L 5 AS 290/13 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 AS 1932/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 290/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin und Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein von ihr betriebenes Klageverfahren beim Sozialgericht Magdeburg (SG), in dem sie sich gegen eine Überleitungsanzeige gemäß § 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) wehrt.

Die Klägerin beschäftigte seit dem Juni 2010 Frau E. D. in ihrem privaten Haushalt als Hauswirtschaftsgehilfin. E. D. – im Weiteren: Leistungsberechtigte (LB) – bezog von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In einer auf Verlangen des Beklagten ausgefüllten Einkommensbescheinigung vom 21. Juni 2010 bestätigte die Klägerin, die LB sei neun Stunden wöchentlich zu einem Wochenlohn von 24,00 EUR, der einem Monatslohn von 97,20 EUR entspreche, in ihrem Haushalt als Reinigungskraft angestellt. Eine weitere von der Klägerin unterschriebene, nicht datierte Einkommensbescheinigung, die die LB dem Beklagten am 30. Oktober 2011 vorlegte, bestätigte eine Beschäftigung von drei mal drei Stunden wöchentlich zu einem Stundenlohn von 2,75 EUR als Hauswirtschaftsgehilfin in Nebentätigkeit.

Der Beklagte leitete daraufhin ein Verwaltungsverfahren wegen des Verdachts auf sittenwidrige Lohnzahlung ein und bat die Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 um weitere Auskünfte. Darauf teilte die Klägerin unter dem 2. November 2011 mit, sie führe kein Unternehmen, sondern beschäftige die LB als Hilfe in ihrem privaten Haushalt. Da sie und ihr Ehemann Rentner seien, betrage der Stundenlohn 2,75 EUR. Sonstige Zahlungen oder Sonderleistungen würden nicht erbracht.

Mit Schreiben vom 3. April 2012 setzte der Beklagte die Klägerin über den Übergang der Arbeitsentgeltansprüche von der LB auf sich als Sozialleistungsträger gemäß § 115 Abs. 1 SGB X in Kenntnis. Es werde ein Zahlungsanspruch iHv 1.992,46 EUR geltend gemacht. Soweit ein Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfülle und deshalb der Sozialleistungsträger Leistungen erbringe, gehe der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über. Der LB stehe für ihre Tätigkeit eine höhere Vergütung zu als diejenige, die sie mit der Klägerin vereinbart habe. Denn das verabredete Entgelt sei unangemessen gering. Die Entgelttabelle sehe für Haushaltshilfen einen Stundenlohn iHv 8,45 EUR vor. Die gezahlte Vergütung erreiche nicht einmal die Hälfte der üblichen Vergütung. Der Beklagte forderte die Klägerin zur Zahlung des genannten Betrags auf. Das Schreiben enthielt den Hinweis, er werde seine Ansprüche auf gerichtlichem Wege verfolgen, wenn die Klägerin die Zahlungsaufforderung nicht befolge.

Dagegen legte die Klägerin am 16. April 2012 Widerspruch ein. Bei der Tätigkeit der LB habe es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit zur Unterstützung gehandelt. Diese sei mit einer kleinen Aufwandsentschädigung vergütet worden. Die LB sei nicht als Reinigungskraft beschäftigt gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2012 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Er führte zur Begründung aus, das Schreiben vom 3. April 2012 sei kein Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X. Eine Regelung für die Klägerin sei nicht getroffen worden. Es handle sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang, über den sie mit dem Schreiben informiert worden sei.

Am 12. Juni 2012 hat die Klägerin bei dem SG Klage erhoben und am darauffolgenden Tag einen PKH-Antrag gestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid das angegriffene Schreiben die Schlussfolgerung zulasse, dass es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt bezüglich des gesetzlichen Forderungsübergangs handele. Dafür biete der Wortlaut genügend Anhaltspunkte. Daher seien Widerspruch und Klage zulässig. Das Zahlungsbegehren des Beklagten sei unbegründet. Die geleistete Unterstützung durch die LB sei als Nachbarschaftshilfe einzustufen.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn das Schreiben vom 3. April 2012 sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X. Denn es enthalte keine Regelung in dem Sinne, dass durch eine Verwaltungsentscheidung Rechte oder Pflichten begründet, geändert, entzogen oder festgestellt würden. Das Schreiben beinhalte lediglich die Mitteilung, dass ein Forderungsübergang kraft Gesetzes stattgefunden habe. Auch die in ihm enthaltene Zahlungsaufforderung sei kein Verwaltungsakt. Insoweit werde die Klägerin als Adressatin davon in Kenntnis gesetzt, welche Forderung erhoben werde. Es bestünden ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten für die Klägerin gegen weitergehende Maßnahmen des Beklagten.

Am 1. Februar 2013 hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie könne den Ausführungen im PKH-Beschluss nicht folgen. Der Wortlaut des angegriffenen Schreibens biete genügende Anhaltspunkte für die Annahme eines Verwaltungsakts.

Sie beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2013 aufzuheben und ihr zur Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Der Antragsgegner hat sich zum Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch statthaft. Der nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG notwendige Berufungswert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR ist überschritten. Die Klägerin begehrt die Aufhebung des "Bescheids" des Beklagten vom 3. April 2012. Sie meint, damit würde der von dem Beklagten mitgeteilte Übergang der Arbeitslohnforderung iHv 1.992,46 EUR hinfällig. Dieser Betrag ist das mit der Klage verbundene wirtschaftliche Interesse der Klägerin. Er übersteigt den Grenzwert.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das anhängige Klageverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Nach § 73a Abs. 1 SGG iVm §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 2 BvR 94/88, NJW 1991, S. 413 f.). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Klägerin keine PKH zur Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens zu bewilligen. Die Anfechtungsklage, mit der sie die Aufhebung des Schreibens vom 3. April 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2012 begehrt, ist bereits unzulässig.

Gemäß § 54 Abs. 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Die Anfechtungsklage ist zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt beschwert, d.h. in seinen Rechten verletzt zu sein. Indes handelt es sich bei dem Schreiben vom 3. April 2012 nicht um einen Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X. Denn mit dem streitigen Schreiben hat der Beklagte der Klägerin lediglich Mitteilung über einen Forderungsübergang nach § 115 SGB X gemacht. Nach dieser Regelung geht der Entgeltanspruch eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb der Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Mit der Vorschrift ist ein gesetzlicher Forderungsübergang normiert (vgl. von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 115 RN 2, 3). Da der Anspruch kraft Gesetzes übergeht, bedarf es keiner behördlichen Einzelfallentscheidung und keines Umsetzungsakts durch die Verwaltung, um den Übergang in Gang zu setzen (vgl. zu § 32 SGB II in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung: Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 33 RN 9). Der Erlass eines Verwaltungsakts ist daher nicht erforderlich und gesetzlich nicht vorgesehen.

Es könnte nur ausnahmsweise ein sog. Formverwaltungsakt vorliegen, wenn sich der Beklagte in dem Schreiben der Form eines Verwaltungsakts bedient und es mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hätte. Dieser würde die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage eröffnen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 10. Auflage 2012, § 54 RN 8a). Das angegriffene Schreiben erweckt jedoch nicht den Anschein eines Bescheids und enthält auch keine Rechtsbehelfsbelehrung. Vielmehr hat der Beklagte im Schreiben vom 3. April 2012 ausdrücklich ausgeführt, dass er die Entgeltforderung ggf. auf gerichtlichem Wege gegen die Klägerin weiterverfolgen werde.

Da vorliegend weder die gesetzliche Vorschrift des § 115 SGB X den Erlass eines Verwaltungsakts vorsieht, noch der Beklagte durch sein Schreiben den Anschein eines Verwaltungsakts erweckt hat, ist die erhobene Anfechtungsklage unzulässig.

Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin mit ihrer Klage gegen die im angegriffenen Schreiben enthaltene Zahlungsaufforderung wenden will. Diese besitzt ebenfalls keine Verwaltungsaktsqualität. Auch sie stellt keine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls dar. Mit ihr wird der Adressat lediglich davon in Kenntnis gesetzt, welche Forderung der Beklagte erhebt. Einen weitergehenden Zweck verfolgt eine Zahlungsaufforderung nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 21. September 2010, Az.: L 5 AS 72/09 B ER n.v.). Vielmehr wird auch wegen der Zahlungsaufforderung aus dem Hinweis am Ende des Schreibens deutlich, dass der Beklagte sich des Umstands bewusst war, dass vorliegend ein Vorgehen mittels Verwaltungsakt nicht möglich war. Denn ein solches behördliches Vorgehen ist nur möglich, wenn zwischen den Beteiligten ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Bei der Geltendmachung eines ursprünglich dem Arbeitnehmer zustehenden Entgeltanspruchs gegen den Arbeitnehmer stehen Behörde und Arbeitgeber – wie zuvor Arbeitnehmer und Arbeitgeber – in einem Gleichordnungsverhältnis. Daher muss der Beklagte so vorgehen, wie es ein Arbeitnehmer zur Durchsetzung von Entgeltansprüchen gegen den Arbeitgeber tun müsste.

Zudem hat der Beklagte im – ebenfalls angegriffenen – Widerspruchsbescheid erläutert, dass ein Vorgehen mittels Verwaltungsakt gegen die Klägerin nicht beabsichtigt war und sie lediglich vom (gesetzlichen) Forderungsübergang in Kenntnis gesetzt werden sollte.

Schließlich führt auch der Umstand, dass die Klägerin im Widerspruchsbescheid über die Klagemöglichkeit belehrt wurde, nicht zur Zulässigkeit der erhobenen Klage. Denn gemäß § 85 Abs. 3 Satz 4 SGG muss in Widerspruchsbescheiden über den Rechtsbehelf der Klage belehrt werden (vgl. auch: Leitherer, a.a.O., § 85 RN 7d). Die Entscheidung darüber, ob im Einzelfall eine Beschwer vorliegt und die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, so dass die Klage zulässig ist, obliegt den Gerichten.

Vorliegend ist die erhobene Anfechtungsklage unzulässig. Die PKH-Entscheidung des SG ist nicht zu beanstanden und die Beschwerde daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht im Wege der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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