L 4 KR 84/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 919/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 84/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Liposuktion als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die 1983 geborene Klägerin ist als Verwaltungsangestellte versicherungspflichtig beschäftigt und wegen dieser Beschäftigung versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie beantragte mit Schreiben vom 13. Mai 2011 bei der Beklagten, die Kosten für eine Liposuktion zu übernehmen. Sie reichte unter anderem die Veröffentlichung (Liposuktion ist eine wirksame Therapie beim Lipödem - Ergebnisse einer Untersuchung mit 25 Patientinnen) des Oberarztes Dr. R., Hautklinik des Klinikums Darmstadt, sowie dessen Bescheinigung vom 24. August 2011 ein. Aufgrund einer ambulanten Vorstellung am 28. Juni 2011 diagnostizierte dieser ein Lipödem-Syndrom der Beine vom Unterschenkel-Typ (ICD R60.0; Umschriebenes Ödem), nannte als geplante Therapie eine Liposuktion in Tumeszenz-Lokalanästhesie in zwei Sitzungen und bezifferte die voraussichtlichen Kosten auf ca. EUR 2.604,00 je Sitzung. Es finde sich die für ein Lipödem typische Morphologie mit nicht ödematösen Fußrücken. Es bestünden an den Unterschenkeln und im Kniebereich deutliche Fettgewebsvermehrung mit Fettkragenbildung über den Gelenken sowie ein deutlicher Ruheschmerz und eine Druckdolenz in den betroffenen Regionen. Die Klägerin sei normalgewichtig (Körpergewicht 55 kg, Körpergröße 172 cm). Die Disproportionen fielen deutlich auf. Die Arbeitsfähigkeit sei durch Schmerzen und Schwellungen in den betroffenen Bereichen stark eingeschränkt. Manuelle Lymphdrainagen schon im Jahre 2009 hätten keine Besserung gezeigt. Seitdem trage die Klägerin konsequent Kompressionsstrümpfe. Die Beschwerden hätten sich dadurch allerdings nur geringgradig und kurzfristig gebessert. Mittels verschiedener Diäten habe sich das Krankheitsbild erwartungsgemäß nicht beeinflussen lassen.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. F., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, das Gutachten vom 14. September 2011 nach Aktenlage. Er empfahl der Beklagten, die Kosten für die beantragte Liposuktion nicht zu übernehmen. Die begehrte Liposuktion sei eine Therapieform der ästhetischen oder plastischen Chirurgie und werde für formverändernde Eingriffe eingesetzt. Sie sei im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM), nicht gelistet und könne deshalb auch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erbracht werden. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung habe die Liposuktion bereits als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall seien die Präsentationsflächen der Persönlichkeit wie Gesicht und Hände nicht betroffen. Der Befund könne durch geeignete Kleidung verdeckt werden. Eine negative Auswirkung auf soziale Kontakte sei nicht zu erwarten. Auch müssten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (keine Angabe eines Urteils) Maßnahmen der Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen. Eine akute lebensbedrohliche, notstandsähnliche Situation liege nicht vor. Die deutsche Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) empfehle konservative Behandlungsmethoden zur Behandlung des Lymphödems. Ein Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken liege bisher für die Liposuktion nicht vor. Die Beklagte lehnte es ab, die Liposuktion zu übernehmen (Bescheid vom 28. September 2011).

Die Klägerin erhob Widerspruch. Manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie und Bewegungstherapie seien keinerlei Hilfe und schränkten sie auch extrem in ihrer Lebensqualität ein. Bei fortschreitender Krankheit müsse sie aufgrund der Schmerzen mit einer Berufsunfähigkeit rechnen. Sie reichte ein weiteres Attest des Dr. R. vom 27. Oktober 2011 ein. Da alle Therapieversuche (manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, gesunde Ernährung und regelmäßiger Sport) bislang ohne Erfolg geblieben seien, komme nur die Liposuktion als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode infrage. Den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie sei zu entnehmen, dass verschiedene Ärzte, die diese Operationen durchführten und darüber publiziert hätten, über positive Langzeiterfahrungen berichteten. Die Methode der Liposuktion setze sich in Fachkreisen immer weiter durch. Dr. S., MDK Baden-Württemberg, verwies in seinem von der Beklagten veranlassten Gutachten nach Aktenlage vom 13. Dezember 2011 auf das vorangegangene Gutachten des Dr. Fr. vom 14. September 2011. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2012). Die Liposuktion bei Lipödem könne nicht als vertragsärztliche Leistung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Denn es handle sich um eine neue Behandlungsmethode, für die bisher noch keine positive Bewertung zum Nutzen, zur medizinischen Notwendigkeit und zur Wirtschaftlichkeit der Behandlung durch den Gemeinsamem Bundesausschuss vorliege (Verweis auf das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R -, in juris). Die Erkrankung sei nicht selten und nicht lebensbedrohlich. Ein Systemversagen sowie ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Beschluss vom 6. Dezember 2005 1 BvR 347/98 -, in juris) liege nicht vor. Weder handle es sich bei der Erkrankung der Klägerin um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung noch befinde sich die Klägerin in einer notstandsähnlichen Situation. Es stünden im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ausreichende Behandlungsmöglichkeiten (apparativ-intermittierende Kompressionsbehandlung mit Kompressionsstrümpfen und eine komplex-physikalische Entstauungstherapie) zur Verfügung. Ein Wirksamkeitsnachweis einer für die Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken liege für die Liposuktion bei Lipödem nicht vor. Keine der vier vorliegenden Veröffentlichungen zu dieser Thematik sei eine klinische Studie. Auf Komplikationen dieser Methode (z.B. Bildung von Hämatomen, Nervenläsionen, Infektionen, Thrombosen, Lungenembolien, Fettembolien und ein hypovolämischer Schock mit Todesfolge), welche bei umfänglicher Anwendung zunähmen, sei hinzuweisen.

Die Klägerin erhob am 16. März 2012 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Allein die Liposuktion ermögliche eine gezielte dauerhafte Reduktion des die Erkrankung bedingenden Gewebes. Andere Therapiemöglichkeiten seien ausgeschöpft oder medizinisch nicht geeignet. Therapien zulasten der Beklagten führe sie derzeit nicht durch. Als Hilfsmittel habe sie lediglich noch Kompressionsstrümpfe. Die Kosten der begehrten Liposuktion seien wegen eines Systemversagens von der Beklagten zu übernehmen (Verweis auf das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. März 2012 - S 10 KR 189/10 -, in juris). Es lägen Hinweise vor, wonach ein Antrag (zur Prüfung der Liposuktion) beim Gemeinsamem Bundesausschuss gestellt worden sei. Dessen früherer Vorsitzender habe in der Presse veröffentlicht, er selbst würde einen entsprechenden Antrag stellen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen, wiederholte die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und ergänzte, es liege weder ein Seltenheitsfall noch ein Systemversagen vor (Verweis auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R -, in juris). Ein Wirksamkeitsnachweis anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken und Studien liege bisher für die Liposuktion bei Lipödem nicht vor.

Das SG hörte Dr. R. als sachverständigen Zeugen. Seiner Auskunft vom 10. September 2012 fügte er die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, seine bereits von der Klägerin mit ihrem Antrag vorgelegte Veröffentlichung sowie die Veröffentlichung des Prof. Dr. Schmeller vom 29. Juli 2011 (Tumescent liposuction in lipoedema yields good long-term results; British Journal of Dermatology 2012, 166, S. 161) bei und gab an, die Klägerin leide an einer disproportionierten Vermehrung des subkutanen Fettgewebes beider Unterschenkel im Sinne eines Lymphödems vom Unterschenkel-Typ im Stadium I. Die Erkrankung sei chronisch-progredient. Es handle sich um eine genetisch bedingte Vermehrung des Unterhaut-Fettgewebes an den Extremitäten. Seit 2009 leide die Klägerin zunehmend an den Lipödem-typischen Beschwerden, insbesondere Ruheschmerz, Druckschmerzhaftigkeit und Ödemen an den Beinen. Ein Ödem im Unterschenkel- und Fußrückenbereich bestehe zum Zeitpunkt der Untersuchung (28. Juni 2011) nur geringgradig. Die Arbeitsfähigkeit sei durch die Schmerzen und Schwellungen in den betroffenen Bereichen stark eingeschränkt. Bezüglich konservativer Behandlungsmethoden verweise er auf die beigefügten Leitlinien, wobei für die komplexe physikalische Entstauungstherapie und die operative Therapie mittels Liposuktion bisher wissenschaftliche Vergleichsstudien fehlten, so dass man sich derzeit nicht auf eine Standardtherapie festlegen könne. Es stehe jedoch fest, dass für die Durchführung einer Liposuktion eindeutig eine medizinische Indikation bestehe. Nach dem aktuellen Stand der Literatur sei diese durchweg geeignet, die angegebenen Beschwerden zumindest zu lindern.

Auf Anfrage des SG gab der Gemeinsame Bundesausschuss an (Schreiben vom 18. Oktober 2012), die Liposuktion bei Lipödem im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sei in Ermangelung eines entsprechenden Beratungsantrags bisher weder von ihm noch im vormals zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen überprüft worden. Es liege derzeit kein Antrag zur Prüfung dieser Methode als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode der antragsberechtigten Organisationen vor.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Dezember 2012 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Operation zur ambulanten Liposuktion unter dem Gesichtspunkt der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Die Liposuktion sei neu und als bislang nicht vom Gemeinsamem Bundesausschuss empfohlene Methode zur Behandlung von Lipödemen grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Weder ergäben sich angesichts der erheblichen Verbreitung des Krankheitsbildes Anhaltspunkte für einen Seltenheitsfall noch für ein Systemversagen (zu Letzterem u.a. Hinweis auf Urteil des Senats vom 27. April 2012 - L 4 KR 595/11 - in juris). Letzteres liege schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem Gemeinsamem Bundesausschuss antragsabhängig und ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden (und offensichtlich auch nicht beabsichtigt) sei. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher neueren oder schon vorhandenen, bislang aber nicht berücksichtigten medizinischen Erkenntnisse die antragsberechtigten Stellen es versäumt hätten, einen Antrag zu stellen, sei keine Verpflichtung der Krankenkassen ersichtlich, ein derartiges Bewertungsverfahren einzuleiten. Aus einen Artikel in einer Fachzeitschrift, in der eine Antragstellung angekündigt werde, sei kein schutzwürdiges Vertrauen herzuleiten. Schließlich ergebe sich der Anspruch nicht ausnahmsweise wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 -, a.a.O.) und der nun in § 2 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfolgten gesetzlichen Umsetzung dieser Rechtsprechung, weil es bereits an einer lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung fehle.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 12. Dezember 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 7. Januar 2013 Berufung eingelegt. Sie verweist erneut auf das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz und auf die dem SG erteilte sachverständige Zeugenauskunft des Dr. R ... Des Weiteren führt sie aus, das SG habe nicht geklärt, ob beim Gemeinsamem Bundesausschuss Anträge gestellt worden seien. Der frühere Vorsitzende des Gemeinsamem Bundesausschusses habe in der Ärztezeitung vom 15. Mai 2012 zugesagt, einen eigenen Antrag bei Fehlen anderweitiger Antragstellung zu stellen. Ferner habe der Gemeinsamem Bundesausschuss sich nicht dazu geäußert, ob eine antragsberechtigte Organisation einen Antrag eingereicht habe. Schließlich sei der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit einer Petition aufgefordert worden, die Anerkennung der Liposuktion für die Behandlung des Lymphödems durch den Gemeinsamem Bundesausschuss zu beantragen. Sie hat vorgelegt einen Internetausdruck der Petition und das Schreiben der Geschäftsführung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13. November 2012, wonach die Liposuktion bei Lipödem bisher weder durch ihn beraten worden sei noch ein Antrag auf Beratung seitens der antragsberechtigten Institutionen vorliege.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 3. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Liposuktion als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ein Systemversagen sei nicht gegeben. Es gebe keinen Grund an der Aussage des Gemeinsamen Bundesausschusses zur fehlenden Antragstellung zu zweifeln.

Der Senat hat die Beteiligten auf sein Urteil vom 27. April 2012 (L 4 KR 595/11, a.a.O.) hingewiesen und das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödem vom 6. Oktober 2011 der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7" in das Verfahren eingeführt, welches diese Expertengruppe im Auftrag des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung unter Federführung des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung des MDK Nordrhein unter Hinzuziehung des Ergebnisses einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erstellt hat. Die dortigen Autoren Dr. David (Facharzt für Chirurgie und Phlebologie) sowie Dr. Weingart (Facharzt für Allgemeinmedizin) gelangen unter Mitwirkung weiterer Ärzte, insbesondere des Dermatologen Dr. Dittberner, nach Auswertung der bislang über die - zur Behandlung von Lipödemen durch Liposuktion vorhandenen - Studien zu der Auffassung, dass die grundsätzlichen Anforderungen für die Erbringung einer Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß §§ 2 und 12 SGB V nicht erfüllt seien. In der durchgeführten systematischen Recherche hätten nur zwei kontrollierte Studien (eine zum Krankheitsbilder der Lipomatosis dolorosa von Hansson - veröffentlicht 2011 und eine zum sekundären Lymphödem nach Therapie des Mammakarzinoms) identifiziert werden können. Die Ergebnisse dieser Studien seien in keiner Weise geeignet, eine für eine Therapieempfehlung ausreichenden Nutzen-Risiko-Bewertung zu bejahen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Liposuktion zur Therapie des Lipödems noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion und weitere (randomisierte) Studien erforderlich seien. Die Aussagen zur Liposuktion in den nicht evident basierten Leitlinien seien als Beleg einer etablierten Standardtherapie im Sinne der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses ungeeignet und begründeten auch kein Systemversagen, sodass unabhängig vom Leistungssektor nicht von einer generellen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auszugehen sei. Es fehlten daher Belege für den Patientennutzen aus klinischen Studien.

Zu diesem Gutachten hat die Klägerin unter erneuter Vorlage der genannten Veröffentlichungen des Dr. R. und des Prof. Dr. Schmeller vorgetragen, die wirklich relevanten Arbeiten zum Lipödem seien in dem in das Verfahren eingeführten Gutachten nicht angeführt, weshalb eine Bewertung der Liposuktion bei Lipödem nur "so nebenbei" erfolgt und daher relativ unbrauchbar sei. Die relevante wissenschaftliche Literatur schienen die Ärzte des MDK nicht zu kennen. Es liege auch ein Interessenkonflikt vor, weil die Autoren dieses Gutachtens Gutachter des MDK seien.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch ohne Zulassung statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von EUR 750,00 ist überschritten. Für die von der Klägerin begehrte Liposuktion werden nach der mit dem Antrag vorgelegten Bescheinigung des Dr. R. vom 24. August 2011 voraussichtlich Kosten von ca. EUR 2.604,00 je Sitzung entstehen, bei zwei notwendigen Sitzungen mithin ca. EUR 5.200,00.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Februar 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch, dass ihr die Beklagte eine Liposuktion als Sachleistung zur Verfügung stellt und zwar weder als ambulante noch als stationäre Sachleistung.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung(§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R -, alle in juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteile vom 9. Juni 1998 - B 1 KR 18/96 R -, 13. Juli 2004 - B 1 KR 11/04 R - und 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R -, alle in juris).

1.) Bei der Klägerin besteht eine Krankheit gemäß § 27 Abs. 1 SGB V. Sie leidet an einer chronisch-progredient verlaufenden disproportionierten Vermehrung des subkutanen Fettgewebes beider Unterschenkel im Sinne eines Lipödems vom Unterschenkel-Typ im Stadium I. Es handelt sich um eine genetisch bedingte Vermehrung des Unterhaut-Fettgewebes an den Extremitäten. Diese Krankheit verursacht Lipödem-typische Beschwerden. Dies ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. R. vom 10. September 2012. Aus dieser ergibt sich für den Senat weiter, dass bei der Klägerin kein Lipödem, sondern nur eine dem Lipödem ähnlich verlaufende Erkrankung vorliegt. Auch in den von der Klägerin der Beklagten vorgelegten Bescheinigungen vom 24. August und 27. Oktober 2011 nannte Dr. R. als Diagnose nicht ein Lipödem, sondern eine Lipödem-Syndrom der Beine vom Unterschenkel-Typ, wobei er allerdings in der Bescheinigung vom 27. Oktober 2011 unter 4.) angab, die Diagnose Lipödem stehe außer Frage. Das Beschwerdebild stellt nach Auffassung des Senats - unabhängig davon, ob die richtige Diagnose Lipödem oder eine dem Lipödem ähnlich verlaufende Erkrankung ist - eine Krankheit gemäß § 27 Abs. 1 SGB V dar, denn der insoweit bei der Klägerin vorliegende körperliche Zustand ist mit Blick auf die die geklagten Schmerzen, die eine Beeinträchtigung von Körperfunktionen darstellen, ein regelwidriger Zustand, der, was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, einer körperlichen Behandlung bedarf.

2.) Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Behandlung der Krankheit mittels Liposuktion, und zwar weder als ambulante Krankenbehandlung (a) noch als stationäre Krankenbehandlung (b).

Der Behandlungsanspruch eines Versicherten bei Vorliegen einer Krankheit unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Beschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (zum Ganzen: z.B. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - und 3. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R - beide in juris). Zu beachten sind schließlich auch die Regelungen des Leistungserbringerrechts (Viertes Kapitel des SGB V, §§ 69 bis 140h SGB V), insbesondere auch die Regelungen über die Qualitätssicherung.

a) Für den ambulanten Bereich ist insoweit das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch nur dann zu den den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - und 3. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R -, alle in juris). Die entsprechende Richtlinie ist seit 1. April 2006 die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie), zuvor die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien). An die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (BSG, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - a.a.O.). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - und 3. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R -, a.a.O.).

Der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V ist vorliegend einschlägig. Eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in diesem Sinne ist die auf einem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruhende systematische Vorgehensweise der Untersuchung und Behandlung einer Krankheit (BSG, Urteile vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 19/96 R - und 28. März 2000 - B 1 KR 11/98 R -, beide in juris). Neu in diesem Sinne ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM aufgeführt wird und somit nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. § 9 Abs. 1 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R - in juris). Diese Voraussetzungen sind für die Liposuktion gegeben.

aa) Bei der Liposuktion handelt es sich um eine eigenständige Behandlungsmethode. Diese Behandlungsmethode ist auch neu. Denn sie ist im EBM nicht als abrechnungsfähige Leistung erfasst.

bb) Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschuss für die Liposuktion liegt nicht vor. In der hier maßgeblichen Methoden-Richtlinie in der Fassung vom 17. Januar 2006 ist eine Prüfung und positive Bewertung der Liposuktion nicht enthalten.

cc) Ihren Anspruch auf die ambulante Behandlung mit Liposuktion kann die Klägerin auch nicht auf ein Systemversagen stützen. Ein solches liegt nicht vor.

Eine Leistungspflicht der Krankenkasse kann ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss von den antragsberechtigten Stellen oder dem Gemeinsamen Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteile vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/05 R - und 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, a.a.O.). Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Beim Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Anerkennung der Liposuktion als Behandlungsmethode nicht beantragt. Dies ergibt sich aus der vom Gemeinsamen Bundesausschuss dem SG erteilten Auskunft vom 18. Oktober 2012 und wird durch das von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben der Geschäftsführung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13. November 2012 bestätigt. Im Übrigen hat auch das BSG in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R, a.a.O.) und in seinem Beschluss vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 78/11 B, in juris) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles gesehen.

b) Für die stationäre Krankenbehandlung regelt die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden § 137c SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2983) überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V (Satz 3). Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (Satz 4). Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs. 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt Satz 4 entsprechend (Satz 5). Für den stationären Bereich gibt es mithin keine dem § 135 Abs. 1 SGB V entsprechende Vorschrift, die einen solchen Anerkennungsvorbehalt formuliert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in der stationären Krankenbehandlung sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden können. Vielmehr sind die Krankenhäuser nicht davon entbunden, die Standards des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V im Einzelfall zu überprüfen und einzuhalten. Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (zum Ganzen: Urteil des Senats vom 27. Januar 2012 - L 4 KR 2172/10 - in juris, nachgehend BSG, Urteil vom 21. März 2013 - B 3 KR 2/12 R -, Nr. 3 des Terminberichts Nr. 9/13 vom 22. März 2013).

Die Liposuktion entspricht - schon ganz grundlegend - nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind. Der Senat hat in seinem Urteil des Senats vom 27. April 2012 (L 4 KR 595/11, a.a.O.; siehe auch Urteil des Senats vom 1. März 2013 - L 4 KR 3517/11 -, in juris) ausgeführt: "§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll (vgl. entsprechend das BSG auch zur Frage der Erfüllung von Qualitätskriterien einer bestimmten Arzneimitteltherapie, Urteil vom 1. März 2011 - B 1 KR 7/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr. 5; Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 m.w.N. - Wobe-Mugos). Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich BT-Drucks. 11/2237, S. 157). Die einzige Ausnahme bilden nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar.

Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (vgl. dezidiert BSG, Urteile vom 1. März 2011 u.a. - B 1 KR 7/10 R - a.a.O.; ebenso BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 10/07 R - SozR 4-2500 § 139 Nr. 4). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 1 RdNr. 7 m.w.N.; vgl. dazu auch Wagner, in Krauskopf, Stand 2008, § 13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I (vgl. entsprechend zur Arzneimitteltherapie BSG, Urteile vom 1. März 2011, u.a - B 1 KR 7/10 R - a.a.O.). Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl. auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr. 64). Um der in § 137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen Gesamtschau heranzuziehen (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 27. Januar 2012 - L 4 KR 2272/10 - juris).

Von Qualität und Wirksamkeit der begehrten Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems im Sinne der Kriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vermochte der Senat sich indes nicht zu überzeugen. Er legt insoweit ganz maßgeblich das von der Beklagten vorgelegte "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011 zugrunde. Dieses Gutachten nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vor, wobei die Gutachter neben randomisiert kontrollierten auch nicht randomisiert kontrollierte Studien berücksichtigt haben. Die im Mai 2011 insoweit durchgeführte Recherche der hierzu vorhandenen Publikationen ergab überhaupt nur zwei relevante, diesen Qualitätsanforderungen entsprechende Studien. Für den konkreten Fall ist sogar nur eine der beiden Studien (nämlich diejenige zum Krankheitsbild der Lipomatosis dolorosa von Hansson - veröffentlicht 2011) relevant, da sich die andere der beiden Studien mit Liposuktion zur Behandlung eines Lymphödems nach Mammakarzinom befasst. In der Studie Hansson wurde (nicht randomisiert kontrolliert) der Langzeiterfolg der Liposuktion bei 111 Frauen mit Lipomatosis dolorosa beobachtet. Dabei wurde ein signifikanter Unterschied in der Schmerzreduktion beobachtet, ohne dass dies von den Autoren selbst als zureichendes Ergebnis gewertet wurde, um einen langfristigen Nutzen ausreichend zu belegen. Vielmehr fordern auch die Autoren weitere randomisiert kontrollierte Studien mit ausreichend validierten Ergebniskriterien. Alle übrigen seinerzeit zugänglichen Veröffentlichungen erfüllen diese Qualitätsanforderungen nicht bzw. stellen Registernachbeobachtungen oder Ergebnisberichte kleiner Fallserien dar. Für den Senat war daher das Fazit der Gutachter überzeugend, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Diesem Fazit schließt sich der Senat an."

Es besteht kein Anlass, aufgrund des Vorbringens der Klägerin des vorliegenden Verfahrens hiervon abzuweichen. Die Klägerin hat keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen. Soweit die Klägerin meint, das Gutachten vom 6. Oktober 2011 berücksichtige nicht die von ihr vorgelegte Veröffentlichung des Dr. R. aus dem Jahr 2011, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat hat bereits im Urteil vom 27. April 2011 (a.a.O.) ausgeführt: "Die Nachvollziehbarkeit und Validität der Ergebnisse dieses Gutachtens vom 6. Oktober 2011 wird nicht dadurch verringert, dass es die Publikation des - vom durch den Senat bezogen auf den konkreten Fall der Klägerin beauftragten - Sachverständigen Dr. R. aus dem Jahr 2011 zu Erfolg und Wirksamkeit der Methode der Liposuktion bei Lipödemen nicht erwähnt. Zum Einen ließe angesichts der bisherigen Studienlage auch eine einzige weitere Studie nach Auffassung des Senats noch nicht auf eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode schließen; zum anderen erfüllt die von Dr. R. vorgelegte Publikation auch nicht die Qualitätsanforderungen insoweit wissenschaftlich relevanter Aussagen, da sie lediglich eine postoperative Nachbeobachtung mit Liposuktion behandelter Frauen darstellt, wobei von insgesamt 101 Patienten lediglich 25 nachbeobachtet werden konnten. Insgesamt ergibt sich anhand dieser Publikation noch kein Hinweis auf eine geändert zu beurteilende Studienlage."

Dasselbe gilt auch für die von der Klägerin im Berufungsverfahren und von Dr. R. mit seiner sachverständigen Zeugenauskunft vorgelegte Veröffentlichung des Prof. Dr. Schmeller vom 29. Juli 2011 im British Journal of Dermatology (Tumescent liposuction in lipoedema yields good long-term results).

Der Verwertung des Gutachtens vom 6. Oktober 2011 steht nicht entgegen, dass dieses Gutachten der MDK Nordrhein erstellt hat und die Klägerin meint, dass deshalb ein Interessenkonflikt vorliege. Der MDK ist nicht eine Verwaltungseinheit der Krankenkassen, sondern institutionell von diesen getrennt. Es handelt sich auf Länderebene jeweils um eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 SGB V). Um auch den Anschein eines Weisungsverhältnisses zwischen Kranken- oder Pflegekassen und den Ärzten des MDK auszuschließen, stellt § 275 Abs. 5 SGB V ausdrücklich klar, dass die Ärzte des MDK bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 - B 1 KR 84/04 B -, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R - zu einem Gutachten des MDK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit; beide in juris).

Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R, a.a.O.), wie der Senat bereits im Urteil vom 27. April 2011 (a.a.O.) ausgeführt hat: "Das BSG hatte sich dort mit der Frage zu befassen, ob die Behandlungsmethode der Liposuktion, die ambulant zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse von vornherein mangels positiver Empfehlung des GBA nicht erbracht werden darf (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V; dazu auch Urteil des Senats vom 10. September 2010 - L 4 KR 3961/09 -, nicht veröffentlicht), gleichsam automatisch stationär zu erbringen ist, da im klinischen Bereich das Erfordernis einer positiven Entscheidung durch den GBA nicht besteht. Dies hat das BSG im konkreten Fall unter Verweis auf das Fehlen schon der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 SGB V verneint, da die dort statuierten spezifischen Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung nicht vorlagen. Mit der Frage, ob die Methode der Liposuktion denn überhaupt den Maßstäben evidenzbasierter Medizin entspricht, hatte sich das BSG demgemäß gar nicht zu befassen. Aus der zitierten Entscheidung kann daher nicht abgeleitet werden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Erfordernisses der Durchführung einer stationären Operation ohne weiteres ein Leistungsanspruch auf Durchführung einer Liposuktion zu Lasten der Krankenkasse besteht. Anhand der jüngeren Rechtsprechung des BSG ergibt sich vielmehr gerade das Gegenteil. Das BSG hat darin (vgl. insoweit insbesondere das Urteil vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 18 zum Anspruch einer Versicherten auf stationär durchgeführt Reimplantation nach Kryokonservierung von Eierstockgewebe) ausdrücklich zum Maßstab gemacht, dass auch die stationäre Behandlung stets einer Überprüfung anhand der Maßstäbe des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu unterziehen ist. Eine andere Auffassung führte im Übrigen zu dem auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) nicht tragbaren Ergebnis, dass Patienten allein deshalb, weil sie bestimmte Risikofaktoren erfüllen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, eine Behandlung in stationärem Rahmen erhielten, obwohl sich für die Wirksamkeit einer bestimmten Methode keine bislang hinreichend wissenschaftlich gefestigten Anhaltspunkte ergeben".

c) Auch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Erprobung der Liposuktion nach § 137c SGB V ist bislang nicht ergangen. Nach § 137e Abs. 1 Satz 1 SGB V (eingefügt mit Wirkung ab 1. Januar 2012 durch Art. 1 Nr. 56 GKV-VStG) kann der Gemeinsame Bundesausschuss unter Aussetzung seines Bewertungsverfahrens eine Richtlinie zur Erprobung beschließen, um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen, wenn er bei der Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 oder § 137c SGB V zu der Feststellung gelangt, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist (Satz 1). Aufgrund der Richtlinie wird die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zulasten der Krankenkassen erbracht (Satz 2).

d) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V, eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 GKV-VStG mit Wirkung vom 1. Januar 2012, berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - a.a.O.) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (z.B. BSG, Urteile vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R -; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - alle in juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden, die Untersuchungsmethoden einschließen würden, in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Der vom BVerfG entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteile vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R -; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R -; a.a.O.). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen u.a. nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Einen solchen Schweregrad erreicht das Lipödem-Syndrom der Klägerin nicht (so auch BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - a.a.O.). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob konservative Therapien für die Klägerin als allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen erfolgsversprechend zur Verfügung gestanden haben und stehen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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