L 4 AS 1601/12 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 29 AS 6955/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 1601/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha über die Ab-lehnung von Prozesskostenhilfe vom 3. September 2012 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Be-willigung von Prozesskostenhilfe (PKH). Daher hat das Sozialgericht den Antrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist für die Bewilligung von PKH unter anderem Voraussetzung, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Aussicht auf Er-folg ist dann gegeben, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, die angesichts der gesetzlichen Rege-lung oder im Hinblick auf die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Aus-legungshilfen nicht ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich nach der gebotenen, summarischen Prüfung als rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte das bezogene Elterngeld abzüglich der Versiche-rungspauschale von 30 Euro im Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 zu Recht als Einkommen in Ansatz gebracht.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) SGB II in der hier maßgeblichen Fassung sind im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen. Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der ab 1. Januar 2011 und hier anzuwendenden Fassung, werden das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Län-der sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei der Berech-nung der Leistungen nach dem SGB II in vollem Umfang berücksichtigt. Die von den Klä-gern vorgetragen Bedenken gegen die Anrechnung des Elterngeldes auf Leistungen nach dem SGB II teilt der Senat nicht.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat schon zur Frage der leistungsmindernden An-rechnung von Kindergeld auf das Sozialgeld nach dem SGB II eine Verfassungsbeschwerde nicht angenommen und in dem Beschluss vom 11. März 2010 - 1 BvR 3163/09 ausgeführt, dass weder ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art 20 Abs. 1 GG vorliegt, weil den Beschwer-deführern in dem dortigen Verfahren durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten blieben. Auch scheide ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG aus, weil der Gesetzgeber, der gegebenenfalls aufgrund verfassungsrechtlicher Verpflichtungen Steuervergünstigungen gewährt, nicht dazu verpflichtet sei, diesen Vergünstigungen entsprechende Sozialleistungen solchen Personen und ihren Angehörigen zu gewähren, die kein zu versteuerndes Einkommen erzielen. So liegt es aber auch bei dem Elterngeld, bei dem ab 1. Januar 2011 eine Anrechnung für nicht er-werbstätige Personen nicht mehr mit dem anrechnungsfreien Betrag von 300 Euro privilegiert wird.

Die Ausführungen des BVerfG finden auch Eingang in der Gesetzesbegründung zur Einfüh-rung des § 10 Abs. 5 BEEG zum 1. Januar 2011 (vgl. BR-Drucks. 532/10, S. 61 f.): " Die Aufhebung der Anrechungsfreiheit des Elterngeldes beim Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -, nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - und nach § 6 a Bundeskindergeldgesetz - BKGG - (Kinderzuschlag) trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und der des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und die Zusatzleistungen, gegebenenfalls einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende umfassend gesichert ist und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung des Kindes wird daher auch in diesem weitergehenden Leistungssystems unter-stützt. Die Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Berechnung der genannten Leistungen ist daher auch in den Wirkungen vertretbar. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6 a BKGG wird grundsätzlich jedes Einkommen angerech-net. Insofern ist die Freistellung von bestimmten Einnahmen, wie zum Beispiel Elterngeld, jeweils besonders rechtfertigungsbedürftig. Eine solche Rechtfertigung ist etwa bei den Er-werbstätigenfreibeträgen gegeben, mit denen ein Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet werden soll. Die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeidet gerade auch im Vergleich der Berechtigten untereinander die Rela-tivierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkungen und führt damit auch zu einer stärkeren Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungs-systems in der Grundsicherung."

Ferner hat das BVerfG in einem weiteren Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11, in dem die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG mit der Begründung gerügt wurde, das Elterngeld benachteilige durch seine Ausgestaltung als Entgeltersatzleistung Eltern, die vor der Geburt kein Erwerbseinkommen erwirtschaftet hät-ten, wozu insbesondere Eltern zählten, die in einer Mehrkindfamilie ausschließlich die Erzie-hungsverantwortung übernommen hätten, aber auch Studenten und Arbeitslose, ausgeführt, dass primär die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes einen tatsächlichen Anreiz dar-stelle, eine Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu unterbrechen. Dies zeigt, dass der Gesichtspunkt einer vor der Geburt eines Kindes ausgeübten Erwerbstätigkeit das entscheidende Motiv ist, Elterngeld zu gewähren und denen die keine Erwerbstätigkeit aus-üben (konnten), das Elterngeld nicht auch nur teilweise anrechnungsfrei zu belassen.

Der Senat kann im Übrigen auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Kläger erkennen. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist durch § 10 Abs. 5 BEEG nicht verletzt. Eine Verletzung liegt nur dann vor, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behand-lung rechtfertigen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er jedoch grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Eine nach vor-stehenden Kriterien willkürliche Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem liegt hier nicht vor. Hinsichtlich der Zahlung des Elterngeldes werden alle elterngeldberechtigten Per-sonen ebenso gleichbehandelt, wie hinsichtlich der Anrechnung der Leistungen auf das SGB II aller mit ihren Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Auch ist für den Senat ein Verstoß gegen Art. 6 GG nicht ersichtlich. Insbesondere ist das soziokulturelle Existenzminimum trotz der Anrechnung des Elterngeldes gesichert. Dann wird aber auch das durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutzniveau nicht unterschritten (vgl. zum Ganzen: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Oktober 2012 - L 14 AS 160712 NZB und LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. April 2012 - L 19 AS 57/12 B).

Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren war schon allein deswe-gen abzulehnen, weil das Verfahren über die Bewilligung von PKH nicht unmittelbar der be-absichtigten Rechtsverfolgung dient, sondern diese erst ermöglichen soll (vgl. Bayer. Landes-sozialgericht, Beschluss vom 12. April 2011 - L 7 AS 192/11 B).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten wer-den (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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