S 22 R 752/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 22 R 752/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang in der damaligen UdSSR in den Jahren 1966 bis 1984, 1987 bis 1991 und 1993 zurückgelegte Versicherungszeiten in einer Kolchose nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bei der Rente des Klägers zu berücksichtigen sind.

Der am 00.00.1941 in der damaligen UdSSR geborene Kläger siedelte im April 1995 in die Bundesrepublik Deutschland über. In der UdSSR war er ausweislich des vorgelegten Arbeitsbuches von 1955 bis 1995 in verschiedenen Beschäftigungen - u.a. als Traktorfahrer, Kraftfahrer etc. - in einer Kolchose tätig. Das Arbeitsbuch enthält für die Jahre 1955 bis 1965 jeweils Eintragungen in Spalte 4 "Angerechnete Arbeitseinheiten im Jahr", für die Jahre 1966 bis 1995 jedoch Eintragungen in Spalte 5 "Anzahl der geleisteten Arbeitskrafttage im Jahr". Von 1962 bis 1965 war der Kläger zum Wehrdienst eingezogen. Das Arbeitsbuch weist für diese Jahre ebenfalls Eintragungen aus, die jedoch durchgestrichen sind.

Mit Bescheid vom 28.11.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 01.02.2001 in Höhe von 1.009,33 DM monatlich.

Am 31.10.2008 beantragte der Kläger die Überprüfung der Rentenberechnung. Er führte aus, für die Jahre, in denen 300 und mehr Arbeitstage geleistet worden seien, müssten Beitragszeiten zu 6/6 und nicht lediglich zu 5/6 berücksichtigt werden. Außerdem sei eine Ersatzzeit zu berücksichtigen.

Die Beklagte stellte die Rente des Klägers mit Bescheid vom 10.06.2009 neu fest und bewilligte ihm für die Zeit ab dem 01.01.2004 einen monatlichen Zahlbetrag von 582,54 Euro. Als Grund der Änderung gab sie die zusätzliche Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Ersatzzeit vom 25.01.1955 bis zum 31.12.1956 an.

Mit Bescheid vom 07.12.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Höherbewertung der Kolchosezeiten mit der Begründung ab, die im Arbeitsbuch angegebenen Arbeitstage seien nur als Bezugsgrößen für die Errechnung des Lohnes anzusehen. Die darin dokumentierte Arbeitszeit sei nur als glaubhaft gemacht, nicht jedoch als nachgewiesen zu berücksichtigen.

Den hiergegen vom Kläger u.a. unter Bezugnahme auf seinem Begehren entsprechende Verfahrensweisen anderer Rentenversicherungsträger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 mit der Begründung zurück, aus dem Arbeitsbuch lasse sich die Zahl der Tage, an denen tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht worden sei, nicht herleiten. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Kolchosarbeitsbücher oftmals weit mehr als tatsächlich geleistete Arbeitstage pro Jahr enthielten als die tatsächliche Anzahl der pro Jahr kalendermäßig überhaupt möglichen Arbeitstage.

Zur Begründung seiner hiergegen bei der Beklagten am 14.07.2010 eingereichten und von dieser an das Gericht am 13.10.2010 abgegebenen Klage trägt der Kläger vor, entsprechend dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.08.2008 (Az. B 13/4 R 25/07 R), wonach im Einzelfall eine ungekürzte Anrechnung von in einer rumänischen LPG zurückgelegten Zeiten nicht ausgeschlossen sei, soweit im Arbeitsbuch mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt seien, sei auch in seinem Fall eine Kürzung der in der sowjetischen Kolchose zurückgelegten Zeiten nicht vorzunehmen für die Jahre, in denen 300 Arbeitstage nachgewiesen seien. Bei den Eintragungen in Spalte 5 des Arbeitsbuches handele es sich um tatsächlich geleistete Arbeitstage, nicht um Arbeitsnormen. Die Zahl der Arbeitsnormen sei nur bis zum Jahr 1964 in die Arbeitsbücher - in Spalte 4 - eingetragen worden. Nachfolgend - wie bei ihm ab dem Jahr 1966 - seien in die Arbeitsbücher nur noch die tatsächlich im Jahr geleisteten Arbeitstage eingetragen worden. In Spalte 6 des Arbeitsbuches seien die von der Kolchosverwaltung vorgeschriebenen Arbeitstage eingetragen. Er habe in der Kolchose "wie ein Sklave" gearbeitet. Es habe keinen Urlaub gegeben, er habe nicht in die Stadt fahren können. Im Winter habe er acht Stunden gearbeitet, im Sommer weit mehr, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28.11.2000 in der Fassung des Bescheides vom 10.06.2009 teilweise zurückzunehmen und ihm höhere Rente unter Berücksichtigung der in den Jahren 1966 bis 1984, 1987 bis 1991 und 1993 zurückgelegten Versicherungszeiten als nachgewiesene Beitragszeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, in Spalte 5 seien die geleisteten Arbeitskrafttage, nicht die tatsächlichen Arbeitstage einzutragen gewesen.

Die Beklagte hat von ihr vorgenommene Übersetzungen der Begriffe "trudodjen" - Spalte 4 des Arbeitsbuches - und "tschelowekodjen" - Spalte 5 des Arbeitsbuches - sowie in anderen Rechtsstreiten abgegebene Rechtsauskünfte des Instituts für Ostrecht München e.V. vorgelegt. Das Institut für Ostrecht hat ausgeführt, "tschelovekoden" - "Arbeitskrafttag" - sei eine Maßeinheit für die Berechnung der Arbeitszeit. Aus dem jeweiligen Zusammenhang ergebe sich, ob die abgeleistete Arbeitszeit, Urlaubszeit, Produktionsausfallzeiten oder anderes gemessen werde. Bei den Arbeitsbüchern der Kolchosbauern sei davon auszugehen, dass die geleistete Arbeitszeit Gegenstand der Bemessung sei. Da es in den Kolchosen keinen streng normierten Arbeitstag gegeben habe, vielmehr die tägliche Arbeitszeit je nach Saison zwischen vier bis elf Stunden habe schwanken können, sei in den meisten Kolchosen die sogenannte summierte Arbeitszeitberechnung angewendet worden. Die geleistete Arbeitszeit sei auf einen normalen - seit 1960 siebenstündigen, seit 1968 achtstündigen - Arbeitstag - bei einer Sechstagewoche ab 1960 und einer Fünftagewoche ab 1968 - umgerechnet worden. Das Ergebnis seien die Arbeitskrafttage gewesen. Dabei habe es passieren können, dass in einem kalendarischen Zeitraum mehr "Arbeitskrafttage" gefallen seien als Kalendertage oder dass eine Bruchzahl an "Arbeitskrafttagen" geleistet worden sei. Es könne mit einer Sicherheit von 80 v.H. vermutet werden, dass die Anzahl der eingetragenen "tschelovekodni" der Anzahl der geleisteten Arbeitstage der jeweiligen gesetzlichen Regeldauer entsprochen habe.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger mitgeteilt, er habe keine Unterlagen über Fehlzeiten für die streitgegenständliche Zeit und werde sich auch nicht bemühen, solche Unterlagen zu bekommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 28.11.2000 in der Fassung des Bescheides vom 10.06.2009 gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise zurückzunehmen.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Bei Erlass der Bescheide vom 28.11.2000 und des Bescheides vom 10.06.2009 wurde hinsichtlich der Bewertung der Beitragszeiten weder das Recht unrichtig angewandt noch wurde von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hätte.

Der Kläger fällt nach § 1 Fremdrentengesetz (FRG) unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Gemäß § 14 FRG richten sich die Rechte und Pflichten der nach dem FRG Rentenberechtigten grundsätzlich nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften, d.h. nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), soweit die §§ 14a ff. FRG keine hiervon abweichenden Regelungen treffen.

Gemäß § 15 Abs. 1 FRG stehen die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten inländischen Beitragszeiten gleich. Sind die Beiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit entrichtet, steht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG diese Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem SGB VI gleich. Sofern Beiträge hierfür nicht entrichtet wurden, stehen diese Zeiten den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich, soweit für sie nach Bundesrecht Beiträge zu zahlen gewesen wären (§ 15 Abs. 3 FRG). § 16 FRG stellt des weiteren Beschäftigungszeiten vor der Vertreibung oder in früher deutschen Ostgebieten einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich. Für die Feststellung derartiger Beitragszeiten genügt es gemäß § 4 Abs. 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 FRG).

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden für Zeiten der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbs., Satz 2 und 9 des SGB VI ermittelt.

Der Kläger hat hierbei keinen Anspruch auf Berücksichtigung der in den Jahren 1966 bis 1984, 1987 bis 1991 und 1993 zurückgelegten Versicherungszeiten im Rahmen der Rentenberechnung zu 6/6 statt lediglich zu 5/6.

Gemäß § 22 Abs. 3 FRG in der Fassung des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25.07.1991 (BGBl. I 1606) werden die ermittelten Entgeltpunkte für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, um 1/6 gekürzt. Diese Kürzung beruht auf der durch statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet nur diesem Umfang von 5/6 entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 31.07.1980, Az. 11 RA 58/79). Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber in Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, muss eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten jeweils im Einzelfall nachgewiesen sein. Es muss insbesondere zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass die geltend gemachten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten ohne Ausfalltatbestände wie krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit usw. zeitlich lückenlos zurückgelegt worden sind. Bescheinigungen, die nur Beginn und Ende der Beschäftigung bestätigen, reichen nicht aus. Aus aussagekräftigen Unterlagen (wie Beitrags- oder Mitgliedsbescheinigungen, Arbeitsbücher, Zeugnisse) muss eindeutig hervorgehen, dass Zeiten gerade nicht unterbrochen wurden. Erst wenn eine Arbeitsbescheinigung außer den glaubhaften Angaben über den Umfang der Beschäftigung auch Angaben über dazwischen liegende Ausfallszeiten enthält, kann auf eine ununterbrochene Beitragsleistung geschlossen werden. Allerdings schließt das nicht aus, dass die Beitragszeiten durch Zeugenaussagen bestätigt werden können, sofern sich aus ihnen mit ähnlicher Sicherheit wie aus Versicherungsunterlagen oder Lohnlisten ergibt, dass eine ununterbrochene Beitragsleistung vorgelegen haben muss (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.09.2003, Az. L 13 RJ 59/03 m.w.N.).

Aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 21.08.2008 (Az. B 13/4 R 25/07 R) folgt nicht, dass von dem Erfordernis des Nachweises von Vollerwerbstätigkeit und des konkreten Umfanges der Erbringung von tatsächlichen Arbeitsleistungen abzusehen wäre. Die dort getroffene Aussage des BSG, wonach die Gleichstellung von Beitragszeiten auch ohne Erwerbstätigkeit möglich sein kann, gehört nicht zu den tragenden Entscheidungsgründen, da sie zu einem Sachverhalt ergangen ist, in welchem von einer Beschäftigung auszugehen war. Da das deutsche Rentenversicherungsrecht Versicherungszeiten nur in Bezug auf eine Erwerbstätigkeit oder andere gesetzlich angeordnete Versicherungstatbestände kennt, wäre die Gleichstellung von Beitragszeiten ohne Anknüpfung an das Erwerbsleben oder an vom deutschen Gesetzgeber als vergleichbar bewertete Tatbestände eine nicht zu rechtfertigende systemfremde Begünstigung der Berechtigten nach dem FRG gegenüber den Versicherten nach dem SGB VI. Jedenfalls außerhalb ei-ner durchgehenden Vollerwerbstätigkeit bzw. Vollzeitbeschäftigung zwingen die in § 26, § 15 Abs. 1, Abs. 3 FRG enthaltenen Regelungen zur Prüfung, in welchen Zeiten der Ver-sicherte im Lauf des jeweiligen Kalenderjahres in welchem Umfang Arbeitsleistungen erbracht hat, damit diesen Zeiten Entgeltpunkte zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteile vom 12.02.2009, Az. B 5 R 39/06 R und B 5 R 40/08 R m.w.N.; Urteil vom 19.11.2009, Az. B 13 R 145/08 R m.w.N.).

Ist daher der Nachweis von Vollerwerbstätigkeit bzw. des konkreten Umfanges der Erbringung von Arbeitsleistungen erforderlich, können die im Arbeitsbuch des Klägers aufgelisteten Zeiten hiernach nicht als nachgewiesen angesehen werden, da das Arbeitsbuch zwar ein zulässiges Beweismittel darstellt, jedoch nur zur Glaubhaftmachung einer ent-sprechenden Beitragszeit ausreicht. Aus dem Arbeitsbuch lassen sich nur jeweils Beginn und Ende der ausgeübten Tätigkeiten feststellen, aber weder der Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung als solcher noch Unterbrechungszeiten (so schon BSG, Urteil vom 21.04.1982, Az. 4 RJ 33/81).

Bei der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Eintragung von "tschelowekodjen" bzw. "tschelovekoden", die sich für die Zeit ab 1966 im Arbeitsbuch des Klägers findet, einen ausreichenden Rückschluss auf Umfang bzw. Fehlen von Ausfallzeiten ermöglicht, geht die Kammer unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten Auskünfte des Instituts für Ostrecht von Folgendem aus: Das in den Arbeitsbüchern von Kolchosemitgliedern in Spalte 6 eingetragene Mindestmaß von Arbeitskrafttagen wurde nach Abzug der Sonn- und Feiertage sowie einer gewissen Zahl an Urlaubs- oder sonstigen Abwesenheitstagen als je nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand unterschiedliche Anforderung an die zu leistende Arbeitszeit festgesetzt. Da es in den Kolchosen keinen normierten Arbeitstag gab, sondern die tägliche Arbeitszeit je nach Saison zwischen vier und elf Stunden schwanken konnte, wurde die tatsächlich geleistete Arbeitszeit auf einen sieben- bzw. achtstündigen Arbeitstag umgerechnet. Das Ergebnis waren die im Arbeitsbuch unter Spalte 5 eingetragenen tatsächlich geleisteten Arbeitskrafttage. Dabei konnte es passieren, dass in einem kalendarischen Zeitraum mehr Arbeitskrafttage anfielen als Kalendertage oder umgekehrt.

Hiernach bestand keine Identität zwischen Arbeitskrafttag und Kalendertag, so dass sich bei den im Arbeitsbuch des Klägers bescheinigten Arbeitskrafttagen erhebliche Ausfallzeiten nicht ausschließen lassen (vgl. Sozialgericht [SG] Dortmund, Urteil vom 30.01.2006, Az. S 22 RA 35/03).

Nicht zu folgen vermag die Kammer der Auffassung des SG Dortmund (a.a.O.), nennens-werte Ausfallzeiten erschienen ausgeschlossen, soweit im Arbeitsbuch mehr als 300 Arbeitskrafttage eingetragen seien. Auch bei mehr als 300 Arbeitskrafttagen bleibt es bei dem gefundenen Ergebnis, dass eine Gleichsetzung mit Kalendertagen nicht erfolgen kann. Zudem erscheint eine solche Grenzziehung willkürlich, da bei einer angenommenen täglichen Höchstarbeitsdauer von - zumindest saisonal - elf Stunden Arbeitskrafttage in einem Umfang errechnet werden konnten, die Urlaubs- und andere Abwesenheitszeiten in anderen Zeiträumen in nicht unerheblichem Maße kompensieren konnten.

Soweit sich der Kläger auf seinem Begehren entsprechende Verfahrensweisen anderer Rentenversicherungsträger dahingehend bezieht, es sei bei Bescheinigung einer tatsächlichen Arbeitsleistung von mehr als 300 Arbeitstagen eine ungekürzte Anrechnung der Zeiten nicht ausgeschlossen, kann eine Übertragung dieser Handhabung auf den Fall des Klägers jedenfalls auch deshalb nicht erfolgen, da sich diese Handhabung auf den Nachweis tatsächlicher Arbeitstage, nicht aber den Nachweis - lediglich - der vorliegend bescheinigten Arbeitskrafttage bezieht.

Zweifel hat die Kammer außerdem bereits an der Aussagekraft des im Termin zur mündlichen Verhandlung als Original vorgelegten Arbeitsbuches als solchem, welches als Kopie im Verwaltungsvorgang der Beklagten enthalten ist. Dieses Arbeitsbuch ist offensichtlich nachträglich erstellt worden, da die sich über den Zeitraum von vier Jahrzehnten verhaltenden Eintragungen in derselben Handschrift mit demselben Kugelschreiber augenscheinlich in einem Zug vorgenommen worden sind. Selbst wenn es sich, wie vom Kläger - erst - auf Vorhalt dieses Umstandes vorgebracht, um eine Reproduktion des Originals des Arbeitsbuches handeln und diesem entsprechen sollte, ist der Kläger eine schlüssige Erklärung schuldig geblieben, weshalb auch für die Zeiten seines Wehrdienstes in den Jahren 1962 bis 1965 durchgängig Jahr für Jahr Arbeitsleistungen bescheinigt wurden, obwohl der Kläger tatsächlich keine solchen erbrachte. Sein Hinweis, die entsprechenden Zeiten seien nachträglich wieder gestrichen worden, erklärt den Umstand, dass sie zunächst eingetragen wurden, jedenfalls nicht.

Die Kammer sieht daher den Nachweis im Sinne des § 22 Abs. 3 FRG als nicht erbracht an. Die Beibringung weiterer Beweismittel hat der Kläger ausdrücklich ausgeschlossen. Auch sind solche Beweismittel sonst nicht ersichtlich. Die vom Kläger begehrte 6/6-Anrechnung ist daher nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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