Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 225/11 WA
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 133/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hat ein Sozialgericht seine instanzielle Zuständigkeit bei einer Wiederaufnahmeklage stillschweigend bejaht, ist das Berufungsgericht hieran in analoger Anwendung von § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs 5 GVG gebunden.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.04.2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens Az: S 10 AL 443/05.
In der Zeit vom 09.12.1999 bis 23.01.2002 bezog der Kläger Übergangsgeld wegen der Durchführung einer berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme. Vom 13.01.2003 bis 13.10.2003 nahm er an einer von der Beklagten geförderten Maßnahme des Berufsförderungswerkes A-Stadt zur beruflichen Rehabilitation teil.
Gegen die mit Bescheid vom 05.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2004 verfügte Ablehnung seines Antrages auf Arbeitslosenhilfe hat der Kläger beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage erhoben (Az: S 4 AL 276/04). Zudem hat er geltend gemacht, sein Reha-Umschulungsverfahren zum Mikroelektroniker sei zu überprüfen und die Beklagte habe alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ihn wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern sowie ihm den Verdienstausfall seit Oktober 2003 zu erstatten. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger letzteres Begehren dahingehend umgestellt, dass er keinen Verdienstausfall, sondern Leistungen der Grundsicherung als Zuschuss, Darlehen o.ä. beanspruche.
Die neben der Arbeitslosenhilfe geltend gemachten Begehren hat das SG abgetrennt (Az: S 10 AL 443/05) und diese Klagen mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2009 abgewiesen. Der Antrag auf Überprüfung des im Jahr 2003 durchgeführten Rehabilitationsverfahrens sei unzulässig, nachdem ein entsprechender Überprüfungsantrag bei der Beklagten nicht gestellt worden sei und somit keine überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliege. Im Übrigen liege es am Kläger selbst, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, um in den Arbeitsprozess eingegliedert zu werden. Die Zahlung eines Verdienstausfalls oder entsprechenden Schadensersatzes sei ebenfalls nicht möglich, denn hierfür gebe es keine Grundlage im Sozialrecht. Die dagegen beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung (Az: L 10 AL 90/09) hat der Senat mit Urteil vom 22.07.2010 abgewiesen (Ziffer II.) und die im Berufungsverfahren erhobene Klage, die Beklagte zur Überprüfung des Rehabilitationsverfahrens für den Zeitraum 09.12.1999 bis 23.01.2002 sowie zur Erbringung von Leistungen zur Grundsicherung zu verurteilen, abgewiesen (Ziffer I.).
Am 21.12.2011 hat der Kläger beim SG die Wiederaufnahme des Klageverfahrens Az: S 10 AL 443/05 beantragt. Die Beklagte habe ihre Amtspflichten verletzt und den regionalen Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt. Sein Berufsvorschlag sei nicht gefördert worden. Der Begriff "Mikroelektroniker" sei seinerzeit nicht einmal im Computer der Beklagten geführt worden. Im Rahmen der weiteren Ausbildung seien zu wenig Stunden gefördert worden. Zudem sei ein Grundstudium Eingangsvoraussetzung. Diese Grundvoraussetzungen habe die Beklagte nicht geprüft und trotzdem gefördert. Deshalb sei die Zerstörung seiner Familie erfolgt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.04.2012 als unzulässig abgewiesen. Der Kläger habe keine neuen, bisher unbekannten Sachverhalte iSv § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorgetragen. Sein Vorbringen sei wiederholt in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewürdigt worden.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt und die Feststellung verschiedener Sachverhalte insbesondere im Hinblick auf die Vermittlung, Eingliederungsmaßnahmen, Arbeitslosenhilfe und Förderung beantragt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.04.2012 aufzuheben und das Verfahren S 10 AL 443/05 vor dem Sozialgericht Bayreuth wieder aufzunehmen.
Weiterhin beantragt er festzustellen, dass:
1. "die Vermittelbarkeit des Mikroelektronikers in den Einsatzgebiet 100 km von meinem Wohnort nicht ausreichend geprüft hat. Für die Auswahl gibt es Gesetze, gegen die verstoßen wurde."
2. "die Agentur für Arbeit eine Forderung einer Maßnahme verpflichtet wird, die einen gesundheitlich Berufsausübung in der Elektronik zulässt."
3. "die Einglieder Maßnahme des Berufsförderungswerk B-Stadt vom 13.01.03 bis 10.10.2003 unsachlich durchgeführt wurde."
4. "vom 11.10.2003 Arbeitslosenhilfe erstattet wird bis 08.02.2010 während der Zeit ohne Leistungsbezug."
5. "die Grundvoraussetzung die Hauptschule für die Umschulung zum Mikroelektroniker nicht zulässig war."
6. "die Agentur bei Rechtsanwälten die Berufsauswahl behinderten. L., R., M ..."
7. die Agentur widerrechtlich Unterhaltsansprüche für meine Kinder verhinderte."
8. "Arbeitsaufnahmen von Mitarbeiter der absichtlich verhindert und die Arbeitslosigkeit herbeigeführt wurden und zwar: Fr. P., Fr. W ..."
9. "die Agentur mich rückwirkend bei der AOK M. versichert."
10. "des ersten Leistungsbezug der Grundsicherung."
11. "der Zeiten für die Zuständigkeit zwischen Agentur und Jobcenter."
12. "die Agentur Arbeitgeber Sozialbetrug unterstützte."
13. "der Fehlförderung des jetzigen Arbeitgebers, weil sich meine Gesundheit in diesem Arbeitsverhältnis verschlechtert und die dauerhafte Arbeit in Elektronik verhindert wird. "
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung aus den vom SG angegebenen Gründen für zutreffend. Einer Klageerweiterung, die über den Wiederaufnahmeantrag hinausgehe, werde nicht zugestimmt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Az: S 10 AL 443/10 abgelehnt.
Streitgegenstand ist die Wiederaufnahme des Verfahrens Az: S 10 AL 443/10, das mit dem Urteil des Senats vom 22.07.2010 (Ziffer II.) abgeschlossen wurde (L 10 AL 90/09). Dahingehend ist der Antrag des Klägers zumindest sinngemäß auszulegen, denn er hat Berufung eingelegt und erstinstanzlich die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt. Statthafter Rechtsbehelf ist dabei die vom Kläger erhobene Wiederaufnahmeklage (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 179 Rn 2a). Da der Senat über die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 02.03.2009 im Berufungsverfahren L 10 AL 90/09 in der Sache mit Urteil vom 22.07.2010 (Ziffer II.) entschieden hat, ist für die Wiederaufnahmeklage grundsätzlich das LSG zuständig gewesen, § 584 Abs 1 ZPO (vgl. Leitherer aaO § 179 Rn 8). Allerdings ist der Senat an die vom SG stillschweigend bejahte eigene instanzielle Zuständigkeit gebunden. Insofern ist § 17a Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- i.V.m. § 98 Satz 1 SGG analog anzuwenden (siehe dazu Sächsiches LSG, Beschluss vom 10.07.2012 - L 7 SO 41/12 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2010 - L 7 AS 191/10 KL; Thüringer LSG, Beschluss vom 21.05.2012 - L 10 AL 41/10; BVerwG, Beschluss vom 08.01.2004 - 4 B 113/03 - alle zitiert nach juris; Leitherer aaO § 98 Rn 2), da es sich darin um einen allgemeinen Rechtsgedanken handelt, der auch für die instanzielle Zuständigkeit gilt. Der Rechtsuchende soll nicht durch die Streitigkeit verschiedener Gerichte über deren Zuständigkeit in seinem Rechtsschutz behindert werden. Der Kläger hat auch keine Vorabentscheidung über die Frage der Zuständigkeit beantragt oder die fehlende instanzielle Zuständigkeit des SG gerügt. Eine Prüfung der Zuständigkeit durch den Senat scheidet somit nach § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs 5 GVG aus (vgl auch BVerwG aaO).
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 179 Abs 1 SGG nur nach den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden. Dies erfolgt durch Nichtigkeitsklage, § 579 ZPO, und durch Restitutionsklage, § 578 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Klagen sind aber nicht erfüllt.
Gemäß § 579 Abs 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, (1.) wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; (2.) wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht wird; (3.) wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; (4.) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
Solche Anfechtungsgründe hat der Kläger weder behauptet noch dargelegt. Soweit aber ein Anfechtungsgrund iS des § 579 Abs 1 Nr 1 bis 4 ZPO nicht schlüssig behauptet wird, ist die Klage bereits nicht statthaft und damit unzulässig (vgl. Leitherer aaO § 179 Rdnr 9).
Die Voraussetzungen einer Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO sind ebenfalls nicht gegeben. Eine Restitutionsklage findet statt, wenn (1.) der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; (2.) eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; (3.) bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welchem das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; (4.) wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt wurde; (5.) ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; (6.) wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist; (7.) wenn die Partei (a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder (b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die ihr eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, (8.) wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Gemäß § 581 Abs 1 ZPO findet in den Fällen des § 580 Nr 1 bis 5 ZPO die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen kann.
Auch für die Zulassung der Restitutionsklage muss ein Restitutionsgrund schlüssig behauptet werden (vgl Leitherer aaO), was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist. Die vom Kläger behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten stellen keinesfalls einen Restitutionsgrund dar.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist auch nicht gemäß § 179 Abs 2 SGG statthaft. Es ist kein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.
Schließlich ist die Erweiterung der Berufung durch die 13 Feststellungsanträge nicht zulässig. Eine solche Klageänderung setzt die Einwilligung der Beklagten voraus oder sie müsste sachdienlich sein (§ 99 Abs 1, 2 SGG). Beides ist nicht der Fall. Die Beklagte hat sich nicht auf die geänderte Klage eingelassen. Sachdienlichkeit liegt ebenfalls nicht vor.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen und die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens Az: S 10 AL 443/05.
In der Zeit vom 09.12.1999 bis 23.01.2002 bezog der Kläger Übergangsgeld wegen der Durchführung einer berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme. Vom 13.01.2003 bis 13.10.2003 nahm er an einer von der Beklagten geförderten Maßnahme des Berufsförderungswerkes A-Stadt zur beruflichen Rehabilitation teil.
Gegen die mit Bescheid vom 05.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2004 verfügte Ablehnung seines Antrages auf Arbeitslosenhilfe hat der Kläger beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage erhoben (Az: S 4 AL 276/04). Zudem hat er geltend gemacht, sein Reha-Umschulungsverfahren zum Mikroelektroniker sei zu überprüfen und die Beklagte habe alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ihn wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern sowie ihm den Verdienstausfall seit Oktober 2003 zu erstatten. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger letzteres Begehren dahingehend umgestellt, dass er keinen Verdienstausfall, sondern Leistungen der Grundsicherung als Zuschuss, Darlehen o.ä. beanspruche.
Die neben der Arbeitslosenhilfe geltend gemachten Begehren hat das SG abgetrennt (Az: S 10 AL 443/05) und diese Klagen mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2009 abgewiesen. Der Antrag auf Überprüfung des im Jahr 2003 durchgeführten Rehabilitationsverfahrens sei unzulässig, nachdem ein entsprechender Überprüfungsantrag bei der Beklagten nicht gestellt worden sei und somit keine überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliege. Im Übrigen liege es am Kläger selbst, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, um in den Arbeitsprozess eingegliedert zu werden. Die Zahlung eines Verdienstausfalls oder entsprechenden Schadensersatzes sei ebenfalls nicht möglich, denn hierfür gebe es keine Grundlage im Sozialrecht. Die dagegen beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung (Az: L 10 AL 90/09) hat der Senat mit Urteil vom 22.07.2010 abgewiesen (Ziffer II.) und die im Berufungsverfahren erhobene Klage, die Beklagte zur Überprüfung des Rehabilitationsverfahrens für den Zeitraum 09.12.1999 bis 23.01.2002 sowie zur Erbringung von Leistungen zur Grundsicherung zu verurteilen, abgewiesen (Ziffer I.).
Am 21.12.2011 hat der Kläger beim SG die Wiederaufnahme des Klageverfahrens Az: S 10 AL 443/05 beantragt. Die Beklagte habe ihre Amtspflichten verletzt und den regionalen Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt. Sein Berufsvorschlag sei nicht gefördert worden. Der Begriff "Mikroelektroniker" sei seinerzeit nicht einmal im Computer der Beklagten geführt worden. Im Rahmen der weiteren Ausbildung seien zu wenig Stunden gefördert worden. Zudem sei ein Grundstudium Eingangsvoraussetzung. Diese Grundvoraussetzungen habe die Beklagte nicht geprüft und trotzdem gefördert. Deshalb sei die Zerstörung seiner Familie erfolgt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.04.2012 als unzulässig abgewiesen. Der Kläger habe keine neuen, bisher unbekannten Sachverhalte iSv § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorgetragen. Sein Vorbringen sei wiederholt in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewürdigt worden.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt und die Feststellung verschiedener Sachverhalte insbesondere im Hinblick auf die Vermittlung, Eingliederungsmaßnahmen, Arbeitslosenhilfe und Förderung beantragt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.04.2012 aufzuheben und das Verfahren S 10 AL 443/05 vor dem Sozialgericht Bayreuth wieder aufzunehmen.
Weiterhin beantragt er festzustellen, dass:
1. "die Vermittelbarkeit des Mikroelektronikers in den Einsatzgebiet 100 km von meinem Wohnort nicht ausreichend geprüft hat. Für die Auswahl gibt es Gesetze, gegen die verstoßen wurde."
2. "die Agentur für Arbeit eine Forderung einer Maßnahme verpflichtet wird, die einen gesundheitlich Berufsausübung in der Elektronik zulässt."
3. "die Einglieder Maßnahme des Berufsförderungswerk B-Stadt vom 13.01.03 bis 10.10.2003 unsachlich durchgeführt wurde."
4. "vom 11.10.2003 Arbeitslosenhilfe erstattet wird bis 08.02.2010 während der Zeit ohne Leistungsbezug."
5. "die Grundvoraussetzung die Hauptschule für die Umschulung zum Mikroelektroniker nicht zulässig war."
6. "die Agentur bei Rechtsanwälten die Berufsauswahl behinderten. L., R., M ..."
7. die Agentur widerrechtlich Unterhaltsansprüche für meine Kinder verhinderte."
8. "Arbeitsaufnahmen von Mitarbeiter der absichtlich verhindert und die Arbeitslosigkeit herbeigeführt wurden und zwar: Fr. P., Fr. W ..."
9. "die Agentur mich rückwirkend bei der AOK M. versichert."
10. "des ersten Leistungsbezug der Grundsicherung."
11. "der Zeiten für die Zuständigkeit zwischen Agentur und Jobcenter."
12. "die Agentur Arbeitgeber Sozialbetrug unterstützte."
13. "der Fehlförderung des jetzigen Arbeitgebers, weil sich meine Gesundheit in diesem Arbeitsverhältnis verschlechtert und die dauerhafte Arbeit in Elektronik verhindert wird. "
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung aus den vom SG angegebenen Gründen für zutreffend. Einer Klageerweiterung, die über den Wiederaufnahmeantrag hinausgehe, werde nicht zugestimmt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Az: S 10 AL 443/10 abgelehnt.
Streitgegenstand ist die Wiederaufnahme des Verfahrens Az: S 10 AL 443/10, das mit dem Urteil des Senats vom 22.07.2010 (Ziffer II.) abgeschlossen wurde (L 10 AL 90/09). Dahingehend ist der Antrag des Klägers zumindest sinngemäß auszulegen, denn er hat Berufung eingelegt und erstinstanzlich die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt. Statthafter Rechtsbehelf ist dabei die vom Kläger erhobene Wiederaufnahmeklage (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 179 Rn 2a). Da der Senat über die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 02.03.2009 im Berufungsverfahren L 10 AL 90/09 in der Sache mit Urteil vom 22.07.2010 (Ziffer II.) entschieden hat, ist für die Wiederaufnahmeklage grundsätzlich das LSG zuständig gewesen, § 584 Abs 1 ZPO (vgl. Leitherer aaO § 179 Rn 8). Allerdings ist der Senat an die vom SG stillschweigend bejahte eigene instanzielle Zuständigkeit gebunden. Insofern ist § 17a Abs 1 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- i.V.m. § 98 Satz 1 SGG analog anzuwenden (siehe dazu Sächsiches LSG, Beschluss vom 10.07.2012 - L 7 SO 41/12 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2010 - L 7 AS 191/10 KL; Thüringer LSG, Beschluss vom 21.05.2012 - L 10 AL 41/10; BVerwG, Beschluss vom 08.01.2004 - 4 B 113/03 - alle zitiert nach juris; Leitherer aaO § 98 Rn 2), da es sich darin um einen allgemeinen Rechtsgedanken handelt, der auch für die instanzielle Zuständigkeit gilt. Der Rechtsuchende soll nicht durch die Streitigkeit verschiedener Gerichte über deren Zuständigkeit in seinem Rechtsschutz behindert werden. Der Kläger hat auch keine Vorabentscheidung über die Frage der Zuständigkeit beantragt oder die fehlende instanzielle Zuständigkeit des SG gerügt. Eine Prüfung der Zuständigkeit durch den Senat scheidet somit nach § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs 5 GVG aus (vgl auch BVerwG aaO).
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 179 Abs 1 SGG nur nach den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden. Dies erfolgt durch Nichtigkeitsklage, § 579 ZPO, und durch Restitutionsklage, § 578 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Klagen sind aber nicht erfüllt.
Gemäß § 579 Abs 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, (1.) wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; (2.) wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht wird; (3.) wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; (4.) wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach den Vorschriften der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
Solche Anfechtungsgründe hat der Kläger weder behauptet noch dargelegt. Soweit aber ein Anfechtungsgrund iS des § 579 Abs 1 Nr 1 bis 4 ZPO nicht schlüssig behauptet wird, ist die Klage bereits nicht statthaft und damit unzulässig (vgl. Leitherer aaO § 179 Rdnr 9).
Die Voraussetzungen einer Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO sind ebenfalls nicht gegeben. Eine Restitutionsklage findet statt, wenn (1.) der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; (2.) eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; (3.) bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welchem das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; (4.) wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt wurde; (5.) ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; (6.) wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist; (7.) wenn die Partei (a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder (b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die ihr eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, (8.) wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Gemäß § 581 Abs 1 ZPO findet in den Fällen des § 580 Nr 1 bis 5 ZPO die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen kann.
Auch für die Zulassung der Restitutionsklage muss ein Restitutionsgrund schlüssig behauptet werden (vgl Leitherer aaO), was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist. Die vom Kläger behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten stellen keinesfalls einen Restitutionsgrund dar.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist auch nicht gemäß § 179 Abs 2 SGG statthaft. Es ist kein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.
Schließlich ist die Erweiterung der Berufung durch die 13 Feststellungsanträge nicht zulässig. Eine solche Klageänderung setzt die Einwilligung der Beklagten voraus oder sie müsste sachdienlich sein (§ 99 Abs 1, 2 SGG). Beides ist nicht der Fall. Die Beklagte hat sich nicht auf die geänderte Klage eingelassen. Sachdienlichkeit liegt ebenfalls nicht vor.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen und die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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