L 11 KR 300/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4390/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 300/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine selbständige Erwerbstätigkeit ist als hauptberuflich iSd § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V zu werten, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her
andere Tätigkeiten des versicherten Mitglieds (zB unselbständige Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Ausbildung) zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.
Der Nachweis der Einkünfte bei einem freiwillig Versicherten kann grundsätzlich allein durch Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden
geführt werden. Ausnahmsweise können auch Angaben genügen, die der Krankenkasse vom Finanzamt mitgeteilt wurden.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.12.2011 abgeändert und der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 25.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2010 insoweit aufgehoben, als für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.10.2010 Beiträge zur Krankenversicherung von mehr als 470,70 EUR und zur Pflegeversicherung von mehr als 72,41 EUR monatlich festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Berechnung seiner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Zeitraum 01.12.2009 bis 31.10.2010.

Der 1959 geborene Kläger war vom 01.10.1990 bis 30.06.2011 als Rechtsanwalt bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert. Auf ein Amtshilfeersuchen der Beklagten zu 1) teilte das Finanzamt M.-Stadt mit Schreiben vom 26.01.2009 die Einkünfte des Klägers für die Jahre 2001 bis 2007 mit. Für 2007 lagen danach Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 9.000,00 EUR, aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 19.100,00 EUR und aus Kapitalvermögen in Höhe von 11.399,00 EUR vor. Mit weiterem Schreiben vom 23.02.2009 teilte das Finanzamt ua mit, die Steuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2007 seien am 19.12.2008 ergangen. In der Folgezeit äußerte der Kläger im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens wegen seiner Beitragsrückstände mit Schreiben vom 05.06.2009, hinsichtlich der Steuerbescheide seien beim Finanzgericht Stuttgart Klageverfahren anhängig, da die Schätzungsgrundlagen willkürlich gewählt worden seien. Von der Beklagten sei daher eine eigenständige Beitragseinstufung durchzuführen. Mit weiterem Schreiben vom 28.10.2009 an die Beklagte zu 1) machte der Kläger geltend, er sei nicht damit einverstanden, dass die monatlichen Beiträge auf Basis der Beitragsbemessungsgrenze erhoben würden. Mit Schreiben vom 05.11.2009 verwies die Beklagte den Kläger darauf, dass im Falle einer freiwilligen Versicherung für die Beitragsberechnung lediglich der Einkommensteuerbescheid herangezogen werden könne, unabhängig davon, ob dieser beim Finanzamt angefochten werde. Werde nachträglich ein abgeänderter Steuerbescheid vorgelegt, würden die Beiträge korrigiert. In den letzten Jahren habe der Kläger lediglich formlose Erklärungen beigebracht, weshalb im Rahmen der Amtshilfe das zuständige Finanzamt bemüht worden sei. Wenigstens die Steuerbescheide der Jahre 2005 bis 2007 müssten vorliegen, weshalb diese bis 15.11.2009 vorzulegen seien. Im Übrigen bleibe eine rückwirkende Beitragsnachforderung vorbehalten, denn die vom Kläger bislang aufgeführten und die vom Finanzamt mitgeteilten Einnahmen lägen unverhältnismäßig auseinander.

Mit Bescheid vom 25.11.2009, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - Höchstbeiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze von 3.675,00 EUR monatlich fest. Für die Krankenversicherung ergab sich daraus ein monatlicher Beitrag von 525,53 EUR und für die Pflegeversicherung von 80,85 EUR, insgesamt 606,38 EUR ab 01.12.2009. Die Beklagte zu 1) wies ausdrücklich darauf hin, eine rückwirkende Korrektur der Beitragshöhe zu prüfen, wenn der Kläger innerhalb eines Monats eine Kopie des letzten vorliegenden Einkommenssteuerbescheides und einen ausgefüllten unterschriebenen Fragebogen zurücksende. Nach Ablauf der Monatsfrist könne eine Anpassung der Beitragshöhe nur für die Zukunft erfolgen.

In der Folgezeit übersandte die Beklagte zu 1) dem Kläger jeweils Kontoauszüge vom 17.02.2010, 17.03.2010, 17.04.2010, 19.05.2010, 17.06.2010 und 17.07.2010 über rückständige Beiträge, Mahnkosten und Säumniszuschläge in Höhe von jeweils 628,18 EUR, gegen die der Kläger jeweils noch im gleichen Monat Widerspruch einlegte. In diesem Zusammenhang übersandte er am 24.08.2010 einen Auszug eines Steuerbescheides, aus dem sich als Besteuerungsgrundlagen zur Steuerfestsetzung 2007 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 0 EUR, aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.275,00 EUR und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 18.709,00 EUR entnehmen ließen. Die Beklagte forderte daraufhin mit Schreiben vom 27.08.2010 - wie bereits auch schon zuvor - die Übersendung des kompletten Bescheides. Mit weiteren Faxen vom 6., 9. und 15.09.2010 legte der Kläger nochmals Auszüge aus dem Bescheid sowie den vollständigen Bescheid vom 23.10.2009, handschriftlich abgeändert auf 02.11.2009, über die Einkommensteuer für 2007 vor, der allerdings nahezu vollständig geschwärzt war hinsichtlich der enthaltenen Beträge. Mit Fax vom 04.10.2010 gab der Kläger zusätzlich die Erklärung ab, über die mit Steuerbescheid 2007 mitgeteilten Einkünfte hinaus derzeit keine weiteren positiven Einkünfte zu haben.

Mit Bescheid vom 05.10.2010 passte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Beiträge ab 01.11.2010 an und setzte diese auf 250,06 EUR für die Krankenversicherung und 38,47 EUR für die Pflegeversicherung, insgesamt 288,53 EUR fest unter Berücksichtigung von monatlichen Einnahmen in Höhe von insgesamt 1.748,66 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 17.02.2010" wegen der Beitragsbemessung vom 01.12.2009 bis 31.10.2010 zurück. Für die Monate Dezember 2009 bis Oktober 2010 sei die Beitragseinstufung zu Recht auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze erfolgt. Aufgrund des am 04.10.2010 vollständig übermittelten Einkommenssteuerbescheides 2007 vom 02.11.2009 sei die Beitragseinstufung mit Wirkung zum 01.11.2010 berichtigt worden. Nach § 240 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) werde ab dem 01.01.2009 für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtige. Als beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder gälten alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Mitglieder hätten die für die Beitragsbemessung erforderlichen Nachweise auf Verlangen vorzulegen; sofern dies nicht erfolge, seien für die weitere Beitragsbemessung für den Kalendertag beitrittspflichtige Einnahmen in Höhe von einem Dreißigstel der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Änderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines später vorgelegten Nachweises seien erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen, wenn der Nachweis nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung nach Satz 1 der Krankenkasse vorgelegt werde. Der Nachweis sei immer zu führen für Arbeitseinkommen und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung über den aktuellen Einkommensteuerbescheid. Den aktuellen Einkommensnachweis (Steuerbescheid 2007) habe die Beklagte erstmals vollständig am 04.10.2010 erhalten, obwohl dieser schon im November 2009 vom Finanzamt ausgestellt worden sei. Die Änderung der Beitragseinstufung sei daher zu Recht zum 01.11.2010 vorgenommen worden.

Hiergegen richtet sich die am 09.12.2010 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor, ein endgültiger Steuerbescheid habe der Beklagten mangels Bestandskraft nicht vorgelegt werden können. Er habe mitgeteilt, dass der zurückliegende Steuerbescheid lediglich auf einer Schätzung beruhe. Er wende sich auch gegen die Anwendung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Zum einen übe er den Beruf des Rechtsanwalts nicht hauptberuflich aus, zum anderen handelt es sich nur um Innenrecht der Kassen, welches für die Sozialgerichtsbarkeit nicht zwingend sei. Außerdem führe die Anwendung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler im Verhältnis zu Pflichtmitgliedern zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Bei Pflichtmitgliedern seien Nebeneinkünfte (zB Kapitaleinkünfte, Vermietung, Verpachtung) beitragsneutral, während diese Einkünfte bei freiwilligen Mitgliedern mit Beiträgen belastet würden. Falls das SG es für erforderlich halte, willige er in eine amtliche Auskunft durch das Finanzamt ein.

Im Rahmen eines am 19.07.2011 durchgeführten Erörterungstermins hat das SG dem Kläger Frist zur Vorlage des letzten vor dem 01.12.2009 erteilten Steuerbescheids sowie der seither erteilten Folgebescheide unter Androhung der Präklusion bis 31.08.2011 gesetzt. Am 30.08.2011 hat der Kläger Steuerbescheide vorgelegt ua für 2006 (Bescheid vom 02.11.2009) und für 2008 (Bescheid vom 02.03.2011). Für das Jahr 2007 hat er lediglich einen Vorauszahlungsbescheid vom 09.03.2007 vorgelegt. Nachfolgend hat der Kläger später noch umfassende Korrespondenz mit dem Finanzamt sowie eigene Einnahmen-/Überschussrechnungen vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.12.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als reine Anfechtungsklage zulässig sei und sich gegen die Beitragsfestsetzung für die Monate November 2009 bis Oktober 2010 wende. Da die Kontoauszüge nicht die Kriterien eines Verwaltungsaktes erfüllten und der für die Beitragseinstufung maßgebliche Bescheid vom 25.11.2009 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, sei der Antrag im wohlverstanden Interesse des Klägers dahin auszulegen, dass sich die Klage gegen den Bescheid vom 25.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2010 richte. Die Klage sei jedoch unbegründet. Nach § 240 Abs 1 SGB V erfolge die Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Mitglieder nach einheitlichen Kriterien, die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen vorgegeben würden. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sähen ua vor, dass Arbeitseinkommen und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nur durch Vorlage des aktuellen Einkommenssteuerbescheides nachgewiesen werden könnten (§ 6 Abs 3 Nr 1). Darüber hinaus ordneten sie an (§ 6 Abs 5), dass die Beitragsbemessung bei fehlendem Nachweis auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze zu erfolgen habe. Wenn der erforderliche Nachweis verspätet vorgelegt werde, könne eine Beitragsreduzierung regelmäßig erst zum Beginn des folgenden Kalendermonats berücksichtigt werden. Etwas anderes gelte nur, wenn der Nachweis innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung nachgereicht werde. Auf dieser Basis sei die Beklagte verfahren, so dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sei. Zwar sei die rechtliche Bedeutung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sehr umstritten, vorliegend sei die Klage jedoch auch dann unbegründet, wenn den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler tatsächlich keine rechtsverbindliche Außenwirkung zukommen sollte. Das Bundessozialgericht (BSG) gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass freiwillig versicherte Personen den Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen nur und ausschließlich durch die Vorlage der Steuerbescheide führen könnten. Dies leite das BSG aus den Erfordernissen einer Massenverwaltung ab und weise darauf hin, dass nur auf dieser Basis vor allem bei freiwillig Versicherten, die hauptberuflich selbständig tätig seien, eine schnelle und verlässliche Beitragseinstufung möglich sei. Daher halte das BSG die hierin liegende "Typisierung", nämlich die Annahme, dass die aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten noch den Festsetzungen des letzten Steuerbescheides entspreche, für zulässig. Das Interesse des Versicherten an einer stets zeitnah erfolgenden Berücksichtigung seiner aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit müsse daher zurücktreten (unter Hinweis auf BSG 02.09.2009, B 12 KR 21/08 und 22.03.2006, B 12 KR 14/05 R). Auf Grundlage dieser Rechtsprechung hätten sowohl die Beklagte als auch das SG dem Kläger mehrfach aufgegeben, den letzten vor dem 01.12.2009 erteilten Steuerbescheid vollständig und ohne Schwärzung vorzulegen. Diese Auflage habe der Kläger ganz offenkundig nicht erfüllt, denn auch ein Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2007 habe seinerzeit vorgelegen. Auch wenn der Steuerbescheid lediglich auf einer Schätzung beruhe oder mit Einspruch oder Klage angefochten worden sei, sei dieser vorzulegen und bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Die Beklagte habe auch mehrfach klargestellt, dass für den Fall, dass der Steuerbescheid von der Finanzverwaltung später korrigiert werde, selbstverständlich auch eine (ggfs rückwirkende) Korrektur der Beiträge erfolgen werde. Somit habe für den Kläger, der den Beruf des Rechtsanwalts ausübe, unschwer zu erkennen sein müssen, dass es zur Vermeidung von Rechtsnachteilen in seinem eigenen Interesse gelegen hätte, die maßgeblichen Steuerbescheide unverzüglich vorzulegen. Der Kläger habe daher seiner Obliegenheit, bei der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken (§ 20 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) zuwider gehandelt. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen habe er zu tragen. Unerheblich sei, dass der Kläger nach eigenem Bekunden den Beruf des Rechtsanwalts nur in einem Zeitumfang von 18 Stunden wöchentlich ausübe. Die besonderen Schwierigkeiten, die bei der Beitragsbemessung freiwillig versicherter Mitglieder auftreten, gälten auch bei solchen Personen, die ihre selbständige Tätigkeit nur nebenberuflich ausübten und ansonsten andere Einkünfte (beispielsweise aus Vermietung oder Verpachtung) erzielten. Auch in dieser Situation sei es aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität geboten, bei der Beitragsbemessung entsprechend den Vorgaben des BSG zu verfahren. Der Umstand, dass bei der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder auch Einkunftsarten herangezogen würden, die bei pflichtversicherten Beschäftigten beitragsfrei seien, begründe keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Abs 1 Grundgesetz (GG).

Gegen den ihm am 07.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.01.2012, Montag, Berufung eingelegt. Er beanstandet weiterhin, dass die Festsetzungen im Wesentlichen aufgrund von Schätzungsbescheiden der Finanzverwaltung erfolgt seien, die wegen ihrer Willkürlichkeit die Anfechtung herausgefordert hätten. Die Beklagte habe Höchstbeiträge festgesetzt, obwohl sie positiv gewusst habe, dass der Kläger beitragserhebliche Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze nicht erzielt habe und obwohl Steuerunterlagen durch das Finanzamt Mannheim beigezogen worden seien, die eine niedrigere Einstufung erlaubt hätten. Aus der Akteneinsicht sei eindeutig hervorgegangen, dass der Beklagten sämtliche Einkünfte wegen einer durchgeführten Anfrage beim Finanzamt bereits im Februar 2009 vorgelegen hätten. Gleichwohl habe die Beklagte Steuerbescheide beim Kläger angefordert. Es sei eine Verhöhnung des Klägers, wenn das SG als eine Art Sanktion der Kasse das Festhalten an von vornherein als rechtswidrig erkannten Beitragsbescheiden zubillige, weil der Kläger Mitwirkungspflichten verletzt habe. Der Beitragspflichtige sei der Kasse keineswegs zur Mitwirkung verpflichtet, soweit diese selbst und ohne großen Aufwand in der Lage sei, die erforderlichen Informationen sich selbst zu verschaffen. Zudem seien dem SG sämtliche Unterlagen fristgerecht vorgelegt worden. Die rückwirkende richtige Einstufung gemäß den nunmehr vorgelegten Steuererklärungen habe die Beklagte abgelehnt. Sie habe von dem ihr eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, denn sie habe ausdrücklich erklärt, dass sie sich an die Empfehlungen des Spitzenverbandes der Krankenkassen gebunden glaube. Den BSG-Entscheidungen zu Beitragsfestsetzungen aufgrund von Einkommenssteuerbescheiden lägen typische Sachverhalte vor, es müsse aber Raum bleiben für Abweichungen aufgrund von atypischen Sachverhalten. Dieser sei bei der Betätigung des Ermessens auszufüllen. Der Rückgriff auf zurückliegende Steuerbescheide sei nur eine von mehreren Möglichkeiten, das Einkommen eines freiwilligen Mitglieds festzustellen. Die Anwendung des § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V, wonach Beitragsbemessungen nur zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam würden, gälten für nebenberuflich selbständige freiwillige Mitglieder nicht. Dies gehe aus der Stellung des Satzes 3 im Gesetz hervor. Es sei daher fehlerhaft, dass das SG die Beklagte nicht aufgefordert habe, die Beiträge aufgrund der vorliegenden Einkommensunterlagen nachzuberechnen. Hierzu hat der Kläger eine tabellarische Aufstellung seiner Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit vorgelegt, die sich nach seiner Berechnung für das Jahr 2007 auf - 6.856,19 EUR belaufen. Darüber hinaus werde es weiterhin als verfassungswidrig angesehen, dass die Kasse für Pflichtmitglieder Einkünfte aus Mieteinnahmen oder Kapitalvermögen nicht heranziehe, sondern sich mit den Beiträgen aus der nichtselbständigen Tätigkeit begnüge, aber bei freiwilligen Mitgliedern sämtliche Einkünfte heranziehe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.12.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2010 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen darauf, dass unabhängig von der Aussagekraft der inzwischen eingegangenen Unterlagen keine rückwirkende Anpassung der Beitragseinstufung für den streitgegenständlichen Zeitraum erfolgen werde. Der Kläger habe die maßgeblichen Unterlagen im Verwaltungsverfahren vorlegen können und müssen. Er sei offensichtlich auch weiterhin der Ansicht, dass weder die gesetzlichen Vorschriften noch die Rechtsprechung des BSG auf seinen Fall Anwendung finden dürften.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.

Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Beteiligte des Rechtsstreits ist (§ 69 Nr 2 SGG), denn der Kläger hat sich sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren gegen die Beitragspflicht zur Kranken- und zur Pflegeversicherung gewandt.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch ansonsten statthafte Berufung des Klägers ist zulässig und in der Sache teilweise begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen, denn der Bescheid vom 25.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2010 ist insoweit rechtswidrig, als er Beiträge zur Krankenversicherung von mehr als 470,70 EUR und zur Pflegeversicherung von mehr als 72,41 EUR monatlich festsetzt. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist, wie das SG zutreffend erkannt hat, der Beitragsbescheid vom 25.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2010, nicht dagegen die einzelnen Kontoauszüge. Streitiger Zeitraum ist damit allein die Beitragsfestsetzung für den Zeitraum 01.12.2009 bis 31.10.2010, denn der Kläger hat, wie er im Erörterungstermin vor dem SG klargestellt hat, allein diesen Zeitraum zur gerichtlichen Überprüfung gestellt.

Die Beklagte zu 1) ist als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sowohl zur Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung als auch gemäß § 46 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zur Festsetzung der Beiträge zur Pflegeversicherung berechtigt. Sie hat jeweils in den streitgegenständlichen Bescheiden auch ausdrücklich im Namen der Beklagten zu 2) gehandelt.

Der Kläger ist im hier streitigen Zeitraum als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 SGB XI) sowie die Pflicht, Beiträge zur Pflegeversicherung zu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI).

Rechtsgrundlage für die Änderung der Beitragshöhe mit Wirkung zum 01.12.2009 durch die streitbefangenen Bescheide ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ein Beitragsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn er erschöpft sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern begründet oder verändert inhaltlich ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis (vgl BSG 26.09.1991, 4 RK 5/91, juris). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG 19.02.1986, 7 RAr 55/84, juris). Die Beklagte zu 1) hat in den angefochtenen Bescheiden die Änderung zuvor ergangener Beitragsbescheide hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Zwar hat sie nicht explizit vorangegangene Beitragsbescheide aufgehoben oder abgeändert, es wird jedoch im Gesamtzusammenhang klar erkennbar, dass die zuvor ergangenen Beitragsbescheide für die Zeit ab 01.12.2009 keine Geltung mehr beanspruchen sollen. Die wesentliche Änderung, die zur Festsetzung höherer Beiträge führt, ist der Ansatz höherer Einnahmen. Dabei hat die Beklagte zu 1) allerdings zu Unrecht die Höchstbeiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze angesetzt; zulässig war allein die Berücksichtigung höherer Einkünfte, wie sie sich aus der Auskunft des Finanzamts Mannheim-Stadt vom 26.01.2009/23.02.2009 ergeben.

Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 240 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378 und vom 17.07.2009, BGBl I 1990 mit Wirkung vom 01.01.2009). Nach § 240 Abs 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (im Folgenden nur: Spitzenverband). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrundezulegen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Nach § 240 Abs 4 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die Anspruch auf einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 57 des Dritten Buches oder einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16 des Zweiten Buches haben, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Der Spitzenverband bestimmt, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbständig erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrundegelegt werden.

Für eine Festsetzung von Höchstbeiträgen nach der Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V ist nach dem Gesetzeswortlaut Voraussetzung, dass es sich um hauptberuflich selbständige freiwillige Mitglieder handelt. Vorliegend hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger im streitigen Zeitraum als Rechtsanwalt hauptberuflich selbständig tätig war. Im SGB V wird an verschiedenen Stellen darauf abgestellt, ob eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, wie beispielsweise in § 5 Abs 5 SGB V, wonach die Versicherungspflicht nach verschiedenen Tatbeständen des Abs 1 (Nr 1 und 5-12) nicht für hauptberuflich Selbständige eintritt. Unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs 5 SGB V (BT-Drucks 11/2237 S 159) stellt sich eine selbständige Erwerbstätigkeit als hauptberuflich dar, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her andere Tätigkeiten des versicherten Mitgliedes (zB unselbständige Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung, Schulbesuch, Ausbildung) zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Diese Definition findet auch für den Tatbestand des § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V Anwendung (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 24.08.2004, L 11 KR 4916/03, juris; Baier in Krauskopf, SozKV, Stand November 2012, § 240 Rdnr 40). Vorliegend hat der Kläger stets geltend gemacht, nur in einem Umfang von ca 18 Wochenstunden als Rechtsanwalt tätig zu sein. Nach den inzwischen vorliegenden Steuerbescheiden hat er in den Jahren 2005 bis 2008 keinerlei zu versteuerndes Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt erzielt. Insoweit spricht auch eine zu berücksichtigende Wechselwirkung zwischen den Kriterien zeitlicher Aufwand und wirtschaftliche Bedeutung vorliegend nicht für eine hauptberuflich selbständige Tätigkeit (vgl BSG 10.03.1994, 12 RK 3/94, juris).

Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, denn im vorliegenden Fall sind niedrigere Einnahmen als die Beitragsbemessungsgrenze nachgewiesen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BSG der Nachweis der Einkünfte allein durch die Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden geführt werden (BSG 02.09.2009, B 12 KR 21/08 R, BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12). Den Steuerbescheid vom 19.12.2008 für das Jahr 2007 hat der Kläger hier zwar nicht vorgelegt, in der vorliegenden konkreten Ausnahmekonstellation hat jedoch die Finanzverwaltung die sich aus diesem Steuerbescheid ergebenden Festsetzungen hinsichtlich der Einkünfte für das Jahr 2007 mitgeteilt, nämlich mit 9.000 EUR Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, 19.100 EUR Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und 11.399 EUR Einkünften aus Kapitalvermögen. Die vom Finanzamt übermittelten Angaben aus dem Einkommensteuerbescheid sind ebenso verlässlich wie die durch die Vorlage des Steuerbescheides selbst übermittelten Daten, so dass die Beklagte aufgrund dieser bekannten Einkünfte schon nicht berechtigt war, Höchstbeiträge festzusetzen. Aus diesem Grund kommt es vorliegend nicht darauf an, ob § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V auch für nicht hauptberuflich selbständige Versicherte Anwendung findet (so LSG Niedersachsen-Bremen 02.11.2011, L 4 KR 39/08, juris).

Eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Höchstbeiträgen nach einem Dreißigstel der Beitragsbemessungsgrenze ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs 5 der auf der Grundlage von § 240 Abs 1 SGB V vom Spitzenverband erlassenen einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008, bestätigt durch den Verwaltungsrat des Spitzenverbands mit Beschluss vom 30.11.2011, veröffentlicht am 20.01.2012). Nach dieser Vorschrift gilt: Sofern und solange Nachweise auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt werden, sind für die weitere Beitragsbemessung für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von einem Dreißigstel der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrundezulegen. Änderungen der Beitragsbemessung nach Satz 1 aufgrund eines später vorgelegten Nachweises sind erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen, wenn der Nachweis nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung nach Satz 1 der Krankenkasse vorgelegt wird. Nach § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ist der Nachweis immer zu führen für Arbeitseinkommen und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung über den aktuellsten Einkommenssteuerbescheid, sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer bereits erfolgt ist. Allerdings kann vorliegend ebenfalls offen bleiben, ob die in § 6 Abs 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vorgesehene Festsetzung des Höchstbetrages für nicht hauptberuflich selbständige Versicherte von der Ermächtigungsgrundlage des § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V gedeckt ist im Hinblick darauf, dass höhere Einnahmen nur fingiert werden und § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V eine derartige Fiktion nur für hauptberuflich Selbständige vorsieht. Der Senat hat aus diesem Grund § 6 Abs 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler jedenfalls betreffend Versicherte nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam gehalten (Senatsurteil vom 16.08.2011, L 11 KR 3165/10, juris). Wie bereits im Rahmen der Regelung des § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V ist jedoch auch vorliegend zu berücksichtigen, dass durch die Mitteilung der Einkünfte für das Jahr 2007 durch die Finanzverwaltung der Beklagten zu 1) ausreichende Nachweise zur Festsetzung der Beiträge vorlagen. Bereits aus diesem Grund kommt eine Festsetzung der Höchstbeiträge nicht in Betracht.

Auf der Grundlage der mitgeteilten Einkünfte gemäß dem Steuerbescheid vom 19.12.2008 ist für 2007 von einem Jahreseinkommen von insgesamt 39.499 EUR auszugehen, monatlich somit 3.291,58 EUR. Bei einem Beitragssatz von 14,3% zur Krankenversicherung und 2,2% zur Pflegeversicherung ergeben sich daraus monatliche Beiträge zur Krankenversicherung von 470,70 EUR und zur Pflegeversicherung von 72,41 EUR.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt im streitigen Zeitraum eine rückwirkende Festsetzung noch niedrigerer Beiträge - wie sie ab 01.11.2010 festgesetzt wurden - nicht in Betracht. Die insoweit zugrundegelegten niedrigeren Einkünfte ergeben sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 in der geänderten Fassung vom 02.11.2009. In Abweichung zu der früheren Festsetzung sind hierbei insbesondere vom Finanzamt keine Einkünfte mehr aus selbständiger Tätigkeit zugrundegelegt worden. Den entsprechenden Steuerbescheid hat der Kläger vollständig und ungeschwärzt jedenfalls nicht vor Oktober 2010 vorgelegt, so dass die entsprechende Änderung nicht vor dem 01.11.2010 berücksichtigt werden konnte (vgl BSG 02.09.2009, B 12 KR 21/08 R, BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12). Der Senat hat insoweit keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit der Regelung in § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, soweit diese den Nachweis mittels Einkommenssteuerbescheid fordern. Die Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bieten auch eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, bisher nur als Pressemitteilung vorliegend).

Soweit bei der Beitragsbemessung von freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei Versicherungspflichtigen, die als besonders schutzbedürftig angesehen werden, hat der Gesetzgeber die das jeweilige Pflichtversicherungsverhältnis typischerweise prägenden Einnahmearten der Beitragspflicht unterworfen, wogegen bei freiwilligen Mitgliedern die Beiträge nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen werden. Zwar verfügen unter Umständen auch Pflichtversicherte über Nebeneinkünfte, die dem Lebensunterhalt dienen, im Allgemeinen stehen jedoch eher der finanzstärkeren Gruppe der freiwillig Versicherten über das Arbeitseinkommen hinaus weitere Einkünfte zum Lebensunterhalt zur Verfügung. Hinzu kommt, dass innerhalb der einzelnen Einkunftsarten ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich zulässig ist, was bedeutet, dass die jeweilige Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen durch Verluste in diesem Bereich beeinflusst werden kann. Diese Möglichkeit steht Pflichtversicherten in diesem Umfang nicht zu. Es entspricht insoweit ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter einzubeziehen sind (ständige Rechtsprechung des BSG vgl 09.08.2006, B 12 KR 8/06 R, SozR 4-2500 § 40 Nr 8). Dies ist auch vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden (03.02.1993, 1 BvR 1920/92, SozR 3-2500 § 240 Nr 11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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