Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 206 AS 17328/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2132/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1949 geborene Kläger war zuletzt bis einschließlich Dezember 2007 (hauptberuflich) als Berater tätig und bezog anschließend bis 29. Dezember 2008 Arbeitslosengeld (Alg). Er bewohnt seit 1999 ein Zimmer in einer von Frau M (M) gemieteten 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 83,69 m². Die Bruttowarmmiete für diese Wohnung beträgt monatlich 699,25 EUR (Grundmiete: 467,25 EUR + Nebenkosten 152,- EUR + Heizkosten 80,- EUR), wovon der Kläger nach eigenen Angaben 350,- EUR trägt. Laut einer Einnahmenüberschussrechnung vom 30. März 2009 ergab sich aus der selbständigen (geringfügigen) Tätigkeit des Klägers (EDV-Softwareberatung) im Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008 ein Verlust von 2.448,33 EUR.
Mit seinem Antrag vom 29. Dezember 2008 auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) gab er an, auf verschiedenen Girokonten Guthaben in Höhe von (iHv) insgesamt 18.769,18 EUR zu haben. Das Finanzamt Neukölln (FA) setzte mit dem Bescheid für 2007 über Einkommensteuer (ESt) und Solidaritätszuschlag vom 11. März 2009 die ESt auf 9.730,- EUR und den Solidaritätszuschlag auf 535,15 EUR fest und forderte den Kläger zur Zahlung dieser Beträge spätestens am 2. April 2009 auf. Zugleich kündigte es an, den Gesamtbetrag von 10.265,15 EUR zum angegebenen Fälligkeitstag vom Konto Nr. 3500139 des Klägers bei der Deutschen Bank (BLZ: 10070000) abzubuchen. Mit demselben Bescheid setzte das FA die zu entrichtende Gewerbesteuer für 2007 auf 1.783,50 EUR fest. Die vom FA angeforderten Steuerbeträge wurden am 2. April 2009 zu Lasten des Kontos Nr. 3500139 gebucht.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung von Alg II mit Bescheid vom 30. April 2009 ab, weil der Kläger nicht hilfebedürftig sei. Das Vermögen von 18.769,18 EUR übersteige die Grundfreibeträge iHv 9.600,- EUR. Mit Bescheid vom 15. Juni 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 2. April 2009 bis 30. April 2009 iHv 974,35 EUR und für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 iHv monatlich 1.0067,95 EUR. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30. April 2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2009 zurückgewiesen. Bedürftigkeit liege erst ab dem 2. April 2009 vor, da das FA die für 2007 fälligen Steuerbeträge abgebucht habe und die Freibeträge nunmehr nicht mehr überschritten würden.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Bei seinen Kontoguthaben iHv 18.769,18 EUR habe es sich in Höhe eines Teilbetrages von 12.0248,65 EUR um Rückstellungen zur Tilgung seiner ESt- und Gewerbesteuerschulden gehandelt. Diese Rückstellungen stellten kein verwertbares Vermögen dar. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 1. November 2011 die auf die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 1. April 2009 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe für die streitbefangene Zeit keinen Anspruch auf Gewährung von Alg II, weil er nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II hilfebedürftig sei. Er habe seinen Bedarf aus den Guthaben auf seinen Girokonten decken könne. Bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens habe der Beklagte zutreffend nur den nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II abzusetzenden Grundfreibetrag von 9.600,- EUR berücksichtigt. Ein Abzug der Steuernachforderung komme nicht in Betracht. Verbindlichkeiten könnten ausnahmsweise nur dann vermögensmindernd berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lasteten, was hier nicht der Fall sei. Das Vermögen des Klägers sei ungeachtet der mit Bescheid vom 11. März 2009 festgestellten Steuerschuld auch verwertbar gewesen, denn die Steuernachforderung sei erst am 2. April 2009 fällig gewesen. Die Verwertung sei auch nicht unwirtschaftlich gewesen noch liege eine besondere Härte vor. Eine besondere Härte sei nach der zu der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (AlhiV 1974) ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann zu bejahen, wenn Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten eine wirtschaftliche Einheit bildeten (BSGE 87, 143). Anders als im Fall, wenn Mittel aus einem Bausparguthaben dazu bestimmt seien, ein für den Erwerb einer Eigentumswohnung aufgenommenes Darlehen abzulösen (vgl. LSG Chemnitz, Urteil vom 26. Februar 2004 - L 3 AL 190/01 – juris – zu § 6 Abs. 3 AlhiV 1974), seien die angesparten Guthaben des Klägers nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit mit der Steuernachforderung verknüpft.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Begehren zunächst in vollem Umfang weiter verfolgt und sodann klargestellt, dass er erst ab 30. Dezember 2008 Grundsicherungsleistungen begehre. Der Kläger trägt vor: Mit der (vor Alg II-Antragstellung) abgegebenen Steuererklärung sei die Steuerschuld beziffert und konkret gewesen. Die Steuerschuld sei ab 1. Januar 2008 fällig gewesen. Die wirtschaftliche Einheit zwischen Steuerschuld und Kontoguthaben ergebe sich aus dem Umstand, dass es sich um Rückstellungen zur Tilgung der Steuerschulden gehandelt habe. Aus dem Urteil des SG Potsdam vom 18. August 2009 (– S 46 AS 979/09 –juris -)ergebe sich, dass eine Verpflichtung zur Bildung von Rücklagen für Steuernachzahlungen bestehe. Es sei auch für ihn unzumutbar gewesen, die Rücklagen für den Lebensunterhalt zu verwenden und das FA um Stundung zu bitten. Schließlich stoße der angefochtene Bescheid auf formelle Bedenken im Hinblick auf § 33 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), denn ihm lasse sich keine Berechnung entnehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2011 sowie des Bescheides vom 30. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2009 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Zeit vom 30. Dezember 2008 bis 1. April 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat am 19. September 2012 vor dem Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Behelfsakten des Beklagten (2 Bd.) und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Zeit vom 30. Dezember 2008 bis 1. April 2009. Er war in diesem Zeitraum nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm § 9 Abs. 1 SGB II, denn er verfügte über nach § 12 Abs. 1 SGB II verwertbares Vermögen in Gestalt der sich auf insgesamt 18.769,18 EUR belaufenden Guthaben auf seinen Girokonten.
Grundsätzlich gilt, Vermögen iS von § 12 Abs. 1 SGB II sind nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern die vorhandenen aktiven Vermögenswerte (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 29/12 R – juris -; siehe auch BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 28/09 R -; BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 8 und zu § 88 BSHG: BVerwG Buchholz 436.0 zu § 88 BSHG Nr. 22). Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte nach § 12 SGB II ist allenfalls geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand (z.B. eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek) lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R – juris -). Dies ist hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Steuerschulden nicht der Fall. Selbst wenn mit dem Kläger davon auszugehen wäre, dass die Steuerschulden des Klägers mit Ablauf des Jahres 2007 kraft Gesetzes entstanden sind und mithin der Steuerbescheid vom 11. März 2009 nur deklaratorische Wirkung gehabt hätte (vgl. aber BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 11 AL 10/02 R = SozR 3-4220 § 6 Nr. 9 zur Nichtberücksichtigung zukünftiger Steuerschulden im Rahmen der Vermögensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe), lässt sich mangels irgendeines erkennbaren rechtlichen oder auch nur faktischen Zusammenhangs zwischen den Guthaben des Klägers auf seinen Girokonten, bei denen es sich eben nicht um nachprüfbar zu Rückstellungszwecken eröffnete Sparkonten handelte, hieraus nicht der Schluss ziehen, dass die Steuerforderungen unmittelbar auf den "Rückstellungen" lasteten. Die Girokontenguthaben des Klägers sind auch in vollem Umfang verwertbar gewesen. Zwar war nach der vom SG zitierten Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe (Alhi) die Verwertbarkeit des Vermögens ausgeschlossen, wenn und soweit den zu berücksichtigenden Aktiva fällige Verbindlichkeiten gegenüberstanden (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 9). Es kann offen bleiben, ob diese Rechtsprechung für den SGB II-Bereich zu übertragen ist (vgl. hierzu das Urteil des BSG vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 29/12 R - juris Rn. 32 - mit dem Hinweis, dass die Tilgung privater Schulden hinter der Existenzsicherung zurückzutreten habe). Mit dem SG ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Steuernachforderungen entsprechend der im Bescheid vom 11. März 2009 getroffenen Regelung (vgl. die Formulierung "angegebener Fälligkeitstag") erst am 2. April 2009 fällig (d. h. der Kläger zur Leistung verpflichtet war) waren und mithin im gesamten streitbefangenen Zeitraum den Aktiva des Klägers keine fälligen Steuerforderungen entgegenstanden. Ein Abzug der Kontoguthaben des Klägers in Höhe des Betrages der Steuerschulden ist auch nicht nach § 12 Abs. 3 SGB II vorzunehmen. Insbesondere sind die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Härteklausel des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II nicht erfüllt. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr. 4; BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II auszugehen ist. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden (BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R juris). § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II setzt daher voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R -; vom selben Tag - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr. 5 )Nach alledem ist zwar – wie früher bei der Alhi - nicht ausgeschlossen, dass die Verwertung eines Vermögensgegenstandes unter Umständen im Hinblick auf bestehende Verbindlichkeiten eine besondere Härte darstellen kann (vgl. Striebinger, in Gagel, SGB II, Stand April 2012, § 12 Rn. 100), sofern zwischen dem Vermögensbestandteil und der fraglichen Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Einheit besteht. Das BSG hat jedoch zur Berücksichtigung noch nicht fälliger Steuerschulden im Rahmen der Vermögensanrechnung nach der AlhiV 1974 im Urteil vom 21. November 2002 – B 11 AL 10/02 R – aaO -Rn. 19f. folgendes ausgeführt: "Eine bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise anzuerkennende Einheit von Vermögensbestandteilen und Verbindlichkeiten liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn diese nach Entstehung und beabsichtigter Tilgung miteinander verknüpft sind. Dies erfordert einen zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, dass Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Einheit bilden (BSGE 87, 143, 147 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 8). Dem LSG ist darin zuzustimmen, dass das Vorliegen der erforderlichen Verknüpfung hier schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil die fragliche Steuerschuld des Klägers am Stichtag der Höhe nach noch nicht konkretisiert war und vom Kläger auch noch nicht konkretisiert werden konnte. Kann eine Verpflichtung nicht beziffert werden, so fehlt es bereits an einer notwendigen Vorbedingung dafür, im Rahmen der AlhiV Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Denn der Systematik der §§ 6 bis 9 AlhiV entspricht nur eine auf einen bestimmten Stichtag bezogene Betrachtungsweise. Könnten in die Beurteilung auch Forderungen eingestellt werden, die sich erst nach Ablauf des jährlichen Bewilligungszeitraums (§ 139a AFG) beziffern lassen, könnte die Alhi im Voraus nicht verbindlich festgesetzt werden. Die entsprechenden Verwaltungsverfahren müssten jeweils neu aufgerollt werden. Insoweit ergäbe sich ein Widerspruch zu der die Bedürftigkeitsprüfung tragenden Subsidiarität der Alhi. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität soll jemandem ein Anspruch auf Alhi nicht zustehen, solange und soweit er für sich und seine Angehörigen aktuell sorgen kann (BSG SozR 4100 § 137 Nr. 12). Entsprechend dem Zweck der Alhi, den aktuellen Lebensunterhalt zu sichern, ist dabei entscheidend, ob der Lebensunterhalt während des jeweiligen Zeitraums, für den Alhi beansprucht wird, anderweitig gesichert ist, ob also in diesem Zeitraum Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, das nach der AlhiV zu berücksichtigen ist (BSG SozR 4100 § 134 Nr. 16; BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 7; Urteil vom 25. April 2002 - B 11 AL 69/01 R -). Das gegenwartsbezogene Prinzip der bedürftigkeitsabhängigen Alhi verbietet es folglich, eine endgültige Entscheidung über das Vorliegen ihrer Voraussetzungen erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums zu ermöglichen."
Diese Ausführungen beanspruchen auch für die Auslegung der Härteklausel des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II Gültigkeit. Dementsprechend ist vorliegend eine wirtschaftliche Einheit zwischen den Guthaben des Klägers und seinen Steuerschulden für den Zeitraum bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 11. März 2009 bereits deshalb zu verneinen, weil bis zu diesem Zeitpunkt die Steuerforderungen noch nicht konkretisiert waren. Für den streitbefangenen Zeitraum nach Bekanntgabe des Bescheides vom 11. März 2009 fehlt es trotz der Konkretisierung der Steuerschuld am notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen Guthaben und Steuerforderung. Zu Recht hat das SG Berlin im angegriffenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen, dass der Fall hier anders liegt als im Falle eines zur Ablösung eines Baudarlehens angesparten Bausparguthabens. Der Kläger hat nämlich die (teilweise) Zweckbestimmung der Guthaben auf seinen Girokonten zur Tilgung von Steuerrückständen lediglich behauptet, es sind aber keine objektiven Umstände (wie z.B. ein Sonderkonto) ersichtlich, die den Schluss auf eine derartige Verknüpfung erlauben könnten. Im Übrigen lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers dem Urteil des SG Potsdam vom 18. August 2009 ( – S 46 AS 979/09 –) keine Verpflichtung von Leistungsempfängern zur Bildung von Rücklagen für Steuernachzahlungen entnehmen, sondern allenfalls ein Hinweis auf die grundsätzlich gegebene und von diesem Gericht für sachgerecht erachtete Möglichkeit zur Bildung derartiger Rücklagen.
Zutreffend hat das SG die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II für den bei Antragstellung 59jährigen Kläger mit 9.600,- EUR angesetzt. Die Guthaben auf den Girokonten des Klägers iHv 18.769,18 EUR überschritten die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs 2 Nr. 1 SGB II um fast das Doppelte und waren damit oberhalb dieser Grenzen grundsätzlich zumutbar verwertbares Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Im streitbefangenen Zeitraum verfügte der Kläger über ein anrechenbares Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II iHv 9.169,18 EUR. Damit standen ihm pro Monat mehr als 3.000,- EUR zur Deckung seines allenfalls ein Drittel dieser Summe betragenden Bedarfs zur Verfügung.
Schließlich entspricht der angegriffene Bescheid vom 30. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2009 auch dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts, dass dessen Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Adressaten bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm angeordnete Rechtsfolge zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (st. Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 13. Februar 2013 – B 2 U 25/1 R – juris). Regelungsgehalt des angegriffenen Bescheides war ausschließlich die für den Kläger klar erkennbare Ablehnung seines Antrags auf Leistungen nach dem SGB II. Soweit der Kläger das Fehlen einer Berechnung rügt, kann allenfalls ein nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlicher Mangel (vgl. BSGE 68, 228 ff.) der Begründung vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der 1949 geborene Kläger war zuletzt bis einschließlich Dezember 2007 (hauptberuflich) als Berater tätig und bezog anschließend bis 29. Dezember 2008 Arbeitslosengeld (Alg). Er bewohnt seit 1999 ein Zimmer in einer von Frau M (M) gemieteten 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 83,69 m². Die Bruttowarmmiete für diese Wohnung beträgt monatlich 699,25 EUR (Grundmiete: 467,25 EUR + Nebenkosten 152,- EUR + Heizkosten 80,- EUR), wovon der Kläger nach eigenen Angaben 350,- EUR trägt. Laut einer Einnahmenüberschussrechnung vom 30. März 2009 ergab sich aus der selbständigen (geringfügigen) Tätigkeit des Klägers (EDV-Softwareberatung) im Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008 ein Verlust von 2.448,33 EUR.
Mit seinem Antrag vom 29. Dezember 2008 auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) gab er an, auf verschiedenen Girokonten Guthaben in Höhe von (iHv) insgesamt 18.769,18 EUR zu haben. Das Finanzamt Neukölln (FA) setzte mit dem Bescheid für 2007 über Einkommensteuer (ESt) und Solidaritätszuschlag vom 11. März 2009 die ESt auf 9.730,- EUR und den Solidaritätszuschlag auf 535,15 EUR fest und forderte den Kläger zur Zahlung dieser Beträge spätestens am 2. April 2009 auf. Zugleich kündigte es an, den Gesamtbetrag von 10.265,15 EUR zum angegebenen Fälligkeitstag vom Konto Nr. 3500139 des Klägers bei der Deutschen Bank (BLZ: 10070000) abzubuchen. Mit demselben Bescheid setzte das FA die zu entrichtende Gewerbesteuer für 2007 auf 1.783,50 EUR fest. Die vom FA angeforderten Steuerbeträge wurden am 2. April 2009 zu Lasten des Kontos Nr. 3500139 gebucht.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung von Alg II mit Bescheid vom 30. April 2009 ab, weil der Kläger nicht hilfebedürftig sei. Das Vermögen von 18.769,18 EUR übersteige die Grundfreibeträge iHv 9.600,- EUR. Mit Bescheid vom 15. Juni 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 2. April 2009 bis 30. April 2009 iHv 974,35 EUR und für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 iHv monatlich 1.0067,95 EUR. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30. April 2009 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2009 zurückgewiesen. Bedürftigkeit liege erst ab dem 2. April 2009 vor, da das FA die für 2007 fälligen Steuerbeträge abgebucht habe und die Freibeträge nunmehr nicht mehr überschritten würden.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Bei seinen Kontoguthaben iHv 18.769,18 EUR habe es sich in Höhe eines Teilbetrages von 12.0248,65 EUR um Rückstellungen zur Tilgung seiner ESt- und Gewerbesteuerschulden gehandelt. Diese Rückstellungen stellten kein verwertbares Vermögen dar. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 1. November 2011 die auf die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 1. April 2009 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe für die streitbefangene Zeit keinen Anspruch auf Gewährung von Alg II, weil er nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II hilfebedürftig sei. Er habe seinen Bedarf aus den Guthaben auf seinen Girokonten decken könne. Bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens habe der Beklagte zutreffend nur den nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II abzusetzenden Grundfreibetrag von 9.600,- EUR berücksichtigt. Ein Abzug der Steuernachforderung komme nicht in Betracht. Verbindlichkeiten könnten ausnahmsweise nur dann vermögensmindernd berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lasteten, was hier nicht der Fall sei. Das Vermögen des Klägers sei ungeachtet der mit Bescheid vom 11. März 2009 festgestellten Steuerschuld auch verwertbar gewesen, denn die Steuernachforderung sei erst am 2. April 2009 fällig gewesen. Die Verwertung sei auch nicht unwirtschaftlich gewesen noch liege eine besondere Härte vor. Eine besondere Härte sei nach der zu der Vorgängervorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (AlhiV 1974) ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann zu bejahen, wenn Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten eine wirtschaftliche Einheit bildeten (BSGE 87, 143). Anders als im Fall, wenn Mittel aus einem Bausparguthaben dazu bestimmt seien, ein für den Erwerb einer Eigentumswohnung aufgenommenes Darlehen abzulösen (vgl. LSG Chemnitz, Urteil vom 26. Februar 2004 - L 3 AL 190/01 – juris – zu § 6 Abs. 3 AlhiV 1974), seien die angesparten Guthaben des Klägers nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit mit der Steuernachforderung verknüpft.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Begehren zunächst in vollem Umfang weiter verfolgt und sodann klargestellt, dass er erst ab 30. Dezember 2008 Grundsicherungsleistungen begehre. Der Kläger trägt vor: Mit der (vor Alg II-Antragstellung) abgegebenen Steuererklärung sei die Steuerschuld beziffert und konkret gewesen. Die Steuerschuld sei ab 1. Januar 2008 fällig gewesen. Die wirtschaftliche Einheit zwischen Steuerschuld und Kontoguthaben ergebe sich aus dem Umstand, dass es sich um Rückstellungen zur Tilgung der Steuerschulden gehandelt habe. Aus dem Urteil des SG Potsdam vom 18. August 2009 (– S 46 AS 979/09 –juris -)ergebe sich, dass eine Verpflichtung zur Bildung von Rücklagen für Steuernachzahlungen bestehe. Es sei auch für ihn unzumutbar gewesen, die Rücklagen für den Lebensunterhalt zu verwenden und das FA um Stundung zu bitten. Schließlich stoße der angefochtene Bescheid auf formelle Bedenken im Hinblick auf § 33 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), denn ihm lasse sich keine Berechnung entnehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2011 sowie des Bescheides vom 30. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2009 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Zeit vom 30. Dezember 2008 bis 1. April 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat am 19. September 2012 vor dem Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Behelfsakten des Beklagten (2 Bd.) und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von SGB II-Leistungen für die Zeit vom 30. Dezember 2008 bis 1. April 2009. Er war in diesem Zeitraum nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm § 9 Abs. 1 SGB II, denn er verfügte über nach § 12 Abs. 1 SGB II verwertbares Vermögen in Gestalt der sich auf insgesamt 18.769,18 EUR belaufenden Guthaben auf seinen Girokonten.
Grundsätzlich gilt, Vermögen iS von § 12 Abs. 1 SGB II sind nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern die vorhandenen aktiven Vermögenswerte (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 29/12 R – juris -; siehe auch BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 28/09 R -; BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 8 und zu § 88 BSHG: BVerwG Buchholz 436.0 zu § 88 BSHG Nr. 22). Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte nach § 12 SGB II ist allenfalls geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand (z.B. eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek) lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R – juris -). Dies ist hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Steuerschulden nicht der Fall. Selbst wenn mit dem Kläger davon auszugehen wäre, dass die Steuerschulden des Klägers mit Ablauf des Jahres 2007 kraft Gesetzes entstanden sind und mithin der Steuerbescheid vom 11. März 2009 nur deklaratorische Wirkung gehabt hätte (vgl. aber BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 11 AL 10/02 R = SozR 3-4220 § 6 Nr. 9 zur Nichtberücksichtigung zukünftiger Steuerschulden im Rahmen der Vermögensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe), lässt sich mangels irgendeines erkennbaren rechtlichen oder auch nur faktischen Zusammenhangs zwischen den Guthaben des Klägers auf seinen Girokonten, bei denen es sich eben nicht um nachprüfbar zu Rückstellungszwecken eröffnete Sparkonten handelte, hieraus nicht der Schluss ziehen, dass die Steuerforderungen unmittelbar auf den "Rückstellungen" lasteten. Die Girokontenguthaben des Klägers sind auch in vollem Umfang verwertbar gewesen. Zwar war nach der vom SG zitierten Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe (Alhi) die Verwertbarkeit des Vermögens ausgeschlossen, wenn und soweit den zu berücksichtigenden Aktiva fällige Verbindlichkeiten gegenüberstanden (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 9). Es kann offen bleiben, ob diese Rechtsprechung für den SGB II-Bereich zu übertragen ist (vgl. hierzu das Urteil des BSG vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 29/12 R - juris Rn. 32 - mit dem Hinweis, dass die Tilgung privater Schulden hinter der Existenzsicherung zurückzutreten habe). Mit dem SG ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Steuernachforderungen entsprechend der im Bescheid vom 11. März 2009 getroffenen Regelung (vgl. die Formulierung "angegebener Fälligkeitstag") erst am 2. April 2009 fällig (d. h. der Kläger zur Leistung verpflichtet war) waren und mithin im gesamten streitbefangenen Zeitraum den Aktiva des Klägers keine fälligen Steuerforderungen entgegenstanden. Ein Abzug der Kontoguthaben des Klägers in Höhe des Betrages der Steuerschulden ist auch nicht nach § 12 Abs. 3 SGB II vorzunehmen. Insbesondere sind die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Härteklausel des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II nicht erfüllt. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr. 4; BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II auszugehen ist. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden (BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R juris). § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II setzt daher voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R -; vom selben Tag - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr. 5 )Nach alledem ist zwar – wie früher bei der Alhi - nicht ausgeschlossen, dass die Verwertung eines Vermögensgegenstandes unter Umständen im Hinblick auf bestehende Verbindlichkeiten eine besondere Härte darstellen kann (vgl. Striebinger, in Gagel, SGB II, Stand April 2012, § 12 Rn. 100), sofern zwischen dem Vermögensbestandteil und der fraglichen Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Einheit besteht. Das BSG hat jedoch zur Berücksichtigung noch nicht fälliger Steuerschulden im Rahmen der Vermögensanrechnung nach der AlhiV 1974 im Urteil vom 21. November 2002 – B 11 AL 10/02 R – aaO -Rn. 19f. folgendes ausgeführt: "Eine bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise anzuerkennende Einheit von Vermögensbestandteilen und Verbindlichkeiten liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn diese nach Entstehung und beabsichtigter Tilgung miteinander verknüpft sind. Dies erfordert einen zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, dass Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Einheit bilden (BSGE 87, 143, 147 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 8). Dem LSG ist darin zuzustimmen, dass das Vorliegen der erforderlichen Verknüpfung hier schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil die fragliche Steuerschuld des Klägers am Stichtag der Höhe nach noch nicht konkretisiert war und vom Kläger auch noch nicht konkretisiert werden konnte. Kann eine Verpflichtung nicht beziffert werden, so fehlt es bereits an einer notwendigen Vorbedingung dafür, im Rahmen der AlhiV Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten als wirtschaftliche Einheit anzusehen. Denn der Systematik der §§ 6 bis 9 AlhiV entspricht nur eine auf einen bestimmten Stichtag bezogene Betrachtungsweise. Könnten in die Beurteilung auch Forderungen eingestellt werden, die sich erst nach Ablauf des jährlichen Bewilligungszeitraums (§ 139a AFG) beziffern lassen, könnte die Alhi im Voraus nicht verbindlich festgesetzt werden. Die entsprechenden Verwaltungsverfahren müssten jeweils neu aufgerollt werden. Insoweit ergäbe sich ein Widerspruch zu der die Bedürftigkeitsprüfung tragenden Subsidiarität der Alhi. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität soll jemandem ein Anspruch auf Alhi nicht zustehen, solange und soweit er für sich und seine Angehörigen aktuell sorgen kann (BSG SozR 4100 § 137 Nr. 12). Entsprechend dem Zweck der Alhi, den aktuellen Lebensunterhalt zu sichern, ist dabei entscheidend, ob der Lebensunterhalt während des jeweiligen Zeitraums, für den Alhi beansprucht wird, anderweitig gesichert ist, ob also in diesem Zeitraum Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, das nach der AlhiV zu berücksichtigen ist (BSG SozR 4100 § 134 Nr. 16; BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 7; Urteil vom 25. April 2002 - B 11 AL 69/01 R -). Das gegenwartsbezogene Prinzip der bedürftigkeitsabhängigen Alhi verbietet es folglich, eine endgültige Entscheidung über das Vorliegen ihrer Voraussetzungen erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums zu ermöglichen."
Diese Ausführungen beanspruchen auch für die Auslegung der Härteklausel des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II Gültigkeit. Dementsprechend ist vorliegend eine wirtschaftliche Einheit zwischen den Guthaben des Klägers und seinen Steuerschulden für den Zeitraum bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 11. März 2009 bereits deshalb zu verneinen, weil bis zu diesem Zeitpunkt die Steuerforderungen noch nicht konkretisiert waren. Für den streitbefangenen Zeitraum nach Bekanntgabe des Bescheides vom 11. März 2009 fehlt es trotz der Konkretisierung der Steuerschuld am notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen Guthaben und Steuerforderung. Zu Recht hat das SG Berlin im angegriffenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen, dass der Fall hier anders liegt als im Falle eines zur Ablösung eines Baudarlehens angesparten Bausparguthabens. Der Kläger hat nämlich die (teilweise) Zweckbestimmung der Guthaben auf seinen Girokonten zur Tilgung von Steuerrückständen lediglich behauptet, es sind aber keine objektiven Umstände (wie z.B. ein Sonderkonto) ersichtlich, die den Schluss auf eine derartige Verknüpfung erlauben könnten. Im Übrigen lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers dem Urteil des SG Potsdam vom 18. August 2009 ( – S 46 AS 979/09 –) keine Verpflichtung von Leistungsempfängern zur Bildung von Rücklagen für Steuernachzahlungen entnehmen, sondern allenfalls ein Hinweis auf die grundsätzlich gegebene und von diesem Gericht für sachgerecht erachtete Möglichkeit zur Bildung derartiger Rücklagen.
Zutreffend hat das SG die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II für den bei Antragstellung 59jährigen Kläger mit 9.600,- EUR angesetzt. Die Guthaben auf den Girokonten des Klägers iHv 18.769,18 EUR überschritten die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs 2 Nr. 1 SGB II um fast das Doppelte und waren damit oberhalb dieser Grenzen grundsätzlich zumutbar verwertbares Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Im streitbefangenen Zeitraum verfügte der Kläger über ein anrechenbares Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II iHv 9.169,18 EUR. Damit standen ihm pro Monat mehr als 3.000,- EUR zur Deckung seines allenfalls ein Drittel dieser Summe betragenden Bedarfs zur Verfügung.
Schließlich entspricht der angegriffene Bescheid vom 30. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2009 auch dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts, dass dessen Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Adressaten bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm angeordnete Rechtsfolge zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (st. Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 13. Februar 2013 – B 2 U 25/1 R – juris). Regelungsgehalt des angegriffenen Bescheides war ausschließlich die für den Kläger klar erkennbare Ablehnung seines Antrags auf Leistungen nach dem SGB II. Soweit der Kläger das Fehlen einer Berechnung rügt, kann allenfalls ein nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlicher Mangel (vgl. BSGE 68, 228 ff.) der Begründung vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved