S 12 KA 3/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 3/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 36/13 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach Nr. 7 der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie sind Antacida in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen ausgeschlossen. Eine Ausnahme vom Verordnungsausschluss gilt nur für die Kombinationen verschiedener Antacida. Werden verschiedene Antacida weiter mit einem Lokalanästhetikum kombiniert (hier: ArzneimittelTepilta), so gilt der Verordnungsausschluss.
Eine Ausnahme vom Verordnungsausschluss setzt eine Begründung voraus (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Aus der – zeitnah erstellten - Dokumentation muss sich die Notwendigkeit der Verordnung ergeben.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 65,70 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Regresses in Höhe 65,70 EUR netto wegen der Arzneiverordnung des Arzneimittels Tepilta in dem Quartal IV/09.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beigeladene beantragte am 06.01.2011 die Erstattung der Kosten in Höhe von 65,70 EUR für die Verordnung des Arzneimittels Tepilta durch den Kläger. Dieser hatte mit Verordnung vom 28.11.2009 das Arzneimittel (Tepilta BTL SOS 50x10 ML N2) für den 1951 geborenen Patienten C. verordnet. Zur Begründung führte die Beigeladene aus, für das Arzneimittel gebe es einen Verordnungsausschluss. Antacida in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen seien von der Verordnung gemäß Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie Nr. 7 ausgeschlossen, da sie unwirtschaftlich seien. Bei Tepilta handle es sich um eine Kombination der Antacida Aluminiumhydroxid und Magnesiumhydroxid in Verbindung mit Lokalanästhetikum Oxetacain. Eine Ausnahme sei für diese Produkte in der Arzneimittel-Richtlinie nicht vorgesehen.

Der Kläger erklärte sich mit einer Erstattung nicht einverstanden, nahm aber im Übrigen nicht zu dem Antrag Stellung.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 12.12.2011 wegen der Verordnung eine Schadenersatzpflicht in Höhe vom 65,70 EUR (netto) fest. In der Begründung verwies sie auf die Arzneimittel-Richtlinie und folgte der Begründung des Antrags der Beigeladenen.

Hiergegen hat der Kläger am 03.01.2012 die Klage erhoben. Er trägt vor, bei dem strittigen Arzneimittel handele es sich um ein zugelassenes, rezeptpflichtiges Arzneimittel, für das es keinen Verordnungsausschluss gebe. Die Anlage II der Arzneimittel-Richtlinie schließe Antacida in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen von der Erstattungsfähigkeit aus. Ausgenommen seien allerdings Kombinationen verschiedener Antacida. Bei Tepilta handele es sich um eine Kombination der Antacida Aluminiumhydroxid und Magnesiumhydroxid in Verbindung mit Lokalanästhetikum Oxycain. Für das Anwendungsgebiet von Schmerzzuständen im oberen Verdauungskanal, die durch Bestrahlungen bedingt seien, sei ihm kein Alternativarzneimittel bekannt. Sein Patient habe das ebenfalls verordnete Omeprazol nicht mehr schlucken können. Der Patient sei im Herbst 2009 an Lungenkrebs erkrankt. Wegen eines epileptischen Anfalls sei der Patient am 17.11.2009 ins Krankenhaus gekommen. Dort habe man eine bereits ausgedehnte Metastasierung des Tumors in Leber, Nieren, Pankreas und Gehirn festgestellt. Nach Abschluss der Diagnostik sei eine palliative Radiotherapie begonnen und der Patient am 27.11.2009 nach Hause entlassen worden. Die Medikation sei im Entlassungsbericht empfohlen worden. Der Patient sei am 08.01.2010 verstorben. Der Patient falle in das besondere Gebiet der Palliativmedizin. Es habe auch vor Erlass des Bescheides keine Beratung stattgefunden. Dies sei aber nach der Neuregelung des § 106 Abs. 5 SGB V zwingende Voraussetzung.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, das strittige Arzneimittel sei nach der Arzneimittel-Richtlinie von der Verordnung ausgeschlossen. Tepilta enthalte den Wirkstoff Oxetacain und sei ein Lokalanästhetikum und kein Antacidum, sodass ein Verordnungsausschluss vorliege. Die Arzneimittel-Richtlinie wolle die Verordnung von Präparaten verhindern, in denen verschiedene Wirkstoffgruppen kombiniert würden. Die Ausnahmevorschrift bezeichne nur Präparate, in denen ausschließlich Antacide kombiniert würden. Der Vortrag des Klägers im Krankheitsbild werde bestritten. Aus dem Behandlungsschein seien keine entsprechenden Diagnosen vermerkt. Dessen ungeachtet hätte der Kläger vor der Verordnung einen Antrag auf Kostenübernahme bei der antragstellenden Krankenkasse stellen können. Zudem hätte bereits bei der Verordnung eine Begründung derselben gemäß § 16 Abs. 5 Arzneimittel-Richtlinie erfolgen müssen. Spätestens im Verwaltungsverfahren hätte er zu diesen Details des Krankheitsbildes des betroffenen Patienten Stellung nehmen können und müssen. Der jetzige Vortrag müsse daher als verspätet gerügt werden. Eine Beratung sei nicht zwingend erforderlich. Sie sei insbesondere dann nicht erforderlich, wenn ein "Basismangel" vorliege. Dies sei bei einer unzulässigen Verordnung der Fall.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie konnte dies ohne mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene der Beklagten vom 12.12.2011 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung, in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 30.07.2009, BGBl. I, S. 2495 nicht erbringen.

Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 12.06.2008, mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getreten, prüft die Prüfungsstelle auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen oder Verordnungen über Heilmittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 13 Abs. 1 PV). Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals vorliegen (§ 13 Abs. 2 S. 1 PV).

Prüfgegenstand ist die Arznei- bzw. verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen bzw. nach dem Arzneimittel-Richtlinien oder Heil-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich
- Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel/Heilmittel unter Berücksichtigung des therapeutischen Nutzens
- Mehrfachverordnungen für pharmakologisch oder therapeutisch gleichsinnig wirkende Arzneimittel
- Verordnung von Arzneimitteln und Arzneimittelgruppen mit umstrittener Wirksamkeit
- Mehrfachverordnung bei med. therap. gleichsinnig wirkenden Heilmitteln und deren Zielsetzung
- Verordnungsmengen, Verordnungsabständen, Verordnungsumfang
- Durchführung bzw. Veranlassung der weiterführenden Diagnostik
- Beachtung der Vorschriften innerhalb/außerhalb des Regelfalls
- Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots hinsichtlich der Verordnung von Hausbesuchen
- Wirtschaftlichkeit der Verordnungen im Einzelfall (§ 13 Abs. 4 PV)

Soweit die Prüfungsstelle im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt sie den vom Arzt erstatteten Regressbetrag fest. Es scheint eine gezielte schriftliche oder persönliche Beratung ausreichend, ist diese nur zulässig, wenn innerhalb von 24 Monaten vor dem Quartal für das der Prüfantrag gestellt wurde, keine derartige Maßnahme verfügt wurde (§ 13 Abs. 5 PV). Ein Verfahren ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Regressbetrag je Arzt im Quartal nicht mehr als 50,00 Euro beträgt (§ 13 Abs. 6 S. 1 PV).

Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V, mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (n. F.) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Eine mündliche Verhandlung des Beklagten war nicht notwendig. Das Verfahren vor den Prüfgremien ist grundsätzlich schriftlich (§ 18 Abs. 1 Satz 1 PV). Der Antrag auf Prüfung ist rechtzeitig innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals gestellt worden.

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt. Das strittige Arzneimittel durfte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll insbesondere u. a. Richtlinien beschließen über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V).

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf dieser Rechtsgrundlage die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) in der - hier maßgeblichen - Fassung vom 18. Dezember 2008 / 22. Januar 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009, Nr. 49a, zuletzt geändert am 19. März 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 74: S. 1 746, in Kraft getreten am 1. April 2009 erlassen (zitiert nach http://www.g-ba.de/downloads/62-492-336/AM-RL-Neufassung3-2009-03-19.pdf).

Nach § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärzten nicht verordnet und von Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
1. der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder
2. die medizinische Notwendigkeit oder
3. die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist. Diese Voraussetzungen treffen insbesondere zu, wenn
1. ein Arzneimittel unzweckmäßig ist,
2. eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist,
3. ein Arzneimittel nicht der Behandlung von Krankheiten dient oder die Anwendung aus medizinischen Gründen nicht notwendig ist,
4. das angestrebte Behandlungsziel ebenso mit nichtmedikamentösen Maßnahmen medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist oder
5. an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist.

Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL).

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, ist die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL). Die Dokumentation erfolgt im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte. Im Regelfall genügt die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt (§ 10 Abs. 2 AM-RL).

Nach Nr. 7 der Anlage III "Übersicht über Verordnungseinschränkungen und ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung durch die Arzneimittel-Richtlinie und aufgrund anderer Vorschriften (§ 34 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 3 SGB V) sowie Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr" sind Antacida in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen ausgeschlossen. Eine Ausnahme vom Verordnungsausschluss gilt nur für die Kombinationen verschiedener Antacida. Das hier strittige Arzneimittel kombiniert aber weiter mit einem Lokalanästhetikum. Insofern ist es unerheblich, dass nach dem Klagevorbringen des Klägers auch eine Kombination der Antacida Aluminiumhydroxid und Magnesiumhydroxid vorliegt, da der Kläger selbst weiter vorträgt, dass diese Kombination der Antacida in Verbindung mit dem Lokalanästhetikum Oxycain erfolgt.

Der medizinische Grund, Antacida in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen für nicht verordnungsfähig zu erklären, liegt darin, dass entgegengesetzte Wirkstoffe sich u. U. gegenseitig behindern bzw. in ihrer Wirkung neutralisieren können, sodass kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen ist. Die "fixe" Kombination kann auch in den Ausnahmefällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen doch einen gewissen Sinn macht, problematisch sein; denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Mengen der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststehen. Auf dieser Basis hat der Gemeinsame Bundesausschuss zur Schlussfolgerung kommen dürfen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (vgl. - inhaltsgleich - die allgemeinen Vorgaben des § 16 Abs 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 5 AM-RL, die gemäß § 16 Abs 3 AM-RL durch die Anlage III AM-RL konkretisiert wird). Zwar ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Verabreichung einander entgegengesetzter Wirkstoffe medizinisch indiziert sein kann; solchen Fällen ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass generell bestimmt ist, dass der Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen derartige Arzneimittel ausnahmsweise mit Begründung verordnen darf (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, § 16 Abs 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs. 3 der Anlage III AM-RL). Für den Regelfall aber durfte der Gemeinsame Bundesausschuss davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Kombinationen medizinisch problematisch sind, und dies deshalb als unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig bewerten und ihre Verordnungsfähigkeit beschränken (so BSG, Urt. v. 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 13 = USK 2011-126 = SGb 2012, 600 = MedR 2012, 758, juris Rdnr. 39 f. für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien).

Weitergehende palliativmedizinische Ausnahmeregelungen sind nicht ersichtlich. Ebensowenig kommt es auf die Vorgaben im Entlassungsbericht einer Klinik an, da jeder Arzt seine eigene Verordnung zu verantworten hat. Soweit diese Gründe eine ausnahmsweise Verordnung des ausgeschlossenen Arzneimittels begründen könnten, setzt dies eine Begründung voraus (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Aus der – zeitnah erstellten - Dokumentation muss sich die Notwendigkeit der Verordnung ergeben. Eine solche Dokumentation ist ggf. im Verwaltungsverfahren vorzulegen. Das Bundessozialgericht weist insofern jedenfalls für die Prüfverfahren eines statistischen Kostenvergleichs darauf hin, dass der Arzt gehalten ist, solche Umstände im Prüfverfahren geltend zu machen, die sich aus seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres anhand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Auch ein im Prüfverfahren nicht anwaltlich vertretener Arzt ist nicht überfordert, auf derartige Umstände hinzuweisen, wenn sich daraus aus seiner Sicht Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- oder Verordnungsweise ergeben. Unterlässt er diesen gebotenen Vortrag, kann er mit seinem verspäteten Vorbringen ausgeschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R - juris Rdnr. 42). Entsprechend hat die Kammer jedenfalls für den zahnmedizinischen Bereich entschieden, (zahn-)medizinische Einwände können bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung im gerichtlichen Verfahren nicht mehr neu geltend gemacht werden. Die für sogenannte Praxisbesonderheiten zu Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren entwickelte Rechtssprechung gilt in Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren für alle medizinischen Sachverhalte, die die konkrete Behandlung durch den Vertrags(zahn)arzt betreffen, insbesondere auch für die Prüfung von Parodontosebehandlungen (vgl. SG Marburg, Urteil vom 21.11.2012 S 12 KA 8/12 - juris Rdnr. 53, Berufung bei dem LSG Hessen anhängig - L 4 KA 64/12 ). In der Entscheidung zum Umfang der Notfallversorgung, wonach in Ausnahmefällen die Bestimmung von Laborwerten erforderlich sein kann, verlangt das Bundessozialgericht, dass die insoweit maßgeblichen medizinischen Diagnosen jedenfalls für die Abrechnungsprüfung erkennbar sein müssen. Bereits aus der Anforderung der Werte beim Krankenhauslabor oder aus der Dokumentation über die Notfallbehandlung - anhand der dokumentierten Befunde und/oder Diagnose - müssten sich die für diese ungewöhnliche Diagnostik im Notfalldienst maßgeblichen Umstände ergeben; möglicherweise würde es auch ausreichen, wenn die nähere Begründung im Verfahren des Widerspruchs gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung nachgeliefert wird. Jedenfalls darf eine solche Substantiierung vom Leistungserbringer im Notfalldienst bei der Erbringung normalerweise nur zur Regelversorgung gehöriger Leistungen gefordert werden; denn nur er ist in der Lage, die Umstände zu schildern, aus denen sich die Besonderheit des Falles ergeben könnte (zu vergleichbaren Substantiierungsanforderungen wird auf die Senats-Rspr. zur Wirtschaftlichkeitsprüfung verwiesen) (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2012 - B 6 KA 5/12 R - SozR 4-2500 §115 Nr. 1, juris Rn. 17). Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren lediglich erklärt, er sei mit einer Erstattung nicht einverstanden, hat aber im Übrigen nicht zu dem Antrag Stellung genommen, insbesondere auch keine entsprechende Dokumentation vorgelegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R – juris Rdnr. 12 die Festsetzung eines Regresses nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die Klägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten haben. Soweit in § 106 Abs. 5e Satz 2 SGB V in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) bestimmt ist, die Festsetzung von Erstattungsbeträgen bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens (§ 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier aus sachlichen und zeitlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs. 5a und 5c bis 5e des § 106 SGB V befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von Richtgrößenvolumina i.S. des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und finden auf Prüfungen nach der Methode des statistischen Kostenvergleichs keine Anwendung. Im Übrigen wäre die Regelung über die regressausschließende Beratung hier auch dann nicht anwendbar, wenn eine Richtgrößenprüfung durchgeführt worden wäre. Diese Vorschrift gilt nur für Prüfverfahren, die Zeiträume ab ihrem Inkrafttreten (1.1.2012) betreffen (vgl. allg. zu den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen bei Gesetzesänderungen: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 18 Rdnr. 15 f). Soweit der Deutsche Bundestag am 27.06.2012 eine Ergänzung des § 106 Abs 5e SGB V um Satz 7 beschlossen hat, wonach die Regelung des Abs. 5e für alle Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (BT-Drucks 17/10156 S 77 zum Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften), gilt diese Regelung erst ab ihrem Inkrafttreten. Im Übrigen würde die vom Gesundheitsausschuss als "Klarstellung zur Rechtslage" bezeichnete Änderung des Gesetzes den streitbefangenen Regress nicht erfassen, weil das Widerspruchsverfahren dazu bereits vor Inkrafttreten des GKV-VStG abgeschlossen war. Für derartige Verfahren soll die (unterstellt) klarstellende Neuregelung in § 106 Abs. 5e Satz 7 nicht gelten (BT-Drucks 17/10156 S 95) (vgl. BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 36, juris Rdnr. 12). Art. 12b Nr. 3 2. AMGÄndG ordnet nunmehr die Rückwirkung für alle Ende 2011 noch nicht abgeschlossenen Verfahren an (§ 106 Abs. 5e Satz 7 SGB V in der Neufassung). Der Grundsatz "Beratung vor Regress" soll damit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-VStG im Januar 2012 für alle laufenden und nachfolgenden Verfahren der Prüfgremien, auch soweit sie zurückliegende Prüfzeiträume betreffen, gelten. Die Prüfgremien können seitdem keinen Erstattungsbetrag mehr festsetzen, wenn nicht zu dem früheren Prüfzeitraum die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Beratung erfolgt ist. Für ein bereits vor dem Inkrafttreten abgeschlossenes Widerspruchsverfahren gilt die Neuregelung nicht, auch wenn eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses noch anhängig ist (vgl. BT-Drs. 17/10156, S. 95). Von daher war eine vorherige Beratung nicht erforderlich, da das Verwaltungsverfahren im Jahr 2011 bereits abgeschlossen war und es sich hier auch nicht um eine Richtgrößenprüfung handelt.

Auf ein Verschulden des Klägers kommt es nicht an.

Ist einem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten, so ist ein Regress gegen ihn berechtigt, wobei dieser in Höhe des der Krankenkasse entstandenen Schadens festzusetzen ist. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 21 = USK 2008-106 = GesR 2009, 539, juris Rdnr. 28 m. w. N.). Im Übrigen schließt auch eine Unkenntnis vom Verordnungsausschluss ein Verschulden nicht aus.

Für die Regresshöhe ist maßgebend, welchen Kostenbetrag die Krankenkassen auf Grund der beanstandeten Verordnungen im Sinne einer Nettobelastung tragen müssen.

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften. Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben entsprochen hätte (vgl. BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 28 = USK 2010-50 = MedR 2011, 381, juris Rdnr. 23). Maßgeblich ist das fehlerhafte Verordnungsverhalten. Es ist deshalb in erster Linie die Verpflichtung des Vertragsarztes, den der Krankenkasse entstandenen Schaden auszugleichen (vgl. BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 65/03 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 7 = GesR 2005, 227 = USK 2004-143, juris Rdnr. 24). Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und aushändigt werden durften. Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise i. S. von § 106 SGB V verursacht wird. Der Unterschied besteht allein darin, dass ein Regress wegen unzulässiger Verordnungen an einzelne Verordnungen des Arztes gegenüber bestimmten Patienten und nicht an sein Verordnungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum insgesamt anknüpft (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 16). Damit kommt es auf die Kosten, die bei einer anderen Verordnung entstanden wären, nicht an.

Nach allem war der angefochtene Bescheid nicht aufzuheben und die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Berufung lagen nicht vor (§ 144 SGG).

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert folgte aus dem strittigen Regressbetrag.
Rechtskraft
Aus
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