L 4 KR 365/13 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1145/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 365/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG), mit dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 2 KR 1145/10 abgelehnt wurde. In dem Klageverfahren begehrte er die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Gegen das klagabweisende Urteil vom 17. Januar 2013 ist beim Senat das Berufungsverfahren zu Az. L 4 KR 433/13 anhängig.

Der am 1953 geborene Kläger ist pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 30. Juli 2009 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und gab eine Meldung zur KVdR ab, die bei der Beklagten am 10. September 2009 einging. Der Kläger war erstmals am 2. September 1968 erwerbstätig, heiratete am 15. März 2002, ist aber mittlerweile geschieden. vom 29. August 1992 bis 3. September 1997 hielt er sich nach eigenen Angaben im Ausland auf und war nicht krankenversichert. Außerdem war er nicht krankenversichert in der Zeit vom 8. bis 12. Dezember 1989, 1. bis 4. März 1990, 4. bis 15. November 1990, am 2. Dezember 1990, vom 1. bis 3. Februar 1991, vom 16. bis 21. Mai 2000, vom 8. bis 14. Mai 2004 und vom 1. Juli bis 2. August 2004.

Mit Bescheid vom 18. November 2009 stellte die Beklagte fest, dass die für die KVdR erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. In der zweiten Hälfte der Zeit zwischen erstmaliger Erwerbstätigkeit und Rentenantragstellung habe nicht zu mindestens 90 % eine gesetzliche Krankenversicherung bestanden. Der Kläger könne eine freiwillige Mitgliedschaft begründen und erhalte dazu einen Zuschuss des Rentenversicherungsträgers. Der Kläger erhob am 3. Dezember 2009 Widerspruch. Die Beklagte wies daraufhin, dass die erforderliche Vorversicherungszeit aufgrund der eigenen Angaben des Klägers, vom 29. August 1992 bis 3. September 1997 nicht krankenversichert gewesen zu sein, beruhe und forderte ihn auf, diese Zeiten ggf. nachzuweisen, falls er doch versichert gewesen sein sollte.

Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2009 zurück. Beim Kläger beginne der Versicherungszeitraum am 2. September 1968 und ende am 30. Juli 2009. Die zweite Hälfte beginne am 17. Februar 1989 und ende am 30 Juli 2009. Notwendig seien in dieser zweiten Hälfte Versicherungszeiten von 18 Jahren, vier Monaten und 18 Tagen. tatsächlich sei der Kläger aber nur 15 Jahre, zwei Monate und einen Tag gesetzlich versichert gewesen.

Mit seiner am 1. März 2010 zum Sozialgericht Konstanz erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trug er vor, die Vorversicherungszeit für die Weiterversicherung bei der Beklagten sei erfüllt, weil seine künftige Erwerbsminderungsrente nicht den Satz für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erreichen werde. Daher habe er einen Anspruch auf weitere Pflichtversicherung bei der Beklagen (Verweis auf Art. 28 Abs. 1 Gesundheitsstrukturgesetz [GSG] vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266). Im Widerspruchsbescheid seien nicht die Zeiten aufgelistet, in denen er krankenversichert gewesen sei. Das Erfordernis der Vorversicherungszeit sei nach Art. 3 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig (Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. -, in juris). Auch müsse der Zeitraum einer Familienversicherung berücksichtigt werden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Am 4. Januar 2013 beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom 15. Januar 2012 lehnte das SG die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Mit Urteil vom 17. Januar 2013 wurde die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger für den Fall, dass er Rente wegen Erwerbsminderung erhalten würde, pflichtversichert wäre, sei die Klage unzulässig, denn eine Feststellungklage über ein künftiges Rechtsverhältnis sei nur ausnahmsweise zulässig, hier seien aber wesentliche Tatsachen noch unklar. Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger seit Rentenantragstellung Mitglied in der KVdR sei, sei die Klage unbegründet, weil der Kläger bereits zuvor als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversichert gewesen sei und diese Versicherung gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 SGB V einer Versicherung als Rentner oder Rentenantragsteller gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V vorgehe. Der Kläger erfülle aber auch die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR nicht, da er die notwendige Vorversicherungszeit nicht vorweisen könne. Die Voraussetzung der Erfüllung der Vorversicherungszeit sei auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich.

Der Kläger hat gegen den ihm am 17. Januar 2013 zugestellten Beschluss am 22. Januar 2013 Beschwerde zum Landessozialgericht erhoben und gegen das Urteil am 29. Januar 2013 Berufung (L 4 KR 433/13) eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung und seiner Beschwerde hat er erneut auf den genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sowie nicht angerechnete Zeiten der Familienversicherung verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Januar 2013 aufzuheben und dem Kläger für das Klageverfahren S 2 KR 1145/10 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung ausgeschlossen, denn der Beschwerdeausschluss gilt danach, wenn - was hier nicht der Fall ist - das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 2 KR 1145/10 zu Recht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine gewisse Erfolgsaussicht besteht. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance allerdings nur eine entfernte, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R; beide in juris). Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist im begrenzten Maße auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 296/94; Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92; beide in juris).

Nach diesen Kriterien hat das SG die hinreichende Erfolgsaussicht der auf Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR gerichteten Klage zu Recht abgelehnt.

Der Senat lässt dahingestellt, ob vor Entscheidung über den Rentenantrag eine Feststellungsklage hinsichtlich der (zukünftigen) Versicherungspflicht in der KVdR zulässig ist oder - wovon das SG ausgegangen ist - nicht. Denn jedenfalls scheitert die Pflichtversicherung des Klägers in der KVdR gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V daran, dass er in der zweiten Hälfte des Zeitraums seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags nicht mindestens neun Zehntel Mitglied der gesetzlichen Krankenversichrung oder nach § 10 SGB V versichert war. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2010 zutreffend dargelegt und wird auch vom Kläger nicht bestritten. Die Vorversicherungszeit ist nicht erfüllt, weil der Kläger in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens, nämlich zwischen dem 17. Februar 1989 und dem 30. Juli 2009, statt der erforderlichen 18 Jahre, vier Monate und 18 Tage tatsächlich nur 15 Jahre, zwei Monate und einen Tag gesetzlich krankenversichert war. Die fehlenden Versicherungszeiten beruhen u.a. darauf, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben mehr als fünf Jahre, vom 29. August 1992 bis 3. September 1997, im Ausland und dort nicht krankenversichert war. Selbst wenn während der übrigen - jeweils nur kurzen Unterbrechungen - eine Familienversicherung bestanden hätte, was der Kläger für die in den von der Beklagten als Fehlzeiten notierten Zeiträumen zwar behauptet, aber nicht dargetan hat, könnten keine neun Zehntel belegt sein.

Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist entgegen der Auffassung des Klägers verfassungsgemäß. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477), die entsprechend den Beschlüssen des BVerfG vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. - a.a.O.; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl. I 2000, S. 1300) letztendlich bis zur Neuregelung ab 1. April 2007 weitergalt und auch im Fall des Klägers Anwendung fand, ist vom BVerfG nicht beanstandet worden. Das BVerfG hat lediglich die Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i. d. F. des GSG), in dem die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR dahingehend verschärft wurden, dass versicherungspflichtig nur noch waren "Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 (SGB V) versichert waren", womit eine freiwillige Versicherung und Zeiten einer Familienversicherung bei freiwilliger Versicherung des Ehegatten ausgeschlossen waren, für verfassungswidrig erklärt. Die zum 1. April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 387) erfolgte Änderung von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit dem die Wörter "auf Grund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung gelten auch Zeiten, in denen wegen des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus (§ 38 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) oder des Bezugs von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse (§ 143 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) eine freiwillige Versicherung bestanden hat" durch die Wörter "Mitglied oder nach § 10 (SGB V) versichert waren" ersetzt worden sind, änderte die geltende Rechtslage nicht (vgl. hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 10. September 2010 - L 4 KR 915/08 -, in juris, und vom 9. Dezember 2010 - L 4 KR 1993/09 -; nicht veröffentlicht).

Im Übrigen geht - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - nach § 5 Abs. 8 Satz 1 SGB V die beim Kläger aufgrund des weiter vorliegenden SGB II-Leistungsbezugs bestehende Pflichtversicherung der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V vor. Das gleiche gilt für die Versicherungspflicht als Rentenantragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist mit der weiteren Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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