L 4 R 162/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 5793/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 162/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf EUR 18.653,57 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 26. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2013.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Unternehmen im Bereich der Elektrotechnik und Elektroinstallation. Die 1962 geborene A. R. (im Folgenden A.R.) ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und hat ein Studium zur Kommunikationswirtin absolviert. Seit 1. Mai 2001 hat sie ein Gewerbe Projektmanagement, Marketing und Kommunikation angemeldet. Sie verfügt in ihren Privaträumen über ein Büro, das mit Telefon, Telefax, PC und Internet ausgestattet ist. A.R. betreibt Werbung und ist nach ihren Angaben für verschiedene Auftraggeber tätig. Seit Februar 2002 arbeitet A.R. auch für die Klägerin. Sie übernimmt für diese diverse Sekretariatsaufgaben wie z.B. die Organisation des Ablagesystems und die Archivierung von Unterlagen, die Postverwaltung, die Vorbereitung des Rechnungswesens, das Erfassen von Rapporten und die abgabefertige Buchhaltungsvorbereitung für den Steuerberater. Zumindest zeitweise - so auch am Tag der Betriebsprüfung - arbeitet A.R. hierbei in den Geschäftsräumen der Klägerin und nutzt dort die Büroeinrichtung. Am Telefon meldet sie sich im Namen der Klägerin. Auf der Homepage der Klägerin, Ausdruck vom 15. April 2011, befand sich ein Gruppenbild des Teams der Klägerin, auf dem auch A.R. abgebildet war. Bei einem späteren Ausdruck vom 18. Mai 2011 war A.R. wegretuschiert. Für ihre Tätigkeiten bei der Klägerin erhält A.R. eine Vergütung, die nach Stunden bemessen ist. Die Entlohnung betrug zwischen dem 1. Januar 2007 und 31. Dezember 2010 EUR 39,00 pro Stunde. A.R. stellte der Klägerin über die von ihr geleistete Arbeitszeit jeweils Rechnungen, wobei sie angab, dass es sich um "Projektarbeit an verschiedenen Aufträgen für die Klägerin" handele. Der zeitliche Umfang der Tätigkeiten von A.R. für die Klägerin bewegte sich zwischen Januar 2007 und Dezember 2010 zwischen 72,5 und 118,5 Stunden.

Die Beklagte führte bei der Klägerin zwischen dem 18. April und 18. August 2011 eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 durch. Nach erfolgter Anhörung setzte die Beklagte durch Bescheid vom 26. Juli 2012 gegenüber der Klägerin eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuzüglich Umlagen in Höhe von insgesamt EUR 74.614,29 für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 fest, weil A.R. bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Der Beitragsberechnung legte sie als Entgelt von A.R. die von dieser gestellten Rechnungen zugrunde.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 26. Juli 2012 bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Sie trug vor, das zwischen ihr und A.R. kein abhängiges bzw. sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. A.R. sei weder in ihre - der Klägerin - Arbeitsorganisation eingegliedert noch weisungsabhängig beschäftigt gewesen. Soweit ihr gewisse Vorgaben gemacht worden seien, sei dies notwendig, da sonst ein reibungsloser Ablauf in einem Betrieb nicht gewährleistet werden könne. Für das Vorliegen einer freien Mitarbeit sei dies vollkommen unschädlich. Es hätte auch keine Anwesenheitspflicht für A.R. bestanden, sie habe ihre Arbeitszeit selbst einteilen können. Andere Mitarbeiter hätten die Arbeit von A.R. nicht übernehmen können, da außer im gewerblichen Bereich keine anderen Mitarbeiter existierten. Das Fehlen vertraglicher Abreden begründe ein erhebliches Unternehmerrisiko von A.R. Darüber hinaus sei ein Kapitaleinsatz für eine selbstständige Tätigkeit nicht immer zwingend, insbesondere wenn bei den Betroffenen besonderes "Know-how" vorliege. Für eine Selbstständigkeit spreche auch, dass A.R. ihre Entgelte selbst verhandele und Aufträge nicht annehmen müsse.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 19. (richtig: 26.) Juli 2012 abgelehnt hatte, stellte die Klägerin am 23. Oktober 2012 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Sie verwies auf die Begründung ihres Widerspruchs. Demnach bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Es bestünde keine überwiegende Erfolgsaussicht.

Das SG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 ab. Nach der erforderlichen summarischen Prüfung sei der Erfolg des Rechtsbehelfs nicht aussichtsreicher als sein Misserfolg. Anhaltspunkte an der Richtigkeit der Entscheidung der Beklagten zu zweifeln, lägen derzeit weder auf Basis der Akten noch nach den Angaben der Beteiligten vor. Die tatsächlichen Erhebungen und Berechnungen seien nicht zu beanstanden. Die vorgebrachten rechtlichen Argumente der Klägerin könnten solche erheblichen Zweifel alleine ebenfalls nicht begründen. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht dargetan, worin der Anordnungsgrund im Sinne einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte bzw. die diesbezügliche Eilbedürftigkeit konkret bestehe.

Gegen den am 12. Dezember 2012 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 10. Januar 2013 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung nimmt sie auf die Widerspruchsbegründung Bezug. Ergänzend trägt sie vor, dass A.R. entgegen den Ausführungen im Beschluss vom 1. Oktober 2012 nicht "üblicherweise von Montag bis Donnerstag jeweils von 10:00 bis 16:00 Uhr und daher regelmäßig anwesend war". Sie halte sich grundsätzlich diese Zeiten vor, um für sie - die Klägerin - tätig werden zu können. Dabei sei sie aber nur teilweise in ihrem - der Klägerin - Büro tätig. Sie erbringe ihre Tätigkeiten auch zu Hause und sei im Übrigen auch für andere Kunden tätig, so dass sich eine regelmäßige Anwesenheit bei ihr schon allein deshalb verbiete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2013 hat der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Nach einer Gesamtwürdigung der Kriterien und Merkmale liege bei A.R. ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor. Die Art der von A.R. wahrgenommenen Tätigkeit sei mit der einer Sekretärin/Bürokraft überwiegend vergleichbar. Es sei üblich, dass solche Tätigkeiten im Rahmen von flexiblen Arbeitszeiten ausgeführt würden. A.R. arbeite in den Räumlichkeiten der Klägerin. Ihr stehe ein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung und sie benutze die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Infrastruktur. Sie sei Ansprechpartnerin für Dritte und arbeite mit den Mitarbeitern der Klägerin zusammen, indem die gleichen Räumlichkeiten benutzt würden. Insoweit liege eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation vor. Die Möglichkeit einzelne Aufträge abzulehnen, könne zwar als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden. Derartige Möglichkeiten hätten jedoch auch abhängig beschäftigte Aushilfs-, Abruf- und Teilzeitkräfte. Ein wesentliches Unternehmerrisiko liege nicht vor. Die Tätigkeiten von A.R. erforderten kein besonderes "Know-how" und würden üblicherweise von abhängig Beschäftigten ausgeführt. Auch der Erfolg der eigenen Leistung sei nicht ungewiss gewesen. A.R. habe auf Stundenlohnbasis abgerechnet und sei nicht Gefahr gelaufen, bei mangelndem Erfolg der Arbeit keine Entlohnung zu erhalten. Unternehmerische Chancen seien ebenfalls nicht zu erkennen. A.R. habe nicht die Möglichkeit gehabt, durch eine andere Arbeitsgestaltung oder den Einsatz von Sachmitteln ihren Gewinn zu erhöhen. Ferner sie A.R. im Betrieb der Klägerin nicht im eigenen Namen aufgetreten. Auch sei sie auf dem Gruppenbild der Belegschaft der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung abgebildet gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 7. Februar 2013 Klage beim SG (S 13 R 680/13) erhoben, die noch anhängig ist.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. Dezember 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2013 anzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.

Nachdem mittlerweile über den Widerspruch entschieden sei, erübrige sich die mit der Beschwerde beantragte Aufhebung des Beschlusses des SG unter gleichzeitiger Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 19. (richtig: 26.) Juli 2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG S 13 R 5793/12 ER und S 13 R 680/13 sowie auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung zulässig, da die Klägerin sich gegen eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 74.614,29 wendet. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das SG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der von der Beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen anzuordnen.

2. Das von der Klägerin im Schriftsatz vom 10. Januar 2013 formulierte Begehren auf Aufhebung des Beschlusses des SG vom 5. Dezember 2012 und Aussetzung der Vollziehung des Bescheids der Beklagten vom 26. Juli 2012 legt der Senat unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Klägerin vom 21. März 2013, wonach sie, die Klägerin, nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2013 nunmehr ihr Begehren mit der Klage weiterverfolge, dahingehend aus, dass die Klägerin nach Abschluss des Vorverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 7. Februar 2013 begehrt. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung wäre die Zahlungspflicht aus den angefochtenen Bescheiden bis zum Eintritt der Bestandskraft dieser Bescheide suspendiert.

3. Im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens hat der Senat von einer Beiladung der zuständigen Sozialversicherungsträger und von A.R. abgesehen. Eine solche ist im Hauptsacheverfahren notwendig (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R -, in juris).

4. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die von der Klägerin gegen den Bescheid vom 26. Juli 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Januar 2013 erhobene (Anfechtungs )Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Denn nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung (von Widerspruch und Klage) bei der Entscheidung über Versicherungs , Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Zu den Entscheidungen, die unter § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG fallen, gehören auch Bescheide der Rentenversicherungsträger, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (z.B. Beschluss des Senats vom 15. Mai 2013 - L 4 R 3852/12 ER-B -, nicht veröffentlicht).

Die gerichtliche Eilentscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG beruht auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, regelmäßig also des (privaten) Aufschubinteresses des Antragstellers auf der einen und des (öffentlichen) Vollziehungsinteresses der Behörde bzw. der Allgemeinheit auf der anderen Seite. Da der vorläufige Rechtsschutz den Hauptsache-rechtsschutz sichern soll, sind für diese Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs grundsätzlich ausschlaggebend. Wird der Hauptsacherechtsbehelf aller Voraussicht nach erfolgreich sein, überwiegt regelmäßig das private Aufschubinteresse des Antragstellers, andernfalls kommt dem öffentlichen Vollziehungsinteresse regelmäßig der Vorrang zu. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage bzw. des Widerspruchs oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gegeben, so sind die beteiligten Interessen anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen.

Hinsichtlich des Umfangs der Ermittlungen sind - unbeschadet der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - der Eilcharakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und das Risiko einer etwaigen Abweichung von der künftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Das gilt auch für die Prüfungsdichte des Gerichts. Regelmäßig genügt danach eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage unstreitiger oder glaubhaft gemachter Tatsachen bzw. auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten oder in angemessener Zeit erreichbaren Beweismittel. Drohen besonders schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Güter, die nur schwer oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden können, ist eine besonders eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, wenn möglich eine Vollprüfung, geboten. Kommt das aus Zeitgründen im Hinblick auf den Eilcharakter des Verfahrens nicht in Betracht, wird eine Folgenbetrachtung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Güter des Antragstellers und der diesen drohenden Beeinträchtigungen den Ausschlag geben müssen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009, - 1 BvR 1876/09 - und 15. März 2010, - 1 BvR 722/10 -, beide in juris; vgl. entsprechend auch Beschluss des Senats vom 14. Dezember 2011, - L 4 P 4355/11 ER-B -, nicht veröffentlicht).

5. Davon ausgehend ist der Senat der Auffassung, dass der nunmehr mit Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2013 über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen einschließlich Umlagen von der Beklagten vollzogen werden darf.

Im Rahmen der Interessenabwägung spricht gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 13 R 680/13, dass aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes die mit der Klage angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Januar 2013 nicht erkennbar rechtswidrig sind.

Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen von Prüfungen bei den Arbeitgebern nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 geltenden § 7 Abs. 1 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 SGB III sowie in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R -, in juris m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 , in juris). Maßgeblich ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -, zum Ganzen zuletzt BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R m.w.N. -, jeweils in juris).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. August 1990 - 11 RAr 77/89 -; Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 -, beide in juris). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 -; Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R -, jeweils m.w.N., alle in juris). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -, in juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes spricht einiges dafür, dass die im Prüfzeitraum von der Klägerin in ihrem Betrieb eingesetzte A.R. in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.

A.R. dürfte in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sein. Sie verrichtete im Wesentlichen die üblicherweise in einem Betrieb anfallenden Bürotätigkeiten. Diese Tätigkeiten dürfte sie auch überwiegend am Firmensitz der Klägerin verrichtet haben, denn die von ihr verrichteten Tätigkeiten wie Organisation des Ablagesystems, Archivierung von Unterlagen, Postverwaltung und auch Terminkoordination können in der Regel nicht von einem Heimarbeitsplatz aus verrichtet werden. Mit Blick auf die Terminkoordination sprach sie sich auch mit den Mitarbeitern der Klägerin ab. Damit dürfte sie nicht vollständig weisungsfrei im Hinblick auf den Arbeitsort und die Arbeitszeit gewesen sein. Im Außenverhältnis trat sie auch als Angehörige der Klägerin auf. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass sie sich mit dem Namen der Klägerin am Telefon meldete, aber auch aus dem noch am 15. April 2011 erfolgten Internetauftritt der Klägerin. A.R. dürfte auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko, was nach der Rechtsprechung des Senats ein besonders gewichtiges Entscheidungskriterium darstellt (vgl. dazu zum Beispiel Urteile des Senats vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 -; 30. März 2012 - L 4 R 2043/10 - sowie 22. März 2013 - L 4 KR 3725/11 - alle in juris und zuletzt Urteil vom 19. April 2013 - L 4 KR 2078/11 - zur Veröffentlichung vorgesehen), getragen haben. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, in juris). Dies dürfte hier nicht der Fall gewesen sein. A.R. hatte für die Tätigkeit bei der Klägerin keine Betriebsausgaben. Sie konnte am Firmensitz der Klägerin arbeiten und die dortige Infrastruktur nutzen. Soweit sie ihren eigenen Büroraum und das dortige Inventar nutzte, tat sie dies aus eigenem Antrieb. A.R. setzte ihre Arbeitskraft auch nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Sie erhielt von der Klägerin eine Vergütung auf Stundenbasis. Die Möglichkeit, diese Einkünfte durch unternehmerisches Geschick zu steigern, hatte sie nicht. Sie hatte aber auch kein nennenswertes Risiko, diese Einkünfte, wenn sie Aufträge ablehnte, im nächsten Monat nicht zu erzielen. Dies wird schon daraus deutlich, dass sie - ausweislich der Rechnungen - regelmäßig für die Klägerin tätig war und die von ihr gestellten Rechnungen keine gravierenden Abweichungen aufweisen. Abgesehen davon gibt das Vorbringen der Klägerin, dass A.R. Aufträge hätte ablehnen können, für die Beurteilung, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit handelte, nichts her. Da im Falle der Ablehnung kein Anspruch auf weitere Aufträge bestand, entspricht die Situation der eines Angestellten, der bei Ablehnung einer Arbeit ebenso dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt ist (Urteil des Senats vom 19. Oktober 2012 - L 4 KR 761/11 -, in juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Aspekt, dass A.R. neben der Klägerin weitere Auftraggeber hatte. Die jeweiligen Tätigkeiten sind getrennt zu betrachten.

Auch das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs oder eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung stellt kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Letztlich ist dies ebenso wie die Geltendmachung von Mehrwertsteuer und Abführung derselben an das Finanzamt, was ebenfalls auf der Tatsache beruht, dass eine selbstständige Tätigkeit gewollt war, nicht entscheidend. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. Urteile des Senats vom 12. Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10 , beide in juris).

7. Fehler bei der Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags werden von der Klägerin nicht gerügt. Sie sind bei summarischer Prüfung auch nicht ersichtlich.

8. Im Übrigen hat die Klägerin auch im jetzigen Verfahren nicht geltend gemacht, sie sei nicht in der Lage, ohne wirtschaftliche Gefährdung die ausstehende Summe einstweilen zu bezahlen.

9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

10. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt mit 25 v.H. der geltend gemachten Summe von EUR 74.614,29, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juli 2010 - L 4 R 2129/10 ER.B -, nicht veröffentlicht). Somit ergibt sich ein Streitwert von EUR 18.653,57.

11. Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved