Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 11 SF 2/11 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1883/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bei dem Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist die Billigkeit der geforderten Gebühren bei der Festsetzung von Amts wegen von den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu prüfen. Dem steht nicht der Beschluss des BGH vom 20. Januar 2011 - Az.: V ZB 216/10 entgegen, denn die Staatskasse ist dann nicht Dritter im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 21.01.2013 - L 6 SF 1578/12 B).
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 16. Oktober 2012 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für das Verfahren Az.: S 11 AS 722/10 auf 436,14 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meinigen (Az.: S 11 AS 722/10) streitig. Dort wandten sich die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen, gegen einen Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010 (Az.: W 410/10), in dem die Beklagte eine Aufrechnung in Höhe von 10,00 Euro monatlich vorgenommen hatte. Gegen einen wei-teren Erstattungsbescheid vom 5. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid (W 412/10) über 148,11 Euro hatten sich die Kläger in dem Klageverfahren Az.: S 11 AS 715/10 ge-wandt. Mit Beschluss vom 12. August 2010 gewährte das Sozialgericht (SG) den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 13. Au-gust 2010 regte der Kammervorsitzende schriftlich folgenden Vergleich an: 1. Die Beklagte erklärt sich bereit, in dem Widerspruchsverfahren W 412/10 und W 410/10 jeweils die Hälfte der notwendigen Kosten zu erstatten. 2. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit die Verfahren S 23 715/10 und S 23 AS 722/10 erledigt sind. 3. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen Auslagen.
Am 26. August 2010 nahmen die Beteiligten den Vergleich an.
In der Kostenberechnung vom 10. September 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Fest-setzung von 573,85 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 102,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 482,00 Euro Umsatzsteuer 91,85 Euro Gesamtsumme 573,85 Euro
Unter dem 23. September 2010 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 298,69 Euro. Zwar sei die beantragte Verfahrensmittelgebühr "bei Würdigung der nach § 14 RVG relevanten Kriterien" gerade noch angemessen. Tatsächlich handle es sich aber um zwei Verfahre, die in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Im Verfahren Az.: S 23 AS 715/10 sei die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr bereits festgesetzt worden. Erhebliche Synergieeffekte rechtfertigten im Zusammenhang mit der ("fast")Unterdurchschnittlichkeit ein Unterschreiten der Mittelgebühr auf die Hälfte (85,00 Euro). Gleiches gelte für die Einigungsgebühr.
Am 27. Oktober 2010 hat die Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, die Reduzierung der Gebühr sei nicht gerechtfertigt und entspreche nicht der gängigen Rechtspre-chung. Hauptaufgabe sei die Abfassung einer den formellen und materiellen Anforderungen entsprechenden Klageschrift gewesen. Der Beschwerdegegner hat auf die Ausführungen der UKB Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 hat das Sozialgericht die zu gewährende Vergütung auf 298,69 Euro festgesetzt und zur Begründung in der Hauptsache auf die Ausführungen der UKB verwiesen.
Gegen den am 30. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 29. November 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis seinen Vortrag im Erinnerungsver-fahren wiederholt. Nach der Rechtsprechung des Thüringer LSG (Beschluss vom 24.Februar 2012 - Az.: L 6 SF 466/12 B) liege eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei einem Teil-anerkenntnis auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt den Rechtsstreit aufgrund des eigenen Ermessensspielraums ohne Rücksprache mit dem Mandanten erledigt erkläre.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Meinigen vom 16. Oktober 2012 aufzuheben und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 573,85 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Erinnerungsverfahren und den Be-schluss des Sozialgerichts vom 16. Oktober 2012.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Januar 2013) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss fehlerhaft ist. Nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG beträgt die Beschwerde-frist zwei Wochen (nicht: ein Monat).
Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbar-keit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebüh-ren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskas-se zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Kläger waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsver-zeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor al-lem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Ange-legenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billi-gem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4).
Die Billigkeit des Vergütungsanspruchs des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführers war bei der Festsetzung von Amts wegen von der UKB auch ohne Vor-trag des Beschwerdegegners zu prüfen. Dem steht nicht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2011 - Az.: V ZB 216/10 entgegen, wobei an dieser Stelle dahingestellt blei-ben kann, ob ihm grundsätzlich zu folgen ist. Auch nach der Rechtsansicht des BGH trägt der Rechtsanwalt bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen aufgrund der Prozesskostenhilfe und Beiordnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG für die Billigkeit des an-waltlichen Gebührenanspruchs als anspruchsbegründendes Merkmal die Darlegungs- und Beweislast. Die Staatskasse ist nicht ein Dritter im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG, der nach Ansicht des BGH die Darlegungs- und Beweislast der fehlenden Billigkeit trägt. Sie hat nicht auf Grund einer Kostenentscheidung als Unterlegene die Gebühren zu erstatten sondern ist aufgrund der Beiordnung für die gesetzliche Vergütung nach §§ 45 ff. RVG Vergütungs-schuldnerin des Rechtsanwalts (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2013 - Az.: L 6 SF 1578/12 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 7).
Hier war die beantragte Gebühr unbillig, weil der Beschwerdeführer den von der Rechtspre-chung und Literatur zugestandenen Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. über-schritten hat (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF und 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 13f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Allerdings ist die Berechnung und Kürzung der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG und der Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG auf die halbe Mittelgebühr weder von der Begründung noch vom Ergebnis nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf beide Gebühren in Höhe von drei Viertel der Mittelgebühr. Die Verfahrensgebühr ist nach Nr. 1008 VV-RVG wegen Personenmehrheit um 60 v.H. zu erhöhen (=76,50 Euro).
Unverständlich sind die Ausführungen der UKB, die rechtsanwaltliche Tätigkeit weiche "mehr nach unten vom Durchschnitt" ab. Nicht gefolgt wird ihrer Ansicht, dass Synergieef-fekte im Hauptsacheverfahren ein Unterschreiten der Mittelgebühr auf die Hälfte rechtferti-gen.
Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren (auch vor der Beiordnung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 159/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B) zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit drei - in der Sache recht kurzen - Schriftsätzen lag der Umfang auch unter Berücksichtigung der allgemein notwendigen sonstigen außergerichtlichen Aktivitäten unter dem Durchschnitt. Dagegen hat der Beschwerdeführer keine konkreten Umstände vorgetra-gen. Nicht gefolgt wird der Ansicht der UKB zur Kürzung auf die Hälfte der Mittelgebühr wegen entstandener Synergieeffekte. Diese Effekte sind nur hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit relevant, z.B. wenn im gerichtlichen Verfahren identische oder fast identische Schriftsätze oder erhebliche Teile von Schriftsätzen wie in anderen Verfahren (Textbausteine) zur Anwendung kommen (vgl. Beschlüsse vom 9. Mai 2012 - Az.: L 6 SF 467/12 und 15. Februar 2012 - Az.: L 6 SF 1489/11 B). Gegenüber dem Verfahren Az.: S 23 AS 715/10 lie-gen solche Synergien nur hinsichtlich der Ausführungen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe vor; im Übrigen ging es in beiden Verfahren um unterschiedliche Sachverhalte und Rechts-fragen. Ein Synergieeffekt kann aber nur dann berücksichtigt werden wenn er offen zutage liegt; seine Unterstellung allein wegen der Personenidentität der Kläger mehrerer Verfahren oder wegen eines behaupteten - hier zudem nicht ersichtlichen - denkbaren rechtlichen Zu-sammenhangs kommt nicht in Betracht. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts des angeschnittenen Problems (Aufrechnung) etwas unterdurchschnittlich. Auf Synergieeffekte kommt bei diesem Bemessungskriterium nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2013 - Az.: L 6 SF 1578/12 B), denn es ist grundsätzlich unerheblich, ob der An-walt aufgrund seiner Erfahrung oder Fachkenntnisse das Mandat leichter als andere bewälti-gen kann oder woher er diese hat (z.B. aus Parallelverfahren). Die Bedeutung der Angelegen-heit für die Kläger ist angesichts der Höhe aber auch der laufenden Kürzung der Leistungen als gering unterdurchschnittlich einzuschätzen. Deren Einkommens- und Vermögensverhält-nisse sind unterdurchschnittlich und werden nicht kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisi-ko ist nicht ersichtlich.
Auch die von der UKB grundsätzlich anerkannte Einigungsgebühr Nr. 1006, 1000 VV-RVG war zu niedrig angesetzt; angemessen war auch hier drei Viertel der Mittelgebühr (142,50 Euro). Der Betragsrahmen beträgt nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 1006 VV-RVG 30,00 bis 350,00 Euro. Hinsichtlich der Kriterien des § 14 Abs. 1 S 1 und 2 RVG wird auf die Aus-führungen zur Verfahrensgebühr verwiesen. Weshalb die Gebührenhöhe davon abhängig sei soll, dass der Vergleichsvorschlag vom Kammervorsitzenden ausging, hat die UKB nicht be-gründet. Anhaltsgründe sind dafür nicht ersichtlich.
Entgegen dem Vortrag im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer keine Terminsge-bühr beantragt. Bei den entsprechenden Ausführungen hat die Vorinstanz wohl Einigungs- und Terminsgebühr vertauscht.
Zusätzlich zu erstatten sind die die Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistun-gen und die Umsatzsteuer.
Damit errechnen sich die Rechtsanwaltsgebühren wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 127,50 Euro Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG 76,50 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 142,50 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 366,50 Euro Umsatzsteuer 69,64 Euro Gesamtsumme 436,14 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Meinigen (Az.: S 11 AS 722/10) streitig. Dort wandten sich die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen, gegen einen Bescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010 (Az.: W 410/10), in dem die Beklagte eine Aufrechnung in Höhe von 10,00 Euro monatlich vorgenommen hatte. Gegen einen wei-teren Erstattungsbescheid vom 5. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid (W 412/10) über 148,11 Euro hatten sich die Kläger in dem Klageverfahren Az.: S 11 AS 715/10 ge-wandt. Mit Beschluss vom 12. August 2010 gewährte das Sozialgericht (SG) den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdeführer bei. Am 13. Au-gust 2010 regte der Kammervorsitzende schriftlich folgenden Vergleich an: 1. Die Beklagte erklärt sich bereit, in dem Widerspruchsverfahren W 412/10 und W 410/10 jeweils die Hälfte der notwendigen Kosten zu erstatten. 2. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit die Verfahren S 23 715/10 und S 23 AS 722/10 erledigt sind. 3. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen Auslagen.
Am 26. August 2010 nahmen die Beteiligten den Vergleich an.
In der Kostenberechnung vom 10. September 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Fest-setzung von 573,85 Euro: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 170,00 Euro Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 102,00 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 482,00 Euro Umsatzsteuer 91,85 Euro Gesamtsumme 573,85 Euro
Unter dem 23. September 2010 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 298,69 Euro. Zwar sei die beantragte Verfahrensmittelgebühr "bei Würdigung der nach § 14 RVG relevanten Kriterien" gerade noch angemessen. Tatsächlich handle es sich aber um zwei Verfahre, die in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Im Verfahren Az.: S 23 AS 715/10 sei die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr bereits festgesetzt worden. Erhebliche Synergieeffekte rechtfertigten im Zusammenhang mit der ("fast")Unterdurchschnittlichkeit ein Unterschreiten der Mittelgebühr auf die Hälfte (85,00 Euro). Gleiches gelte für die Einigungsgebühr.
Am 27. Oktober 2010 hat die Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, die Reduzierung der Gebühr sei nicht gerechtfertigt und entspreche nicht der gängigen Rechtspre-chung. Hauptaufgabe sei die Abfassung einer den formellen und materiellen Anforderungen entsprechenden Klageschrift gewesen. Der Beschwerdegegner hat auf die Ausführungen der UKB Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 hat das Sozialgericht die zu gewährende Vergütung auf 298,69 Euro festgesetzt und zur Begründung in der Hauptsache auf die Ausführungen der UKB verwiesen.
Gegen den am 30. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 29. November 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis seinen Vortrag im Erinnerungsver-fahren wiederholt. Nach der Rechtsprechung des Thüringer LSG (Beschluss vom 24.Februar 2012 - Az.: L 6 SF 466/12 B) liege eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei einem Teil-anerkenntnis auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt den Rechtsstreit aufgrund des eigenen Ermessensspielraums ohne Rücksprache mit dem Mandanten erledigt erkläre.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Meinigen vom 16. Oktober 2012 aufzuheben und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 573,85 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Erinnerungsverfahren und den Be-schluss des Sozialgerichts vom 16. Oktober 2012.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 14. Januar 2013) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss fehlerhaft ist. Nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG beträgt die Beschwerde-frist zwei Wochen (nicht: ein Monat).
Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbar-keit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebüh-ren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskas-se zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Kläger waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsver-zeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor al-lem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Ange-legenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billi-gem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4).
Die Billigkeit des Vergütungsanspruchs des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführers war bei der Festsetzung von Amts wegen von der UKB auch ohne Vor-trag des Beschwerdegegners zu prüfen. Dem steht nicht der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2011 - Az.: V ZB 216/10 entgegen, wobei an dieser Stelle dahingestellt blei-ben kann, ob ihm grundsätzlich zu folgen ist. Auch nach der Rechtsansicht des BGH trägt der Rechtsanwalt bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen aufgrund der Prozesskostenhilfe und Beiordnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG für die Billigkeit des an-waltlichen Gebührenanspruchs als anspruchsbegründendes Merkmal die Darlegungs- und Beweislast. Die Staatskasse ist nicht ein Dritter im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG, der nach Ansicht des BGH die Darlegungs- und Beweislast der fehlenden Billigkeit trägt. Sie hat nicht auf Grund einer Kostenentscheidung als Unterlegene die Gebühren zu erstatten sondern ist aufgrund der Beiordnung für die gesetzliche Vergütung nach §§ 45 ff. RVG Vergütungs-schuldnerin des Rechtsanwalts (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2013 - Az.: L 6 SF 1578/12 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 7).
Hier war die beantragte Gebühr unbillig, weil der Beschwerdeführer den von der Rechtspre-chung und Literatur zugestandenen Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. über-schritten hat (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF und 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rdnr. 13f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Allerdings ist die Berechnung und Kürzung der Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG und der Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG auf die halbe Mittelgebühr weder von der Begründung noch vom Ergebnis nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf beide Gebühren in Höhe von drei Viertel der Mittelgebühr. Die Verfahrensgebühr ist nach Nr. 1008 VV-RVG wegen Personenmehrheit um 60 v.H. zu erhöhen (=76,50 Euro).
Unverständlich sind die Ausführungen der UKB, die rechtsanwaltliche Tätigkeit weiche "mehr nach unten vom Durchschnitt" ab. Nicht gefolgt wird ihrer Ansicht, dass Synergieef-fekte im Hauptsacheverfahren ein Unterschreiten der Mittelgebühr auf die Hälfte rechtferti-gen.
Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren (auch vor der Beiordnung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2011 - Az.: L 6 SF 159/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B) zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. August 2011 - Az.: L 6 SF 872/11 B und 18. März 2011 - Az.: L 6 SF 1418/10 B; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Mit drei - in der Sache recht kurzen - Schriftsätzen lag der Umfang auch unter Berücksichtigung der allgemein notwendigen sonstigen außergerichtlichen Aktivitäten unter dem Durchschnitt. Dagegen hat der Beschwerdeführer keine konkreten Umstände vorgetra-gen. Nicht gefolgt wird der Ansicht der UKB zur Kürzung auf die Hälfte der Mittelgebühr wegen entstandener Synergieeffekte. Diese Effekte sind nur hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit relevant, z.B. wenn im gerichtlichen Verfahren identische oder fast identische Schriftsätze oder erhebliche Teile von Schriftsätzen wie in anderen Verfahren (Textbausteine) zur Anwendung kommen (vgl. Beschlüsse vom 9. Mai 2012 - Az.: L 6 SF 467/12 und 15. Februar 2012 - Az.: L 6 SF 1489/11 B). Gegenüber dem Verfahren Az.: S 23 AS 715/10 lie-gen solche Synergien nur hinsichtlich der Ausführungen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe vor; im Übrigen ging es in beiden Verfahren um unterschiedliche Sachverhalte und Rechts-fragen. Ein Synergieeffekt kann aber nur dann berücksichtigt werden wenn er offen zutage liegt; seine Unterstellung allein wegen der Personenidentität der Kläger mehrerer Verfahren oder wegen eines behaupteten - hier zudem nicht ersichtlichen - denkbaren rechtlichen Zu-sammenhangs kommt nicht in Betracht. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts des angeschnittenen Problems (Aufrechnung) etwas unterdurchschnittlich. Auf Synergieeffekte kommt bei diesem Bemessungskriterium nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2013 - Az.: L 6 SF 1578/12 B), denn es ist grundsätzlich unerheblich, ob der An-walt aufgrund seiner Erfahrung oder Fachkenntnisse das Mandat leichter als andere bewälti-gen kann oder woher er diese hat (z.B. aus Parallelverfahren). Die Bedeutung der Angelegen-heit für die Kläger ist angesichts der Höhe aber auch der laufenden Kürzung der Leistungen als gering unterdurchschnittlich einzuschätzen. Deren Einkommens- und Vermögensverhält-nisse sind unterdurchschnittlich und werden nicht kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisi-ko ist nicht ersichtlich.
Auch die von der UKB grundsätzlich anerkannte Einigungsgebühr Nr. 1006, 1000 VV-RVG war zu niedrig angesetzt; angemessen war auch hier drei Viertel der Mittelgebühr (142,50 Euro). Der Betragsrahmen beträgt nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 1006 VV-RVG 30,00 bis 350,00 Euro. Hinsichtlich der Kriterien des § 14 Abs. 1 S 1 und 2 RVG wird auf die Aus-führungen zur Verfahrensgebühr verwiesen. Weshalb die Gebührenhöhe davon abhängig sei soll, dass der Vergleichsvorschlag vom Kammervorsitzenden ausging, hat die UKB nicht be-gründet. Anhaltsgründe sind dafür nicht ersichtlich.
Entgegen dem Vortrag im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer keine Terminsge-bühr beantragt. Bei den entsprechenden Ausführungen hat die Vorinstanz wohl Einigungs- und Terminsgebühr vertauscht.
Zusätzlich zu erstatten sind die die Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistun-gen und die Umsatzsteuer.
Damit errechnen sich die Rechtsanwaltsgebühren wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 127,50 Euro Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG 76,50 Euro Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 142,50 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Summe 366,50 Euro Umsatzsteuer 69,64 Euro Gesamtsumme 436,14 Euro
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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