Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 18 AS 789/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 310/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. § 63 SGB X findet auch Anwendung, wenn zwar eine Klage erhoben, diese dann aber später zurückgenommen worden ist und der Kläger davon abgesehen hat, einen Kostenerstattungsantrag nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu stellen.
2. § 63 Abs. 2 SGB X enthält im Vergleich zu § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwar einen eigenständigen Regelungsgehalt, aber keine eigenständige Anspruchsgrundlage.
3. Die Regelungen in § 63 SGB X gelten seit ihrem Inkrafttreten stets für die Sozialleistungsbereiche sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch der Hilfen zum Lebensunterhalt.
2. § 63 Abs. 2 SGB X enthält im Vergleich zu § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwar einen eigenständigen Regelungsgehalt, aber keine eigenständige Anspruchsgrundlage.
3. Die Regelungen in § 63 SGB X gelten seit ihrem Inkrafttreten stets für die Sozialleistungsbereiche sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch der Hilfen zum Lebensunterhalt.
I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2010. In der Sache ist zwischen den Beteiligten die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren streitig.
Das Landratsamt D (im Folgenden: Landratsamt) gab einem Widerspruch des anwaltlich vertretenen Klägers, mit dem er die Übernahme einer Betriebskostennachforderung begehrte, mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2006 statt. Unter Nummer 2 des Bescheidtenors war geregelt, dass die Kosten des Vorverfahrens zu 40 % vom Landratsamt und zu 60 % vom Kläger getragen werden. Ferner erklärte das Landratsamt mit Bescheid vom 9. November 2006 die Hinzuziehung des mandatierten Rechtsanwaltes als Bevollmächtigten als erforderlich. Der Kläger erhob gegen den Widerspruchsbescheid vom 9. November 2006 Klage (Az.: S 18 AS 2056/06), die er später zurücknahm. Eine Kostengrundentscheidung wurde in diesem Klageverfahren nicht getroffen.
Der Klägerbevollmächtigte reichte mit Schriftsatz vom 21. November 2006 eine Rechnung mit einem Vergütungsanspruch in Höhe von 301,60 EUR ein. Daraufhin setzte der Landkreis mit Bescheid vom 4. Dezember 2006 die erstattungsfähigen Kosten des Vorverfahrens auf 120,64 EUR fest und wies im Übrigen den Kostenantrag zurück. Den Widerspruch vom 12. Dezember 2006 wies das Landratsamt mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2007 zurück.
Der Kläger hat am 12. April 2007 Klage erhoben. Die Anwaltskosten seien in vollem Umfang zu erstatten, weil mit Bescheid vom 9. November 2006 die Hinzuziehung seines Rechtsanwaltes als erforderlich erklärt worden sei. Anspruchsgrundlage sei § 63 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), der im Verhältnis zu § 63 Abs. 1 SGB X einen eigenständigen Regelungsbereich besitze.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2009 abgewiesen. Eine Behörde habe zwar darüber zu entscheiden, ob die Hinzuziehung eines Rechtsan-waltes als Bevollmächtigter erforderlich gewesen sei, weil nur dann dessen Gebühren und Auslagen zu den notwendigen Aufwendungen zählen würden, die gegenüber dem Widerspruchsführer erstattungsfähig seien. In welchem Umfang aber Aufwendungen des Widerspruchsführers im Vorverfahren erstattungsfähig seien, ergebe sich nicht aus der Hinzu-ziehungsentscheidung, sondern aus der Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X. Auf Grund der bestandskräftigen Kostengrundentscheidung seien 40 % der notwendigen Aufwendungen des Klägers, mithin auch seiner Anwaltskosten, zu erstatten.
Der Kläger hat am 26. Mai 2009 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass § 63 Abs. 2 SGB X einen gerichtlich erstreitbaren Anspruch enthalte, wodurch ein Vertrauenstatbestand zugunsten des unbemittelten Leistungsempfängers geschaffen werden solle, sich eines unabhängigen und rechtserfahrenen Rechtsbeistandes bedienen zu können, um sein Rechtsschutzbedürfnis unabhängig von seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lage befriedigen zu können. Rechtlich seien die Hinzuziehungsentscheidung und die Kostengrundentscheidung zu trennen. Die Auslegung des Sozialgerichtes führe zu einer Rechtsunsicherheit und zu einer Ungleichbehandlung zwischen bemittelten und unbemittelten Rechtsschutzsuchenden. Die Rechtsauslegung des Sozialgerichtes führe im Ergebnis dazu, dass der Regelungskontext von § 63 Abs. 2 SGB X keine Rechtswirkung entfalte. Das Sozialgericht habe eine vor der Einführung der Novellierung des Sozialgesetzbuches bestehende Rechtspraxis, die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 15. November 2007 (Az.: 2 C 29/06) bestätigt worden sei, undifferenziert übernommen. Es habe die Fortentwicklung im Sozialrecht, insbesondere in den Rechtszweigen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII), nicht berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2009 zuzulassen.
Der jetzige Beklagte, das an die Stelle des Landkreises D getretene Kommunale Jobcenter Landkreis Mittelsachsen, beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass kein Zulassungsgrund vorliege.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2009 ist statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sach-leistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. In Streit steht ein Differenzbetrag in Höhe von 180,96 EUR, der sich aus dem Verhältnis zwischen der begehrte Kostenfestsetzung in Höhe von 301,60 EUR und den anerkannten Anwaltskosten in Höhe von 120,64 EUR ergibt. Dieser Betrag liegt unterhalb des genannten Grenzwertes.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nummer 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nummer 3). Vorliegend kommt allein der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in Betracht, auf den allein auch der Kläger abgestellt hat.
Eine Rechtssache hat dann im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt hingegen nicht (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [10. Aufl., 2012], § 144 Rdnr. 28). Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG, Beschluss vom 16. November 1987 – 5 B BJ 118/87 – SozR 1500 § 160a Nr. 60 = JURIS-Dokument Rdnr. 3; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 1993 – 7 BAr 126/93 – SozR 3-1500 § 160a Nr. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 6; ferner Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 28 f. und § 160 Rdnr. 6 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 30. September 1992 – 11 BAr 47/92 – SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 S. 2 = JURIS-Dokument Rdnr. 8; Sächs. LSG, Beschluss vom 5. September 2012 – L 3 AS 640/10 NZB – JURIS-Dokument Rdnr. 25).
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne ist vorliegend nicht gegeben. Denn die vom Kläger aufgeworfene Frage zur Auslegung von § 63 Abs. 2 SGB X lässt sich durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantworten und ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes geklärt.
Die Rechtsgrundlagen für einen Anspruch eines Widerspruchsführers auf Erstattung seiner Aufwendungen, die ihm in einem Widerspruchsverfahren entstanden sind, finden sich in § 63 SGB X. Diese Vorschrift regelt die Kostenerstattungspflicht beim sogenannten isolierten Vorverfahren, das heißt einem Verfahren, dem sich kein gerichtliches Verfahren anschließt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 80/97 R – SozR 3-1300 § 63 Nr. 12 S. 40 = JURIS-Dokument Rdnr. 18, m. w. N.). § 63 SGB X findet auch Anwendung, wenn – wie vorliegend – zwar eine Klage erhoben, diese dann aber später zurückgenommen worden ist und der Kläger davon abgesehen hat, einen Kostenerstattungsantrag nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu stellen. Denn in diesem Fall gibt es zum einen keine gerichtliche Kostenerstattungsentscheidung, die auch die Kosten des Vorverfahrens umfassen – und gegebenenfalls die Kostenentscheidung aus dem Widerspruchsbescheid ersetzen – würde. Zum anderen ist der Widerspruchsbescheid einschließlich der Kostengrundentscheidung in Bestandskraft erwachsen.
Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind gemäß § 63 Abs. 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimmt die Kostenentscheidung auch, ob die Zu-ziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.
Bereits aus dem Vergleich des Wortlautes der Regelungen in § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("zu erstatten") und § 63 Abs. 2 SGB X ("erstattungsfähig") wird deutlich, dass § 63 Abs. 2 SGB X zwar einen eigenständigen Regelungsgehalt, aber entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keine eigenständige Anspruchsgrundlage enthält. Denn § 63 Abs. 2 SGB X regelt nur die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren. Mit der Regelung in § 63 Abs. 2 SGB X hat der Gesetzgeber lediglich die Behörde von der Entscheidung, ob in Fällen, in denen die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, dessen Gebühren und Auslagen im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen" sind, enthoben und diese Entscheidung abschließend selbst getroffen. In welchem Umfange im jeweiligen Einzelfall ein Erstattungsanspruch besteht, bestimmt sich hingegen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Diese Sichtweise zu den Regelungen in § 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X entspricht auch der des Bundessozialgerichtes. Dieses hat bereits im Urteil vom 9. September 1998 ausgeführt, dass die Konkretisierung des dem erfolgreichen Widerspruchsführer auf der Grundlage des § 63 Abs. 1 SGB X zustehenden Kostenerstattungsanspruchs in drei stufenweise aufeinander aufbauenden Entscheidungen erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 80/97 R – SozR 3-1300 § 63 Nr. 12 S. 41 = JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.): 1. Zunächst ist in einer Kostenentscheidung (auch als Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung bezeichnet) darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Widerspruchsführer die Erstattung seiner Kosten verlangen kann. 2. Sodann ist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB X im Zusammenhang mit der Kostenentscheidung darüber zu befinden, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten notwendig war. 3. Schließlich wird auf der Grundlage dieser beiden Entscheidungen auf Antrag des Erstattungsberechtigten die bezifferte Höhe des Kostenerstattungsanspruchs im Festsetzungsbescheid nach § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X durch Verwaltungsakt bestimmt Aus dieser Entscheidung wird deutlich, dass auch das Bundessozialgericht den Kostenerstattungsanspruch allein in § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X verankert ansieht.
Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang der verfahrensrechtlich gestufte Weg bis zur Auszahlung eines bestimmten Erstattungsbetrages und damit verbunden die Möglichkeit des auf die einzelnen Verfahrensstufen bezogenen gerichtlichen Rechtsschutzes. Denn die gesetzliche Ausgestaltung eines Verfahrens ist ohne Einfluss auf den materiell-rechtlichen Hauptanspruch.
Die Rüge des Klägerbevollmächtigten, das Sozialgericht habe eine Rechtspraxis auch nach den Gesetzesänderungen, die zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten sind, undifferenziert übernommen, ist nicht begründet.
§ 63 SGB X wurde wie die übrigen Vorschriften des SGB X durch das Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469) mit Wirkung zum 1. Januar 1981 eingeführt. Gemäß § 37 Satz 1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gelten das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt § 63 SGB X – als Teil des Ersten Kapitels des SGB X – für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird. Nach dem Sozialgesetzbuch werden unter anderem gemäß § 19 SGB I Leistungen der Arbeitsförderung erbracht. Zu diesen Leistungen zählte bis zum 31. Dezember 2004 auch die Arbeitslosenhilfe (vgl. § 19 I Nr. 6 SGB I i. V. m. § 116 Nr. 6, §§ 190 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – [SGB III], jeweils in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Ferner werden gemäß § 28 SGB I Leistungen der Sozialhilfe erbracht.
Hieran hat sich durch die Änderungen der Regelungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder über Hilfen zum Lebensunterhalt nichts geändert. Zum einen wurden für erwerbsfähige Hilfebedürftige die Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) im Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zusammengeführt. Für das Verfahren nach dem SGB II gilt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II das SGB X, mithin auch § 63 SGB X. Die Regelung in gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II trägt der Sonderregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X Rechnung, wonach für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X Bestandteil des SGB X werden, dies nur gilt, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären.
Zum anderen galt § 63 SGB X für das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I. S. 1310), das vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004 in Kraft war, und gilt § 63 SGB X für das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bedurfte es in beiden Gesetzes keines Anwendungsbefehls gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X, weil das Bundes-sozialhilfegesetz kraft Fiktion – mit all seinen späteren Änderungen und Ergänzungen – schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB X zum Sozialhilferecht im formellen Sinne gehörte (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 – B 8/9b SO 8/06 R – BSGE 99, 137 ff. = SozR 4-1300 § 44 Nr. 11 = JURIS-Dokument [jeweils Rdnr. 14 bis 17]; BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8 SO 26/07 R – SozR 4-1300 § 44 Nr. 15 = JURIS-Dokument [jeweils Rdnr. 14 bis 16]).
Nach alledem gelten die Regelungen in § 63 SGB X seit ihrem Inkrafttreten stets für die Sozialleistungsbereiche sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch der Hilfen zum Lebensunterhalt. Da die Regelungen in § 63 SGB X seit ihrem Inkrafttreten zudem unverändert blieben, gibt es keine Veranlassung, sie auf Grund der beschriebenen Gesetzesänderungen in den genannten Sozialleistungsbereichen vom Wortlaut abweichend oder in Abkehr von der früheren Rechtspraxis auszulegen.
Für die vom Klägerbevollmächtigten gewünschte Gesetzesauslegung gibt es schließlich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Veranlassung. Im Kern befürchtet er, dass ein hilfebedürftiger Widerspruchsführer auf dem Teil der Kosten für seinen Bevollmächtigten sitzen bleibt, die nicht von der Kostengrundentscheidung erfasst werden, obwohl die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als erforderlich angesehen wurde. Hierbei wird jedoch das Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG) außer Acht gelassen.
Beratungshilfe wird unter anderem für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt (vgl. § 1 Abs. 1 BerHG). Sie besteht in Beratung und, soweit erforderlich, in Vertretung (vgl. § 2 Abs. 1 BerHG) und wird unter anderem in Angelegenheiten des Sozialrechts gewährt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BerHG). Die Beratungshilfe wird gemäß § 3 Abs. 1 BerHG durch Rechtsanwälte und durch Rechtsbeistände, die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind, gewährt, auch in Beratungsstellen, die auf Grund einer Vereinbarung mit der Landesjustizverwaltung eingerichtet sind, soweit sie nicht ausnahmsweise nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 BerHG durch das Amtsgericht gewährt wird. Voraussetzung für einen Anspruch auf Gewährung von Beratungshilfe ist gemäß § 1 Abs. 1 BerHG, dass der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann (Nummer 1), nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist (Nummer 2) und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist (Nummer 3). Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG sind gegeben, wenn dem Rechtsuchenden Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Formelle Voraussetzung ist ein Antrag nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BerHG, der auch nachträglich gestellt werden kann, wenn sich der Rechtsuchende wegen Beratungshilfe unmittelbar an einen Rechtsanwalt wendet (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG).
Wenn ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe (vgl. § 6 Abs. 1 BerHG) erteilt wurde, erhält der Rechtsanwalt gemäß § 44 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz aus der Landeskasse, soweit nicht für die Tätigkeit in Beratungsstellen nach § 3 Abs. 1 BerHG besondere Vereinbarungen getroffen sind. Wenn – und soweit – der Gegner verpflichtet ist, dem Rechtsuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, hat er gemäß § 9 Satz 1 BerHG die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlen. Dieser Anspruch geht auf den Rechtsanwalt über (vgl. § 9 Satz 2 BerHG). Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsuchenden geltend gemacht werden (vgl. § 9 Satz 3 BerHG).
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass das Grundgesetz in Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 und 3 GG den Anspruch auf grundsätzlich gleiche Chancen von Bemittelten und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich verbürgt. Das Beratungshilfegesetz sichert diesen Anspruch bei der Wahrnehmung und Verfolgung seiner Rechte auch im außergerichtlichen Bereich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – BVerfGE 122, 39 [48 ff.] = JURIS-Dokument Rdnr. 29 ff.; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 1 BvR 2144/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 2).
Wenn also ein Rechtsuchender auf Grund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hilfebedürftig im Sinne des Beratungshilfegesetzes ist und auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Beratungshilfe vorliegen, hat er einen Anspruch auf Erteilung eines Berechtigungsscheines für Beratungshilfe mit der Folge, dass der ihn beratende – und gegebenenfalls auch vertretende – Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch aus der Landeskasse hat. Damit ist der Rechtssuchende von Ver-gütungsansprüchen des Rechtsanwaltes freigestellt. Wenn hingegen der Rechtsuchende keinen Antrag stellt oder der Antrag wegen einer fehlenden Anspruchsvoraussetzung abgelehnt wird, verbleibt es beim Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes ihm gegenüber. Damit ist die Beratungshilfe der Prozesskostenhilfe in den verschiedenen Prozessordnungen vergleichbar. Mit den Regelungen im Beratungshilfegesetz wird dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtswahrnehmungsgleichheit ausreichend Rechnung getragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2010. In der Sache ist zwischen den Beteiligten die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren streitig.
Das Landratsamt D (im Folgenden: Landratsamt) gab einem Widerspruch des anwaltlich vertretenen Klägers, mit dem er die Übernahme einer Betriebskostennachforderung begehrte, mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2006 statt. Unter Nummer 2 des Bescheidtenors war geregelt, dass die Kosten des Vorverfahrens zu 40 % vom Landratsamt und zu 60 % vom Kläger getragen werden. Ferner erklärte das Landratsamt mit Bescheid vom 9. November 2006 die Hinzuziehung des mandatierten Rechtsanwaltes als Bevollmächtigten als erforderlich. Der Kläger erhob gegen den Widerspruchsbescheid vom 9. November 2006 Klage (Az.: S 18 AS 2056/06), die er später zurücknahm. Eine Kostengrundentscheidung wurde in diesem Klageverfahren nicht getroffen.
Der Klägerbevollmächtigte reichte mit Schriftsatz vom 21. November 2006 eine Rechnung mit einem Vergütungsanspruch in Höhe von 301,60 EUR ein. Daraufhin setzte der Landkreis mit Bescheid vom 4. Dezember 2006 die erstattungsfähigen Kosten des Vorverfahrens auf 120,64 EUR fest und wies im Übrigen den Kostenantrag zurück. Den Widerspruch vom 12. Dezember 2006 wies das Landratsamt mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2007 zurück.
Der Kläger hat am 12. April 2007 Klage erhoben. Die Anwaltskosten seien in vollem Umfang zu erstatten, weil mit Bescheid vom 9. November 2006 die Hinzuziehung seines Rechtsanwaltes als erforderlich erklärt worden sei. Anspruchsgrundlage sei § 63 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), der im Verhältnis zu § 63 Abs. 1 SGB X einen eigenständigen Regelungsbereich besitze.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2009 abgewiesen. Eine Behörde habe zwar darüber zu entscheiden, ob die Hinzuziehung eines Rechtsan-waltes als Bevollmächtigter erforderlich gewesen sei, weil nur dann dessen Gebühren und Auslagen zu den notwendigen Aufwendungen zählen würden, die gegenüber dem Widerspruchsführer erstattungsfähig seien. In welchem Umfang aber Aufwendungen des Widerspruchsführers im Vorverfahren erstattungsfähig seien, ergebe sich nicht aus der Hinzu-ziehungsentscheidung, sondern aus der Kostengrundentscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X. Auf Grund der bestandskräftigen Kostengrundentscheidung seien 40 % der notwendigen Aufwendungen des Klägers, mithin auch seiner Anwaltskosten, zu erstatten.
Der Kläger hat am 26. Mai 2009 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass § 63 Abs. 2 SGB X einen gerichtlich erstreitbaren Anspruch enthalte, wodurch ein Vertrauenstatbestand zugunsten des unbemittelten Leistungsempfängers geschaffen werden solle, sich eines unabhängigen und rechtserfahrenen Rechtsbeistandes bedienen zu können, um sein Rechtsschutzbedürfnis unabhängig von seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lage befriedigen zu können. Rechtlich seien die Hinzuziehungsentscheidung und die Kostengrundentscheidung zu trennen. Die Auslegung des Sozialgerichtes führe zu einer Rechtsunsicherheit und zu einer Ungleichbehandlung zwischen bemittelten und unbemittelten Rechtsschutzsuchenden. Die Rechtsauslegung des Sozialgerichtes führe im Ergebnis dazu, dass der Regelungskontext von § 63 Abs. 2 SGB X keine Rechtswirkung entfalte. Das Sozialgericht habe eine vor der Einführung der Novellierung des Sozialgesetzbuches bestehende Rechtspraxis, die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 15. November 2007 (Az.: 2 C 29/06) bestätigt worden sei, undifferenziert übernommen. Es habe die Fortentwicklung im Sozialrecht, insbesondere in den Rechtszweigen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII), nicht berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2009 zuzulassen.
Der jetzige Beklagte, das an die Stelle des Landkreises D getretene Kommunale Jobcenter Landkreis Mittelsachsen, beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass kein Zulassungsgrund vorliege.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 27. April 2009 ist statthaft.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sach-leistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. In Streit steht ein Differenzbetrag in Höhe von 180,96 EUR, der sich aus dem Verhältnis zwischen der begehrte Kostenfestsetzung in Höhe von 301,60 EUR und den anerkannten Anwaltskosten in Höhe von 120,64 EUR ergibt. Dieser Betrag liegt unterhalb des genannten Grenzwertes.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nummer 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nummer 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nummer 3). Vorliegend kommt allein der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in Betracht, auf den allein auch der Kläger abgestellt hat.
Eine Rechtssache hat dann im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt hingegen nicht (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [10. Aufl., 2012], § 144 Rdnr. 28). Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG, Beschluss vom 16. November 1987 – 5 B BJ 118/87 – SozR 1500 § 160a Nr. 60 = JURIS-Dokument Rdnr. 3; BSG, Beschluss vom 16. Dezember 1993 – 7 BAr 126/93 – SozR 3-1500 § 160a Nr. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 6; ferner Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 28 f. und § 160 Rdnr. 6 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 30. September 1992 – 11 BAr 47/92 – SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 S. 2 = JURIS-Dokument Rdnr. 8; Sächs. LSG, Beschluss vom 5. September 2012 – L 3 AS 640/10 NZB – JURIS-Dokument Rdnr. 25).
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne ist vorliegend nicht gegeben. Denn die vom Kläger aufgeworfene Frage zur Auslegung von § 63 Abs. 2 SGB X lässt sich durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantworten und ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes geklärt.
Die Rechtsgrundlagen für einen Anspruch eines Widerspruchsführers auf Erstattung seiner Aufwendungen, die ihm in einem Widerspruchsverfahren entstanden sind, finden sich in § 63 SGB X. Diese Vorschrift regelt die Kostenerstattungspflicht beim sogenannten isolierten Vorverfahren, das heißt einem Verfahren, dem sich kein gerichtliches Verfahren anschließt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 80/97 R – SozR 3-1300 § 63 Nr. 12 S. 40 = JURIS-Dokument Rdnr. 18, m. w. N.). § 63 SGB X findet auch Anwendung, wenn – wie vorliegend – zwar eine Klage erhoben, diese dann aber später zurückgenommen worden ist und der Kläger davon abgesehen hat, einen Kostenerstattungsantrag nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu stellen. Denn in diesem Fall gibt es zum einen keine gerichtliche Kostenerstattungsentscheidung, die auch die Kosten des Vorverfahrens umfassen – und gegebenenfalls die Kostenentscheidung aus dem Widerspruchsbescheid ersetzen – würde. Zum anderen ist der Widerspruchsbescheid einschließlich der Kostengrundentscheidung in Bestandskraft erwachsen.
Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind gemäß § 63 Abs. 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimmt die Kostenentscheidung auch, ob die Zu-ziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.
Bereits aus dem Vergleich des Wortlautes der Regelungen in § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("zu erstatten") und § 63 Abs. 2 SGB X ("erstattungsfähig") wird deutlich, dass § 63 Abs. 2 SGB X zwar einen eigenständigen Regelungsgehalt, aber entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keine eigenständige Anspruchsgrundlage enthält. Denn § 63 Abs. 2 SGB X regelt nur die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren. Mit der Regelung in § 63 Abs. 2 SGB X hat der Gesetzgeber lediglich die Behörde von der Entscheidung, ob in Fällen, in denen die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, dessen Gebühren und Auslagen im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen" sind, enthoben und diese Entscheidung abschließend selbst getroffen. In welchem Umfange im jeweiligen Einzelfall ein Erstattungsanspruch besteht, bestimmt sich hingegen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Diese Sichtweise zu den Regelungen in § 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X entspricht auch der des Bundessozialgerichtes. Dieses hat bereits im Urteil vom 9. September 1998 ausgeführt, dass die Konkretisierung des dem erfolgreichen Widerspruchsführer auf der Grundlage des § 63 Abs. 1 SGB X zustehenden Kostenerstattungsanspruchs in drei stufenweise aufeinander aufbauenden Entscheidungen erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1998 – B 6 KA 80/97 R – SozR 3-1300 § 63 Nr. 12 S. 41 = JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.): 1. Zunächst ist in einer Kostenentscheidung (auch als Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung bezeichnet) darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Widerspruchsführer die Erstattung seiner Kosten verlangen kann. 2. Sodann ist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB X im Zusammenhang mit der Kostenentscheidung darüber zu befinden, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten notwendig war. 3. Schließlich wird auf der Grundlage dieser beiden Entscheidungen auf Antrag des Erstattungsberechtigten die bezifferte Höhe des Kostenerstattungsanspruchs im Festsetzungsbescheid nach § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X durch Verwaltungsakt bestimmt Aus dieser Entscheidung wird deutlich, dass auch das Bundessozialgericht den Kostenerstattungsanspruch allein in § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X verankert ansieht.
Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang der verfahrensrechtlich gestufte Weg bis zur Auszahlung eines bestimmten Erstattungsbetrages und damit verbunden die Möglichkeit des auf die einzelnen Verfahrensstufen bezogenen gerichtlichen Rechtsschutzes. Denn die gesetzliche Ausgestaltung eines Verfahrens ist ohne Einfluss auf den materiell-rechtlichen Hauptanspruch.
Die Rüge des Klägerbevollmächtigten, das Sozialgericht habe eine Rechtspraxis auch nach den Gesetzesänderungen, die zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten sind, undifferenziert übernommen, ist nicht begründet.
§ 63 SGB X wurde wie die übrigen Vorschriften des SGB X durch das Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469) mit Wirkung zum 1. Januar 1981 eingeführt. Gemäß § 37 Satz 1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gelten das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt § 63 SGB X – als Teil des Ersten Kapitels des SGB X – für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird. Nach dem Sozialgesetzbuch werden unter anderem gemäß § 19 SGB I Leistungen der Arbeitsförderung erbracht. Zu diesen Leistungen zählte bis zum 31. Dezember 2004 auch die Arbeitslosenhilfe (vgl. § 19 I Nr. 6 SGB I i. V. m. § 116 Nr. 6, §§ 190 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – [SGB III], jeweils in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Ferner werden gemäß § 28 SGB I Leistungen der Sozialhilfe erbracht.
Hieran hat sich durch die Änderungen der Regelungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder über Hilfen zum Lebensunterhalt nichts geändert. Zum einen wurden für erwerbsfähige Hilfebedürftige die Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) im Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zusammengeführt. Für das Verfahren nach dem SGB II gilt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II das SGB X, mithin auch § 63 SGB X. Die Regelung in gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II trägt der Sonderregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X Rechnung, wonach für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X Bestandteil des SGB X werden, dies nur gilt, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären.
Zum anderen galt § 63 SGB X für das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I. S. 1310), das vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004 in Kraft war, und gilt § 63 SGB X für das zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bedurfte es in beiden Gesetzes keines Anwendungsbefehls gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X, weil das Bundes-sozialhilfegesetz kraft Fiktion – mit all seinen späteren Änderungen und Ergänzungen – schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB X zum Sozialhilferecht im formellen Sinne gehörte (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 – B 8/9b SO 8/06 R – BSGE 99, 137 ff. = SozR 4-1300 § 44 Nr. 11 = JURIS-Dokument [jeweils Rdnr. 14 bis 17]; BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8 SO 26/07 R – SozR 4-1300 § 44 Nr. 15 = JURIS-Dokument [jeweils Rdnr. 14 bis 16]).
Nach alledem gelten die Regelungen in § 63 SGB X seit ihrem Inkrafttreten stets für die Sozialleistungsbereiche sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch der Hilfen zum Lebensunterhalt. Da die Regelungen in § 63 SGB X seit ihrem Inkrafttreten zudem unverändert blieben, gibt es keine Veranlassung, sie auf Grund der beschriebenen Gesetzesänderungen in den genannten Sozialleistungsbereichen vom Wortlaut abweichend oder in Abkehr von der früheren Rechtspraxis auszulegen.
Für die vom Klägerbevollmächtigten gewünschte Gesetzesauslegung gibt es schließlich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Veranlassung. Im Kern befürchtet er, dass ein hilfebedürftiger Widerspruchsführer auf dem Teil der Kosten für seinen Bevollmächtigten sitzen bleibt, die nicht von der Kostengrundentscheidung erfasst werden, obwohl die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als erforderlich angesehen wurde. Hierbei wird jedoch das Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG) außer Acht gelassen.
Beratungshilfe wird unter anderem für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt (vgl. § 1 Abs. 1 BerHG). Sie besteht in Beratung und, soweit erforderlich, in Vertretung (vgl. § 2 Abs. 1 BerHG) und wird unter anderem in Angelegenheiten des Sozialrechts gewährt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BerHG). Die Beratungshilfe wird gemäß § 3 Abs. 1 BerHG durch Rechtsanwälte und durch Rechtsbeistände, die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind, gewährt, auch in Beratungsstellen, die auf Grund einer Vereinbarung mit der Landesjustizverwaltung eingerichtet sind, soweit sie nicht ausnahmsweise nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 BerHG durch das Amtsgericht gewährt wird. Voraussetzung für einen Anspruch auf Gewährung von Beratungshilfe ist gemäß § 1 Abs. 1 BerHG, dass der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann (Nummer 1), nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist (Nummer 2) und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist (Nummer 3). Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG sind gegeben, wenn dem Rechtsuchenden Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Formelle Voraussetzung ist ein Antrag nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BerHG, der auch nachträglich gestellt werden kann, wenn sich der Rechtsuchende wegen Beratungshilfe unmittelbar an einen Rechtsanwalt wendet (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 4 BerHG).
Wenn ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe (vgl. § 6 Abs. 1 BerHG) erteilt wurde, erhält der Rechtsanwalt gemäß § 44 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz aus der Landeskasse, soweit nicht für die Tätigkeit in Beratungsstellen nach § 3 Abs. 1 BerHG besondere Vereinbarungen getroffen sind. Wenn – und soweit – der Gegner verpflichtet ist, dem Rechtsuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, hat er gemäß § 9 Satz 1 BerHG die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu zahlen. Dieser Anspruch geht auf den Rechtsanwalt über (vgl. § 9 Satz 2 BerHG). Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsuchenden geltend gemacht werden (vgl. § 9 Satz 3 BerHG).
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass das Grundgesetz in Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 und 3 GG den Anspruch auf grundsätzlich gleiche Chancen von Bemittelten und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich verbürgt. Das Beratungshilfegesetz sichert diesen Anspruch bei der Wahrnehmung und Verfolgung seiner Rechte auch im außergerichtlichen Bereich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – BVerfGE 122, 39 [48 ff.] = JURIS-Dokument Rdnr. 29 ff.; BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 1 BvR 2144/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 2).
Wenn also ein Rechtsuchender auf Grund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hilfebedürftig im Sinne des Beratungshilfegesetzes ist und auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Beratungshilfe vorliegen, hat er einen Anspruch auf Erteilung eines Berechtigungsscheines für Beratungshilfe mit der Folge, dass der ihn beratende – und gegebenenfalls auch vertretende – Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch aus der Landeskasse hat. Damit ist der Rechtssuchende von Ver-gütungsansprüchen des Rechtsanwaltes freigestellt. Wenn hingegen der Rechtsuchende keinen Antrag stellt oder der Antrag wegen einer fehlenden Anspruchsvoraussetzung abgelehnt wird, verbleibt es beim Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes ihm gegenüber. Damit ist die Beratungshilfe der Prozesskostenhilfe in den verschiedenen Prozessordnungen vergleichbar. Mit den Regelungen im Beratungshilfegesetz wird dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtswahrnehmungsgleichheit ausreichend Rechnung getragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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