Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 16 P 65/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 33/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung der ihr gewährten Pflegestufe III auf Pflegestufe II.
Die Beklagte gewährte der 1977 geborenen Klägerin, die an einem Down-Syndrom leidet, mit Bescheid vom 3. November 1995 Pflegegeld der Pflegestufe III. Dieser Entscheidung legte sie das MDK-Gutachten vom 29. September 1995 zugrunde, in dem der Facharzt G einen Zeitaufwand für die Pflege von mindestens 5 Stunden täglich ermittelt hatte. Zur Begründung hatte der Gutachter ausgeführt, dass die Klägerin nicht ohne Aufsicht gelassen werden könne; sie bedürfe ständiger Hilfeleistungen.
Im ersten Nachprüfungsverfahren stellte der Arzt M im MDK-Gutachten vom 30. November 2000 einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 122 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 90 Minuten täglich fest. Hierzu merkte er an, dass die Beaufsichtigung und Kontrolle der Klägerin außerhalb der beschriebenen Verrichtungen nicht erfasst sei. Das Ergebnis dieses Gutachtens, Pflegebedürftigkeit nach Stufe III, änderte die Internistin Dr. B vom Medizinischen Dienst im Vermerk vom 12. Dezember 2000 in Stufe II. Die ergänzende Frage der Beklagten, ob eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen eingetreten sei, verneinte sie unter dem 21. Dezember 2000: Im Vergleich zum Vorgutachten sei keine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten; der Betreuungsaufwand sei unverändert.
Die Beklagte holte im Zuge eines weiteren Nachprüfungsverfahrens das MDK-Gutachten der Gutachterin S vom 8. Januar 2008 ein, die den Zeitaufwand für die Grundpflege mit 130 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich einschätzte. Die Gutachterin führte aus, dass die Klägerin durch ein kontinuierliches und ausdauerndes Üben mit den Eltern und den Fördereinrichtungen gewisse Fortschritte bei der eigenständigen Ausführung der Aktivitäten des täglichen Lebens erreicht und somit eine weitere Anpassung an die gegebenen Lebensumstände erzielt habe.
Nach Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2008 mit Wirkung ab 1. April 2008 die Pflegestufe von III auf II herab. Auf den Widerspruch der Klägerin veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung. Die Gutachterin P ermittelte im MDK-Gutachten vom 10. Juli 2008 einen Zeitaufwand für die Grundpflege mit 179 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008 zurück.
Mit der bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat die Klägerin sich gegen die Herabstufung gewandt. Im Klageverfahren hat die Beklagte das MDK-Gutachten vom 8. März 2010 vorgelegt, in welchem die externe Gutachterin H den Zeitaufwand für die Grundpflege mit 197 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten täglich eingeschätzt hat. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens der Dipl.-Krankenschwester O vom 26. Juli 2010. Die Sachverständige hat nach Untersuchung der Klägerin in deren Wohnung einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 125 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 60 Minuten täglich festgestellt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. April 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass zwischen 1995 und 2008 eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Diese Änderung ergebe sich nicht aus einem verbesserten Gesundheitszustand oder nicht mehr vorhandenen Funktionsausfällen, sondern daraus, dass 2008 der Beaufsichtigungsbedarf nicht im gleichen Umfang zu berücksichtigen gewesen sei wie 1995.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie vorbringt, dass sich die Aufwendungen für ihre Kontrolle und Aufsicht in keiner Weise geändert hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung der Pflegestufe III auf Pflegestufe II, die als Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides zu qualifizieren ist, stellt § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) dar, wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist. Hierbei sind die im Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die im Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung vorhanden waren, zu vergleichen.
Der Bescheid vom 3. November 1995 über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Im Vergleich zu den im Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 bestehenden Verhältnissen hat der Senat keine wesentliche Änderung feststellen können.
Im vorliegenden Zusammenhang ist eine Änderung dann wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe III entfallen sind. Nach § 37 Abs. 1 SGB XI ist es zunächst erforderlich, dass der Anspruchsteller pflegebedürftig ist. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Die Zuordnung zu der Pflegestufe III setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens fünf Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als vier Stunden entfallen müssen.
Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist in Fällen der vorliegenden Art, in denen um die Herabsetzung einer Pflegestufe im Pflegeversicherungsrecht gestritten wird, nicht bereits dann eingetreten, wenn in einem nach Erlass des Bewilligungsbescheides eingeholten Gutachten der Zeitaufwand in der Grundpflege maßgeblich geringer eingeschätzt wurde als in dem der Bewilligung zu Grunde liegendem Erstgutachten. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass in dem Gesundheitszustand des Betroffenen Änderungen eingetreten sind, die nachvollziehbar den Umfang dessen Hilfebedarfs vermindert haben. Für das Vorliegen dieser Änderung trifft den Beklagten, der sich in dem Herabsetzungsbescheid hierauf beruft, die materielle Beweislast.
Der Senat kann vorliegend aus den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten gutachterlichen Äußerungen nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Verhältnisse sich tatsächlich wesentlich geändert hätten. Die Ausführungen der Gutachterin S im MDK-Gutachten vom 8. Januar 2008, dass die Klägerin durch ein kontinuierliches und ausdauerndes Üben mit den Eltern und den Fördereinrichtungen gewisse Fortschritte bei der eigenständigen Ausführung der Aktivitäten des täglichen Lebens erreicht und somit eine weitere Anpassung an die gegebenen Lebensumstände erzielt habe, nicht nachvollziehbar. Denn die Gutachterin stellte einen Zeitaufwand für die Grundpflege mit 130 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich fest. Damit hatte sich der für 2008 ermittelte Zeitaufwand gegenüber dem Aufwand im Jahr 2000 im Wesentlichen nicht geändert (sondern sogar leicht erhöht). Im MDK-Gutachten vom 30. November 2000 hatte der Arzt M den Zeitaufwand für die Grundpflege mit 122 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich bewertet. Wenn im Jahr 2000 vom Medizinischen Dienst ausdrücklich eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen mit der Begründung verneint wurde, dass im Vergleich zum Vorgutachten vom 29. September 1995 keine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei und der Betreuungsaufwand sich nicht verändert habe, gilt dies bei im Wesentlichen unverändertem Betreuungsaufwand erst Recht für die Verhältnisse im Jahr 2008.
Anders als das Sozialgericht kann der Senat eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse dahingehend, dass der Beaufsichtigungsbedarf 2008 nicht mehr im gleichen Umfang zu berücksichtigen gewesen sei wie 1995, nicht erkennen. Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 26. November 1998 (B 3 P 13/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 8) die fehlende Möglichkeit der Berücksichtigung des allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarfs bei geistig Behinderten daraus abgeleitet, dass diese Tätigkeiten nicht in dem vom Gesetzgeber als abschließend verstandenen Verrichtungskatalog des § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt sind. Diese Vorschrift hat seit 1995 keine Änderung erfahren, d.h. der Zeitaufwand, der für die allgemeine Beaufsichtigung eines geistig Behinderten anfällt, konnte bereits 1995 bei der Ermittlung des Ausmaßes des Pflegebedürftigkeit keine Berücksichtigung finden (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der strengen Verrichtungsbezogenheit des § 14 Abs. 4 SGB XI: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 22. Mai 2003, 1 BvR 452/99, bei Juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung der ihr gewährten Pflegestufe III auf Pflegestufe II.
Die Beklagte gewährte der 1977 geborenen Klägerin, die an einem Down-Syndrom leidet, mit Bescheid vom 3. November 1995 Pflegegeld der Pflegestufe III. Dieser Entscheidung legte sie das MDK-Gutachten vom 29. September 1995 zugrunde, in dem der Facharzt G einen Zeitaufwand für die Pflege von mindestens 5 Stunden täglich ermittelt hatte. Zur Begründung hatte der Gutachter ausgeführt, dass die Klägerin nicht ohne Aufsicht gelassen werden könne; sie bedürfe ständiger Hilfeleistungen.
Im ersten Nachprüfungsverfahren stellte der Arzt M im MDK-Gutachten vom 30. November 2000 einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 122 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 90 Minuten täglich fest. Hierzu merkte er an, dass die Beaufsichtigung und Kontrolle der Klägerin außerhalb der beschriebenen Verrichtungen nicht erfasst sei. Das Ergebnis dieses Gutachtens, Pflegebedürftigkeit nach Stufe III, änderte die Internistin Dr. B vom Medizinischen Dienst im Vermerk vom 12. Dezember 2000 in Stufe II. Die ergänzende Frage der Beklagten, ob eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen eingetreten sei, verneinte sie unter dem 21. Dezember 2000: Im Vergleich zum Vorgutachten sei keine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten; der Betreuungsaufwand sei unverändert.
Die Beklagte holte im Zuge eines weiteren Nachprüfungsverfahrens das MDK-Gutachten der Gutachterin S vom 8. Januar 2008 ein, die den Zeitaufwand für die Grundpflege mit 130 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich einschätzte. Die Gutachterin führte aus, dass die Klägerin durch ein kontinuierliches und ausdauerndes Üben mit den Eltern und den Fördereinrichtungen gewisse Fortschritte bei der eigenständigen Ausführung der Aktivitäten des täglichen Lebens erreicht und somit eine weitere Anpassung an die gegebenen Lebensumstände erzielt habe.
Nach Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2008 mit Wirkung ab 1. April 2008 die Pflegestufe von III auf II herab. Auf den Widerspruch der Klägerin veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung. Die Gutachterin P ermittelte im MDK-Gutachten vom 10. Juli 2008 einen Zeitaufwand für die Grundpflege mit 179 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008 zurück.
Mit der bei dem Sozialgericht Cottbus erhobenen Klage hat die Klägerin sich gegen die Herabstufung gewandt. Im Klageverfahren hat die Beklagte das MDK-Gutachten vom 8. März 2010 vorgelegt, in welchem die externe Gutachterin H den Zeitaufwand für die Grundpflege mit 197 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten täglich eingeschätzt hat. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens der Dipl.-Krankenschwester O vom 26. Juli 2010. Die Sachverständige hat nach Untersuchung der Klägerin in deren Wohnung einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 125 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 60 Minuten täglich festgestellt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. April 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass zwischen 1995 und 2008 eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Diese Änderung ergebe sich nicht aus einem verbesserten Gesundheitszustand oder nicht mehr vorhandenen Funktionsausfällen, sondern daraus, dass 2008 der Beaufsichtigungsbedarf nicht im gleichen Umfang zu berücksichtigen gewesen sei wie 1995.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie vorbringt, dass sich die Aufwendungen für ihre Kontrolle und Aufsicht in keiner Weise geändert hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung der Pflegestufe III auf Pflegestufe II, die als Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides zu qualifizieren ist, stellt § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) dar, wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist. Hierbei sind die im Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die im Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung vorhanden waren, zu vergleichen.
Der Bescheid vom 3. November 1995 über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Im Vergleich zu den im Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides der Beklagten vom 11. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 bestehenden Verhältnissen hat der Senat keine wesentliche Änderung feststellen können.
Im vorliegenden Zusammenhang ist eine Änderung dann wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe III entfallen sind. Nach § 37 Abs. 1 SGB XI ist es zunächst erforderlich, dass der Anspruchsteller pflegebedürftig ist. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Die Zuordnung zu der Pflegestufe III setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens fünf Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als vier Stunden entfallen müssen.
Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist in Fällen der vorliegenden Art, in denen um die Herabsetzung einer Pflegestufe im Pflegeversicherungsrecht gestritten wird, nicht bereits dann eingetreten, wenn in einem nach Erlass des Bewilligungsbescheides eingeholten Gutachten der Zeitaufwand in der Grundpflege maßgeblich geringer eingeschätzt wurde als in dem der Bewilligung zu Grunde liegendem Erstgutachten. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass in dem Gesundheitszustand des Betroffenen Änderungen eingetreten sind, die nachvollziehbar den Umfang dessen Hilfebedarfs vermindert haben. Für das Vorliegen dieser Änderung trifft den Beklagten, der sich in dem Herabsetzungsbescheid hierauf beruft, die materielle Beweislast.
Der Senat kann vorliegend aus den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten gutachterlichen Äußerungen nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Verhältnisse sich tatsächlich wesentlich geändert hätten. Die Ausführungen der Gutachterin S im MDK-Gutachten vom 8. Januar 2008, dass die Klägerin durch ein kontinuierliches und ausdauerndes Üben mit den Eltern und den Fördereinrichtungen gewisse Fortschritte bei der eigenständigen Ausführung der Aktivitäten des täglichen Lebens erreicht und somit eine weitere Anpassung an die gegebenen Lebensumstände erzielt habe, nicht nachvollziehbar. Denn die Gutachterin stellte einen Zeitaufwand für die Grundpflege mit 130 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich fest. Damit hatte sich der für 2008 ermittelte Zeitaufwand gegenüber dem Aufwand im Jahr 2000 im Wesentlichen nicht geändert (sondern sogar leicht erhöht). Im MDK-Gutachten vom 30. November 2000 hatte der Arzt M den Zeitaufwand für die Grundpflege mit 122 Minuten täglich und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 90 Minuten täglich bewertet. Wenn im Jahr 2000 vom Medizinischen Dienst ausdrücklich eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen mit der Begründung verneint wurde, dass im Vergleich zum Vorgutachten vom 29. September 1995 keine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei und der Betreuungsaufwand sich nicht verändert habe, gilt dies bei im Wesentlichen unverändertem Betreuungsaufwand erst Recht für die Verhältnisse im Jahr 2008.
Anders als das Sozialgericht kann der Senat eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse dahingehend, dass der Beaufsichtigungsbedarf 2008 nicht mehr im gleichen Umfang zu berücksichtigen gewesen sei wie 1995, nicht erkennen. Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 26. November 1998 (B 3 P 13/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 8) die fehlende Möglichkeit der Berücksichtigung des allgemeinen Aufsichts- und Betreuungsbedarfs bei geistig Behinderten daraus abgeleitet, dass diese Tätigkeiten nicht in dem vom Gesetzgeber als abschließend verstandenen Verrichtungskatalog des § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt sind. Diese Vorschrift hat seit 1995 keine Änderung erfahren, d.h. der Zeitaufwand, der für die allgemeine Beaufsichtigung eines geistig Behinderten anfällt, konnte bereits 1995 bei der Ermittlung des Ausmaßes des Pflegebedürftigkeit keine Berücksichtigung finden (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der strengen Verrichtungsbezogenheit des § 14 Abs. 4 SGB XI: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 22. Mai 2003, 1 BvR 452/99, bei Juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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