L 5 KA 483/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KA 3216/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 483/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.12.2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 1 bis 5. Der

Streitwert wird endgültig auf 60.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses über eine Verlängerung der Genehmigung des Beigeladenen Ziff. 6 zur Durchführung fachärztlicher Leistungen im Rahmen der hausärztlichen Versorgung.

Der Beigeladene Ziff. 6, ein seit 1990 zugelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung und ohne Schwerpunktbezeichnung, behandelt seit Jahren in erheblichem Umfang Kinder und Jugendliche mit Aufmerksamkeitsstörungen (Diagnose ADS/ADHS).

Mit Beschluss vom 28.05.2008 genehmigte der Zulassungsausschuss dem Beigeladenen Ziff. 6 und seiner Praxispartnerin Dr. B. mit Wirkung ab dem 29.02.2008, befristet bis zum 31.12.2010 folgende Leistungserbringung: EEG-Diagnostik und Therapie anfallskranker Kinder und Jugendlicher sowie die Diagnostik und Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsstörungen im Sinne der Diagnosen ADS/ADHS.

Am 13.09.2010 beantragte der Beigeladene Ziff. 6 die Verlängerung der Genehmigung zur Durchführung fachärztlicher Leistungen im Rahmen der hausärztlichen Versorgung. Er teilte mit, Frau Dr. B. versorge schwerpunktmäßig die epileptologischen Fälle; sie habe zwischenzeitlich die Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie erworben. Ihm sei der Erwerb dieser Schwerpunktbezeichnung nicht möglich, da ihm der Nachweis eines klinischen Jahres neuropädiatrischer Weiterbildung fehle und er dieses aufgrund des laufenden Praxisbetriebes nicht mehr nachholen könne.

Mit Beschluss vom 08.12.2010 genehmigte der Zulassungsausschuss nach Durchführung einer Bedarfsumfrage bei den im Landkreis K. niedergelassenen Kinderfachärzten dem Beigeladenen Ziff. 6 befristet vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2013 folgende Leistungen im Rahmen der hausärztlichen Versorgung:

04430 EBM - Neuropädiatrisches Gespräch, Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung (Einzelbehandlung) - und 04433 EBM - Zusatzpauschale Koordination der neuropädiatrischen Betreuung von Patienten -.

In ihrem dagegen am 19.04.2011 erhobenen Widerspruch führte die Klägerin zur Begründung aus, dass der Beigeladene Ziff. 6 nicht über die im EBM geforderte Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie verfüge. Eine partielle Einbeziehung des Beigeladenen Ziff. 6 in die fachärztliche Leistungserbringung über die Durchführung und Abrechnung von Leistungen nach einzelnen Gebührenordnungspositionen des EBM komme deshalb nicht in Betracht.

Der Beigeladene Ziff. 6 trat dem Widerspruch entgegen und verwies auf die hohe Bedarfslage (300/400 behandelte ADHS-Fälle pro Quartal) und das Ergebnis der Umfrage unter den niedergelassenen Kinderärzten, von denen keine Einwände gegen die Durchführung der Leistungen durch ihn erhoben worden seien.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Beschluss vom 25.05.2011/Bescheid vom 26.07.2011 als unbegründet zurück. Zugleich ordnete der Beklagte den Sofortvollzug der Zulassungsentscheidung vom 08.12.2010 an. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass der Beigeladene Ziff. 6 auf dem Gebiet der Neuropädiatrie ausschließlich ADS/ADHS-Patienten behandele, und zwar seit Jahren erfolgreich, adäquat und in seinem Bereich als einziger Arzt. Zwar fehle ihm die Schwerpunktbezeichnung "Neuropädiatrie"; als niedergelassenem Kinderarzt sei ihm eine Unterbrechung seiner Arbeit zur Nachholung einer einjährigen neuropädiatrischen Kliniktätigkeit aber nicht mehr zumutbar. Dies sei angesichts seiner langjährigen Praxiserfahrung und den weiteren Umständen, dass er den Qualitätszirkel leite und neue Kollegen an das spezielle Krankheitsbild der ADS/ADHS-Kinder heranführe, entbehrlich. Bei alledem sei zu beachten, dass der Beigeladene Ziff. 6 als Einziger im Bereich B. zur adäquaten Behandlung der ADS/ADHS-Kinder zur Verfügung stehe. Wenn die Klägerin sich darauf berufe, dass der Beigeladene Ziff. 6 auch aufgrund einer Ausnahmegenehmigung nach § 73 Abs. 1a S. 4 SGB V (gemeint § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V, Anm. d. Senats) nicht berechtigt sei, die entsprechenden Gebührennummern nach dem EBM abzurechnen, weil der EBM es nur Neuropädiatern erlaube, diese Gebührenziffern abzurechnen, so sei dem entgegen zu halten, dass die Ausnahmegenehmigung der Schwerpunktbezeichnung vorgehe. Wenn einem Kinderarzt eine solche Ausnahmegenehmigung erteilt werde, müsse er die Leistungen auch abrechnen können. Das Gesetz gehe insoweit den Regelungen des EBM vor. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 27.07.2011 zugestellt.

Am 02.08.2011 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe Klage und stellte am 24.08.2011 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Sie machte geltend, die Voraussetzungen für eine Zulassung des Beigeladenen Ziff. 6 zur Erbringung neuropädiatrischer Leistungen würden nicht vorliegen. Als am hausärztlichen Versorgungsbereich teilnehmendem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sei es dem Beigeladenen Ziff. 6 durch die maßgeblichen Regelungen des EBM untersagt, die begehrten Leistungen abzurechnen. Der Gesetzgeber habe den Zulassungsgremien keine vorrangige gesetzliche Kompetenz dazu eingeräumt, die Kompetenzzuweisung an den Bewertungsausschuss zu unterlaufen. Der Bewertungsausschuss dürfe zur Qualitätssicherung die Abrechenbarkeit von Leistungen an qualitätssicherende Begleitmaßnahmen binden. Dies sei nur bei strikter Einhaltung des EBM möglich.

Mit Beschluss vom 04.10.2011 wies das Sozialgericht Karlsruhe den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab. Der Beklagte habe die Zulassungsentscheidung zugunsten des Beigeladenen Ziff. 6 auf der Grundlage von § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V wohl zu Recht erlassen. Ohne eine sofort vollziehbare Zulassung sei die bedarfsgerechte Versorgung der ADS/ADHS-kranken Kinder und Jugendlichen im nördlichen Landkreis Karlsruhe akut und ganz erheblich gefährdet. Das von der Klägerin angeführte Argument der Qualitätssicherung verliere schon vor dem Hintergrund der bisher beachtlichen Lebensleistung des Beigeladenen Ziff. 6 und dem Umstand, dass die befristete Zulassung auf die Behandlung von ADS/ADHS-kranken Kindern und Jugendlichen beschränkt sei, einiges an Gewicht. Zudem berücksichtige es die gegenläufigen grundrechtsbewehrten Interessen zu gering. Hinter dem im öffentlichen Interesse stehenden Sicherstellungsauftrag der bedarfsgerechten Versorgung stehe nichts Geringeres als das Grundrecht der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Hinzu trete das Grundrecht des Beigeladenen Ziff. 6 auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG. Setze sich die Forderung der Klägerin durch, bedeute dies für den Beigeladenen Ziff. 6 das faktische "Aus" in der Versorgung ADS/ADHS-kranker Kinder und Jugendlicher. Die Nachholung eines Klinikjahres zum Erwerb der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie dürfte dem Beigeladenen Ziff. 6 - insoweit sei dem Beklagten zu folgen - tatsächlich nicht zumutbar sein. Aufgrund dieser Interessen- und Folgenabwägung sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen gewesen. Die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts wurde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 04.09.2012 (L 5 KA 4788/11 ER-B) als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin verfolgte ihr Klagebegehren weiter. Der Beschluss des Beklagten vom 25.05.2011/Bescheid vom 26.07.2011 sei offensichtlich rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Zulassung des Beigeladenen Ziff. 6 zur Erbringung neuropädiatrischer Leistungen seien nicht gegeben. Dem Beigeladenen sei durch die maßgeblichen Regelungen des EBM untersagt, als am hausärztlichen Versorgungsbereich teilnehmender Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin die begehrten Leistungen abzurechnen. Die Präambel des Kapitels 4.4.2 des EBM zu den streitgegenständlichen Gebührenziffern sehe eine Abrechnung nur durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie vor. Dies schließe eine Berechnung der Gebührenpositionen dieses Abschnitts für den Beigeladenen Ziff. 6 als zugelassenen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ohne Schwerpunktbezeichnung aus. An dieses Abrechnungsverbot sei der Antragsgegner gebunden, so dass es auf die Bedarfserhebung nicht ankomme. Der Gesetzgeber habe den Zulassungsgremien in § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V auch keine vorrangige Befugnis eingeräumt, die mit den Regelungen des EBM vom Bewertungsausschuss vorgenommene Kompetenzzuweisung zu unterlaufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 22/08 -) sei diesem allein die Entscheidung darüber vorbehalten, welche Leistungen von Hausärzten abgerechnet werden dürften. Er dürfe zur Qualitätssicherung die Abrechenbarkeit von Leistungen auch an qualitätssichernde Begleitmaßnahmen binden. Eine Genehmigung zur Erbringung fachärztlicher Leistungen sei daher von den Zulassungsgremien zu versagen, wenn ein Facharzt nicht die formell im EBM geforderten speziellen Qualifikationen aufweise, die von den Vertragspartnern auf Bundesebene gefordert würden. Beim EBM handele es sich um Normsetzung durch Vertrag. Daher binde die normative Wirkung auch den Beklagten. Er habe den EBM strikt zu beachten. Insoweit laufe die Regelung in § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V tatsächlich ins Leere, als dass durch die EBM-Regelungen die Erbrin-gung bestimmter fachärztlicher Leistungen ausgeschlossen bleibe, wenn formell im EBM gefor-derte spezielle Qualifikationen wie hier beim Beigeladenen Ziff. 6 die Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie, nicht vorlägen. In § 87 Abs. 2 a Satz 1 SGB V habe der Gesetzgeber eine ab-schließende Kompetenzzuweisung an den Bewertungsausschuss getroffen. Daher obliege es die-sem allein zu bestimmen, welche Leistungen von Hausärzten und welche von Fachärzten unter welchen Qualifikationen oder sonstigen Voraussetzungen zu erbringen seien. Eine Genehmigung zur Erbringung fachärztlicher Leistungen sei ungeachtet des Bedarfs immer dann zu versagen, wenn ein Facharzt nicht die formell im EBM geforderte spezielle Qualifikation aufweise, die dort von den Vertragspartnern auf Bundesebene auf Basis von § 87 Abs. 2 a Satz 1 SGB V ge¬fordert werde.

Mit Urteil vom 18.12.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Bescheid des Berufungsausschusses für Ärzte - Regierungsbezirk K. - vom 26.07.2011 (Beschluss vom 25.05.2011) sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. In seiner Begründung folgte es den Ausführungen des erkennenden Senats im Beschluss vom 04.09.2012 (L 5 KA 4788/11 ER-B) und führte aus, die Durchführungsgenehmigung für die in den Ziffern 04430 EBM - neuropädiatrisches Gespräch, Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung (Einzelbehandlung) - und 04433 EMB - Zusatzpauschale Koordination der neuropädiatrischen Betreuung von Patienten - beschriebenen Leistungen sei dem Beigeladenen Ziff. 6 auf der Grundlage von § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V zu Recht erteilt worden. Nach dieser Regelung könne der Zulassungsausschuss für Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet sei. Satz 4 der Norm regele, dass Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen könnten. Der Zulassungsausschuss könne ferner Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen würden, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen (§ 73 Abs. 1 a Satz 5 SGB V). Das Gesetz sehe damit in § 73 Abs. 1 SGB V eine Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung vor, wobei Kinderärzte nach § 73 Abs. 1 a Nr. 2 SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. Für den Beigeladenen Ziff. 6 sei die Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung auf der Grundlage früheren Rechts durch Ausübung des ihm eingeräumten Wahlrechts erfolgt. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Das Bundessozialgericht habe zur Gliederung der Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung in den hausärztlichen und fachärztlichen Bereich in seinem Urteil vom 28.10.2009 (B 6 KA 22/08, Juris) ausgeführt, dass zur Umsetzung der durch § 73 Abs. 1 SGB V vorgegebenen Gliederung auf der Ebene des Bewertungsmaßstabs als Verzeichnis der abrechnungsfähigen Leistungen § 87 Abs. 2 a Satz 1 SGB V bestimme, dass alle im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern seien. Die Zuordnung der Leistungen habe entsprechend der in § 73 Abs. 1 SGB V festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung mit der Maßgabe zu erfolgen, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen solche der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung und solche der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte abgerechnet werden dürften. Inhalt der Regelung sei damit - neben der Gliederung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs - zugleich die Festlegung der von der jeweiligen Gruppe abrechenbaren Leistungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sehe das Bundessozialgericht die Gliederung des EBM in abrechenbare Leistungen für die Gruppe der Hausärzte einerseits und für die Gruppe der Fachärzte andererseits jedoch gerade nicht als ausnahmslos an. Vielmehr erkenne es in der genannten Entscheidung ausdrücklich an, dass Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen dürften, vorgesehen seien, wenn auch nur in engem Rahmen (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 73 Nr. 1 Rdnr. 12 und BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 3 Randnr. 14). In diesem Zusammenhang verweise das Bundessozialgericht gerade auf § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V, der bestimme, dass der Zulassungsausschuss für Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von § 73 Abs. 1 a Satz 1 SGB V abweichende befristete Regelung treffen könne, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet sei. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung sei der Beklagte berechtigt, nach Auffassung des Sozialgerichts sogar gehalten gewesen, für den Beigeladenen Ziff. 6 als einem an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Kinderarzt ohne Schwerpunktbezeichnung eine von der grundsätzlichen Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung (§ 73 Abs. 1 a Satz 1 SGB V) abweichende befristete Regelung zu treffen, weil diese Ausnahme zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung und damit aus Gründen der Sicherstellung dringend erforderlich gewesen sei. Der Bedarf für die Behandlung ADS/ADHS-kranker Kinder und Jugendlicher habe sich aus der sachgerecht durchgeführten Umfrage des Beklagten bei den niedergelassenen Kinderärzten zweifelsohne ergeben. So hätten die Rückantworten (von etwa der Hälfte der befragten Ärzte) nahezu einhellig eine Behandlung der ADHS-Patienten durch den Beigeladenen Ziff. 6 nachhaltig befürwortet. Lediglich in einem Fall sei die Antwort negativ gewesen. Soweit die Klägerin erstmals während der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht einen Bedarf für die Behandlung der ADS/ADHS erkrankten Kinder in Zweifel gezogen habe, sei ihr Vortrag so unsubstantiiert und vage geblieben, dass dies keinen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen gegeben habe. Denn immerhin stelle auch die Klägerin die tatsächliche fachliche Qualifikation des Beigeladenen Ziff. 6 der Sache nach nicht in Frage. Der Beklagte habe insoweit zutreffend auf die jahrelange erfolgreiche Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 6 abgestellt, der in seinem Bereich (Bruchsal) der einzige Arzt sei, der in der Lage und bereit sei, ADHS-Patienten adäquat zu behandeln. Es habe keinerlei Anlass bestanden, diese Einschätzung in Zweifel zu ziehen. Nach alledem stütze die Klägerin ihre Beanstandung der erteilten Genehmigung allein auf die fehlende Schwerpunktbezeichnung des Beigeladenen Ziff. 6. Dabei verkenne sie indes, dass die Ermächtigungsgrundlage in § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V die Erteilung einer Durchführungsgenehmigung gerade an diejenigen Kinderärzte und Internisten vorsehe, die nicht über eine Schwerpunktbezeichnung verfügten. Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung könnten nach § 73 Abs. 1 a Satz 4 SGB V ohnehin an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, ohne dass sie dafür eine Ausnahmegenehmigung des Zulassungsausschusses bedürften. Die Ausnahmegenehmigung sei auf Fälle beschränkt, in denen durch die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte allein der fachärztliche Versorgungsbedarf nicht ausreichend gedeckt sei. In diesen Fällen dürfe der Zulassungsausschuss auch den der hausärztlichen Versorgung zugeordneten Kinderärzten und Internisten - zeitlich begrenzt - die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung genehmigen, um so dem Sicherstellungsauftrag gerecht zu werden. Das Bundessozialgericht habe diese Ausnahmeregelung als durch einen ausreichenden sachlichen Grund gerechtfertigt angesehen (Urteil vom 28.10.2009, a. a. O. m. w. N.). Der Gesetzgeber habe die Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung allerdings dem Zulassungsausschuss vorbehalten, um so die aus Gründen der Qualitätssicherung im Einzelfall notwendige Beurteilung der fachlichen Eignung der zur vorübergehenden fachärztlichen Versorgung zugelassenen Kinderärzte zu gewährleisten. Dementsprechend habe der Beklagte seine Entscheidung auch bis zum 31.12.2013 befristet. Damit sei eine erneute Überprüfung der Bedarfslage vor einer Entscheidung über die erneute Verlängerung der Ausnahmegenehmigung gewährleistet. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 a SGB V seien somit erfüllt, so dass die Entscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden sei. Insbesondere könne die Klägerin der Rechtmäßigkeit der Durchführungsgenehmigung nicht die Regelungen des EBM entgegenhalten. Dies sei der Klägerin sowohl vom Sozialgericht als auch vom Landessozialgericht in den im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen und im Tatbestand benannten Beschlüssen ausführlich, folgerichtig und nachvollziehbar erläutert worden. Darauf werde zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, zumal die Klägerin auch nach Ergehen des Beschlusses des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 04.09.2012 ohne ein entscheidungserhebliches neues Argument an ihrer bisherigen Begründung stereotyp festhalte. Soweit die Klägerin aus der Norm zum EBM in § 87 Abs. 2a SGB V eine § 73 Abs. 1 a SGB V einschränkende Auslegung herzuleiten versuche, müsse auch dieses Vorbringen scheitern. Denn § 87 Abs. 2a SGB V habe lediglich die Vorgaben in § 73 SGB V umzusetzen, sei dieser Regelung gegenüber also als nachrangig anzusehen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.12.2011, B 6 KA 31/10 R, Juris Rn. 14, 15). Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2012, der vom Bundessozialgericht im Verfahren B 6 KA 40/07 R (Urteil vom 09.04.2008, Juris) zu beurteilende Fall habe einen angestellten Krankenhausarzt betroffen, hier gehe es um einen niedergelassenen Kinderarzt -, habe das Gericht nach mit Rechtsfolgenhinweis versehener letzter Fristsetzung zu neuem Sachvortrag (06.12.2012) nach § 106a Abs. 3 SGG als verspätet zurückweisen dürfen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 02.01.2013 zugestellte Urteil am 01.02.2013 Berufung eingelegt. Sie hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, der Beklagte dürfe keine Genehmigung nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V erteilen, wenn der entsprechende Antragsteller nicht über die formell im EBM geforderten speziellen Qualifikationen verfüge. Der Beklagte sei an den EBM gebunden und könne sich nicht über die EBM-Bestimmungen bei Erteilung der Genehmigungen nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V hinwegsetzen. Sie verweist nochmals auf das Urteil des BSG vom 09.04.2008 - B 6 KA 40/07 R -, in dem die Frage, ob einem Krankenhausarzt eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für Leistungen erteilt werden dürfe, die an bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen nach dem EBM geknüpft seien, über die der zu ermächtigende/antragstellende Krankenhausarzt aber nicht verfüge, verneint worden sei. Die rechtlichen Ausführungen des BSG in den Entscheidungsgründen seien auf den vorliegenden Fall übertragbar und bestätigten die Rechtsauffassung der Klägerin. Das Sozialgericht habe diesen Vortrag zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. Es habe sich nicht um neuen Tatsachenvortrag gehandelt, sondern um rechtliche Ausführungen unter Hinweis auf das Urteil des BSG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 18.12.2012 und den Bescheid des Beklagten- vom 26.07.2011/Beschluss vom 25.05.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über ihren Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung sei durch einen Rechtsirrtum beeinflusst und setze sich nicht mit den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und im Beschluss des LSG auseinander. Wenn die Klägerin aus dem Urteil des BSG vom 09.04.2008 - B 6 KA 40/07 R - ableiten wolle, dass die in den ergangenen Entscheidungen geäußerte Reichweite des § 73 Abs. 1a SGB V widerlegt sei, so treffe dies nicht zu. Das Gegenteil sei der Fall. Das Urteil des BSG vom 09.04.2008 betreffe ausschließlich Ärzte die gemäß § 116 SGB V als ermächtigte Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung als Ausnahmetatbestand teilnehmen würden. Für diese gelte § 73 Abs. 1a SGBV gerade nicht. Die Auffassung der Klägerin hätte in der Konsequenz zur Folge, dass § 73 Abs. 1a SGB V seine Berechtigung verliere.

Der Beigeladene Ziff. 6 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung lasse eine Auseinandersetzung mit den bereits in der ersten Instanz und im vorläufigen Rechtschutzverfahren ergangenen Entscheidungen vermissen. Die Klägerin wiederhole lediglich erneut die von ihr bisher vertretene Rechtsauffassung. Dabei verkenne sie, dass § 87 Abs. 2a Satz 3 SGB V dem Bewertungsausschuss nicht die Kompetenz gebe, § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V zu erweitern oder auszuhebeln. § 73 Abs. 1 a Satz 3 SGB V schränke vielmehr umgekehrt den Spielraum des Bewertungsausschusses ein. Die Entscheidung des BSG zum Az. B 6 KA 22/08 R sei schon deshalb vom Sachverhalt nicht vergleichbar, weil sie einen Allgemeinarzt betreffe, der in § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V gerade nicht aufgeführt sei. Das BSG habe in dieser Entscheidung auch keine abschließende Kompetenzzuweisung an den Bewertungsausschuss im Hinblick auf einen Statusakt nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V konstatiert, sondern dies auf die vom dortigen Kläger begehrte Abrechnungsgenehmigung bezogen. Die Kompetenz des Zulassungsausschusses sei damit nicht erfasst worden. Das Urteil zum Az. B 6 KA 40/07 R trage ebenfalls wenig zur Sache bei. Verfahrensgegenstand sei dort die Ermächtigung an einen Krankenhausarzt nach § 116 SGB V, der gerade keine Ausnahmeregelung enthalte wie § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V. Dies sei vom dortigen Kläger gerade gerügt worden.

Mit Verfügung vom 03.04.2013 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Verfahrensweise sei auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gerichtsakten des Sozialgerichts zu den Aktenzeichen S 4 KA 3216/11 und S 4 KA 3593/11 ER sowie der Berufungsakte des Senats und der Akte des Beschwerdeverfahrens L 5 KA 4788/11 ER-B Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Senat hat seine Auffassung zu der Frage der Rechtmäßigkeit der Durchführungsgenehmigung fachärztlicher Leistungen im Rahmen der hausärztlichen Versorgung bereits in dem im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ergangenen Beschluss vom 04.09.2012 dargelegt und umfassend begründet. Er hat sich dabei auch mit der Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 (B 6 KA 22/08, Juris) auseinandergesetzt und dargelegt, dass das BSG in dieser Entscheidung die Gliederung des EBM in abrechenbare Leistungen für die Gruppe der Hausärzte einerseits und für die Gruppe der Fachärzte andererseits gerade nicht als ausnahmslos angesehen habe, sondern ausdrücklich anerkannt habe, dass Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen dürften, vorgesehen seien. Das Sozialgericht hat sich in seinem Urteil vom 18.12.2012 den Ausführungen des Senats angeschlossen. Die Klägerin hat weder im Klage- noch im Berufungsverfahren eine Änderung des Sachverhalts geltend gemacht, sondern lediglich erneut ihre - entgegenstehende - Rechtsauffassung bekräftigt, so dass der Senat zur Begründung auf die Gründe seines Beschlusses Bezug nimmt sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zu ergänzen ist lediglich noch Folgendes:

Soweit sich die Klägerin auf die Entscheidung des BSG vom 09.04.2008 - B 6 KA 40/07 beruft, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass diese einen anderen Sachverhalt betrifft. Es wurde - worauf bereits von Seiten des Beklagten und des Beigeladenen Ziff. 6 hingewiesen wurde - um eine Ermächtigung nach § 116 Satz 2 SGB V für die Erbringung u.a. pneumologischer Leistungen gestritten, die dem Kläger als Krankenhausarzt versagt worden war, weil er die nach dem EBM-Ä 2005 für die Abrechnung solcher Leistungen erforderliche Schwerpunktbezeichnung nicht hatte. Der Kläger hatte insoweit geltend gemacht, berufsrechtlich zur Erbringung derartiger Leistungen berechtigt zu sein und wollte die Forderung der Schwerpunktbezeichnung nur für die niedergelassenen Vertragsärzte gelten lassen. Anders als die gesetzliche Regelung über die Ermächtigung von Krankenhausärzten in § 116 Satz SGB V, die neben dem Versorgungsbedarf von den Krankenhausärzten lediglich eine abgeschlossene Weiterbildung fordert, ist in der im vorliegenden Fall streitgegenständlichen Ermächtigungsgrundlage des § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V ausdrücklich vorgesehen, dass die Durchführungsgenehmigung Kinderärzten und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung erteilt werden kann. Es findet sich mithin - anders als in § 116 SGB V - in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage eine Ausnahmeregelung zum Erfordernis der Schwerpunktbezeichnung. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Auffassung der Klägerin, dass die Durchführungsgenehmigung nicht erteilt werden dürfe, weil der Beigeladene Ziff. 6 - mangels Schwerpunktbezeichnung - nach dem EBM nicht zur Abrechnung der entsprechenden Leistungen berechtigt sei, zur Aushebelung der gesetzlichen Regelung des § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V führen würde. Der Senat hat in seinem Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aber bereits umfassend dargelegt, dass der Beigeladene Ziff. 6 aufgrund der Zulassungsentscheidung nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V - befristet - so gestellt wird, als wäre er ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunktbezeichnung. Dem hat die Abrechnungsberechtigung zu folgen und nicht umgekehrt. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 04.09.2012 wird daher nochmals Bezug genommen. Aus der Entscheidung des BSG vom 09.04.2008 ergibt sich ebenso wenig etwas Gegenteiliges wie aus dem sonstigen Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Berufung der Klägerin hatte deshalb keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Klägerin als der unterliegenden Partei sind auch die Kosten des Beigeladenen Ziff. 6 aufzuerlegen, da dies im Hinblick auf den von ihm im Berufungsverfahren gestellten Antrag und der Übernahme des damit verbundenen Kostenrisikos nach § 154 Abs. 3 VwGO der Billigkeit entspricht.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei der Regelstreitwert von 5.000 EUR für jedes Quartal des dreijährigen Genehmigungszeitraums maßgeblich ist, da sich das wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen Ziff. 6, dem das wirtschaftliche Interesse der Klägerin entspricht - an der Abrechnung der beiden neuropädiatrischen GNRN nicht arztgruppenspezifisch ermitteln lässt.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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