L 16 R 855/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 4/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 855/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit Bescheid des Amtes für Rehabilitierung und Wiedergutmachung beim Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 21. Juli 2005 wurde der 1951 geborene Kläger wegen der Rechtsstaatswidrigkeit seiner Exmatrikulation 1973 als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes anerkannt (Verfolgungszeit: 1. September 1978 bis 29. März 1984) und seine Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 18 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz als Lehrer im Betrieb bzw. in der Einrichtung "Volksbildung" ausgewiesen. Mit Schreiben vom 18. November 2006 kündigte der Kläger der Beklagten an, zum 30. Juni 2007 seine ärztliche Tätigkeit zu beenden und beantragte die Klärung seines Rentenkontos. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 20. November 2008 nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) die in dem von ihr erstellten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 verbindlich fest, soweit nicht schon früher entsprechende Feststellungen getroffen worden sind. Hierbei erfolgte auch eine Berücksichtigung der Entscheidung zur beruflichen Rehabilitierung hinsichtlich des Verfolgungszeitraumes vom 1. September 1978 bis 29. März 1984. Wegen Rechtsänderungen wurden unter Aufhebung früherer Entscheidungen für die Zeit vom 6. Juli 1967 bis 5. Juli 1968 bisher vorgemerkte Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung sowie für die Zeit vom 1. September 1970 bis 27. März 1984 die bisher nach dem Fremdrentengesetz vorgemerkten Beitragszeiten einschließlich der Einstufung in Leistungsgruppen sowie die sich daraus ergebenen und vorgemerkten Arbeitsverdienste nicht mehr berücksichtigt. Die Beklagte teilte ferner mit, die für die Zeit vom 18. November 1974 bis 10. April 1975, vom 17. September 1979 bis 9. Mai 1980 und vom 1. Dezember 1983 bis 31. März 1984 gezahlten Lohnzulagen oder Lohnzuschläge könnten nicht vorgemerkt werden, weil sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen hätten. Die Zeit vom 6. Juli 1967 bis 5. Juli 1968 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei. Die Beklagte wies den nicht begründeten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2010 zurück.

Mit der am 3. Januar 2011 erhobenen und gegen den "Rentenbescheid" vom 20. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2010 erhobenen Klage hat der Kläger unter Bezugnahme auf sein "Vorbringen" im Widerspruchsverfahren eine höhere Rente begehrt. Die Beklagte hat mit dem als "Rentenauskunft – kein Rentenbescheid" gekennzeichneten Schreiben vom 7. Januar 2011 den Kläger darüber unterrichtet, dass seine Regelaltersrente monatlich 325,37 EUR betragen würde. Der Kläger hat mit Schreiben vom 7. Januar 2011 vortragen lassen, dass die Beklagte einen Bescheid vom 7. Januar 2011 erteilt habe, der Gegen-stand des Verfahrens geworden sei. Der Kläger hat unter Bekräftigung seines bisherigen "Vorbringens" vorgetragen: Die Gewährung einer Rente, die in einer Höhe von 325,37 EUR prognostiziert werde (Rentenauskunft vom 7. Januar 2011) entspreche nicht seiner Lebensleistung und seinen Versicherungsansprüchen. Die bei seiner Altersicherung sichtbar werdenden Widersprüche gegenüber anderen in Lebenslauf und Lebensleistung vergleichbaren Bürgern aus Ost und West seien nicht hinnehmbar. Auf die Schreiben des Klägers vom 27. September 2011 und vom 12. Oktober 2011 wird Bezug genommen. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2012 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei, soweit sich der Kläger gegen die Rentenauskunft vom 7. Januar 2011 wende, unzulässig. Denn Rentenauskünfte seien keine Verwaltungsakte im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Soweit der Kläger hinsichtlich der Klagepunkte zu 1.1., 1.2., 1.4. (Hinweis auf die abschließenden Betrachtungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen vom 20. Mai 2011) verweise, sei die Klage ebenfalls unzulässig. Es seien keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Klageanträge gestellt worden. Weiterhin gehe es im vorliegenden Klageverfahren nicht um die konkrete Berechnung der Rente, sondern ausschließlich um die nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI erfolgte Datenfeststellung rentenrechtlich relevanter Sachverhalte. Soweit dem Klagebegehren gerade noch hinreichend erkennbar zu entnehmen sei, dass der Kläger die Berücksichtigung höherer Verdienste bei der Datenfeststellung nach § 149 SGB VI begehre, sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe die vom Kläger in der DDR erzielten Arbeitsentgelte zutreffend der Datenfeststellung zugrunde gelegt. Der Kläger habe diese Feststellungen weder hinsichtlich der Entgelthöhen angegriffen noch konkrete, dazu abweichend zu berücksichtigende Entgelte behauptet oder in anderer Weise dargelegt. Er habe nicht einmal ansatzweise zur Sache abweichend Sachvortrag vorgetragen. Der im Rahmen der Kontenklärung nach § 149 Abs. 5 SGB VI ergangene Bescheid vom 20. November 2008 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung weiterer rentenrechtlicher Zeiten oder höherer Entgelte. Die Beklagte habe zutreffend die Arbeitsentgelte des Klägers, die dieser in der ehemaligen DDR erzielt habe, der Datenfeststellung zugrunde gelegt. Der Kläger habe diese Feststellung weder hinsichtlich der Entgelthöhen angegriffen noch konkrete, dazu abweichende zu berücksichtigende Entgelte behauptet oder in anderer Weise dargelegt. Die Klage sei auch insoweit unbegründet, als der Kläger nicht den bestehenden gesetzlichen Regelungen entsprechende Ansprüche, sondern dazu abweichende, einer gesetzlichen Grundlage entbehrende Ansprüche geltend mache. Den Klageanträgen liege letztendlich die Forderung zugrunde, dass sich die rechtsprechende Gewalt an die Stelle des Gesetzgebers setzen solle. Aus diesen Gründen sei auch den Beweisanträgen nicht zu entsprechen, weil sie keinen rechtlichen Bezug zu den vorliegenden Verfahren zur Datenfeststellung nach § 149 Abs. 5 SGB VI aufwiesen, sondern die Änderung der, im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsmäßig bereits festgestellten, gesetzlichen Regelung der Überführung der in der ehemaligen DDR erworbenen Ansprüche – sog. Systementscheidung - zum Gegenstand habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt (vgl. Schriftsatz vom 7. März 2013),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2012 aufzuheben sowie den Bescheid vom 20. November 2008 in der Fassung vom 7. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 und alle im weiteren Verlauf des Verfahrens erteilten weiteren Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm ein höheres Alterseinkommen aus dem von ihm in seinem Arbeitsleben rechtmäßig erworbenen Anwartschaften auf Ansprüche auf ein angemessenes Alterseinkommen ab Rentenbeginn zu gewähren und festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitete Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2012 und macht sie sich zu eigen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen: Soweit der Kläger sich mit seiner Klage gegen die Rentenauskunft vom 7. Januar 2011 wendet, ist diese Klage unzulässig. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Rentenauskunft keinen Verwaltungsakt enthält und mithin eine Anfechtungs- wie auch eine Verpflichtungsklage nicht statthaft ist. Ferner ist auch eine allgemeine Leistungsklage auf Erteilung einer "richtigen" Rentenauskunft wegen Fehlens einer Prozessführungsbefugnis bzw. der Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) unzulässig. Denn die Rechtsordnung und insbesondere § 109 Abs. 4 SGB VI sieht keinen Anspruch auf Erteilung einer "objektiv richtigen" im Sinne einer der Rechtsauffassung des Nachfragenden entsprechenden Rechtsauskunft vor. Soweit – wie hier – eine Behörde verpflichtet ist, dem Bürger eine Auskunft zu erteilen (vgl. § 109 Abs. 4 SGB VI), hat sie auf primärer Ebene die Auskunft immer nur nach besten Wissen und Gewissen zu geben. Erteilt sie eine objektiv falsche Auskunft, kann dies auf sekundärer Ebene eventuell einen Herstellungsanspruch oder Amtshaftungsansprüche begründen. Ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Erteilung einer gerade aus Sicht des Anspruchstellers objektiv richtigen Rechtsauskunft besteht nicht. Dementsprechend ist die allgemeine Leistungsklage unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 50/01 R – juris). Der Kläger kann sein Begehren auch nicht mit einer vorbeugenden Feststellungsklage dahingehend verfolgen, dass die Höhe seines (künftigen) Rentenanspruchs vorab festgestellt wird. Denn ein hierfür erforderliches spezielles Interesse an einer baldigen vorbeugenden Feststellung (vgl. BSG, aaO) ist nicht erkennbar. Auch eine "allgemeine" Feststellungsklage ist unzulässig, weil er nicht die Feststellung von Rechten und Pflichten aus einem aktuellen Rechtsverhältnis begehrt.

Soweit sich der Kläger gegen den Bescheid vom 20. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2010 mit dem Begehren wendet, ihm ein höheres Alterseinkommen in Aussicht zu stellen, geht dieses Begehren ins Leere, weil es sich bei dem angeführten Bescheid lediglich um einen Vormerkungsbescheid handelt, mit dem bestimmte Daten zwecks Sicherung von Berechnungselementen (vgl. KassKomm-Polster, Bd. 2, Stand: Mai 2003, § 149 SGB VI, Rn.15) festgestellt werden. Da über Anrechnung und Bewertung der festgestellten Zeiten erst bei Feststellung der Leistung entschieden wird (vgl. § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI), kann mit der Klage gegen den Vormerkungsbescheid nicht schon die Gewährung oder Zusicherung einer bestimmten Rentenhöhe begehrt werden. Insofern fehlt es jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis für die allein in Betracht kommende Verpflichtungsklage. Schließlich ist die Verpflichtungsklage mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes auch insoweit unzulässig, als der Kläger die Änderung "weiterer erteilter Bescheide" begehrt. Denn es ist weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte dem Kläger weitere Bescheide erteilt hat.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, das Verfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hiernach ist ein gerichtliches Verfahren auszusetzen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Der Senat geht jedoch nicht von einer Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen aus.

Den Beweisanregungen des Klägers war nicht nachzugehen. Diese beziehen sich lediglich auf sozialpolitische Erwägungen, derentwegen kein Aufklärungsbedarf besteht. Auch die abschließenden Betrachtungen des Ausschusses über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen nach dessen Sitzung vom 20. Mai 2011, denen keine Bindungswirkung für deutsche Gerichte zukommt, sind für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 6. Juli 2012 - L 3 R 850/10 - juris; LSG Halle, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 1 R 407/08 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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