L 20 R 819/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 4017/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 819/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Altersrente unterfällt nur mit dem pfändbaren Anteil dem Insolvenzverfahren.
2. Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle und die Verrechnungsmöglichkeit nach den §§ 52, 51 Abs 2 SGB I schließen sich nicht gegenseitig aus.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.08.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte offene Beitragsforderungen der Beigeladenen gegen den Kläger mit dessen Altersrente verrechnen kann.

Der 1928 geborene Kläger bezieht seit 1993 Regelaltersrente. In der Zeit zwischen 2003 bis 2007 betrug die Rente monatlich 1.266,17 EUR (jeweils ohne Krankenversicherungszuschuss), von 2007 bis 2008 1.272,95 EUR, von 2008 bis 2009 1.287,00 EUR sowie ab Juli 2009 1.318,01 EUR. Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 02.02.2005 wurde über das Vermögen des Klägers als Inhaber der Fa. A. Garten- und Landschaftsbau in A-Stadt das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt M. W. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 06.06.2005 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass der Kläger ihr in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle nach § 28h Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) noch Sozialversicherungsbeiträge schulde. Es werde um Vormerkung einer Verrechnung nach § 52 i.V.m. § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bzw. § 24 SGB IV gebeten. Mit Schreiben vom 07.07.2005 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass das Verrechnungsersuchen vorgemerkt sei und der Kläger bereits Rente beziehe. Die Beigeladene teilte daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2005 mit, dass der Kläger für den Zeitraum vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 inklusive Nebenforderungen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 76.103,81 EUR schulde. Es werde ersucht, im Rentenversicherungskonto des Klägers eine entsprechende Vormerkung zu treffen und die Beklagte werde ermächtigt, die Forderung im Falle des Leistungsbezuges mit den Ansprüchen des Schuldners zu verrechnen. Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 02.08.2005 zur geplanten Verrechnung an. Am 19.08.2005 übersandte der Kläger eine Bestätigung des Sozialamtes der Stadt N., wonach der sozialhilferechtliche Bedarf monatlich 1.410,10 EUR betrage, wobei in die Bedarfsgemeinschaft sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau eingerechnet waren. Ferner wies der Kläger darauf hin, dass er und seine Ehefrau zahlreiche Medikamente benötigen würden und auch ansonsten weitergehende Zahlungen zu bestreiten hätten. Zum Nachweis fügte er eine handschriftlich erstellte Liste seiner Ausgaben bei.

Die Beklagte verrechnete daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.09.2005 die Altersrente des Klägers mit der offenen Beitragsforderung der Beigeladenen für die Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 in Höhe von 76.103,81 EUR in Höhe von monatlich laufend 400,00 EUR. Durch die Verrechnung trete keine Hilfebedürftigkeit i.S. der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein.

Hiergegen legte der Kläger am 30.09.2005 Widerspruch ein, der durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 10.11.2005 begründet wurde. Es werde um Darlegung gebeten, wie sich der Betrag von 76.103,81 EUR berechne. Der Kläger versichere glaubhaft, dass von keinem Sozialversicherungsträger ein Bescheid in dieser Größenordnung zugestellt worden sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 29.11.2005 mit, dass der Kläger Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 in Höhe von 69.539,81 EUR inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 6.564,00 EUR schulde, mithin insgesamt in Höhe von 76.103,81 EUR. Seit dem 16.11.2005 fielen noch laufende Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV an. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.09.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 als unbegründet zurück. Die Beitragsforderung der Beigeladenen resultiere aus der Zeit vom 01.09.2003 bis 23.12.2004 und beinhalte entsprechende Säumniszuschläge. Die Beiträge würden jeweils am 15. des Monats fällig, der dem jeweiligen Beitragsmonat folge. Die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge seien nach Angaben der Beigeladenen vom 29.11.2005 dem Kläger gegenüber in Form von monatlichen Mahnungen geltend gemacht worden.

Hiergegen erhob der Kläger am 11.01.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die unter dem Az. S 17 R 4045/06 ER geführt wurde. Der Kläger machte geltend, dass das Insolvenzverfahren bereits am 02.02.2005 eröffnet worden sei und die Beklagte durch die Verrechnung gegen § 96 Nr 2 Insolvenzordnung (InsO) und § 80 InsO verstoße. Ferner fehle ein Nachweis der Beitragsforderungen. Der Kläger sei des Weiteren aus gesundheitlichen Gründen dringend auf die Rente angewiesen.

Mit Beschluss vom 05.04.2006 wies das SG Nürnberg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet zurück. Der Sozialhilfebedarf des Klägers und seiner Ehefrau belaufe sich zusammen auf monatlich 1.410,10 EUR. Das gemeinsame Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau aus Rentenleistungen betrage 2.013,61 EUR, so dass der Bedarf um 600,00 EUR überschritten werde. Eine Verrechnung in Höhe von 400,00 EUR monatlich sei deshalb nicht unverhältnismäßig. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe einer Verrechnung nicht entgegen (S 17 R 4045/06 ER). Die hiergegen am 21.04.2006 beim SG Nürnberg eingelegte Beschwerde, die am 25.04.2006 an das Bayer. Landessozialgericht weitergeleitet wurde, wurde mit Beschluss vom 07.09.2006 zurückgewiesen (L 20 B 302/06 R ER).

Im sozialgerichtlichen Verfahren übersandte die Beigeladene mit Schreiben vom 10.03.2006 eine Aufstellung der offenen Sozialversicherungsbeiträge und wies darauf hin, dass die offenen Forderungen unmittelbar auf den monatlichen Beitragsnachweisen der Fa. A., Inh. A., bzw. der Kanzlei Dr. S. und Kollegen, B-Stadt, beruhten. Ferner wurden Protokolle über fruchtlose Pfändungsversuche der Beigeladenen vorgelegt. Nach einem Erörterungstermin am 10.06.2008 zog das SG mit Einverständnis des Klägers die Insolvenzakten bei und lud mit Beschluss vom 06.07.2009 die Beigeladene zum Verfahren nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig bei.

Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hatten, hat das SG mit Urteil vom 05.08.2009 die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass eine Verrechnungslage i.S. der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I gegeben sei, weil die Beigeladene offene Beitragsansprüche gegen den Kläger als Inhaber einer Einzelhandelsfirma habe, so dass eine Aufrechnung gegen seine laufende Geldleistung, die die Beklagte zu gewähren habe, möglich sei. Bei dieser Aufrechnung sei der zuständige Träger nicht an die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs 2 und 4 SGB I gebunden. Mit dem Bescheid vom 22.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2006 sei die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen hinsichtlich Art und Umfang hinreichend bestimmt bezeichnet und mit der Regelaltersrente des Klägers in Höhe von monatlich 400,00 EUR verrechnet worden. Dieser Verrechnungsbetrag sei nicht zu beanstanden, da eine Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers hierdurch nicht eintrete bzw. der Kläger dies auch nicht nachgewiesen habe. Dabei sei die Bedarfsgemeinschaft des Klägers und seiner Ehefrau zugrunde zu legen und deren beider Einkommen sowie deren beider Aufwendungen zu berücksichtigen. Bedenken gegen die Ermessensentscheidung der Beklagten, monatlich eine Verrechnung in Höhe von 400,00 EUR vorzunehmen, bestünden nicht. Die Verrechnung sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil mit Beschluss vom 02.02.2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden sei. Die Regelaltersrente des Klägers liege unstreitig durchgehend unterhalb der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 850c ZPO, gehöre somit nicht nach § 36 InsO zur Insolvenzmasse und unterliege insoweit nicht dem sog. Insolvenzbeschlag (vgl. BGH vom 10.07.2008 - IX ZR 118/07, veröffentl. in juris). Damit seien die Vorschriften der InsO, insbesondere die Regelungen der §§ 80, 94-96, 114 InsO im vorliegenden Fall gerade nicht anwendbar. Der Verrechnung stehe auch nicht entgegen, dass die Beigeladene Beitragsforderungen im Insolvenzverfahren nach § 174 InsO zur Tabelle angemeldet gehabt und entsprechend der Quote mittlerweile einen Betrag in Höhe von 15.601,22 EUR erhalten habe. Die Möglichkeit, die offene Forderung in der gesamten Höhe im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend zu machen und so zumindest einen Teil aus der pfändbaren Insolvenzmasse zu erhalten, bestehe unabhängig von der Möglichkeit nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I, eigene Forderungen teilweise durch Verrechnung mit unpfändbaren Forderungen zu befriedigen. Allerdings sei der im Rahmen des Insolvenzverfahrens ausgezahlte Betrag auf die durch Verrechnung geltend gemachte Gesamtforderung mindernd anzurechnen. Die Verrechnung sei auch nicht wegen der beim Kläger anzuwendenden speziellen Vorschriften der InsO über die Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff InsO ausgeschlossen. Die Wohlverhaltensphase sei zum einen noch nicht abgeschlossen und die Restschuldbefreiung sei noch nicht erteilt worden. Ferner nehme § 36 InsO unpfändbare Forderungen aus der Insolvenzmasse aus und entziehe sie damit einer Verteilung im Insolvenzverfahren. Dies sei aber kein Grund, weshalb eine Verrechnung während der noch laufenden Wohlverhaltensphase ausgeschlossen sein solle. Der Bescheid sei auch zutreffend dem Kläger selbst und nicht dem Insolvenzverwalter als Adressat nach § 39 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bekannt gegeben worden. Es bestünden des Weiteren keine Bedenken, dass die Beklagte die Verrechnung mittels Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X vorgenommen habe. Die Kammer schließe sich insoweit der Auffassung im Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.02.2009 (B 13 R 31/08 R) an.

Zur Begründung der hiergegen am 09.09.2009 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 04.05.2010 vorgetragen, dass auf den Beschluss des Landessozialgerichts vom 07.09.2006 Bezug genommen werde. Dort habe das Gericht sehr sorgfältig herausgearbeitet, dass die bisherige Rechtsprechung des BSG von der neueren Rechtsprechung des BGH abweiche. Es bedürfe hier einer Angleichung der Rechtsprechung. Ohne dass das BSG dies im Einzelnen ausführe, bevorteile es einen Insolvenzgläubiger, ohne dass hierfür der Gesetzgeber eine entsprechende Grundlage geschaffen habe. Den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit im Insolvenzverfahren berücksichtige hingegen der BGH. Kein Insolvenzgläubiger solle sich vorrangig vor dem anderen befriedigen dürfen. Dies führe zu einer Verzerrung der Quote in der Insolvenz. Insbesondere sehe § 51 InsO kein Aussonderungsrecht für die Beigeladene vor. Im Übrigen werde weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Beklagte die Aufrechnung gegenüber dem falschen Adressaten erklärt habe. Die Verrechnungserklärung hätte gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgen müssen. Da der Kläger sich in einem laufenden Insolvenzverfahren befinde, müssten alle Ansprüche kraft Gesetzes aufgrund der InsO an den Verwalter abgetreten werden, so dass sich die Hilfebedürftigkeit des Klägers aus der Natur der Sache ergebe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.08.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2006 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.08.2009 zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Insolvenzakten des Amtsgerichts Nürnberg in Kopie in Auszügen, auf die Akten des SG Nürnberg S 17 R 4045/06 ER, die Akten des BayLSG L 20 B 302/06 R ER sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 05.08.2009 die Klage gegen den Bescheid vom 22.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2006 als unbegründet abgewiesen. Dem Urteil des SG ist in vollem Umfang zu folgen.

Gemäß § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - vorliegend die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - vorliegend die Beigeladene - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - vorliegend der Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 19, 27 ff. SGB XII, bzw. bis zum 31.12.2004 im Sinne der Vorschriften des BSHG, §§ 11 - 26 BSHG) oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird (§§ 20 ff. SGB II).

Das SG hat zutreffend festgestellt, dass eine Verrechnungslage i.S. des § 52 SGB I gegeben war, nachdem der Kläger als Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts persönlich und unmittelbar nach § 28e SGB IV für die vollständige und rechtzeitige Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge seiner Beschäftigten an die Einzugsstelle haftet. Eine Haftungsbegrenzung auf ein etwaiges Betriebsvermögen findet nicht statt. Gesamtsozialversicherungsbeiträge, die nach den Regelungen der §§ 28d ff. SGB IV von den Einzugsstellen zu erheben sind, sind grundsätzlich Beiträge im Sinne des § 51 Abs 2 SGB I, mit denen nach § 52 SGB I eine Verrechnung durchgeführt werden kann (BSG, Urteil vom 12.06.2008, Az B 3 P 1/07 R, veröffentlicht in juris; Becher, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 51 Rdnr 23 und 6 ff. m.w.N.). Die Beigeladene hat in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle die Beklagte - als Schuldnerin der monatlich an den Kläger auszuzahlenden Altersrente - ermächtigt, den ihr zustehenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag mit der laufenden Altersrente des Klägers im Rahmen der zulässigen Grenzen des § 51 Abs 2 SGB I zu verrechnen. Die Forderung der Beigeladenen war bestimmt, sie ergab sich aus den im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegten Beitragsnachweisen, die der Kläger bzw. sein Steuerberater selbst erstellt hatte. Die Forderung ist richtig beziffert, Einwendungen gegen die Forderungshöhe werden von Klägerseite nicht vorgebracht; auch eine Verjährung der Forderung ist nicht eingetreten. Die Forderung der Beigeladenen war fällig und damit auch grundsätzlich durchsetzbar. Eine gesonderte Feststellung der gesamten Forderungshöhe durch einen Bescheid der Beigeladenen gegenüber dem Kläger war nicht erforderlich, da - wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat - der Beitragsnachweis nach § 28f Abs 3 Satz 3 SGB IV für die Vollstreckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle und im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle gilt. Mit dieser durch das Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen mit Wirkung zum 01.01.2006 vorgenommenen Ergänzung des § 28f Abs 3 Satz 3 SGB IV wurde dabei nach der gesetzgeberischen Begründung (BT-Drucks. 16/39 S 15) lediglich klargestellt, dass eine bis dahin von den Gerichten geforderte, nach einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aufgeschlüsselte Aufstellung der Forderungen in dem bisherigen Melde- und Beitragsnachweisverfahren nicht darstellbar und für das Insolvenzverfahren auch nicht notwendig ist. Eine Beschränkung der Durchsetzung offener Sozialversicherungsbeiträge im Insolvenzfall ausschließlich im Insolvenzverfahren als solchem oder eine Änderung der Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I ist im Rahmen dieser Gesetzesänderung und auch in der Folgezeit jedoch nicht erfolgt.

Die Verrechnung ist auch nicht durch die Vorschriften der Insolvenzordnung ausgeschlossen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hier mit Beschluss des AG A-Stadt vom 02.02.2005, verlor der Kläger grundsätzlich die Möglichkeit, über die nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände oder -werte zu verfügen. Allerdings sind nur pfändbare Forderungen des Gemeinschuldners Vermögensbestandteil der Insolvenzmasse. Alterruhegeld bzw. Altersrente unterfällt nur mit dem pfändbaren Anteil dem Insolvenzverfahren (vgl. Bäuerle, in: Braun, InsO, 9. Aufl., 2012, § 35 Rdnr 22, 23 m.w.N.). Die monatliche Altersrente des Klägers und Gemeinschuldners lag aber durchgehend unterhalb der Pfändungsfreigrenzen der §§ 54 Abs 4 SGB I iVm §§ 850c ff. ZPO, so dass sie nicht insolvenzbefangen war.

Die Verrechnung nach den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beigeladene die offene Forderung an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in voller Höhe im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet und hieraus auch eine quotenmäßige Befriedigung der Forderung (15.601,22 EUR) erlangt hatte. Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle und die Verrechnungsmöglichkeit nach den §§ 52, 51 Abs 2 SGB I sind von einander unabhängig und schließen sich nicht gegenseitig aus. § 76 Abs 1 SGB IV verpflichtet die Einzugsstelle, die Einnahmen und damit insbesondere die Beiträge rechtzeitig und vollständig zu erheben. Bei Verletzung ihrer Pflichten nach den §§ 28d ff. SGB IV kann die Einzugsstelle gegenüber den anderen beteiligten Sozialversicherungsträgern, an die sie die Beiträge anteilsmäßig weiterzuleiten hat, durchaus auch zu Schadensersatz verpflichtet sein (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.06.2008, a.a.O., Rdnr. 13 ff. m.w.N.). Es ist deshalb legitim, die möglichen Rechte als Insolvenzgläubiger wahrzunehmen und durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle zumindest einen Teil der Forderung im Rahmen der quotenmäßigen Befriedigung aller Gläubiger der verfügbaren Insolvenzmasse zu erhalten und parallel hierzu die weitere, gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I zu nutzen, wobei selbstverständlich eine Anrechnung der Insolvenzquote auf die noch offene Forderung erfolgen muss. Durch diese Handhabung kommt es vorliegend - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - nicht zu einer Verzerrung der Quote der einzelnen Insolvenzgläubiger, da die monatliche Altersrente des Klägers - wie oben bereits ausgeführt - gerade nicht zur Insolvenzmasse gehörte, da sie unterhalb der Pfändungsfreigrenzen lag. Wenn sie nicht und auch nicht anteilig zur Insolvenzmasse gehört, kann sie auch nicht an die Insolvenzgläubiger verteilt werden. Insoweit geht auch der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf § 51 InsO ins Leere, da eine Absonderung im Insolvenzverfahren begriffsnotwendig grundsätzlich nur bei solchen Vermögensgegenständen denkbar ist, die als solche der Pfändbarkeit unterliegen und deshalb der Insolvenzmasse zuzurechnen wären (vgl. auch Bäuerle, a.a.O., § 50 InsO, Rdnr 4 m.w.N.). Die Altersrente des Klägers gehört aber mangels Erreichens der Pfändungsgrenzen weder teilweise noch ganz zur Insolvenzmasse, so dass sich die Frage eines Absonderungsrechts für die Beigeladene nicht stellt.

Darüber hinaus handelt es sich bei den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I um besondere Regelungen, die nur in zwei Ausnahmefällen, nämlich der Nichtentrichtung von Beiträgen oder bei zu Unrecht bezogenen Sozialleistungen, einen erweiterten Zugriff der Sozialleistungsträger auf das nichtpfändbare Vermögen des Betroffenen gestatten, unter dem weiteren Vorbehalt, dass der Betroffene dadurch nicht hilfebedürftig wird. Beide Fallkonstellationen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger, die durch die Aufrechnung bzw. Verrechnung vom Gesetzgeber dazu ermächtigt wurden, wenigstens einen Teil der Beträge, nämlich max. bis zur Hälfte der laufenden Sozialleistung, vom Betroffenen zurückzuholen. Dies stellt selbstverständlich eine gewisse Privilegierung der Sozialleistungsträger gegenüber "normalen" Gläubigern dar, die § 394 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beachten haben, die aber vom Gesetzgeber aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen so gewollt war (vgl. Hauck/Noftz, SGB I, M010, S 29). Eine Änderung oder Einschrän-kung dieser Möglichkeit ist weder durch die am 01.01.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung noch durch spätere Änderungen, z. B. im Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen zum 01.01.2006 vorgenommen worden. Eine verfassungsrechtliche Relevanz dieser Problematik sieht der Senat nicht, weder gegenüber anderen Insolvenzgläubigern (worauf sich der Kläger im Übrigen nicht berufen könnte) noch im Hinblick auf den Kläger selbst. Dessen Interesse an einer ungekürzten Auszahlung der ihm dem Grunde nach zustehenden Sozialleistung kollidiert mit dem Interesse der Sozialversicherungsträger - hier der Einzugsstelle - an der vollständigen und rechtzeitigen Realisierung der Einnahme zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland, dem aus Art 20 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) Verfassungsrang zukommt. Den wirtschaftlichen Interessen des Klägers kann jedoch ausreichend im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit und der der Beklagten obliegenden Ermessensausübung im Rahmen der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I Rechnung getragen werden (vgl. hierzu auch Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 06.06.2012 - L 3 R 314/11 - sowie den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 18.07.2011 - L 6 R 95/11 B ER, jeweils veröffentlicht bei juris).

Eine Hilfebedürftigkeit des Klägers iSd § 51 Abs 2 SGB I ist durch die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung in Höhe von 400,00 EUR monatlich nicht eingetreten. Die Hilfebedürftigkeit ist nach den Vorschriften des SGB XII durch den zuständigen Sozialhilfeträger oder nach denen des SGB II durch das zuständige Jobcenter anhand der gesetzlichen Vorschriften zu berechnen. Nach der vom zuständigen Sozialhilfeträger - hier das Sozialamt der Stadt Nürnberg - vorgenommenen Berechnung trat Hilfebedürftigkeit nicht ein. Soweit sonstige Ausgaben vom Kläger geltend gemacht werden, ist darauf hinzuweisen, dass diese gerade für die Frage der Bedürftigkeit keine Rolle spielen und zum anderen die Beklagte diesen Ausgaben dadurch Rechnung getragen hat, dass sie die Verrechnung auf den Betrag von 400,00 EUR begrenzt hat, obwohl ein Verrechnungsbetrag bis zu 600,00 EUR monatlich möglich gewesen wäre. Anhaltspunkte für eine Verletzung der der Beklagten insoweit obliegenden Ermessensentscheidung, die im Übrigen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar wäre (vgl. § 54 Abs 2 S 2 SGG), liegen nicht vor. Ebenso ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass bei der Bedürftigkeitsprüfung des Sozialhilferechts bzw. der Grundsicherung das Einkommen des Ehepartners mit herangezogen wird (vgl. Urteil des BSG vom 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R, veröffentlicht bei juris; Urteil des BayLSG vom 03.05.2012 - L 20 R 759/08).

Aufgrund der fehlenden Pfändbarkeit der Altersrente blieb der Kläger stets Gläubiger der Forderung gegen die Beklagte, mit der eine Verrechnung erfolgen sollte, so dass der streitgegenständliche Bescheid vom 22.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2006 auch ihm gegenüber erlassen und bekanntgegeben werden musste (§ 39 Abs 1 SGB X). Der Insolvenzverwalter hat dies in seinem Bericht zum Insolvenzverfahren vom 25.10.2005 im Übrigen auch selbst bestätigt.

Zwischenzeitlich hat der Große Senat des BSG mit Beschluss vom 31.08.2011 die bis dahin offene Streitfrage entschieden, dass eine Aufrechnung in Form eines Verwaltungsaktes durchgeführt werden kann (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 31.08.2011 - GS 2/10, veröffentl. in juris), so dass auch insoweit die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte hat vorliegend durch Verwaltungsakt entschieden, diesen ordnungsgemäß bekanntgegeben und zuvor den Kläger zur beabsichtigten Verrechnung nach § 24 SGB X auch ordnungsgemäß angehört.

Im Übrigen sieht der Senat gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und bezieht sich in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG Nürnberg.

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 05.08.2009 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Dem Hilfsantrag des Prozessbevollmächtigten war nicht stattzugeben, da der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG abweicht.
Rechtskraft
Aus
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