Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 17 AS 3511/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 67/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aufheben durfte und die Erstattung von Leistungen verlangen kann.
Der Kläger bezog bis 2011 vom Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom 4. November 2008 hatte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 solche Leistungen bewilligt. Nachdem der Kläger Meldetermine im Dezember 2008 nicht wahrgenommen hatte, verhängte der Beklagte gegen den Kläger eine Sanktion, die später aufgehoben wurde, weil der Kläger Bescheinigungen eines p. Krankenhauses in G. vorgelegt hatte, wonach er wegen einer Jochbeinverletzung und einer akuten Entzündung der Nasennebenhöhle vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 arbeitsunfähig krank gewesen sei.
Mit Anhörungsschreiben hielt der Beklagte dem Kläger unerlaubte Ortsabwesenheit und daher unrechtmäßigen Bezug von Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 14. Dezem¬ber 2008 bis 15. Januar 2009 vor. Der Kläger stellte dem entgegen, er sei während eines am 13. Dezember 2008 (Samstag) begonnenen Wochenendbesuchs bei seiner Mutter in G. ernsthaft erkrankt und am 14. Dezember 2008 (sowie am 30. Dezember 2008) dort in einem Krankenhaus behandelt worden.
Mit Bescheid vom 24. März 2009 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 wegen unerlaubter Ortsabwesenheit auf und verlangte die Erstattung eines Betrages von 922,52 EUR.
Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2009 zurückgewiesen wurde. In der Begründung heißt es, die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II und § 330 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Nach § 7 Abs. 4a SGB II erhalte Leistungen nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeit-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereich aufhalte. Der Arbeitslose habe deshalb sicherzustellen, dass er an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort durch Briefpost erreicht werden könne. Demgegenüber habe der Kläger sich ohne Zustimmung des Amtes in P. aufgehalten. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II sei daher für die fragliche Zeit aufzuheben gewesen, und bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten. Der Umstand, dass der Kläger geplant habe, sich lediglich am Wochenende in P. aufzuhalten, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht am 14. Dezember 2008 habe zurückkehren können, führe zu keiner anderen Beurteilung in der Sache.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 28. Oktober 2009 zur Post gegeben. Am 30. November 2009 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2009 aufzuheben.
Mit Urteil vom 22. November 2011 hat das Sozialgericht dem Antrag des Klägers entsprochen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide des Beklagten seien rechtswidrig. Dieser sei nicht berechtigt gewesen, die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 aufzuheben und die für diese Zeit gewährten Leistungen zurückzufordern. Durch den Aufenthalt des Klägers in P. sei keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, die gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III eine Aufhebung der Bewilligung gerechtfertigt hätte. Zwar erhalte nach § 7 Abs. 4a SGB II in der hier anzuwendenden Fassung aus dem Jahr 2007 Leistungen nach dem SGB II nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalte. Diese Regelung finde entsprechend ihrem Zweck, die Erreichbarkeit und damit die Verfügbarkeit für die Eingliederung in Arbeit sicherzustellen, nur Anwendung, wenn die Verfügbarkeit wegen der unerlaubten Ortsabwesenheit entfalle. Mangele es an der Verfügbarkeit aber aus anderen Gründen wie hier wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, sei § 7 Abs. 4a SGB II nicht anzuwenden. Dies habe gleichzeitig zur Folge, dass die Leistungen nicht zurückgefordert werden könnten.
Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Beklagten am 2. Februar 2012 zugestellt worden. Am 21. Februar 2012 hat er Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt der Beklagte aus, das Sozialgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass selbst eine genehmigte Ortsabwesenheit nach der Erreichbarkeits-An-ord¬nung lediglich in außergewöhnlichen Härtefällen tageweise um maximal drei Tage verlängert werden könne. Eine Verlängerung der Rückkehrfrist sei nur dann möglich, wenn der Leistungsberechtigte so schwer erkranke, dass er nicht in der Lage sei, die Heimreise anzutreten. Die Nichttransportfähigkeit habe er in geeigneter Form nachzuweisen, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sei. Dies ergebe sich aus den fachlichen Hinweisen zu § 7 SGB II. Der Kläger habe hingegen lediglich einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass eine Arbeits¬unfähigkeit nicht damit gleichzusetzen sei, zu einem Meldetermin der Arbeitsvermittlung nicht erscheinen zu können. Daraus ergebe sich, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II auch während der Zeiten von Arbeitsunfähigkeit gegeben sein könne.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts. Er meint, die Berufungsbegründung treffe seinen Fall nicht. Es gehe nicht darum, ob der Leistungsausschluss für Ortsabwesende nach § 7 Abs. 4a SGB II auch in Fällen von Arbeitsunfähigkeit gelte, sondern vielmehr darum, dass er, der Kläger, am fraglichen Wochenende nicht unerlaubt ortsabwesend gewesen sei und dass daher der Umstand, dass er dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe, nicht von seinem auswärtigen Aufenthalt hergerührt habe, sondern von seiner Erkrankung.
Die Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2011 ist in der Sache nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2009 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 28. Oktober 2009 zu Recht aufgehoben, da es für diese belastende Entscheidung des Beklagten keine rechtliche Grundlage gibt.
Als rechtliche Grundlage käme hier nur § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Verbindung § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III in Betracht. Voraussetzung wäre, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten und dass der Betroffene einer Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen (Nr. 2) ist bzw. vom Wegfall des Anspruchs wusste oder hätte wissen müssen (vgl. Nr. 4).
Nach Auffassung des Senats fehlt es mit Rücksicht auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 4. November 2008 bereits an einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X, insbesondere hatte sich der Sachverhalt mit dem Auslandsaufenthalt des Klägers hier nicht in einer Weise verändert, dass es nunmehr zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II in der damals geltenden Fassung gekommen wäre. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeitsordnung definierten Bereichs aufhält. Dass der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung erfülle, scheint zwar offensichtlich, denn er hat sich vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 im Ausland aufgehalten und hierfür auch keine vorherige Zustimmung seines persönlichen Ansprechpartners gehabt. Gleichwohl greift der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II hier nicht ein, denn er dient, wie ein Blick auf die derzeit geltende Fassung der Vorschrift zeigt, allein dazu sicherzustellen, dass der Betroffene für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung steht. Es heißt dort nämlich klarstellend, erwerbstätige Leistungsberechtigte erhielten dann keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung des Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhielten und deshalb nicht für die Eingliederung zur Verfügung stünden. Damit kommen für einen Leistungsausschluss solche Fälle nicht in Betracht, in denen die Möglichkeit zur Eingliederung in Arbeit aus anderen Gründen fehlt. Davon aber muss im Falle des Klägers ausgegangen werden, da er in der fraglichen Zeit nachweislich arbeitsunfähig krank war. Selbst wenn damit noch nicht jede Eingliederungsmaßnahme ausgeschlossen erscheint, wäre insoweit jedoch der Beklagte nachweispflichtig, da es hier um eine den Kläger belastende Aufhebungs- und Anfechtungssituation geht. Möglichkeiten weiterer Ermittlungen hierzu sieht der Senat bei den gegebenen Verhältnissen (Unauffindbarkeit des Klägers seit mehr als einem Jahr, Sachverhalt mit Auslandsbezug) allerdings nicht. Es mag zwar sein, dass der Kläger ihm durch Gesetz, Verordnung oder Eingliederungsvereinbarung obliegenden Melde- und Mitteilungspflichten nicht nachgekommen ist. Dies hätte jedoch für sich genommen nicht zu einem Wegfall der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 4a SGB II, sondern nach dem System des SGB II allenfalls zu einer Sanktionierung nach § 31 SGB II führen können, und dies ändert sich auch nicht durch die hinzutretende Ortsabwesenheit des Klägers.
Unter diesen Voraussetzungen kann offenbleiben, ob dem Kläger in Bezug auf eine gesetzliche Mitteilungspflicht vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X vorgeworfen werden könnte. Auch dies erschiene bei der gegebenen Sachlage zweifelhaft. Entsprechendes gilt erst recht für die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aufheben durfte und die Erstattung von Leistungen verlangen kann.
Der Kläger bezog bis 2011 vom Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom 4. November 2008 hatte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 solche Leistungen bewilligt. Nachdem der Kläger Meldetermine im Dezember 2008 nicht wahrgenommen hatte, verhängte der Beklagte gegen den Kläger eine Sanktion, die später aufgehoben wurde, weil der Kläger Bescheinigungen eines p. Krankenhauses in G. vorgelegt hatte, wonach er wegen einer Jochbeinverletzung und einer akuten Entzündung der Nasennebenhöhle vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 arbeitsunfähig krank gewesen sei.
Mit Anhörungsschreiben hielt der Beklagte dem Kläger unerlaubte Ortsabwesenheit und daher unrechtmäßigen Bezug von Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 14. Dezem¬ber 2008 bis 15. Januar 2009 vor. Der Kläger stellte dem entgegen, er sei während eines am 13. Dezember 2008 (Samstag) begonnenen Wochenendbesuchs bei seiner Mutter in G. ernsthaft erkrankt und am 14. Dezember 2008 (sowie am 30. Dezember 2008) dort in einem Krankenhaus behandelt worden.
Mit Bescheid vom 24. März 2009 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 wegen unerlaubter Ortsabwesenheit auf und verlangte die Erstattung eines Betrages von 922,52 EUR.
Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2009 zurückgewiesen wurde. In der Begründung heißt es, die Entscheidung beruhe auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II und § 330 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Nach § 7 Abs. 4a SGB II erhalte Leistungen nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeit-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereich aufhalte. Der Arbeitslose habe deshalb sicherzustellen, dass er an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort durch Briefpost erreicht werden könne. Demgegenüber habe der Kläger sich ohne Zustimmung des Amtes in P. aufgehalten. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II sei daher für die fragliche Zeit aufzuheben gewesen, und bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten. Der Umstand, dass der Kläger geplant habe, sich lediglich am Wochenende in P. aufzuhalten, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht am 14. Dezember 2008 habe zurückkehren können, führe zu keiner anderen Beurteilung in der Sache.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 28. Oktober 2009 zur Post gegeben. Am 30. November 2009 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2009 sowie den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2009 aufzuheben.
Mit Urteil vom 22. November 2011 hat das Sozialgericht dem Antrag des Klägers entsprochen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide des Beklagten seien rechtswidrig. Dieser sei nicht berechtigt gewesen, die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 aufzuheben und die für diese Zeit gewährten Leistungen zurückzufordern. Durch den Aufenthalt des Klägers in P. sei keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, die gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III eine Aufhebung der Bewilligung gerechtfertigt hätte. Zwar erhalte nach § 7 Abs. 4a SGB II in der hier anzuwendenden Fassung aus dem Jahr 2007 Leistungen nach dem SGB II nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalte. Diese Regelung finde entsprechend ihrem Zweck, die Erreichbarkeit und damit die Verfügbarkeit für die Eingliederung in Arbeit sicherzustellen, nur Anwendung, wenn die Verfügbarkeit wegen der unerlaubten Ortsabwesenheit entfalle. Mangele es an der Verfügbarkeit aber aus anderen Gründen wie hier wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, sei § 7 Abs. 4a SGB II nicht anzuwenden. Dies habe gleichzeitig zur Folge, dass die Leistungen nicht zurückgefordert werden könnten.
Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Beklagten am 2. Februar 2012 zugestellt worden. Am 21. Februar 2012 hat er Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt der Beklagte aus, das Sozialgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass selbst eine genehmigte Ortsabwesenheit nach der Erreichbarkeits-An-ord¬nung lediglich in außergewöhnlichen Härtefällen tageweise um maximal drei Tage verlängert werden könne. Eine Verlängerung der Rückkehrfrist sei nur dann möglich, wenn der Leistungsberechtigte so schwer erkranke, dass er nicht in der Lage sei, die Heimreise anzutreten. Die Nichttransportfähigkeit habe er in geeigneter Form nachzuweisen, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sei. Dies ergebe sich aus den fachlichen Hinweisen zu § 7 SGB II. Der Kläger habe hingegen lediglich einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass eine Arbeits¬unfähigkeit nicht damit gleichzusetzen sei, zu einem Meldetermin der Arbeitsvermittlung nicht erscheinen zu können. Daraus ergebe sich, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II auch während der Zeiten von Arbeitsunfähigkeit gegeben sein könne.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts. Er meint, die Berufungsbegründung treffe seinen Fall nicht. Es gehe nicht darum, ob der Leistungsausschluss für Ortsabwesende nach § 7 Abs. 4a SGB II auch in Fällen von Arbeitsunfähigkeit gelte, sondern vielmehr darum, dass er, der Kläger, am fraglichen Wochenende nicht unerlaubt ortsabwesend gewesen sei und dass daher der Umstand, dass er dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe, nicht von seinem auswärtigen Aufenthalt hergerührt habe, sondern von seiner Erkrankung.
Die Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2011 ist in der Sache nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2009 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 28. Oktober 2009 zu Recht aufgehoben, da es für diese belastende Entscheidung des Beklagten keine rechtliche Grundlage gibt.
Als rechtliche Grundlage käme hier nur § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Verbindung § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III in Betracht. Voraussetzung wäre, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten und dass der Betroffene einer Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen (Nr. 2) ist bzw. vom Wegfall des Anspruchs wusste oder hätte wissen müssen (vgl. Nr. 4).
Nach Auffassung des Senats fehlt es mit Rücksicht auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 4. November 2008 bereits an einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X, insbesondere hatte sich der Sachverhalt mit dem Auslandsaufenthalt des Klägers hier nicht in einer Weise verändert, dass es nunmehr zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II in der damals geltenden Fassung gekommen wäre. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeitsordnung definierten Bereichs aufhält. Dass der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung erfülle, scheint zwar offensichtlich, denn er hat sich vom 14. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 im Ausland aufgehalten und hierfür auch keine vorherige Zustimmung seines persönlichen Ansprechpartners gehabt. Gleichwohl greift der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4a SGB II hier nicht ein, denn er dient, wie ein Blick auf die derzeit geltende Fassung der Vorschrift zeigt, allein dazu sicherzustellen, dass der Betroffene für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung steht. Es heißt dort nämlich klarstellend, erwerbstätige Leistungsberechtigte erhielten dann keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung des Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhielten und deshalb nicht für die Eingliederung zur Verfügung stünden. Damit kommen für einen Leistungsausschluss solche Fälle nicht in Betracht, in denen die Möglichkeit zur Eingliederung in Arbeit aus anderen Gründen fehlt. Davon aber muss im Falle des Klägers ausgegangen werden, da er in der fraglichen Zeit nachweislich arbeitsunfähig krank war. Selbst wenn damit noch nicht jede Eingliederungsmaßnahme ausgeschlossen erscheint, wäre insoweit jedoch der Beklagte nachweispflichtig, da es hier um eine den Kläger belastende Aufhebungs- und Anfechtungssituation geht. Möglichkeiten weiterer Ermittlungen hierzu sieht der Senat bei den gegebenen Verhältnissen (Unauffindbarkeit des Klägers seit mehr als einem Jahr, Sachverhalt mit Auslandsbezug) allerdings nicht. Es mag zwar sein, dass der Kläger ihm durch Gesetz, Verordnung oder Eingliederungsvereinbarung obliegenden Melde- und Mitteilungspflichten nicht nachgekommen ist. Dies hätte jedoch für sich genommen nicht zu einem Wegfall der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 4a SGB II, sondern nach dem System des SGB II allenfalls zu einer Sanktionierung nach § 31 SGB II führen können, und dies ändert sich auch nicht durch die hinzutretende Ortsabwesenheit des Klägers.
Unter diesen Voraussetzungen kann offenbleiben, ob dem Kläger in Bezug auf eine gesetzliche Mitteilungspflicht vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X vorgeworfen werden könnte. Auch dies erschiene bei der gegebenen Sachlage zweifelhaft. Entsprechendes gilt erst recht für die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved