin Klage beim SG Hamburg mit dem Ziel der Rentengewährung ab 30. April 2004 erhoben und ausgeführt, dass sie nach dem Urteil im Verfahren S 42 RA 694/04, dem insoweit auch zu folgen sei, nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung gültigen Recht keinen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten gehabt habe (mit der Folge, dass der Unterhaltsverzicht rechtlich bedeutungslos gewesen sei). Die Beklagte bejahe einen solchen Unterhaltsanspruch aber gerade und leite hieraus die Beachtlichkeit des Unterhaltsverzichts ab. Somit seien die angegriffenen Entscheidungen falsch. Im Übrigen ergebe sich der Rentenanspruch aus § 243 Abs. 3 SGB VI, denn in Anwendung von § 60 EheG habe sie zum Zeitpunkt der Scheidung grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch gehabt, der jedoch wegen ihres eigenen Einkommens nicht zur Auszahlung gekommen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten, der indes tatsächlich nicht bestanden habe, habe nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Maßgeblich für die Versagung der Rente sei gewesen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Jahr 1990 nicht berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sei und auch kein Kind erzogen habe.
Das SG hat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Klage entschieden und diese mit Urteil vom 14. März 2011 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen und damit gemäß § 77 SGG bindenden früheren Ablehnungsbescheide nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagte habe weder bei der Ablehnung des Rentenerstantrags noch bei der Ablehnung der ersten beiden Überprüfungsanträge das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Soweit die Klägerin sich ursprünglich darauf berufen habe, die Beklagte habe sich in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2009 in Widerspruch zum Urteil vom 3. November 2006 gesetzt, sei dies im Rahmen der Prüfung von § 44 Abs. 1 SGB X bedeutungslos. Gegenstand einer solchen Nachprüfung seien die früheren – in der Regel bestandskräftigen – Bescheide des Sozialleistungsträgers und nicht etwa – wie die Klägerin offenbar meine – die im hiesigen Verfahren angegriffenen Bescheide, mit denen die Beklagte erst über den (dritten) Überprüfungsantrag entschieden habe. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin auch auf § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI, denn diese Vorschrift sei bereits nicht einschlägig. Die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten habe, beurteile sich – ebenso wie im vorangehenden Klageverfahren – nicht nach § 243 SGB VI, sondern nach § 42 des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI seien die Vorschriften des SGB VI vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn der Sachverhalt oder der Anspruch bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden hätten. Aufgehobene und durch das SGB VI ersetzte Vorschriften seien gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung auf einen bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht worden sei. Somit sei auch im Rahmen des sogenannten Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X das vor Einführung des SGB VI geltende Recht weiterhin anzuwenden, wenn dem Berechtigten – wie er meine – unter seiner Geltung rechtswidrig Leistungen vorenthalten worden seien (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Dezember 2005 - B 13 RJ 41/04 R, SozR 4-2200 § 1290 Nr. 1). Dies gelte nicht nur bei einer zu niedrig festgestellten (gleichsam teilweise vorenthaltenen) Rente, sondern auch im Rahmen der Überprüfung der Ablehnung eines früheren Rentenantrags (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R, SozR 3-2600 § 300 Nr. 18). Die anderslautende ältere Rechtsprechung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Mai 1998 - B 5 RJ 8/97 R, SozR 3-2600 § 300 Nr. 13 m.w.N.) habe das BSG ausdrücklich aufgegeben (Hinweis auf BSG, Beschlüsse vom 23. Juni 1999 - B 5 RJ 20/98 R - und 1. September 1999 - B 13 RJ 3/99 S, juris). Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin ihren Anspruch ausdrücklich auf den Zeitraum ab dem 30. April 2004 beschränkt habe. Der Betreffende habe es – zumal bei gleichbleibendem Versicherungsfall (hier: Tod des Versicherten) – nicht in der Hand, auf diese Weise zu bestimmen, welche Rechtslage gelten solle. Die Beklagte habe das Recht auch nicht etwa insoweit unrichtig angewandt, als sie den von der Klägerin erklärten Unterhaltsverzicht als rentenrechtlich bedeutungslos hätte behandeln müssen. Die Klägerin dringe nicht damit durch, ihr Unterhaltsverzicht sei deswegen unbeachtlich gewesen, weil sie zum Zeitpunkt der Scheidung keinen Unterhaltsanspruch nach § 60 EheG gehabt habe. Rentenversicherungsrechtlich unbeachtlich sei ein nach bürgerlichem Recht wirksam erklärter Unterhaltsverzicht nur dann, wenn der hinterbliebene frühere Ehegatte es zum Zeitpunkt der Vereinbarung (hier: im Jahr 1975) vernünftigerweise als ausgeschlossen habe betrachten dürfen, dass die in § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AVG (bzw. § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) genannten Hinderungsgründe für einen Unterhaltsanspruch in der Zeit bis zum Tode des Versicherten infolge einer in Rechnung zu stellenden Änderung der Verhältnisse wieder entfallen könnten; da bei diesen Überlegungen einkommensmindernden Wechselfällen des Lebens wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit grundsätzlich Rechnung getragen werden müsse, bleibe das Vorliegen von soweit abgesicherten Verhältnissen eine Ausnahme und müsse deshalb gesondert festgestellt werden (Hinweis auf Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 243 SGB VI, Rn. 66 m.w.N.). Eine solche Einschätzung habe die Klägerin zum Zeitpunkt der Scheidung nicht treffen dürfen. Sie sei damals knapp 27 Jahre alt gewesen und habe zwischen dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau im Jahr 1967 und der erneuten Aufnahme einer Tätigkeit im März 1975 nicht gegen Entgelt gearbeitet. Hinzu sei gekommen, dass die Klägerin nach der Scheidung die elterliche Sorge für beide Töchter innegehabt habe, was wirtschaftlich betrachtet vernünftigerweise als Belastung der zukünftigen Erwerbsbiografie zu berücksichtigen gewesen sei.
Gegen dieses, ihrer Prozessbevollmächtigten am 17. März 2011 erstmals und wegen einiger unleserlicher Passagen am 24. März 2011 erneut zugestellte Urteil richtet sich die am 14. April 2011 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Begehren weiter verfolgt und sich zunächst ausführlich zu den ihrer Auffassung nach irrigen Ausführungen des Sozialgerichts zum Prüfungsmaßstab bei Anträgen nach § 44 SGB X einlässt. Auch vertritt sie die Ansicht, dass das Recht bei Erlass der bestandskräftig gewordenen Bescheide unrichtig angewandt worden sei. Sie ist weiter der Auffassung, dass gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI nicht § 42 AVG, sondern § 243 SGB VI als maßgebliche Norm anwendbar sei. Jedenfalls bestehe der geltend gemachte Anspruch auch bei Anwendung des § 42 AVG. Die Klägerin trägt nunmehr vor, dass der Unterhaltsverzicht zwar keine leere Hülse dargestellt habe, dass er jedoch nach § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sittenwidrig und daher nichtig sei. Der Versicherte habe ihre Zwangslage ausgenutzt ohne jede Gegenleistung. Da der Beklagten dieser Sachverhalt nicht bekannt gewesen sei, sei diese auch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Vor dem Tod des Versicherten habe sich die Klägerin im Sinne des § 60 EheG nicht selbst unterhalten können. Dies setze nicht das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit voraus, wie das Sozialgericht ausgeführt habe. Hierzu hat die Klägerin Auszüge von Kommentierungen zu § 60 EheG sowie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 4. April 1979 - IV ZR 62/78 - zur Akte gereicht. Hinsichtlich der - neben der Unverhältnismäßigkeit - aus ihrer Sicht Sittenwidrigkeit begründenden Drohung beruft sie sich nach wie vor auf Zeugenbeweis und nimmt Bezug auf die im Verwaltungsverfahren eingereichten Vermerke von sich und den benannten Zeuginnen F. und R.-B ...
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung der Bescheide vom 9. Januar 1991, vom 18. November 1996 und 17. Mai 2004, letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 große Witwenrente aus der Versicherung des R.S. ab dem 1. Januar 2004 zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, erkennt in dem Vortrag der Klägerin nichts Neues, verweist darauf, dass die entscheidenden Regelungen in § 42 AVG und § 243 SGB VI praktisch identisch seien und hält die behauptete Sittenwidrigkeit für nicht gegeben.
Am 26. September 2012 hat der Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt und folgende Hinweise erteilt (Schreibfehler beseitigt): Der Berichterstatter legt ausführlich dar, dass seiner Auffassung nach die Ausführungen des Sozialgerichts dazu, dass die Rechtsprechung zur sogenannten "leeren Hülse" hier nicht zur Anwendung komme, weil schon keine gesicherten Lebensverhältnisse vorgelegen haben, richtig seien. Unabhängig von der Reichweite des § 44 SGB X und der Frage, ob § 42 AVG oder § 243 SGB VI zur Anwendung kommt, könnte ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nur unter dem Gesichtspunkt zu diskutieren sein, dass der Unterhaltsverzicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei. Dann müsste im Übrigen auch festgestellt werden, ob tatsächlich vor dem Tod des Versicherten ein Unterhaltsanspruch bestand. Auch hierzu wäre von der Klägerin noch vorzutragen. Im Übrigen hält der Berichterstatter die Annahme von Sittenwidrigkeit für ausgeschlossen. Der damals geschlossene Vergleich in der Sitzung des Landgerichts Hamburg, in der die Klägerin anwaltlich vertreten war, regelt einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht und neben anderen Dingen im Sinne der Klägerin das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, den Kindesunterhalt und den Anspruch auf Kindergeld. Sollte dieser Vergleich durch Drohung zustande gekommen sein, wäre möglicherweise eine Anfechtbarkeit gegeben, deren Frist jedoch längst abgelaufen ist. Schließlich dürfte wesentliche Bedeutung haben, dass die Klägerin selbst die Scheidung betrieben hat, gegen die ihr damaliger Ehemann zunächst Widerstand geleistet und versucht hat, Bekannte dazu zu bringen, die Klägerin in seinem Sinne zu beeinflussen. Mit dem Unterhaltsverzicht hat die Klägerin daher auch ihr Ziel einer Scheidung ohne längeres Verfahren erreicht, was der ausdrücklich in § 72 Satz 2 EheG geregelten Situation der Konventionalscheidung entspricht, die danach ausdrücklich keine Nichtigkeit bedingt. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, sich hierzu ergänzend zu äußern. Der Berichterstatter regt bereits jetzt an, die Berufung zurückzunehmen.
Die Klägerin verbleibt auch danach bei ihrer Auffassung, dass der im Rahmen des Scheidungsverfahrens vereinbarte Unterhaltsverzicht sittenwidrig sei. Dass die Frist für eine Anfechtung nach § 123 BGB abgelaufen sei, hindere nicht die Beurteilung als nichtig nach § 138 BGB, weil das von ihr dargelegte grobe Missverhältnis zwischen der von ihr erbrachten Leistung (Unterhaltsverzicht) und der Gegenleistung ihres ehemaligen Mannes (Zubilligung des Sorgerechts) als weiterer Umstand hinzutrete (Hinweis auf Rechtsprechung des BGH, s.a. Ellenberger in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 138 Rn. 14). Ansprüche auf weitere werthaltige Gegenleistungen seien ihr durch den Auseinandersetzungsvergleich nicht zugestanden worden. Dass sie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten tatsächlich Anspruch auf Unterhalt gehabt habe, habe sie bereits mit Ihrem Schriftsatz vom 12. Oktober 2011 dargelegt. Im Übrigen könne keine Rede davon sein, dass sie als Gegenleistung für den Unterhaltsverzicht ihr Ziel einer Scheidung ohne längeres Verfahren erreicht habe. Dies ergebe sich zwingend aus dem Sitzungsprotokoll des LG Hamburg, wonach der dortige Beklagte - der Versicherte - gegenüber dem Scheidungsantrag ausdrücklich keinen Abweisungsantrag gestellt, sondern ebenfalls den Ausspruch der Scheidung beantragt habe. Ihr sei nicht nachvollziehbar, wie das Berufungsgericht zu der Auffassung komme, die Klägerin habe seinerzeit die Scheidung betrieben und ihr damaliger Ehemann habe zunächst Widerstand geleistet. Zwar habe nach Erinnerung der Zeugin F. der Beklagte im März/April 1975 mit seiner Drohung, der Klägerin die Kinder wegzunehmen, die Klägerin noch dazu bewegen wollen, den von ihr gestellten Scheidungsantrag zurückzunehmen. Spätestens am 28. April 1975 aber sei er mit der Scheidung einverstanden gewesen und habe seitdem seine Drohung mit dem Entzug der Kinder zu dem Zweck eingesetzt, die Klägerin zum Unterhaltsverzicht zu bewegen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Protokolle des am 26. September 2012 durchgeführten Erörterungstermins vor dem Berichterstatter und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 17. April 2013 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich des Protokolls vom 17. April 2013 beigezogenen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Geschiedenenwitwenrente unter Aufhebung der entgegenstehenden bestandskräftigen Bescheide vom 9. Januar 1991, vom 18. November 1996 und vom 17. Mai 2004, letzterer in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004. Weder ist im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt noch sind Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden, weil von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden wäre. Der geltend gemachte Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente kommt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.
Unabhängig von der Prüfungsdichte im Verfahren nach § 44 SGB X und der Frage, ob § 42 AVG oder § 243 SGB VI zur Anwendung kommt, fehlt es zunächst an der Voraussetzung, dass im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt geleistet wurde (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AVG bzw. § 243 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 SGB VI).
Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand davor bestand hierauf auch kein Anspruch (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AVG bzw. § 243 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 SGB VI). Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts wäre aufgrund der Scheidung aus beiderseitigem Verschulden allenfalls ein Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG in Frage gekommen. Denn auch nach der Reform des Ehe- und Familienrechts zum 1. Juli 1977 bestimmen sich Unterhaltsansprüche von Ehegatten, deren Ehen davor geschieden wurden, nach dem bis dahin geltenden Recht (Art. 12 Nr. 3 Satz 2 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl. I S. 1421)). Der Rechtscharakter des Unterhaltsbeitrags nach § 60 EheG ist nicht unstreitig (vgl. Hoffmann-Stephan, Ehegesetz, 2. Auflage 1968, § 60 Rn. 4 ff. mN). Jedenfalls setzt er aber Bedürftigkeit in dem Sinne voraus, dass der Ehegatte, der den Unterhaltsbeitrag beansprucht, sich nicht selbst unterhalten kann (Hoffmann-Stephan, aaO Rn 9). Im Rahmen der Billigkeitserwägungen sind sogar Unterhaltsansprüche gegen Verwandte bei Vorliegen von Bedürftigkeit vorrangig und schließen einen Anspruch auf den Unterhaltsbeitrag aus (Hoffmann-Stephan, aaO Rn. 12 ff.). Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin ersichtlich nicht vor. Sie war weder zum Zeitpunkt der Scheidung noch vor dem Tod des Versicherten erwerbsunfähig, war tatsächlich berufstätig und konnte – mit Ausnahme der Zeit der schweren Erkrankung der einen Tochter – trotz ihres relativ geringen Einkommens ihren Unterhalt bestreiten. Insoweit spielt aufgrund des beiderseitigen Verschuldens die Differenz zum Einkommen ihres Ehemannes, mit dem sie in Gütertrennung gelebt hatte, keine Rolle. Noch gar nicht berücksichtigt ist, dass andere Verwandte der Klägerin vorrangig unterhaltsverpflichtet gewesen wären. Die von der Klägerin überreichten Auszüge von Kommentierungen des § 60 EheG sagen nichts anderes, und die von ihr in Bezug genommene BGH-Entscheidung befasst sich damit, dass der dortigen Klägerin wegen der Betreuung von vier Kindern keine Erwerbstätigkeit zumutbar sei, daher ein Anspruch auf Unterhaltsbeitrag bestehe und dieser nicht schon prospektiv zeitlich begrenzt werden könne; bei Änderung der Verhältnisse sei ggf. eine Abänderungsklage zu erheben. Die Klägerin übersieht, dass es sich hierbei um einen gänzlich anderen Sachverhalt handelt. Sie hatte bereits begonnen, wieder in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten und konnte sich – mit Ausnahme der Zeit der längeren Erkrankung der einen Tochter - selbst unterhalten. Dies galt bereits zum Zeitpunkt der Scheidung und erst recht zum für den hier streitigen Anspruch maßgeblichen Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. die Zeit unmittelbar davor. Darüber hinaus bestand kein Anspruch aufgrund des Unterhaltsverzichts. Dieser war entgegen der Auffassung der Klägerin wirksam. § 72 Satz 2 EheG sah gerade vor, dass Vertragsfreiheit hinsichtlich der Unterhaltspflicht bestand, eine Vereinbarung nicht schon deshalb nichtig war, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht hatte (so genannte Konventionalscheidung, vergleiche auch BSG, Urteil vom 16.6.1994 –13 RJ 23/93). Der Vortrag der Bevollmächtigten der Klägerin, dass diese nicht selbst die Scheidung betrieben habe, ist nach dem festgestellten Sachverhalt und ihrer eigenen späteren Einschränkung, dass dies zunächst so gewesen sei und erst ab einem späteren Zeitpunkt nicht mehr, nicht nachvollziehbar. Mit der schnellen Scheidung und dem Erhalt des Sorgerechts für beide Kinder hat die Klägerin ihre wesentlichen Ziele erreicht. Die behauptete, ggf. zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigende Drohung kann schon nicht als (alleiniger) Grund dafür herhalten, dass die Klägerin, die selbst die Scheidung eingeleitet hat, sich auf den Unterhaltsverzicht einließ, denn aufgrund anwaltlicher Beratung und Vertretung kannte sie die Rechtslage. Im Übrigen ist das grobe Missverhältnis zwischen den Einkommen der Eheleute unbeachtlich, weil es im Rahmen des § 60 EheG allenfalls zweitrangig eine Rolle spielt, die Klägerin sich auch selbst unterhalten konnte, so dass es nicht zur Begründung der Sittenwidrigkeit herangezogen werden kann. Schließlich entspricht die Regelung dem Umstand, dass die Eheleute in Gütertrennung gelebt hatten.
Bereits wegen des wirksamen Unterhaltsverzichts kommt auch kein Anspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AVG bzw. nach § 243 Abs. 3 SGB VI in Betracht, weil insoweit jeweils das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs (allein) wegen der Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse Voraussetzung wäre und der Verzicht nicht rein deklaratorischer Natur war, also keine "leere Hülse" darstellte (vergleiche hierzu auch Gürtner in: Kasseler Kommentar, 73. Ergänzungslieferung 2012 Rn. 65 ff.). Insoweit nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollen Umfangs Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im hier angefochtenen Urteil zu II. 2c (S. 7/8) dazu, dass die "Leere-Hülse"-Rechtsprechung vorliegend nicht durchschlägt (s.a. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1998 – 4/11a RA 42/86, NJW 1989, 2012, vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 23/93, HVBG-INFO 1994, 2069, und vom 16. Dezember 1993 – 13 RJ 1/93, BSGE 74, 9). Selbst wenn der Unterhaltsverzicht nichtig wäre, entfiele die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten nicht (ausschließlich) wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse, sondern wegen des Umstands der Scheidung aus beiderseitigem Verschulden, der nach dem noch anwendbaren Unterhaltsrecht nach dem EheG dazu führte, dass grundsätzlich jeder Ehegatte für sich selbst aufzukommen und nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG hatte (vgl. Hoffmann-Stephan, a.a.O., § 60 Rn. 3), was bei der Klägerin aufgrund ihrer Fähigkeit, sich (mit Ausnahme der Zeit der schweren Erkrankung der einen Tochter) selbst zu unterhalten, nicht der Fall war, wobei neben der Erwerbsfähigkeit, der Berufsausbildung und –praxis bereits wieder ab März 1975 und der Volljährigkeit der nicht behinderten Töchter auch etwaige Unterhaltsverpflichtungen Dritter als vorrangig zu berücksichtigen gewesen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG folgt dem Ausgang der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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