Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 39 SF 295/12 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 293/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Thüringer LSG, Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B, 14. März 2012 - L 6 SF 86/12 B, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - L 7 AS 681/11 B und 5. Mai 2008 - L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - L 2 SF 205/10 E, nach juris).
2. Ein Rechtsanwalt ist an ein einmal ausgeübtes Ermessen im Rahmen der Gebührenfestsetzung grundsätzlich gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - III ZR 51/85). Die Bindung besteht allerdings nur innerhalb der in der Kostenrechnung genannten Gebühren.
3. Der Umfang des schriftlichen anwaltlichen Aufwands liegt bei sechs teilweise kurzen Schriftsätzen deutlich über dem Durchschnitt des Aufwands der von Nr. 3501 VV-RVG betroffenen Verfahren.
2. Ein Rechtsanwalt ist an ein einmal ausgeübtes Ermessen im Rahmen der Gebührenfestsetzung grundsätzlich gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - III ZR 51/85). Die Bindung besteht allerdings nur innerhalb der in der Kostenrechnung genannten Gebühren.
3. Der Umfang des schriftlichen anwaltlichen Aufwands liegt bei sechs teilweise kurzen Schriftsätzen deutlich über dem Durchschnitt des Aufwands der von Nr. 3501 VV-RVG betroffenen Verfahren.
Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 aufgehoben und die Gebühren des Beschwerdeführers auf 214,20 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az.: L 4 AS 1129/11 B ER) streitig.
Am 9. Juni 2011 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen - beim Sozialgericht (SG) Gotha, den Antragsgegner - ein Jobcenter - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Beschwerdeführers zu bewilligen. Mit Beschluss vom 29. Juni 2011 verpflichtete das SG die Antragsgegner, dem Antragsteller zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen vom 9. bis 30. Juni 2011 in Höhe von 61,53 Euro und für den Zeitraum 1. Juli bis 31. August 2011 in Höhe von monatlich 87,90 Euro zu bewilligen; der Antragsgegner habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 20 v.H. zu erstatten. Mit der Beschwerde begehrte der Antragsteller zu 1. einen höheren Restbedarf von monatlich 367,40 Euro statt - wie vom SG angenommen - 87,90 Euro und Gewährung von PKH. Mit Beschluss vom 20. September 2011 bewilligte ihm der 4. Senat des Thüringer Landessozialgerichts PKH ab 1. Juli 2011 und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 22. September 2011 erklärte dieser das Verfahren für erledigt. Nach dem Beschluss des 4. Senats vom 5. Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu ½ zu erstatten.
In seiner Kostenrechnung vom 14. Oktober 2011 beantragte der Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren die Festsetzung von 392,70 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 310,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG (112 km x 0,30 Euro) 330,00 Euro MWSt 62,70 Euro Gesamtsumme 392,70 Euro
Unter dem 27. April 2012 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) diesen Betrag zur Zahlung an.
Am 24. August 2012 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 124,95 Euro festzusetzen. Einschlägig sei die Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG statt der Nr. 3204 VV-RVG. Deren Mittelgebühr betrage 87,50 Euro. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2012 hat das SG die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 127,93 festgesetzt. Die Gebühr richte sich hier entsprechend der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) nach Nr. 3501 VV-RVG. Gegen die Mittelgebühr bestünden keine Bedenken. Der zeitliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit habe im durchschnittlichen Bereich, die Bedeutung über dem Durchschnitt und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit unter dem Durchschnitt gelegen.
Gegen den am 16. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am gleichen Tag Beschwerde eingelegt und vorgetragen, es könne gesetzessystematisch nicht richtig sein, dass die Mittelgebühr für ein Verfahren der zweiten Instanz niedriger sei als für die erste Instanz. Der zeitliche Aufwand sei höher gewesen, denn er habe umfangreiche Schriftsätze gefertigt. Rechtlich sei die Angelegenheit eher schwierig gewesen. Wenn tatsächlich die Nr. 3501 VV-RVG einschlägig sei, müsse die Höchstgebühr erstattet werden. Der Senat müsse dann ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) bei der Rechtsanwaltskammer Thüringen einholen. Im Übrigen erstrecke sich die in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Freiheit auch auf eine angemessene Vergütung.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 aufzuheben und die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückzuweisen, hilfsweise, den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 abzuändern und seine Gebühren für das Beschwerdeverfahren auf 214,20 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 15. April 2013) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Beschluss fehlerhaft ist, weil die Beschwerdefrist in §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG zwei Wochen (nicht: ein Monat) beträgt und der Hinweis, die Beschwerdefrist sei auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beim Thüringer Landessozialgericht eingelegt wird, den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG widerspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2013 - L 6 SF 105/13 B).
Die Beschwerde ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags begründet, im Übrigen unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Antragsteller, dem PKH gewährt worden war, ist kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B, 14. März 2012 - L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - L 6 SF 247/11 B m.w.N., 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - L 7 AS 681/11 B und 5. Mai 2008 - L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - L 2 SF 205/10 E, nach juris). Eine speziellere Regelung enthält das Gesetz nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B). Dieser Entscheidung des Gesetzgebers können die allein mit der Höhe der Vergütung begründeten Ausführungen des Beschwerdeführers nicht entgegen gehalten werden.
Zur Gebührenhöhe musste der Senat kein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einholen. Nach ganz herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, gilt § 14 Abs. 2 RVG nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt, aber nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG (vgl. BSG, Urteile vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R und 18. Januar 1990 - 4 RA 40/89; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. März 2011 - L 15 SF 204/09 B E m.w.N, alle nach juris; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 35 m.w.N.).
Die Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG war mit der Höchstgebühr (160,00 Euro) festzusetzen. Der Beschwerdeführer ist nicht an die Festsetzung der Mittelgebühr (der Verfahrensgebühr 3204 VV-RVG) in seiner Kostenrechnung vom 14. Oktober 2011 gebunden. Dem steht nicht entgegen, dass der des Rechtsanwalt an ein einmal ausgeübtes Ermessen im Rahmen der Gebührenfestsetzung grundsätzlich gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - III ZR 51/85 in NJW 1987, 3203 ff.), von dem Ausnahmen nur dann zugestanden werden, wenn er sich eine Erhöhung ausnahmsweise erkennbar vorbehalten oder einen Gebührentatbestand übersehen hat bzw. über Bemessungsfaktoren getäuscht worden ist (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 4). Eine Bindung besteht nur innerhalb der in der Kostenrechnung benannten Gebühren. Der Beschwerdeführer hat sein Ermessen nur hinsichtlich der nicht angefallenen Gebühr Nr. 3204 VV-RVG ausgeübt, nicht jedoch hinsichtlich der Gebühr Nr. 3501 VV-RVG. Der Gesetzgeber hat die Bewertungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG bei beiden Gebühren - jeweils im Vergleich mit den anderen hiervon betroffenen sozialgerichtlichen Verfahren - unterschiedlich hoch angesetzt.
Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Beschwerdeführer im Vergleich mit den übrigen Beschwerde- und Erinnerungsverfahren (z.B. Nichtzulassungsbeschwerden) - nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II - in der Sache betrieben hat und objektiv verwenden musste (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 15), einschließlich des Aufwands für Besprechung, Beratung, Aktenstudium, Anfertigung von Notizen, Anfordern und Sichten von Unterlagen, ggf. Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, Schriftverkehr mit dem Auftraggeber. Hier lag der schriftliche Aufwand mit sechs teilweise allerdings kurzen Schriftsätzen deutlich über dem Durchschnitt des Aufwands der von Nr. 3501 VV-RVG betroffenen Verfahren. Auch musste er zu von der zuständigen Berichterstatterin aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung nehmen und reichte zwei Erklärungen des Klägers und seiner Freundin ein. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war vergleichsweise überdurchschnittlich, wenn auch wohl nicht im obersten Bereich. Bereits die Vorinstanz hat zu Recht eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller bejaht. Das nicht ersichtliche besondere Haftungsrisiko und die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers begründen bei dieser Konstellation keine Reduzierung der Gebühren.
Damit errechnen sich diese wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG 160,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 180,00 Euro MWSt 34,20 Euro Gesamtsumme 214,20 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Thüringer Landessozialgericht (Az.: L 4 AS 1129/11 B ER) streitig.
Am 9. Juni 2011 beantragten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Antragsteller - eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen - beim Sozialgericht (SG) Gotha, den Antragsgegner - ein Jobcenter - im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Beschwerdeführers zu bewilligen. Mit Beschluss vom 29. Juni 2011 verpflichtete das SG die Antragsgegner, dem Antragsteller zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen vom 9. bis 30. Juni 2011 in Höhe von 61,53 Euro und für den Zeitraum 1. Juli bis 31. August 2011 in Höhe von monatlich 87,90 Euro zu bewilligen; der Antragsgegner habe die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 20 v.H. zu erstatten. Mit der Beschwerde begehrte der Antragsteller zu 1. einen höheren Restbedarf von monatlich 367,40 Euro statt - wie vom SG angenommen - 87,90 Euro und Gewährung von PKH. Mit Beschluss vom 20. September 2011 bewilligte ihm der 4. Senat des Thüringer Landessozialgerichts PKH ab 1. Juli 2011 und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 22. September 2011 erklärte dieser das Verfahren für erledigt. Nach dem Beschluss des 4. Senats vom 5. Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu ½ zu erstatten.
In seiner Kostenrechnung vom 14. Oktober 2011 beantragte der Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren die Festsetzung von 392,70 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG 310,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV-RVG (112 km x 0,30 Euro) 330,00 Euro MWSt 62,70 Euro Gesamtsumme 392,70 Euro
Unter dem 27. April 2012 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) diesen Betrag zur Zahlung an.
Am 24. August 2012 hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und beantragt, die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 124,95 Euro festzusetzen. Einschlägig sei die Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG statt der Nr. 3204 VV-RVG. Deren Mittelgebühr betrage 87,50 Euro. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2012 hat das SG die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 127,93 festgesetzt. Die Gebühr richte sich hier entsprechend der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) nach Nr. 3501 VV-RVG. Gegen die Mittelgebühr bestünden keine Bedenken. Der zeitliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit habe im durchschnittlichen Bereich, die Bedeutung über dem Durchschnitt und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit unter dem Durchschnitt gelegen.
Gegen den am 16. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am gleichen Tag Beschwerde eingelegt und vorgetragen, es könne gesetzessystematisch nicht richtig sein, dass die Mittelgebühr für ein Verfahren der zweiten Instanz niedriger sei als für die erste Instanz. Der zeitliche Aufwand sei höher gewesen, denn er habe umfangreiche Schriftsätze gefertigt. Rechtlich sei die Angelegenheit eher schwierig gewesen. Wenn tatsächlich die Nr. 3501 VV-RVG einschlägig sei, müsse die Höchstgebühr erstattet werden. Der Senat müsse dann ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) bei der Rechtsanwaltskammer Thüringen einholen. Im Übrigen erstrecke sich die in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Freiheit auch auf eine angemessene Vergütung.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 aufzuheben und die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückzuweisen, hilfsweise, den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. Dezember 2012 abzuändern und seine Gebühren für das Beschwerdeverfahren auf 214,20 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 15. April 2013) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Beschluss fehlerhaft ist, weil die Beschwerdefrist in §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG zwei Wochen (nicht: ein Monat) beträgt und der Hinweis, die Beschwerdefrist sei auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beim Thüringer Landessozialgericht eingelegt wird, den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG widerspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2013 - L 6 SF 105/13 B).
Die Beschwerde ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags begründet, im Übrigen unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Antragsteller, dem PKH gewährt worden war, ist kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Einschlägige Verfahrensgebühr für ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landessozialgericht ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung Nr. 3501 VV-RVG (vgl. Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B, 14. März 2012 - L 6 SF 86/12 B, 29. Juni 2011 - L 6 SF 247/11 B m.w.N., 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 3. August 2011 - L 7 AS 681/11 B und 5. Mai 2008 - L 20 B 139/07 SO; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. April 2011 - L 2 SF 205/10 E, nach juris). Eine speziellere Regelung enthält das Gesetz nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B). Dieser Entscheidung des Gesetzgebers können die allein mit der Höhe der Vergütung begründeten Ausführungen des Beschwerdeführers nicht entgegen gehalten werden.
Zur Gebührenhöhe musste der Senat kein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einholen. Nach ganz herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, gilt § 14 Abs. 2 RVG nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt, aber nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG (vgl. BSG, Urteile vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R und 18. Januar 1990 - 4 RA 40/89; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. März 2011 - L 15 SF 204/09 B E m.w.N, alle nach juris; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 35 m.w.N.).
Die Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG war mit der Höchstgebühr (160,00 Euro) festzusetzen. Der Beschwerdeführer ist nicht an die Festsetzung der Mittelgebühr (der Verfahrensgebühr 3204 VV-RVG) in seiner Kostenrechnung vom 14. Oktober 2011 gebunden. Dem steht nicht entgegen, dass der des Rechtsanwalt an ein einmal ausgeübtes Ermessen im Rahmen der Gebührenfestsetzung grundsätzlich gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - III ZR 51/85 in NJW 1987, 3203 ff.), von dem Ausnahmen nur dann zugestanden werden, wenn er sich eine Erhöhung ausnahmsweise erkennbar vorbehalten oder einen Gebührentatbestand übersehen hat bzw. über Bemessungsfaktoren getäuscht worden ist (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 4). Eine Bindung besteht nur innerhalb der in der Kostenrechnung benannten Gebühren. Der Beschwerdeführer hat sein Ermessen nur hinsichtlich der nicht angefallenen Gebühr Nr. 3204 VV-RVG ausgeübt, nicht jedoch hinsichtlich der Gebühr Nr. 3501 VV-RVG. Der Gesetzgeber hat die Bewertungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG bei beiden Gebühren - jeweils im Vergleich mit den anderen hiervon betroffenen sozialgerichtlichen Verfahren - unterschiedlich hoch angesetzt.
Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Beschwerdeführer im Vergleich mit den übrigen Beschwerde- und Erinnerungsverfahren (z.B. Nichtzulassungsbeschwerden) - nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II - in der Sache betrieben hat und objektiv verwenden musste (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 15), einschließlich des Aufwands für Besprechung, Beratung, Aktenstudium, Anfertigung von Notizen, Anfordern und Sichten von Unterlagen, ggf. Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, Schriftverkehr mit dem Auftraggeber. Hier lag der schriftliche Aufwand mit sechs teilweise allerdings kurzen Schriftsätzen deutlich über dem Durchschnitt des Aufwands der von Nr. 3501 VV-RVG betroffenen Verfahren. Auch musste er zu von der zuständigen Berichterstatterin aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung nehmen und reichte zwei Erklärungen des Klägers und seiner Freundin ein. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war vergleichsweise überdurchschnittlich, wenn auch wohl nicht im obersten Bereich. Bereits die Vorinstanz hat zu Recht eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller bejaht. Das nicht ersichtliche besondere Haftungsrisiko und die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers begründen bei dieser Konstellation keine Reduzierung der Gebühren.
Damit errechnen sich diese wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG 160,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 180,00 Euro MWSt 34,20 Euro Gesamtsumme 214,20 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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