L 3 AS 614/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 3573/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 614/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung ist in Bezug auf die einzuhaltende Frist korrekt, wenn in ihr auf der Grundlage des geltenden Gesetzeswortlautes von § 66 Abs. 1 SGG für den Fristbeginn auf die Bekanntgabe der anfechtbaren Entscheidung abgestellt und nicht zwischen der Bekanntgabe und der Zustellung der Entscheidung unterschieden wird.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für April 2006.

Die 1979 geborene Klägerin bezog seit Januar 2005 zunächst von der ARGE D (im Folgenden: ARGE) und nunmehr von dem beklagten Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie bewohnt eine 49,24 m² große Wohnung, deren monatliche Miete seit dem 1. September 2005 248,66 EUR kalt zuzüglich Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 120 EUR beträgt.

Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 29. Dezember 2005 hin bewilligte die ARGE der Klägerin Arbeitslosengeld II vom 1. November 2005 bis 30. April 2006 in Höhe von monatlich 691,48 EUR unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,48 EUR, davon 45,82 EUR Heizkosten.

Im Rahmen des Änderungsbewilligungsbescheides vom 18. April 2006 für April 2006 gewährte die ARGE Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 299,25 EUR.

Diese Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 28. Januar 2010 beantragte die Klägerin ohne weitere Begründung die Überprüfung aller Bewilligungsbescheide für den Zeitraum von April 2006 bis April 2010.

Mit Überprüfungsbescheiden vom 4. Februar 2010 wies die ARGE den Antrag zurück. Die Bewilligungsbescheide seien nicht zu beanstanden.

Mit Widerspruch vom 8. März 2010 führte die Klägerin zur Begründung aus, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht im vollen Umfang berücksichtigt worden seien und auch die Warmwasserpauschale nicht in gesetzlicher Höhe abgezogen worden sei. Der Widerspruch wende sich gegen die Absenkung der Unterkunftskosten auf 308,70 EUR.

Die ARGE wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2010 zurück. Die Absenkung der Unterkunftskosten sei entsprechend dem Stadtratsbeschluss vom 24. Februar 2005 erfolgt. Die Rechtsbehelfsbelehrung der Widerspruchsbescheide lautete (auszugsweise): "Gegen diesen Bescheid kann jeder Betroffene für sich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Dresden, [ ] Klage erheben. [ ]".

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten ausweislich des Eingangsstempels der Kanzlei am 4. Mai 2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Dagegen hat der Klägerbevollmächtigte am 8. Juni 2010 Klage erhoben, welche mit Urteil vom 14. Mai 2012 abgewiesen worden ist. Die Klage sei wegen Verfristung unzulässig. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid datiere vom 3. Mai 2010 und sei dem Klägerbevollmächtigte am 4. Mai 2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Die Klagefrist beginne somit am Tag nach der Zustellung, also dem 5. Mai 2010. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerseite sei die Rechtsbehelfsbelehrung auch richtig und ausreichend, um den Lauf der Monatsfrist in Gang zu setzen, so dass nicht die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Anwendung komme. Zwar werde in der Rechtsbehelfsbelehrung des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides als Zeitpunkt des Fristbeginns auf die Bekanntgabe und nicht auf den spezielleren Begriff der Zustellung abgestellt, wie dies das Bundessozialgericht mit Urteil vom 9. Dezember 2008 (Az. B 8/9b SO 13/07 R) fordere. Jedoch sei zu berücksichtigten, dass das Bundessozialgericht den entgegengesetzten Fall entschieden habe und dort nach der förmlichen Zustellung die Rechtsbehelfsbelehrung ebenfalls auf die Zustellung abgestellt habe. Das Sozialgericht hat die Sprungrevision zugelassen.

Gegen das ihr am 4. Juni 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Juli 2012 Berufung eingelegt. Die Klagefrist sei gewahrt. Der Widerspruchsbescheid sei im Sinne von § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG i. V. m. §§ 2, 5 Abs. 7 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) förmlich mittels Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Gleichwohl weise der Beklagte in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hin, dass die Klagefrist "nach Bekanntgabe" zu laufen beginne. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 27. September 1983 (Az.: 12 RK 75/82) und im Urteil vom 9. Dezember 2008 (Az.: B 8/9b SO 13/07 R) sei hinsichtlich des Beginns der Klagefrist bei förmlicher Zustellung auf diese abzustellen und entsprechend zu belehren. Soweit vorliegend die Rechtsbehelfsbelehrung dem nicht entspreche, sei sie fehlerhaft, so dass die Klagefrist gemäß § 66 Abs. 2 SGG ein Jahr betrage. Es dürfe bei förmlicher Zustellung nicht auf den ungenauen Begriff der Bekanntgabe abgestellt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Mai 2012 und den Überprüfungsbescheid vom 4. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin höhere Kosten für Unterkunft und Heizung für April 2006 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG).

II. Die Berufung ist zulässig. Zwar hat das Sozialgericht im Urteil die Sprungrevision gemäß § 161 SGG zugelassen. Jedoch war die Klägerin dadurch nicht gehindert, die Berufung einzulegen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 161 Rdnr. 9a).

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 14. Mai 2012 die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist wegen Versäumung der Klagefrist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG unzulässig.

1. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 in der seit 2. Januar 2002 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 36 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetz vom 17. August 2001 [BGBl I S. 2144 ff.]) ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Ver-waltungsaktes zu erheben. Wenn - wie vorliegend - ein Vorverfahren stattgefunden hat, beginnt gemäß § 87 Abs. 2 SGG die Frist mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Für die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides ist in § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG keine bestimmte Form vorgegeben. Wenn eine Behörde eine Zustellung vornimmt, gelten gemäß § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG die §§ 2 bis 10 VwZG. Der Lauf der Frist beginnt gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

Vorliegend entschied sich die ARGE, den Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2010 gemäß § 5 VwZG gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen. Die Zustellung erfolgte am 4. Mai 2010. Damit begann gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 SGG die Klagefrist am Tag nach der Zustellung, das heißt am 5. Mai 2010.

Eine nach Monaten bestimmte Frist endet gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Die mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 4. Mai 2010 ausgelöste einmonatige Klagefrist endete danach am 4. Juni 2010, einem Freitag. Weil dieser Tag ein Werktag war, greift die Sonderreglung in § 64 Abs. 3 SGG für Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende nicht.

2. Die Klagefrist beträgt nicht, wie der Klägerbevollmächtigte vertritt, wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr.

Gemäß § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungs-stelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Ein-legung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.

Streitig ist vorliegend allein die Frage, ob die Klägerin korrekt über die einzuhaltende Frist belehrt wurde. Diesbezüglich führte das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 1983 – 12 RK 75/82 - JURIS-Dokument Rdnr. 14 [vgl. auch DAngVers 1984, 148]; BSG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 22/82 - JURIS-Dokument Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 6. Dezember 1996 - 13 RJ 19/96 - BSGE 79, 293 ff. = JURIS-Dokument Rdnr. 15 ff.) aus, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der auf die Zustellung des Bescheides Bezug genommen wird, dann als richtig anzusehen ist, wenn eine Zustellung auch tatsächlich erfolgt. Stelle der Versicherungsträger, was in seinem Ermessen liege, auch da förmlich zu, wo die formlose Bekanntgabe, etwa in der Form eines einfachen Briefes, genügt hätte, sei es nicht nur folgerichtig, sondern erforderlich, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der "Zustellung" für den Beginn der Rechtsbehelfsfrist abgehoben und nicht der ungenaue und missverständliche Begriff der Bekanntgabe verwendet werde (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 1983, a. a. O.).

Auf diese Rechtsprechung bezog sich ausdrücklich das Bundessozialgericht auch in seinem Urteil vom 9. Dezember 2008 (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 13/07 R - FEVS 60, 550 [554] = JURIS-Dokument Rdnr. 18), auf die sich wiederum der Klägerbevollmächtigte beruft. Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass sich die Gesetzeslage seit den Entscheidungen aus den Jahren 1983 und 1996 wesentlich geändert hat.

Den Entscheidungen aus den Jahren 1983 und 1996 lag die Fassung von § 87 Abs. 1 SGG zugrunde, die vom 23. September 1975 bis zum 31. Dezember 1999 galt. Diese Gesetzesfassung lautete: "(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Zustellung oder, wenn nicht zugestellt wird, nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Zustellung oder Bekanntgabe außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes drei Monate." Der Gesetzgeber stellte in dieser Fassung ausdrücklich auf die Zustellung einerseits und die Bekanntgabe andererseits ab.

Diese Gesetzeslage änderte sich grundlegend mit dem Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) am 2. Januar 2002. Durch Artikel 1 Nr. 36 dieses Gesetzes erhielt § 87 Abs. 1 SGG folgende Fassung: "(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate."

Entsprechende Änderungen ergaben sich durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes auch für § 87 Abs. 2 SGG. Dort wird nicht mehr wie zuvor auf die Zustellung des Widerspruchsbescheides, sondern auf die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides abgestellt.

Bei den beschriebenen Gesetzesänderungen soll es sich nach der Gesetzesbegründung nur um redaktionelle Anpassungen handeln (vgl. zu Nummer 35 [§ 87], BR-Drs. 132/01 S. 53). Der Begriff der Bekanntgabe umfasse auch die Zustellung (vgl. BR-Drs. 132/01, a. a. O.). Damit wurde der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Grundlage entzogen.

Noch deutlicher brachte der Gesetzgeber seine Rechtsauffassung, dass es sich bei der Zustellung um einen Unterfall der Bekanntgabe handle, im Zuge von nachfolgenden Gesetzgebungsvorhaben zum Zustellungsrecht zum Ausdruck. Durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz - ZustRG) vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206) wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2002 die bisherige Regelung des § 166 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) durch folgende Fassung ersetzt: "(1) Zustellung ist die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form." Mit dieser Gesetzesänderung sollte festgelegt werden, dass die Zustellung die in gesetz-licher Form zu bewirkende Bekanntgabe eines Schriftstücks an den Adressaten ist. Begrifflich sollte sich die Vorschrift damit von der in der Rechtsprechung entwickelten Definition der Zustellung als die in gesetzlicher Form erfolgte und beurkundete Übergabe eines Schriftstücks lösen (vgl. Zu § 166 Zu Absatz 1, BT-Drs. 14/4554 S. 15). Die seither geltende Fassung von § 166 Abs. 1 ZPO gilt über die Verweisungsregelung in § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren.

Eine ähnliche Definition findet sich seit dem 1. Februar 2006 in § 2 Abs. 1 VwZG (vgl. Artikel 1 des Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 [BGBl. I S. 2354]). Danach ist Zustellung "die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form." Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war noch an Stelle des Begriffs "Bekanntgabe" der der "Übermittlung" enthalten (vgl. Artikel 1 der BT-Drs. 15/5216 S. 5). Die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 VwZG sollte geändert werden, weil auch die Zustellung elektronischer Dokumente zulässig sein sollte, bei der eine "Übergabe" nicht stattfindet (vgl. Zu § 2, BT-Drs. 15/5216 S. 11). Im Gesetzgebungsverfahren wies dann allerdings der Bundesrat darauf hin, dass mit der Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts auch die Absicht verfolgt werde, das Verwaltungszustellungsrecht stärker als bisher an die Zustellungsvorschriften der Zivilprozessordnung anzugleichen. Er sprach sich dafür aus, dass nicht von der Definition in § 166 Abs. 1 ZPO abgewichen werden solle (vgl. Zu Artikel 1 [§ 2 Abs. 1 VwZG], BR-Drs. 86/05[B] S. 1). Dem schloss sich der Bundestag an.

Daraus folgt, dass eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf die einzuhaltende Frist korrekt ist, wenn in ihr auf der Grundlage des geltenden Gesetzeswortlautes von § 66 Abs. 1 SGG für den Fristbeginn auf die Bekanntgabe der anfechtbaren Entscheidung abgestellt und nicht zwischen der Bekanntgabe und der Zustellung der Entscheidung unterschieden wird.

3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist ist nicht zu gewähren. Diese ist nach § 67 Abs. 1 SGG zu gewähren, wenn ein Verfahrensbeteiligter ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist, wie dies die Klagefrist darstellt, einzuhalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes liegt Verschulden eines Prozessbeteiligten grundsätzlich vor, wenn die von einem gewissenhaften Prozessführenden im prozessualen Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden ist (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 14 AS 63/11 B - SozR 4-1500 § 67 Nr. 9 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 8, m. w. N.; BSG, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - B 4 AS 161/11 B - JURIS-Dokument Rdnr. 9, m. w. N.). Diese Sorgfalt hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats außer Acht gelassen. Sie ist über die Einhaltung der Klagefrist im Widerspruchsbescheid ordnungsgemäß belehrt worden und wäre ausweislich des Datums der Klageschrift auch an der Einhaltung der Frist nicht gehindert gewesen. Hinderungsgründe hat die Klägerin auch nicht vorgetragen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

V. Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, weil diese Entscheidung vom Urteil des Bundessozialgerichtes vom 9. Dezember 2008 (Az. B 8/9 SO 13/07 R) abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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