Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 650/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 325/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zeiten der Freistellung ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts stellen keine Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses i.S.v. §§ 24 f. SGB III dar.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.10.2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 16.07.2008 im Hinblick auf die Erfüllung der Anwartschaftszeit.
Der Kläger war vom 01.08.1979 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses am 22.02.2008 zum 31.03.2008 gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 40.000 EUR bei der Fa. S. AG (S.) beschäftigt. Am 16.07.2008 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Dabei gab er an, er sei die letzten 14 Monate in Untersuchungshaft gewesen und habe nicht gearbeitet. In der Arbeitsbescheinigung ist für die Abrechnungszeiträume bis 31.05.2007 sowie für Januar 2008, nicht aber für die Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 der Erhalt von Arbeitsentgelt bescheinigt.
Mit Bescheid vom 21.08.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg ab. Der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 16.07.2008 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Mit seinem Widerspruch dagegen führte der Kläger aus, er habe stets seine Versicherungsbeiträge entrichtet, weshalb es unverhältnismäßig sei, wenn nunmehr aufgrund von rund 20 Fehltagen Leistungen verweigert würden. Auf Anfrage der Beklagten teilte S. mit, die Zahlungen für Januar 2008 stellten eine Gewinnbeteiligung dar. Es sei vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 kein Arbeitsentgelt gezahlt worden, da der Kläger ohne Bezüge von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2008 wies die Beklagte darauf den Widerspruch zurück. In der Rahmenfrist sei der Kläger insgesamt nur 309 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Mangels Zahlung von Arbeitsentgelt sei vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 die Versicherungspflicht unterbrochen gewesen.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er sei ab dem 21.05.2007 wegen seiner Untersuchungshaft von der Arbeit freigestellt gewesen und habe zunächst auch kein Entgelt erhalten. Nach § 7 Abs 3 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestehe das Arbeitsverhältnis für einen Monat fort und für Januar 2008 sei Arbeitsentgelt bezahlt worden. Er habe 370 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und die Anwartschaftszeit erfüllt. Auf Anfrage des SG hat S. mitgeteilt, die Auszahlungen im Januar 2008 seien nach der "Märzklausel" beitragsrechtlich dem Dezember 2007 zuzurechnen. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, nach der sog. "Märzklausel" (§ 23a Abs 4 SGB IV) handle es sich um eine Einmalzahlung und nicht um Arbeitsentgelt für eine im Januar 2008 ausgeübte Beschäftigung.
Mit Urteil vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar setze ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus, es sei aber die fortlaufende Zahlung des Arbeitsentgelts notwendig. Damit habe der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Jahreszahlung stelle ein variables Zieleinkommen dar, das Bestandteil des Grundgehaltes sei. Er habe in der JVA täglich für seinen Arbeitgeber gearbeitet, wenngleich er seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch nicht voll erfüllt habe. Dies sei nicht nur aus eigenem Interesse erfolgt, sondern auch weil man ihn darum gebeten habe, wie sich aus der Aktennotiz der Kriminalpolizei über die Herausgabe des sichergestellten Laptops ergebe. Er habe seine Arbeitszeiten selbst frei bestimmen können. Das im Januar 2008 gezahlte Arbeitsentgelt, von dem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, sei zu berücksichtigen. Um eine laufende Gehaltszahlung während der Zeit in der JVA habe er sich nicht weiter gekümmert. Trotz der Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenversicherung, die über den Höchstbeiträgen gelegen habe, seien diese weder berücksichtigt noch erstattet worden. Er habe seit über 25 Jahren Versicherungsbeiträge geleistet, ohne jemals Versicherungsleistungen in Anspruch genommen zu haben. Ein entsprechender privatwirtschaftlicher Versicherungsvertrag sei sittenwidrig und die Berechnungszeiten seien einseitig zum Nachteil der Versicherten geändert worden. Es sei gegen den Gleichheitssatz verstoßen worden, da Versicherte mit kurzen Anwartschaftszeiten besser gestellt würden, als langjährig versicherte Beitragszahler. Auch befristet Beschäftigte würden bevorzugt.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des aufzuheben,
2. Die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab dem 16.07.2008 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Weiterhin beantragt er sinngemäß:
die Beklagte zu verurteilen, die zu Unrecht geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger sei ab 21.05.2007 ohne Entgeltzahlung von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen und habe auch tatsächlich in der Zeit kein Arbeitsentgelt erhalten. Das Beschäftigungsverhältnis ende mit der Inhaftierung. Einer Klageerweiterung/-änderung werde nicht zugestimmt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz im streitgegenständlichen Verfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 21.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Soweit der Kläger zuletzt auch die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung begehrt, war die Klage mangels zulässiger Klageänderung abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg ab dem 16.07.2008. Dieser setzt nach § 118 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.d.F. des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) Arbeitslosigkeit (Nr 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Der Kläger hat insofern die für einen Anspruch auf Alg ab 16.07.2008 notwendige Anwartschaftszeit i.S.v. § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III nicht erfüllt.
Nach § 123 Satz 1 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2003 hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. In der sich hieraus ergebenden Rahmenfrist vom 16.07.2006 bis 15.07.2008 hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zwar bestand im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis bei S. ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 16.07.2006 bis 20.05.2007, mithin für 309 Kalendertage, jedoch wird die Mindestzeit von zwölf Monaten unabhängig davon nicht erreicht, ob das Beschäftigungsverhältnis ab der Freistellung vom 21.05.2007 fiktiv für einen Monat als fortbestehend i.S.v. § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV anzusehen wäre.
Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses (§ 24 SGB III) sind insbesondere Zeiten, in denen eine mehr als geringfügige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt (§ 25 Abs 1 SGB III i.V.m. § 27 Abs 2 SGB III). Unerheblich ist dabei, ob Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind oder nicht (vgl. Brand in: Brand, SGB III, 6.Aufl., § 142 Rn 5). Im Hinblick darauf, dass der Kläger in der Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 ohne die Zahlung von Arbeitsentgelt freigestellt gewesen ist, liegt ein solches Versicherungspflichtverhältnis für diesen Zeitraum nicht vor. Nur die abhängige Beschäftigung gegen Entgelt führt nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III zur Versicherungspflicht (vgl auch Brand aaO § 25 Rn 34). Arbeitsentgelte sind nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht und in welcher Beziehung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Ein solches Arbeitsentgelt hat der Kläger im Zeitraum vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 nicht bezogen. Er war nach Auskunft von S. während seiner Untersuchungshaft wegen entschuldigten Fehlens ohne Arbeitsentgelt von der Arbeitsleistung freigestellt. Auch der Kläger selbst gibt an, für diese Zeit kein laufendes Einkommen erhalten zu haben. Nichts anderes gilt für die von S. an den Kläger geleistete Zahlung im Januar 2008, die der Kläger als Arbeitsentgelt im o.g. Sinne ansehen möchte. Wie sich aus den Auskünften der S. vom 09.10.2008 und 17.03.2011 ergibt, handelte es sich bei dieser Zahlung um eine Gewinnbeteiligung, die nach der "Märzklausel" beitragsrechtlich dem Dezember 2007 zuzurechnen ist und bei der es sich um eine einmalige Einnahme handelt, die in Bezug auf einen bestimmten Abrechnungszeitraum steht (vgl. dazu Sebald in: Kasseler Kommentar, § 14 SGB IV Rn 62, Stand: 08/2008) und damit der im Jahr 2007 geleisteten Arbeit (bis einschließlich 20.05.2007) zuzurechnen ist. S. hat auch ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger in der Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 ohne Arbeitsentgelt freigestellt gewesen und auch kein laufendes Arbeitsentgelt gezahlt worden ist.
Auch die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungszahlung in Höhe von 40.000 EUR stellt kein Arbeitsentgelt für die Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 dar. Eine entsprechende Vereinbarung ist in den Aufhebungsvertrag nicht aufgenommen worden und sie drängt sich auch nicht auf, denn die Höhe der Abfindung von 40.000 EUR liegt weit unter einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr bei S. Zudem wurden mit dem Aufhebungsvertrag in keinster Weise etwaige Kündigungsfristen berücksichtigt, da der Vertrag am 22.02.2008 geschlossen wurde und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 31.03.2008 geregelt hat. S. hat mit der Abfindung auch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist abgegolten.
Im Übrigen hat das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei S. durch die Freistellung des Klägers ab 21.05.2007 nicht mehr bestanden. Zwar besteht das Beschäftigungsverhältnis trotz fehlender Arbeitsleistung fort, wenn der Arbeitnehmer noch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist und das Entgelt weitergezahlt wird. Vorliegend handelt es sich aber um eine Arbeitsunterbrechung ohne Entgeltfortzahlung, womit es an der Grundvoraussetzung der Versicherungspflicht fehlt (vgl. dazu Fuchs in: Gagel, SGB II/ SGB III, 48. Erg.Lieferung, § 24 SGB III Rn 14). Der Kläger hat seine Arbeit nach Entlassung aus der Untersuchungshaft nicht mehr aufgenommen, vielmehr das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag zum 31.03.2008 beendet. In der Zeit der Untersuchungshaft ist das Beschäftigungsverhältnis auch nicht im Sinne einer versicherungspflichtigen Beschäftigung fortgesetzt worden. Soweit der Kläger vorträgt, er habe in der JVA täglich für S. gearbeitet, erscheint dies einerseits widersprüchlich zur Angabe bei der Beantragung von Alg, es sei in der JVA nicht gearbeitet worden, zum anderen hat der Kläger im Erörterungstermin selbst eingeräumt, er habe seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen in dieser Zeit nicht voll erfüllen können. Letztlich ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass er trotz täglicher Erbringung von Arbeitsleistung auf die Entgeltzahlung, auf die konsequenterweise dann ein Anspruch bestanden hätte, verzichtet hat.
Die im Gesetz genannten Fälle, in denen vom Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses trotz Freistellung ausgegangen werden kann, liegen nicht vor. Nach der Sonderregelung des § 7 Abs 1a SGB IV besteht eine Beschäftigung auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b SGB IV fällig ist und das monatliche Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Monate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Im Umkehrschluss kann damit davon ausgegangen werden, dass ein Beschäftigungsverhältnis in anderen Fällen der Freistellung von der Arbeitsleistung gerade nicht angenommen werden kann. Die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 SGB IV liegen ebenso nicht vor. Danach gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Daraus folgt ebenso im Umkehrschluss, dass - wie vorliegend - in Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt länger als einem Monat fortdauert, jedenfalls eine darüber hinausgehende Berücksichtigung einer Beschäftigung nicht erfolgen kann.
Die Notwendigkeit der Erfüllung der Anwartschaftszeiten nach §§ 123 f SGB III als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg ist zur Überzeugung des Senats auch nicht verfassungswidrig. Ansprüche aus der Sozialversicherung genießen Eigentumsschutz, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und der Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 69, 272, 301, 304; 92, 365, 405). Der Anspruch auf Alg unterfällt diesem Schutz, weil er auf Beiträgen des Versicherten beruht und seiner Existenzsicherung für einen gewissen Zeitraum seiner Arbeitslosigkeit dient. Dem Eigentumsschutz unterfällt aber nicht nur der bereits erworbene Anspruch auf Alg, sondern auch das entsprechende Anwartschaftsrecht (vgl. BVerfGE 74, 203, 213), d.h. zum Erwerb des Anspruches auf Alg fehlt nur der Eintritt der Arbeitslosigkeit. Durch die Bestimmung, dass nur derjenige die Anwartschaftszeit erfüllt, der zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, soll sichergestellt werden, dass Leistungen nur demjenigen gewährt werden können, der eine engere Beziehung zur Arbeitslosenversicherung besitzt (Brand aaO § 142 Rn 3). Insofern bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Lauer in: Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB III, 5.Aufl., § 143 Rn 17). Der Gesetzgeber hat von seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums Gebrauch gemacht. Er ist grundsätzlich befugt, in das Leistungsgefüge des Sozialrechts ordnend einzugreifen und eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts ist zu verneinen, wenn der gesetzliche Eingriff (hier der Wegfall des Leistungsanspruchs bei Nichterfüllung der Anwartschaftszeit innerhalb der Rahmenfrist) durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Vorliegend ist dies zu bejahen, andernfalls wäre bei einer zeitlich unbeschränkten Leistungsverpflichtung aufgrund erfolgter Beitragszahlung die Finanzierbarkeit der Arbeitslosenversicherung gefährdet (LSG Saarland, Urteil vom 16.07.2004 - L 8 AL 40/03 - juris).
Im Ergebnis hat der Kläger damit unter keinerlei Gesichtspunkten die notwendige Anwartschaftszeit von mindestens zwölf Monaten innerhalb der Rahmenfrist vom 16.07.2006 bis 15.07.2008 erfüllt. Er hat keinen Anspruch auf Alg ab dem 16.07.2008. Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Schließlich ist die Erweiterung der Berufung durch die Klage auf Erstattung (angeblich) zu Unrecht erhobener Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht zulässig. Eine solche Klageänderung gemäß § 99 Abs 1, 2 SGG setzt die Einwilligung der Beklagten oder die Sachdienlichkeit voraus. Beides liegt nicht vor. Die Beklagte hat sich nicht auf die geänderte Klage eingelassen. Eine Entscheidung über den Antrag ist auch nicht sachdienlich. Ein solch enger Zusammenhang mit dem bisherigen Streitgegenstand, dem Anspruch auf Alg ab 16.07.2008, dass unter prozessökonomischen Gründen ohne weiteres mit über die geforderte Beitragserstattung entschieden werden könnte, besteht nicht. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 16.07.2008 im Hinblick auf die Erfüllung der Anwartschaftszeit.
Der Kläger war vom 01.08.1979 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses am 22.02.2008 zum 31.03.2008 gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 40.000 EUR bei der Fa. S. AG (S.) beschäftigt. Am 16.07.2008 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Dabei gab er an, er sei die letzten 14 Monate in Untersuchungshaft gewesen und habe nicht gearbeitet. In der Arbeitsbescheinigung ist für die Abrechnungszeiträume bis 31.05.2007 sowie für Januar 2008, nicht aber für die Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 der Erhalt von Arbeitsentgelt bescheinigt.
Mit Bescheid vom 21.08.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg ab. Der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 16.07.2008 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Mit seinem Widerspruch dagegen führte der Kläger aus, er habe stets seine Versicherungsbeiträge entrichtet, weshalb es unverhältnismäßig sei, wenn nunmehr aufgrund von rund 20 Fehltagen Leistungen verweigert würden. Auf Anfrage der Beklagten teilte S. mit, die Zahlungen für Januar 2008 stellten eine Gewinnbeteiligung dar. Es sei vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 kein Arbeitsentgelt gezahlt worden, da der Kläger ohne Bezüge von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2008 wies die Beklagte darauf den Widerspruch zurück. In der Rahmenfrist sei der Kläger insgesamt nur 309 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Mangels Zahlung von Arbeitsentgelt sei vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 die Versicherungspflicht unterbrochen gewesen.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er sei ab dem 21.05.2007 wegen seiner Untersuchungshaft von der Arbeit freigestellt gewesen und habe zunächst auch kein Entgelt erhalten. Nach § 7 Abs 3 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestehe das Arbeitsverhältnis für einen Monat fort und für Januar 2008 sei Arbeitsentgelt bezahlt worden. Er habe 370 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und die Anwartschaftszeit erfüllt. Auf Anfrage des SG hat S. mitgeteilt, die Auszahlungen im Januar 2008 seien nach der "Märzklausel" beitragsrechtlich dem Dezember 2007 zuzurechnen. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, nach der sog. "Märzklausel" (§ 23a Abs 4 SGB IV) handle es sich um eine Einmalzahlung und nicht um Arbeitsentgelt für eine im Januar 2008 ausgeübte Beschäftigung.
Mit Urteil vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar setze ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus, es sei aber die fortlaufende Zahlung des Arbeitsentgelts notwendig. Damit habe der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Jahreszahlung stelle ein variables Zieleinkommen dar, das Bestandteil des Grundgehaltes sei. Er habe in der JVA täglich für seinen Arbeitgeber gearbeitet, wenngleich er seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch nicht voll erfüllt habe. Dies sei nicht nur aus eigenem Interesse erfolgt, sondern auch weil man ihn darum gebeten habe, wie sich aus der Aktennotiz der Kriminalpolizei über die Herausgabe des sichergestellten Laptops ergebe. Er habe seine Arbeitszeiten selbst frei bestimmen können. Das im Januar 2008 gezahlte Arbeitsentgelt, von dem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, sei zu berücksichtigen. Um eine laufende Gehaltszahlung während der Zeit in der JVA habe er sich nicht weiter gekümmert. Trotz der Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenversicherung, die über den Höchstbeiträgen gelegen habe, seien diese weder berücksichtigt noch erstattet worden. Er habe seit über 25 Jahren Versicherungsbeiträge geleistet, ohne jemals Versicherungsleistungen in Anspruch genommen zu haben. Ein entsprechender privatwirtschaftlicher Versicherungsvertrag sei sittenwidrig und die Berechnungszeiten seien einseitig zum Nachteil der Versicherten geändert worden. Es sei gegen den Gleichheitssatz verstoßen worden, da Versicherte mit kurzen Anwartschaftszeiten besser gestellt würden, als langjährig versicherte Beitragszahler. Auch befristet Beschäftigte würden bevorzugt.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des aufzuheben,
2. Die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab dem 16.07.2008 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Weiterhin beantragt er sinngemäß:
die Beklagte zu verurteilen, die zu Unrecht geleisteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger sei ab 21.05.2007 ohne Entgeltzahlung von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen und habe auch tatsächlich in der Zeit kein Arbeitsentgelt erhalten. Das Beschäftigungsverhältnis ende mit der Inhaftierung. Einer Klageerweiterung/-änderung werde nicht zugestimmt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz im streitgegenständlichen Verfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 21.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Soweit der Kläger zuletzt auch die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung begehrt, war die Klage mangels zulässiger Klageänderung abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg ab dem 16.07.2008. Dieser setzt nach § 118 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.d.F. des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) Arbeitslosigkeit (Nr 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Der Kläger hat insofern die für einen Anspruch auf Alg ab 16.07.2008 notwendige Anwartschaftszeit i.S.v. § 118 Abs 1 Nr 3 SGB III nicht erfüllt.
Nach § 123 Satz 1 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2003 hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. In der sich hieraus ergebenden Rahmenfrist vom 16.07.2006 bis 15.07.2008 hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Zwar bestand im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis bei S. ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis für die Zeit vom 16.07.2006 bis 20.05.2007, mithin für 309 Kalendertage, jedoch wird die Mindestzeit von zwölf Monaten unabhängig davon nicht erreicht, ob das Beschäftigungsverhältnis ab der Freistellung vom 21.05.2007 fiktiv für einen Monat als fortbestehend i.S.v. § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV anzusehen wäre.
Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses (§ 24 SGB III) sind insbesondere Zeiten, in denen eine mehr als geringfügige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt (§ 25 Abs 1 SGB III i.V.m. § 27 Abs 2 SGB III). Unerheblich ist dabei, ob Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind oder nicht (vgl. Brand in: Brand, SGB III, 6.Aufl., § 142 Rn 5). Im Hinblick darauf, dass der Kläger in der Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 ohne die Zahlung von Arbeitsentgelt freigestellt gewesen ist, liegt ein solches Versicherungspflichtverhältnis für diesen Zeitraum nicht vor. Nur die abhängige Beschäftigung gegen Entgelt führt nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III zur Versicherungspflicht (vgl auch Brand aaO § 25 Rn 34). Arbeitsentgelte sind nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht und in welcher Beziehung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Ein solches Arbeitsentgelt hat der Kläger im Zeitraum vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 nicht bezogen. Er war nach Auskunft von S. während seiner Untersuchungshaft wegen entschuldigten Fehlens ohne Arbeitsentgelt von der Arbeitsleistung freigestellt. Auch der Kläger selbst gibt an, für diese Zeit kein laufendes Einkommen erhalten zu haben. Nichts anderes gilt für die von S. an den Kläger geleistete Zahlung im Januar 2008, die der Kläger als Arbeitsentgelt im o.g. Sinne ansehen möchte. Wie sich aus den Auskünften der S. vom 09.10.2008 und 17.03.2011 ergibt, handelte es sich bei dieser Zahlung um eine Gewinnbeteiligung, die nach der "Märzklausel" beitragsrechtlich dem Dezember 2007 zuzurechnen ist und bei der es sich um eine einmalige Einnahme handelt, die in Bezug auf einen bestimmten Abrechnungszeitraum steht (vgl. dazu Sebald in: Kasseler Kommentar, § 14 SGB IV Rn 62, Stand: 08/2008) und damit der im Jahr 2007 geleisteten Arbeit (bis einschließlich 20.05.2007) zuzurechnen ist. S. hat auch ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger in der Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 ohne Arbeitsentgelt freigestellt gewesen und auch kein laufendes Arbeitsentgelt gezahlt worden ist.
Auch die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungszahlung in Höhe von 40.000 EUR stellt kein Arbeitsentgelt für die Zeit vom 21.05.2007 bis 31.03.2008 dar. Eine entsprechende Vereinbarung ist in den Aufhebungsvertrag nicht aufgenommen worden und sie drängt sich auch nicht auf, denn die Höhe der Abfindung von 40.000 EUR liegt weit unter einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr bei S. Zudem wurden mit dem Aufhebungsvertrag in keinster Weise etwaige Kündigungsfristen berücksichtigt, da der Vertrag am 22.02.2008 geschlossen wurde und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 31.03.2008 geregelt hat. S. hat mit der Abfindung auch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist abgegolten.
Im Übrigen hat das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei S. durch die Freistellung des Klägers ab 21.05.2007 nicht mehr bestanden. Zwar besteht das Beschäftigungsverhältnis trotz fehlender Arbeitsleistung fort, wenn der Arbeitnehmer noch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist und das Entgelt weitergezahlt wird. Vorliegend handelt es sich aber um eine Arbeitsunterbrechung ohne Entgeltfortzahlung, womit es an der Grundvoraussetzung der Versicherungspflicht fehlt (vgl. dazu Fuchs in: Gagel, SGB II/ SGB III, 48. Erg.Lieferung, § 24 SGB III Rn 14). Der Kläger hat seine Arbeit nach Entlassung aus der Untersuchungshaft nicht mehr aufgenommen, vielmehr das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag zum 31.03.2008 beendet. In der Zeit der Untersuchungshaft ist das Beschäftigungsverhältnis auch nicht im Sinne einer versicherungspflichtigen Beschäftigung fortgesetzt worden. Soweit der Kläger vorträgt, er habe in der JVA täglich für S. gearbeitet, erscheint dies einerseits widersprüchlich zur Angabe bei der Beantragung von Alg, es sei in der JVA nicht gearbeitet worden, zum anderen hat der Kläger im Erörterungstermin selbst eingeräumt, er habe seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen in dieser Zeit nicht voll erfüllen können. Letztlich ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass er trotz täglicher Erbringung von Arbeitsleistung auf die Entgeltzahlung, auf die konsequenterweise dann ein Anspruch bestanden hätte, verzichtet hat.
Die im Gesetz genannten Fälle, in denen vom Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses trotz Freistellung ausgegangen werden kann, liegen nicht vor. Nach der Sonderregelung des § 7 Abs 1a SGB IV besteht eine Beschäftigung auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b SGB IV fällig ist und das monatliche Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Monate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Im Umkehrschluss kann damit davon ausgegangen werden, dass ein Beschäftigungsverhältnis in anderen Fällen der Freistellung von der Arbeitsleistung gerade nicht angenommen werden kann. Die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 SGB IV liegen ebenso nicht vor. Danach gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Daraus folgt ebenso im Umkehrschluss, dass - wie vorliegend - in Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt länger als einem Monat fortdauert, jedenfalls eine darüber hinausgehende Berücksichtigung einer Beschäftigung nicht erfolgen kann.
Die Notwendigkeit der Erfüllung der Anwartschaftszeiten nach §§ 123 f SGB III als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg ist zur Überzeugung des Senats auch nicht verfassungswidrig. Ansprüche aus der Sozialversicherung genießen Eigentumsschutz, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und der Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 69, 272, 301, 304; 92, 365, 405). Der Anspruch auf Alg unterfällt diesem Schutz, weil er auf Beiträgen des Versicherten beruht und seiner Existenzsicherung für einen gewissen Zeitraum seiner Arbeitslosigkeit dient. Dem Eigentumsschutz unterfällt aber nicht nur der bereits erworbene Anspruch auf Alg, sondern auch das entsprechende Anwartschaftsrecht (vgl. BVerfGE 74, 203, 213), d.h. zum Erwerb des Anspruches auf Alg fehlt nur der Eintritt der Arbeitslosigkeit. Durch die Bestimmung, dass nur derjenige die Anwartschaftszeit erfüllt, der zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, soll sichergestellt werden, dass Leistungen nur demjenigen gewährt werden können, der eine engere Beziehung zur Arbeitslosenversicherung besitzt (Brand aaO § 142 Rn 3). Insofern bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Lauer in: Mutschler/Schmidt-de Caluwe/Coseriu, SGB III, 5.Aufl., § 143 Rn 17). Der Gesetzgeber hat von seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums Gebrauch gemacht. Er ist grundsätzlich befugt, in das Leistungsgefüge des Sozialrechts ordnend einzugreifen und eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts ist zu verneinen, wenn der gesetzliche Eingriff (hier der Wegfall des Leistungsanspruchs bei Nichterfüllung der Anwartschaftszeit innerhalb der Rahmenfrist) durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Vorliegend ist dies zu bejahen, andernfalls wäre bei einer zeitlich unbeschränkten Leistungsverpflichtung aufgrund erfolgter Beitragszahlung die Finanzierbarkeit der Arbeitslosenversicherung gefährdet (LSG Saarland, Urteil vom 16.07.2004 - L 8 AL 40/03 - juris).
Im Ergebnis hat der Kläger damit unter keinerlei Gesichtspunkten die notwendige Anwartschaftszeit von mindestens zwölf Monaten innerhalb der Rahmenfrist vom 16.07.2006 bis 15.07.2008 erfüllt. Er hat keinen Anspruch auf Alg ab dem 16.07.2008. Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Schließlich ist die Erweiterung der Berufung durch die Klage auf Erstattung (angeblich) zu Unrecht erhobener Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht zulässig. Eine solche Klageänderung gemäß § 99 Abs 1, 2 SGG setzt die Einwilligung der Beklagten oder die Sachdienlichkeit voraus. Beides liegt nicht vor. Die Beklagte hat sich nicht auf die geänderte Klage eingelassen. Eine Entscheidung über den Antrag ist auch nicht sachdienlich. Ein solch enger Zusammenhang mit dem bisherigen Streitgegenstand, dem Anspruch auf Alg ab 16.07.2008, dass unter prozessökonomischen Gründen ohne weiteres mit über die geforderte Beitragserstattung entschieden werden könnte, besteht nicht. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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