L 12 SF 268/11 B E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 36 SF 450/11 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 SF 268/11 B E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Beim Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs liegt ein Gebührenermäßigungstatbestand gemäß KV Nr. 7111 Nr.3 auch dann vor, wenn eine Kostenentscheidung folgt.
Die Beschwerde des Freistaats Bayern gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.07.2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Streitig ist die Höhe der Gerichtskosten für das Verfahren S 21 KA 185/07.

Das Hauptsacheverfahren wurde in der Sitzung am 19.08.2009 beim Sozialgericht München auf Anregung des Gerichts durch den Abschluss eines Vergleichs in vollem Umfang erledigt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Nach Abschluss des Vergleiches erließ die Kammer in derselben Sitzung einen Beschluss, nach dem die Klägerin die Kosten des sozialgerichtlichen Verfahrens zu tragen hatte.

Mit der Gerichtskostenfeststellung vom 21.03.2011 wurden die Gebühren für das Verfahren bei einem Streitwert von 5000 EUR gemäß der KV-Nr. 7110 auf 363 EUR festgesetzt. Auf die Erinnerung der Klägerin setzte das Sozialgericht München die Gerichtskosten für das Hauptsacheverfahren auf 121 EUR fest. Es sei eine Gebührenermäßigung nach der KV-Nr. 7111 Nr. 4 gegeben, da die Parteien des Hauptsacheverfahrens in der Ziffer III des Vergleichs von einer Erledigung "in vollem Umfang" ausgegangen seien. Dies decke sich mit den Ausführungen des Vorsitzenden der 21. Kammer, dass sich die Parteien über die Kostentragung der Klägerin einig gewesen seien. Unter Würdigung der Prozessgeschichte, der Sitzungsniederschrift, des Vortrags der Erinnerungsführerin und den dargestellten Erläuterungen des Vorsitzenden der 21. Kammer sei davon auszugehen, dass es sich um eine Beendigung des Rechtsstreits nach übereinstimmender Erledigungserklärung gehandelt habe und die vom Gericht ausgesprochene Kostenentscheidung der Kostenübernahmeerklärung der Erinnerungsführerin entsprochen habe.

Gegen diesen Beschluss vom 18.07.2011 legte der Freistaat Bayern Beschwerde ein. Eine Ermäßigung der pauschalen Verfahrensgebühr (dreifacher Satz) auf den einfachen Satz nach der KV-Nr. 7111 trete nur ein, wenn das gesamte Verfahren, also inklusive der Kosten, anderweitig erledigt werde, zum Beispiel durch einen gerichtlichen Vergleich, und eine gerichtliche Kostenentscheidung dadurch entbehrlich werde. Da im Hauptsacheverfahren ein Kostenbeschluss ergangen sei, lägen die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach der KV-Nr. 7111 nicht vor.

Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.07.2011 aufzuheben und die Erinnerung vom 01.04.2011 gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 21.03.2011 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Gerichtsakten im Hauptsacheverfahren beim Sozialgericht München S 21 KA 185/07 verwiesen.

II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht München setzte im Beschluss vom 18.07.2011 die Gerichtsgebühren für das Verfahren S. 21 KA 185/07 im Ergebnis zutreffend in Höhe von 121 EUR fest.

In Verfahren, die Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten betreffen (§ 12 Abs. 3 S. 2 SGG), sind gemäß § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben. Für Verfahren, die wie das Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht durchgeführt werden, ist damit grundsätzlich gemäß der KV-Nr. 7110 eine Verfahrensgebühr nach dem dreifachen Satz zu berechnen (Verfahren im allgemeinen). Soweit jedoch ein Tatbestand der Gebührenermäßigung gemäß der KV-Nr. 7111 vorliegt, reduziert sich die Gebühr auf den einfachen Satz.

Das SG bejahte im streitgegenständlichen Beschluss zutreffend einen entsprechenden Ermäßigungstatbestand nach der KV-Nr. 7111.

Ein Ermäßigungstatbestand liegt nach der KV-Nr. 7111 vor, wenn das gesamte Verfahren durch eine Zurücknahme der Klage (Nr. 1), ein Anerkenntnisurteil (Nr. 2), einen gerichtlichen Vergleich oder ein angenommenes Anerkenntnis (Nr. 3) oder Erledigungserklärungen nach § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO (Nr. 4) erledigt wird. Im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen sieht KV-Nr. 7111 Nr. 4 jedoch die Einschränkung vor, dass eine Gebührenreduzierung nur eintritt, wenn keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten folgt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers tritt eine Ermäßigung beim Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs (KV-Nr. 7111 Nr. 3) auch dann ein, wenn nach Abschluss des Vergleichs noch eine Entscheidung über die Kosten ergeht. Dies ergibt eine Auslegung des Wortlauts wie auch eine systematische Auslegung der KV-Nr. 7111.

Aus dem Wortlaut der Nr. 3 ergibt sich keine Einschränkung bezüglich einer etwaigen Kostenentscheidung. Vielmehr setzt die Ermäßigung der Gebühr lediglich den Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches voraus. Demgegenüber ist bei Erledigungserklärungen nach KV-Nr. 7111 Nr. 4 zusätzlich erforderlich, dass keine Entscheidung über die Kosten ergeht. Bereits nach dem Wortlaut kann bei einem gerichtlichen Vergleich nicht ein zusätzliches negatives Tatbestandsmerkmal für die Gebührenreduzierung vorausgesetzt werden.

Aus einer systematischen Auslegung ergibt sich kein anderes Ergebnis. Würde die "Beendigung des gesamten Verfahrens" (zum Beispiel durch einen Vergleich) auch die Einigung der Parteien über die Kosten beinhalten, wäre der Zusatz in KV-Nr. 7111 Nr. 4 bezüglich der Kostenentscheidung überflüssig, da ohne entsprechende Einigung über die Kosten keine "Beendigung des gesamten Verfahrens" vorläge und eine Gebührenermäßigung bereits deshalb nicht in Betracht käme. Das Tatbestandsmerkmal "Beendigung des gesamten Verfahrens" bezieht sich also nicht auf die Verfahrenskosten. Vielmehr ist insoweit ausschlaggebend, ob das Prozessverfahren wegen sämtlicher Anträge und wegen aller Beteiligten insgesamt endet (Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, KV 1211 Rn. 3). Der Begriff "Verfahren" der Gebührenregelung KV-Nr. 7111 bezieht sich auf die gesamte ursprünglich vom Kläger anhängig gemachte Klage und nicht auf die einzelnen Streitgegenstände. Dies ergibt sich aus der Systematik des Gerichtskostengesetzes, das zwischen "Verfahren" und "Streitgegenstand" differenziert, wie sich ausdrücklich aus § 39 Abs. 1 GKG ergibt ("in demselben Verfahren ... werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet", siehe auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Januar 2009,11 S 2980/08, NVwZ-RR 2009,453).

Diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Beendigung des gesamten Verfahrens" entspricht ferner den Umstand, dass das Gericht gemäß § 197 a SGG, § 161 Abs. 1 VwGO von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden hat. Eines Antrags bedarf es insoweit

nicht (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 197 a, Rn. 25a). Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19.08.2009 wurde von den Parteien des Hauptsacheverfahrens auch kein Antrag auf Kostenentscheidung gestellt.

Im Ergebnis war die Beschwerde also zurückzuweisen, da unabhängig von der nachfolgenden Kostenentscheidung im Falle eines gerichtlichen Vergleichs ein Gebührenermäßigungstatbestand gemäß KV-Nr. 7111 Nr. 3 vorliegt.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 197 a SGG, § 66 Abs. 8 GKG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 a SGG, § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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