L 4 R 1113/13 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1113/13 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt, im laufenden Berufungsverfahren L 4 R 205/13 die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung einer Zulage nach Art. 58 der Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) Nr. 883/2004), bis 30. April 2010 Art. 50 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO (EWG) Nr. 1408/71), zu verpflichten.

Die am 1952 in Chemnitz geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1970 eine Ausbildung zur Weberin, arbeitete anschließend in ihrem Beruf und als Verkäuferin in der ehemaligen DDR, bis sie im Jahr 1984 mit ihrem Ehemann nach Ungarn ausreiste. Sie hat zwei Kinder, geboren am 1975 und 1977. Seit 1990 hat sie die ungarische Staatsangehörigkeit. In Ungarn war sie bis 1991 erwerbstätig, danach bezog sie Lohnersatz- bzw. Sozialleistungen. Seit 1. Mai 2000 bezieht sie in Ungarn eine Invalidenrente. Am 16. Oktober 2008 zog sie nach Deutschland zu. Sie führt auch den Namen I. A. K ... Die zuständige Behörde in Ungarn stellte bei der Klägerin einen Grad der Invalidität fest; im Jahr 1985 von 40 %, 1994 von 50 %, 1996 von 67 % und 2002 von 100 %. Dieser wurde zuletzt wieder auf 67 % herabgestuft. Im Versicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten sind eine Pflichtbeitragszeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zuletzt für Januar 1984 sowie als Zeiten in Ungarn Pflichtbeitragszeiten vom 9. Oktober bis 31. Dezember 1984, 19. November 1986 bis 12. Juli 1991, 8. August 1991 bis 28. Mai 1993 und ein Rentenbezug seit 1. Mai 2000 gespeichert.

1996 erkrankte sie an einem Liposarkom am rechten Oberschenkel, das mit Bestrahlungen behandelt wurde. 2001 trat ein Rezidiv auf, das operativ entfernt wurde, 2002 insgesamt drei Rezidive, 2006 und 2007 wurden weitere Rezidive mittels Chemotherapie behandelt. Im Januar 2009 wurde ein weiteres Rezidiv diagnostiziert.

1997 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Beklagte lehnte ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, denn es seien in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt des Leistungsfalls nicht drei Jahre Pflichtbeitragszeiten vorhanden (Bescheid vom 2. April 1997, Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1997). Das Klageverfahren blieb erfolgslos (Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 1. März 2002 - S 19 RJ 244/98 -, Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 8. Juli 2004 - L 2 RJ 368/02 -, Beschluss des Bundessozialgerichts [BSG] vom 30. August 2004 - B 13 RJ 178/04 B -). Ebenso lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 10. Oktober 2001 ab (Bescheid vom 12. November 2001). Nach den Feststellungen der Beklagten bestand bei der Klägerin von Dezember 1996 bis 31. Dezember 2000 ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden, ab 1. Januar 2001 von drei bis unter sechs Stunden (Vermerk vom 12. Oktober 2001).

Am 22. April 2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen neuen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. In diesem gab sie an, vom 29. Mai 1993 bis 30. April 2000 arbeitslos gewesen zu sein und Sozialhilfe bezogen zu haben. Die Beklagte veranlasste ärztliche Stellungnahmen. Zwischen den Rezidiven habe es, zuletzt zwischen 2007 und 2009, längere therapie- und rezidivfreie Zeiten gegeben, in denen ein vollschichtiges Leistungsvermögen für sitzende Tätigkeiten vorgelegen habe (sozialmedizinische Stellungnahme Dr. S. vom 19. August 2009). Der 5. Januar 2009 könne danach als neuer Leistungsfall angesehen werden (sozialmedizinische Stellungnahme Dr. B. vom 6. Januar 2011). Ab 5. Januar 2009 - Feststellung des sechsten Rezidivs - bestehe ein dauerhaft eingeschränktes Leistungsvermögen aufgrund eines schweren rezidivierenden Tumorleidens (ausführlicher ärztlicher Bericht der Dipl.-Med Sc. vom 15. September 2009). Diesem Bericht der Dipl.-Med Sc. zugrunde lagen ein Befundbericht des behandelnden Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vom 24. Juli 2009, zahlreiche von ihm übersandte Arztbriefe und der Behandlungsbericht von Prof. Dr. K., Universitätsklinikum T., vom 22. Juni 2009. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11. Mai 2009 den Rentenantrag ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen trotz Verlängerung des maßgeblichen Zeitraums vom 1. April 1995 bis 21. April 2009 nicht vor, weil in diesem Zeitraum keine Zeiten mit Beiträgen belegt seien. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, die Zeiten der Arbeitslosigkeit in Ungarn vom 6. August 1993 bis 3. November 1995 hätten berücksichtigt werden müssen, weil diese nach deutschem Recht Beitragszeiten seien. Sie legte hierzu Bescheinigungen ungarischer Leistungsträger vor.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 2010 lehnte die Beklagte die Vormerkung dieser Zeit als Beitragszeit ab. Der ungarische Sozialleistungsträger hatte in den Auskünften vom 15. Juni und 12. Juli 2010 mitgeteilt, die Klägerin habe zwischen 1993 und 1995 von der für ihren Wohnort zuständigen Kommunalverwaltung eine einkommensergänzende Sozialhilfe bezogen, die kein Arbeitslosengeld sei, sondern eine Arbeitslosenhilfe, von der keine Steuern und Beiträge abgezogen würden und die nicht als "Dienstzeit" gelte. Wegen ihrer Gesundheitsschädigung habe die Klägerin vom 1. Januar 1995 bis 30. April 2000 eine regelmäßige Sozialhilfe und seit 1. Mai 2000 Invalidenrente bezogen. Diese Zeiten gälten in Ungarn nicht als Erwerbszeiten. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch.

Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch gegen Bescheid vom 11. Mai 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2011 zurück. Die Klägerin sei seit dem 5. Januar 2009 auf Dauer voll erwerbsgemindert. Sie habe auch die allgemeine Wartezeit erfüllt. Der maßgebliche Fünfjahreszeitraum (5. Januar 2004 bis 4. Januar 2009) könne auf den Zeitraum vom 1. Dezember 1992 bis 4. Januar 2009 verlängert werden. Ein Fall der vorzeitigen Erfüllung der Wartezeit sowie eine lückenlose Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten ab dem 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung (Dezember 2008) lägen nicht vor.

Am 2. November 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Zulage nach Art. 50 VO (EWG) Nr. 1408/71 bis zur Klärung ihrer deutschen Rente. Diese sei zu gewähren, wenn die Summe der nach den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten geschuldeten Leistungen nicht den Mindestbetrag erreichten, der in den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaats, in dessen Gebiet der Empfänger wohne, vorgesehen sei. Am 1. April 2011 erinnerte sie an den Antrag.

Mit ihrer am 30. Mai 2011 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Rente wegen Erwerbsminderung weiter. Die Rentenablehnung verstoße gegen die VO (EG) Nr. 1408/71 und 574/72. Die Beklagte habe nicht die entsprechenden Formulare verwendet. Sie müsse deutsche Invalidenrente erhalten, weil sie nachweislich Invalidin sei. Sie beziehe von der ungarischen Rentenbehörde seit 1. Januar 1995 eine regelmäßige Sozialrente, keine Sozialhilfe. In Ungarn zählten Renten nicht als Beitragszeiten, aber in Deutschland. Da sie vom 8. August 1991 bis 30. September 1995 als arbeitslos registriert und seit 1. Januar 1995 Invalidenrentnerin sei, sei dieser gesamte Zeitraum belegt. Die ungarische Rentenbehörde fälsche Dokumente und begehe damit Straftaten. In Ungarn führe sie deshalb Klageverfahren und habe eine Strafanzeige gestellt. Außerdem habe sie bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Juni 2010 eine Beschwerde gegen die deutschen und ungarischen Rentenbehörden wegen Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts erhoben. Ihr Antrag auf Grundsicherung sei vom Sozialamt Rastatt abgelehnt worden. Sie lebe von EUR 110,00 ungarischer Invalidenrente. Sie verlange nur eine Rentenzahlung für die in der ehemaligen DDR erarbeiteten Beitragszeiten. Voll erwerbsgemindert sei sie seit 1. Juni 1996. Der Antrag auf die Zulage sei ignoriert worden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klägerin habe vom 1. Januar 1995 bis 30. April 2000 keine Invalidenrente, sondern eine regelmäßige Sozialleistung bezogen, der Anspruch auf ungarische Invalidenrente bestehe aufgrund des Sozialversicherungsabkommens Deutschland-Ungarn ab 1. Mai 2000. Ungarische Versicherungszeiten lägen nur bis 28. Mai 1993 vor, die Zeit vom 29. Mai 1993 bis 30. September 1995 sei als ungarische Arbeitslosigkeitszeit (geklärte Lücke) und die Zeit ab 1. Mai 2000 als ungarische Rentenbezugszeit nach Art. 9a VO (EWG) Nr. 1408/71 als Verlängerungstatbestand berücksichtigt worden. Die Entscheidung des ungarischen Versicherungsträgers hinsichtlich der dortigen Versicherungszeiten sei für sie (die Beklagte) verbindlich. Dem Antrag auf Zulage könne nicht entsprochen werden, weil die VO (EWG) Nr. 1408/71 zum 1. Mai 2010 außer Kraft getreten sei und die Vorschrift für die Deutsche Rentenversicherung ohnehin nicht gelte. In der deutschen Rentenversicherung gebe es nämlich keine gesetzlich festgelegte Mindestrente.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 19. Oktober 2012 ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 5. Januar 2009 lägen in dem verlängerten Zeitraum vom 1. Dezember 1992 bis 4. Januar 2009 lediglich sechs Monate Pflichtbeiträge vor. Diese seien auch nicht entbehrlich, denn die Wartezeit sei nicht vorzeitig erfüllt und es sei nicht jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 2008 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Insbesondere seien die Zeiträume vom 6. August 1993 bis 3. November 1995 und vom 1. Januar 1995 bis 30. April 2004 keine Beitragszeiten, weil es (das SG) insoweit der Auskunft der ungarischen Kommunalverwaltung über den Charakter der in diesem Zeitraum gewährten Leistungen folge und nicht den gegenteiligen Einschätzungen der Klägerin. Es könne dahinstehen, ob der Antrag auf Gewährung einer Zulage Gegenstand des Verfahrens sei. Der Antrag könne bereits deswegen keinen Erfolg haben, weil die Norm außer Kraft getreten sei.

Gegen das ihr am 15. November 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Dezember 2012 Berufung eingelegt, die beim Senat zu Az. L 4 R 205/13 anhängig ist. Gleichzeitig hat sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Verpflichtung der Beklagten, vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Zulage "nach Art. 50 VO (EWG) Nr. 1408/71" zu zahlen, angebracht. Diese stocke die Teilinvalidenrente in Höhe der Sozialhilfe auf und gewährleiste damit ein existenzsicherndes Mindesteinkommen für Invalidenrentner.

Sie beantragt sachgerecht gefasst,

die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab 2. November 2010 vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens die Zulage nach Art. 58 VO (EG) Nr. 883/2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Zwar gelte seit Außerkrafttreten der VO (EWG) Nr. 1408/71 der inhaltsgleiche Art. 58 VO (EG) Nr. 883/04. Dieser gehe jedoch ins Leere, weil es keine Rechtsgrundlage für eine Mindestleistung im Sinne von Art. 58 VO (EG) Nr. 883/04 gebe. Zusätzlich setze Art. 58 VO (EG) Nr. 883/04 voraus, dass ein Leistungsanspruch in Deutschland bestehe. Dies sei nach dem bisherigen Verfahrensgang nicht festgestellt und auch vom SG abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat legt das Begehren der Klägerin sachgerecht (§ 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) dahin aus, dass sie die Zulage nach Art. 58 VO (EG) Nr. 883/2004 begehrt. In ihren Schriftsätzen erwähnt die Klägerin zwar immer die Zulage nach Art. 50 VO (EWG) Nr. 1408/71. Die VO (EWG) Nr. 1408/71 trat jedoch zum 30. April 2010 außer Kraft und seit 1. Mai 2010 gilt die VO (EG) Nr. 883/2004. Art. 58 VO (EG) Nr. 883/2004 ist im Wesentlichen aus Art. 50 VO (EWG) Nr. 1408/71 hervorgegangen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder ein rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 2. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - in Juris). Regelmäßig ist eine summarische Prüfung, bezogen auf den gegenwärtigen Verfahrensstand vorzunehmen.

1. Soweit die Klägerin die Zulage für die Zeit vom 2. November 2010 bis 4. Dezember 2012 begehrt, fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil es sich insoweit um Leistungen für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den sie mit der Berufungseinlegung am 4. Dezember 2012 stellte, handelt. Die Regelungsanordnung dient zur Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. z.B. Landessozialgericht Baden-Württemberg [LSG], Beschluss vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B -, in Juris; Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2012 - L 4 P 4264/12 ER-B -; nicht veröffentlicht). Anhaltspunkte für das Vorliegen der genannten Ausnahme sind nicht ersichtlich. Die Klägerin war jedenfalls bis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in der Lage, ihren Lebensunterhalt ohne Leistungen der Beklagten sicherzustellen. Sie hat anderes nicht behauptet.

2. Der Senat lässt offen, ob für die Zeit ab 4. Dezember 2012 ein Anordnungsgrund besteht. Nach dem Vorbringen der Klägerin lebt sie bereits seit der Feststellung ihrer Invalidität unter dem Existenzminimum und führt mittlerweile seit 17 Jahren den Rechtsstreit gegen die Beklagte, der sie finanziell und psychisch belaste. Dennoch hat sie ihren Lebensunterhalt insbesondere auch seit dem Zuzug in Deutschland im Oktober 2008 bestreiten können, eine aktuelle Änderung ihrer Verhältnisse hat sie nicht vorgetragen. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung besteht hier nämlich kein Anordnungsanspruch, weil davon auszugehen ist, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung der beantragten Zulage hat.

Gemäß Art. 58 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004, die im Kapitel 5 (Alters- und Hinterbliebenenrenten) enthalten ist, darf ein rentenberechtigter Leistungsempfänger, auf den dieses Kapitel Anwendung findet, in dem Wohnmitgliedsstaat, nach dessen Rechtsvorschriften ihm eine Leistung zusteht, keinen niedrigeren Leistungsbetrag als die Mindestleistung erhalten, die in diesen Rechtsvorschriften für eine Versicherungs- und Wohnzeit festgelegt ist, die den Zeiten insgesamt entspricht, die bei der Feststellung der Leistung nach diesem Kapitel berücksichtigt wurden. Gemäß Absatz 2 der Vorschrift zahlt der zuständige Träger dieses Mitgliedsstaats der betreffenden Person während der gesamten Zeit, in der sie in dessen Hoheitsgebiet wohnt, eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Summe der nach diesem Kapitel geschuldeten Leistungen und dem Betrag der Mindestleistung. Die Vorschrift entspricht - lediglich sprachlich leicht geändert - der Vorgängervorschrift Art. 50 VO (EWG) Nr. 1408/71. Der Tatbestand des Absatz 1 ist eröffnet, wenn ein Rentenberechtigter zu berücksichtigende Zeiten in mehr als einem Mitgliedsstaat erworben hat und er einen Leistungsanspruch gegen den zuständigen Träger am Wohnortmitgliedstaat hat.

Voraussetzung für die Gewährung der Zulage wäre ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte als zuständigem Träger im Wohnortmitgliedsstaat. Dieser ist bisher nicht festgestellt. Erforderlich wäre hierfür, dass entgegen den Ergebnissen des vorangegangenen Verfahrens und des von der Klägerin im Berufungsverfahren L 4 R 205/13 angegriffenen Urteils des SG die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind. Im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung kann dies nicht festgestellt werden. Der Senat lässt dies dahinstehen. Art. 58 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 entfaltet nur für diejenigen Mitgliedstaaten Geltung, in denen die Gewährung einer Mindestrente vorgesehen ist (Wunder, in: Schreiber/Wunder/Dern, VO (EG) Nr. 883/2004, Kommentar, Art. 58, Rn. 1 m.w.N.). Für die Leistungsgewährung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat sie daher keine Bedeutung (Wunder, a.a.O. m.w.N.). Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung geltend macht, sie habe in Ungarn weitere, bislang nicht berücksichtigte Zeiten zurückgelegt, ist dieser Einwand unerheblich. Es ist aufgrund des derzeitigen Sach-und Streitstand davon auszugehen, dass der ungarische Versicherungsträger der Beklagten die von der Klägerin in Ungarn zurückgelegten Versicherungszeiten mitteilte und die Beklagte diese Versicherungszeiten im Versicherungskonto der Klägerin speicherte. Die Mitteilung des ungarischen Versicherungsträgers ist bindend. Eine Überprüfung dieser Entscheidung durch andere Versicherungsträger oder Gerichte anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist grundsätzlich nicht möglich (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 R 54/11 R -, in Juris).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

4. Der Beschluss des Senats ist gemäß § 177 SGG mit der Beschwerde nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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