L 10 LW 4350/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 LW 1316/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 4350/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.09.2012 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren zum wiederholten Male die Erstattung ihrer an die Landwirtschaftliche Alterskasse entrichteten Beiträge.

Der nach wie vor ein die festgesetzte Mindestgröße überschreitendes landwirtschaftliches Unternehmen betreibende, am 07.09.1938 geborene Kläger, den die Beklagte ab 01.08.1964 als Mitglied aufnahm (Bescheid vom 17.09.1964), wurde zu Pflichtbeiträgen nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) bzw. seit 01.01.1995 nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) herangezogen. Er ist wegen Vollendung des 65. Lebensjahres seit 01.10.2003 versicherungsfrei (Bescheid vom 15.09.2003). Mit Bescheid vom 12.01.1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der am 13.10.1947 geborenen und mit dem Kläger verheirateten Klägerin als Ehegatte eines Landwirts nach dem ALG ab 01.01.1995 fest und zog auch diese zu Beiträgen heran.

Nachdem mehrere frühere Rechtsstreite wegen der Erstattung entrichteter Beiträge erfolglos geblieben waren (vgl. den Beschluss des Senats vom 26.09.2008, L 10 LW 1868/08), beantragten die Kläger am 25.07.2011 beim Sozialgericht Reutlingen (und schon mangels anfechtbarer Verwaltungsentscheidungen der Beklagten erfolglos, s. Beschluss des Senats vom 14.11.2011, L 10 LW 3382/11 ER-B) im Wege der Eilentscheidung die Verpflichtung der Beklagten u.a. zur Erstattung gezahlter Beiträge. Diese Anträge auf Rücknahme der eine Beitragserstattung ablehnenden Bescheide vom 16.07.2003 betreffend den Kläger bzw. vom 23.10.2003 betreffend die Klägerin lehnte die Beklagte mit jeweils gesonderten Bescheiden vom 09.01.2012 und Widerspruchsbescheiden vom 03.04.2012 ab. Die Widerspruchsbescheide wurden von der Beklagten als Übergabeeinschreiben am 03.04.2012 zur Post aufgegeben (Einlieferungsliste Bl. 23 SG-Akte) und den Klägern jeweils am 05.04.2012 ausgehändigt (Bl. 15/16 SG-Akte).

Mit einem am 10.05.2012 beim Sozialgericht Reutlingen eingegangenem Schreiben, dessen Briefumschlag den Poststempel 09.05.2012 trägt (vgl. Bl. 1a SG-Akte), haben die Kläger Klage erhoben und "ihr eigenes Geld" ausgezahlt verlangt. Das Sozialgericht hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 26.09.2012 abgewiesen und ausgeführt, die Klagen seien unzulässig, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Widerspruchsbescheide erhoben worden seien. Ausgehend von der Zugangsfiktion bei Übermittlung durch die Post sei von einem Zugang am 06.04.2012 auszugehen. Die Klagefrist sei daher am Montag, dem 07.05.2012 abgelaufen und die am 10.05.2012 erhobenen Klagen verspätet. Gründe für eine Wiedereinsetzung hätten die Kläger auf gerichtliche Nachfrage nicht mitgeteilt.

Gegen den Gerichtsbescheid haben die Kläger am 05.10.2012 jeweils Berufung eingelegt. Sie wollen ihr Geld ausbezahlt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.09.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 09.01.2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 03.04.2012 zu verurteilen, den eine Beitragserstattung ablehnenden Bescheid vom 16.07.2003 betreffend den Kläger bzw. vom 23.10.2003 betreffend die Klägerin zurückzunehmen und die Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässigen Berufungen sind unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht als unzulässig abgewiesen. Denn die Kläger haben die einmonatige Klagefrist versäumt und es liegen keine Gründe vor, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen.

Die Einhaltung der Klagefrist ist Prozessvoraussetzung und daher von Amts wegen zu beachten. Die Klagefrist beträgt nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG). Eine förmliche Zustellung ist zwar nicht erforderlich. Im Falle einer Zustellung gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG).

Nach § 4 Abs. 1 VwZG kann ein Dokument - hier der jeweilige Widerspruchsbescheid - durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Diesen Weg - Übergabeeinschreiben - wählte die Beklagte im vorliegenden Fall.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG gilt - wenn kein Rückschein vorliegt (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 VwZG) - das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Hier wurden die mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Widerspruchsbescheide ausweislich der von der Beklagten dem Sozialgericht vorgelegten Einschreibeneinlieferungsliste am 03.04.2012 zur Post aufgegeben. Hiervon ausgehend gelten sie als am 06.04.2012 zugestellt.

Allerdings wurde der Tag der Aufgabe zur Post - entgegen der Vorgabe in § 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG - von der Beklagten nicht in den Akten vermerkt. Es kann offen bleiben, ob dieses Versäumnis die Wirksamkeit der Zustellung hindert. Denn nach § 8 VwZG gilt ein Dokument, das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Tatsächlich gingen die Widerspruchsbescheide ausweislich der von der Beklagten dem Sozialgericht vorgelegten Auslieferungsbelege den Klägern am 05.04.2012 zu. Hiervon ausgehend wäre der 05.04.2012 der maßgebende Bekanntgabezeitpunkt.

Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt die Frist mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach Eröffnung oder Verkündung. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG). Die Klagefrist begann somit am 07.04.2012 (bei Anwendung der Dreitagesfiktion des § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG) bzw. am 06.04.2012 (im Falle des § 8 VwZG) und endete - da der 06.05.2012 ein Sonntag und der 05.05.2012 ein Samstag war - in beiden Fällen am Montag, dem 07.05.2012. Die erst am 10.05.2012 erhobene Klage ist verspätet.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Hierzu haben die Kläger trotz ausdrücklicher Nachfrage durch das Sozialgericht und auch im Berufungsverfahren nichts vorgetragen. Ausweislich des nach Ablauf der Klagefrist datierenden Poststempels scheidet eine verlängerte Postlaufzeit als Grund für die Fristversäumnis aus. Eine unverschuldete Fristversäumnis liegt deshalb nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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