S 1 SO 4182/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 4182/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Regelbedarf eines erwachsenen Hilfeempfängers von Leistungen nach dem SGB XII, der im Haushalt seiner Eltern lebt, ohne einen eigenen Hausstand zu führen, bemisst sich nach der Regelbedarfsstufe 3.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 01.05.2011 bis zum 31.08.2011 unter Berücksichtigung eines Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe (RBS) 1 an Stelle der RBS 3 und eines daraus resultierenden höheren Mehrbedarfs für behinderte Menschen.

Der am 08.07.1978 geborene, ledige Kläger leidet u.a. an einem frühkindlichen Hirnschaden mit einer Entwicklungsverzögerung und Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten im Bereich einer leichten Intelligenzminderung (Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 12.01.2010). Er lebt seit seiner Geburt in der Wohnung seiner Eltern. Nach dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 19.07.2011 ist der Kläger seit seiner Geburt dauerhaft voll erwerbsgemindert; ein Rentenanspruch besteht indes mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Bis zum 31.08.2011 stand der Kläger im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; Aufhebungsbescheid des Jobcenters Stadt K. vom 27.07.2011, Widerspruchsbescheid vom 30.08.2011). Seiner Leistung legte das Jobcenter Stadt K. im hier streitigen Zeitraum den Regelsatz der RBS 1 zugrunde (Bescheid vom 26.03.2011).

Auf seinen Antrag vom 30.05.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2011 bis zum 31.08.2011 Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII in Höhe von monatlich 432,00 EUR. Dabei ging sie von einem Regelsatz nach der RBS 3 in Höhe von 291,00 EUR, einem Mehrbedarf für behinderte Menschen in Höhe von 35 v.H. dieser RBS, das sind 101,85 EUR monatlich, sowie anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 223,15 EUR, mithin von einem monatlichen Gesamtbedarf von 616,00 EUR aus. Hierauf rechnete sie als Einkommen bedarfsmindernd monatliches Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR an (Bescheid vom 08.05.2012). Von der Gesamt-Nachzahlung (1.728,00 EUR) überwies die Beklagte 1.707,18 EUR zur Befriedigung eines Erstattungsanspruchs an das Jobcenter Stadt Karlsruhe.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung des Regelsatzes nach der RBS 1 und des sich hieraus ergebenden höheren Mehrbedarfs für behinderte Menschen (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) vom 09.06.2011 - B 8 SO 1/10 R -). Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Der Kläger habe im streitigen Zeitraum Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bezogen. Diesen Leistungen habe das Jobcenter Stadt Karlsruhe den Regelsatz nach der RBS 1 zugrunde gelegt. Der Kläger habe damit bereits die Leistungen erhalten, die er nunmehr von ihr - der Beklagten - einfordere. Da er keinen eigenen Haushalt führe, bestehe im Rahmen des SGB XII ein Anspruch lediglich unter Zugrundelegung des Regelsatzes nach der RBS 3. Eine Stattgabe des Widerspruchsbegehrens bewirke außerdem allein einen erhöhten Erstattungsbetrag an das Jobcenter Stadt Karlsruhe; hierfür bestehe auf Seiten des Klägers indes kein Rechtsschutzbedürfnis. Die vom Kläger herangezogene Entscheidung des BSG finde auf Zeiten nach dem 31.12.2010 keine automatische Anwendung. Dies habe das BSG in einem weiteren Urteil vom 09.06.2011 (B 8 SO 11/10 R) entschieden (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012).

Deswegen hat der Kläger am 19.11.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Mit dieser verfolgt er sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines Widerspruchsbegehrens weiter.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 08. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01. Mai 2011 bis zum 31. August 2011 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII unter Berücksichtigung eines Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 1 und eines sich hieraus ergebenden Mehrbedarfs für behinderte Menschen, abzüglich der bereits durch die angefochtenen Bescheide erbrachten Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Der Kläger habe nicht begründet dargelegt, einen eigenen Haushalt zu führen. Mit Blick auf seine Erkrankungen und Behinderungen sei auch eine entsprechende Fähigkeit zur eigenen Haushaltsführung nicht erkennbar.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat für die Zeit vom 01.05.2011 bis zum 31.08.2011 keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII als von der Beklagten erbracht. Insbesondere hat die Beklagte der Bedarfsberechnung zu Recht den Regelsatz der RBS 3 von monatlich 291,00 EUR zugrunde gelegt. Hieraus ergibt sich auch der von der Beklagten in der streitigen Zeitspanne berücksichtigte monatliche Mehrbedarf für behinderte Menschen in Höhe von 101,85 EUR. Eine höhere Leistung unter Zugrundelegung der RBS 1 (364,00 EUR) und eines aus dieser RBS berechneten Mehrbedarfs für behinderte Menschen steht dem Kläger dagegen nicht zu.

1. Der Kläger gehört als dauerhaft voll erwerbsgeminderte Person im hier streitigen Zeitraum zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis, dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Vierten Kapitels SGB XII zu erbringen sind. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und im Übrigen unzweifelhaft. Diese Leistungen umfassen u.a. die Regelsätze nach den RBSn der Anlage zu § 28 sowie die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB XII (§ 42 Nrn. 1 und 2 SGB XII), mithin auch einen Mehrbedarf für behinderte Menschen in Höhe von 35 v.H. der maßgebenden RBS (§ 30 Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Die Anlage 1 zu § 28 SGB XII bestimmt u.a. folgende RBSn:

RBS 1: "Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind."

RBS 3: "Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen eigenen Haushalt führt."

Als erwachsene leistungsberechtigte Person, die keinen eigenen Haushalt führt, sondern im Haushalt der Eltern lebt, ist für den Kläger die RBS 3 einschlägig. Nach dem aktenkundigen Mietvertrag ist allein der Vater des Klägers Mieter der Wohnung im Anwesen M.-straße 2, xxxxx K., einer Werkmietwohnung i.S.d. §§ 576 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Allein an ihn richten sich die Miet- und Nebenkostenforderungen des Vermieters.

2. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst für den hier streitigen Zeitraum Grundsicherungsleistungen vom SGB II-Träger, dem Jobcenter Stadt K., unter Zugrundelegung der RBS 1 bezogen hat. Denn nach § 20 Abs. 2 SGB II in der seit dem 01.01.2011 gültigen Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (RBEG) vom 24.03.2011 (BGBl. I Seite 453) werden als Regelbedarf bei Personen, die - wie der Kläger - alleinstehend oder alleinerziehend sind, monatlich 364,00 EUR anerkannt. Damit unterscheidet sich die Regelbedarfszuordnung nach dem SGB II von derjenigen nach dem SGB XII (dazu nachfolgend unter 4.).

3. Auch die Rechtsprechung des BSG in seinen Urteilen vom 09.06.2011 (B 8 SO 1/10 R und B 8 SO 11/10 R) führt zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis. Soweit das BSG in diesen Entscheidungen jeweils ausführt hatte, dass ein volljähriger, alleinstehender Hilfeempfänger, der mit seinen Eltern eine gemeinsame Wohnung bewohnt, Anspruch auf Hilfeleistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand in Höhe von 100 % des Regelsatzes habe, weil er als solcher weder in einer eine Bedarfs- oder Einsatzgemeinschaft rechtfertigenden Beziehung zu seinen Eltern im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II lebt noch in einer Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 Abs. 2 SGB XII, beruhte dies auf den Überlegungen, dass nach Maßgabe des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB II und dem SGB XII Einsparungen bei gemeinsamer Haushaltsführung nur noch dann berücksichtigt werden durften, wenn die zusammenlebenden Personen bei Bedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft im Sinne des SGB XII bildeten oder bilden würden. Dagegen reiche das Bestehen einer bloßen Haushaltsgemeinschaft von Personen außerhalb einer Bedarfs- oder Einsatzgemeinschaft nicht aus, eine Reduzierung des Regelsatzes für die Hilfe zum Lebensunterhalt als Haushaltsangehörigen im Rahmen der Sozialhilfe zu berücksichtigen. Das BSG hat jedoch in seinem Urteil vom 09.06.2011 - B 8 SO 11/10 R -, dort Rand-Nr. 21, ausdrücklich offen gelassen, ob für die Zeit ab dem 01.01.2011 im Hinblick auf die Regelungen RBEG eine andere Wertung vorzunehmen ist. Damit hat - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - das BSG keine automatische Fortgeltung seiner Rechtsprechung auch für die Zeit ab dem 01.01.2011 "angeordnet".

4. Der Gesetzgeber hat seit dem 01.01.2011 mit den Vorschriften der §§ 8 des RBEG, 27 a SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII eine neue Rechtslage geschaffen.

a) Er hat insoweit auf die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des BSG reagiert und einerseits zwar eine weitgehende Gleichstellung zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII erreicht. Es erhalten ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, der alleinstehend oder alleinerziehend oder dessen Partnerin oder Partner minderjährig ist, gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II einen Regelsatz in der gleichen Höhe wie eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt und nach der Anlage zu § 28 SGB XII in die RBS 1 gehört. Andererseits hat der Gesetzgeber eine unterschiedliche Regelung insoweit vorgenommen, als erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SBG II mit Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft bilden (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) und damit einen vollen Regelsatz von - im hier streitigen Zeitraum - 364,00 EUR erhielten, während dauerhaft voll Erwerbsgeminderten nach dem Vierten Kapitel SGB XII auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres nach der RBS 3 als Haushaltsangehörigen nur ein Regelsatz von 291,00 EUR zustand. Diese unterschiedliche Behandlung ist im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung zwar problematisiert worden, wie sich aus den Anfragen des M.K. (Bündnis 90/Die Grünen) und den Antworten des Staatssekretärs H. vom 19.11.2010 (BT-Drucks. 17/3807, Seite 36 bis 40) sowie aus den Änderungsanträgen 17 (11) 353 und 17 (11) 352 ergibt (BT-Drucks. 17/4095, Seiten 11 bis 13). Gleichwohl ist sie vom Gesetzgeber bewusst herbeigeführt und in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/4095, Seite 27) mit Systemunterschieden zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe begründet worden: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wendet sich ihrer Zielrichtung nach vornehmlich an einen dem Grunde nach erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehend der Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen bedarf. Aus der Erwerbsfähigkeit ergeben sich im SGB II Pflichten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Diese gelten insbesondere auch für im Haushalt der Eltern lebende Erwachsene ab 25 Jahren, die Arbeitslosengeld II beziehen. Von ihnen ist deshalb ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung und wirtschaftlicher Beweglichkeit einzufordern, woraus sich auch die Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit durch einen Regelbedarf entsprechend der RBS 1 ableitet. Derartige Obliegenheiten treffen nicht erwerbsfähige erwachsene Kinder nicht. Es ergibt sich deshalb keine Grundlage für eine Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit, wenn ein eigener Haushalt - wie im Fall des Klägers - nicht geführt wird (vgl. LSG Sachsen-Anhalt vom 18.07.2012 - L 8 SO 13/12 B ER - sowie LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.10.2011 - L 8 SO 275/11 B ER - und SG Aachen vom 13.12.2011 - S 20 SO 79/11 - (jeweils Juris)).

b) Ein weiterer Systemunterschied zwischen dem SGB II und dem Vierten Kapitel des SGB XII zeigt sich in der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen, dem Einsatz von Vermögen und der Anrechnung von Erwerbseinkommen. Denn während nach dem SGB II gem. § 9 Abs. 2 SGB II das Einkommen und Vermögen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist, ist im Rahmen der Leistungsberechtigung nach dem Vierten Kapitel SGB XII die Einsatzgemeinschaft und Unterhaltsverpflichtung zwischen Eltern und erwachsenem Kind weitestgehend aufgehoben. Allerdings war mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht die Absicht verbunden, diesen im Haushaltzusammenhang lebenden Personen einen Anspruch einzuräumen, wie er Alleinstehenden in Höhe des Eckregelsatzes oder Paaren in Höhe des später eingeführten Partnerregelsatzes zusteht (vgl. BT-Drucks. 17/4095, Seite 41). Dies hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Einordnung dieser Personen in die RBS 3 klargestellt (vgl. nochmals LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O. und LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).

c) Überdies sind weitere Systemunterschiede vorhanden, beispielsweise auch im hier relevanten Bereich der Bedarfsbemessung.

Im SGB XII gilt gem. § 27 a Abs. 3 SGB XII:

"Zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, sind monatliche Regelsätze zu gewähren. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen."

Die Bedarfe werden also regelmäßig pauschal abgegolten. Zugleich regelt aber § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII:

"Im Einzelfall wird der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht."

Der Gesetzgeber sieht damit im Bereich des SGB XII auch eine regelhafte individuelle Bedarfsbemessung vor.

Im SGB II stellt sich die Rechtslage dagegen anders dar. Dort gilt stets die Pauschalierung des § 20 Abs. 1 SGB II:

"Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen."

Abweichende Bedarfe können im SGB II nur im Rahmen eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II berücksichtigt werden:

"Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht."

Die systematische Darstellung des Mehrbedarfs im System des SGB II führt mithin dazu, dass dort strengere Anforderungen an den Nachweis eines solchen Mehrbedarfs gestellt werden als bei der Regelung des § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII. Denn auf eine Regelung entsprechend dem des § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII - die sich durchaus angeboten hätte - wurde im SGB II bewusst zu Gunsten der Beibehaltung einer strengen Pauschalierung verzichtet (vgl. Münder in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 21, Rand-Nr. 34 a.E.).

d) Zusammenfassend führen die unterschiedlichen Regelungssysteme des SGB II und SGB XII zu einer spürbar unterschiedlichen Situation der jeweiligen Leistungsempfänger, nicht nur, aber insbesondere im Hinblick auf den vom Gesetzgeber formulierten und vom Leistungsträger des SGB II in der Regel auch konsequent umgesetzten Druck auf die Leistungsempfänger, die Hilfebedürftigkeit schnellstmöglich durch Aufnahme jeder zumutbaren Tätigkeit zu reduzieren bzw. zu beenden. Der Gesetzgeber, der im Bereich der Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum hat (so BSG vom 19.05.2009 - B 8 SO 8/08 R - mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Juris)), durfte diese unterschiedliche Gesamtsituation berücksichtigen und den Leistungsberechtigten nach dem SGB II eine höhere wirtschaftliche Eigenständigkeit zubilligen (vgl. nochmals LSG Sachsen-Anhalt und LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., ferner SG Aachen vom 13.12.2011 - S 20 SO 79/11 - und vom 20.01.2012 - S 19 SO 108/11 - sowie SG Berlin vom 04.12.2012 - S 21 SO 2013/11 - (jeweils Juris)).

e) Die Neuregelungen der RBS durch das RBEG mit Wirkung ab dem 01.01.2011 sind - auch soweit es die RBSn 1 und 3 betrifft - verfassungsgemäß (vgl. BSG vom 12.07.2002 - B 14 AS 153/11 R - und - B 14 AS 189/11 R - und zuletzt vom 28.03.2013 - B 4 AS 12/12 R - (aktuell nur als Pressemitteilung vorhanden)).

5. Angesichts dessen hat die Beklagte der Bedarfsberechnung des Klägers für die Zeit vom 01.05.2011 bis zum 31.08.2011 zu Recht die RBS 3 und damit einen Betrag von monatlich 291,00 EUR zugrunde gelegt. Hieraus resultiert in Bezug auf den Mehrbedarf für behinderte Menschen gem. § 30 Abs. 4 Satz 1 SGB XII ein Betrag von monatlich 101,85 EUR. Anhaltspunkte dafür, dass im Übrigen die Leistungen unzutreffend berechnet wurden, sind weder vorgetragen noch nach Prüfung durch die Kammer ersichtlich.

Aus eben diesen Gründen war dem Klagebegehren nicht stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) die Berufung zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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