Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2968/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5625/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.11.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Dem im Jahr 1961 geborenen Kläger, der aus dem Kosovo stammt, ist die Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland unbefristet erlaubt. Er beantragte am 30.06.2008 die Feststellung seiner Behinderung beim Beklagten. Dazu legte er ein nervenärztliches Gutachten des Dr. Dr. B. vom 13.05.2008 über das Vorliegen der Voraussetzungen der Schwerbehinderteneigenschaft vor. Dr. Dr. B. diagnostizierte ein ausgeprägtes depressives Syndrom mit suizidalen Tendenzen, deutlicher Antriebsreduzierung und Hoffnungslosigkeit, eine Trapeciusatrophie links, eine radikuläre Ischiasneuritis beidseits, eine Extensionsschwäche der Zehen II-V links, eine Abduktionsschwäche des Fingers I und V links, eine Periarthritis humeroscapularis links sowie eine cerebelläre Koordinationsstörung. Internistisch bestehe eine Staublunge, ein Bluthochdruck sowie ein Diabetes mellitus Typ 2. Dr. Dr. B. kam zu dem Ergebnis, dass die Schwerbehinderteneigenschaft vorliege.
Der Beklagte zog weitere Unterlagen bei und befragte die behandelnden Ärzte. Der Pneumologe Dr. H. teilte am 24.07.2008 mit, der Kläger leide unter einem leichten hyperreagiblen Bronchialsystem bei Ausschluss von Inhalationsallergien. Er habe Husten und etwas Verschleimung. Die Lungenfunktionskontrolle am 30.04.2008 und der klinische Befund seien normal ausgefallen, eine Thoraxaufnahme vom 17.07.2007 sei ebenfalls normal gewesen, allenfalls bestehe ein gering linkstypisch konfiguriertes Herz bei bekannter arterieller Hypertonie.
In der Zeit vom 08.07.2008 bis 29.07.2008 war der Kläger in Rehabilitation in der Z. Klinik, S. B ... Ausweislich des Entlassungsberichts vom 07.08.2008 leidet er an einem hyperreagiblen Bronchialsystem, einem therapieresistenten Lumbalsyndrom, einer Anpassungsstörung, einem Diabetes mellitus und einem arteriellen Bluthochdruck. Bei der dortigen Untersuchung bestand ein Druckschmerz über der Lendenwirbelsäule (LWS) bei ausreichender Entfaltbarkeit von Brustwirbelsäule (BWS) und LWS und einem Finger-Boden-Abstand (FBA) von 50 cm. Der Achillesehnenreflex (ASR) rechts war abgeschwächt. Dipl.-Psych. S. schilderte den Antrieb und die affektive Schwingungsfähigkeit als gehemmt, der Kläger sei emotional sehr gespannt, gereizt, deprimiert, ängstlich und ratlos. Psychotherapeutisch sei er arbeitsfähig ohne wesentliche Einschränkungen der geistig/physischen Belastbarkeit. Die konsiliarisch beigezogenen Internisten Dres. J., K. und F. stellten eine normale Lungenfunktion und den Verdacht auf ein hyperreagibles Bronchialsystem fest. Der Blutdruck sei gut eingestellt, der Diabetes bedürfe bei einem aktuellen HbA1c Wert von 8,0 % der medikamentösen Behandlung, empfehlenswert sei Metformin.
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. Z.-C., 11.07.2008 und 15.09.2008) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.09.2008 einen GdB von 20 wegen einer Anpassungsstörung (GdB 20), eines Bluthochdrucks (10), eines hyperreagiblen Bronchialsystems (10), eines Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar – 10) und eines chronischen Wirbelsäulensyndroms (10) fest.
Dagegen erhob der Kläger am 15.10.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er auf die Diagnosen von Dr. Dr. B. verwies und die Auffassung vertrat, dass allein ein depressives Syndrom einen GdB von 30 rechtfertige. Die übrigen neurologischen Diagnosen habe der Beklagte gar nicht berücksichtigt. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege vor. Die Bildung des Gesamt-GdB sei fehlerhaft erfolgt.
Der Beklagte holte beim behandelnden Orthopäden Dr. P. einen Befundbericht ein, der am 05.02.2009 mitteilte, dass bei ihm keine Befunde vorhanden seien. Aus einem Arztbrief vom 09.11.2006 ergab sich die Diagnose eine Kettenmyotendinose mit myogenem, spondylogenem Schmerzsyndrom. Eine Kernspintomographie der LWS ergab im Februar 2004 einen unauffälligen Befund (Arztbrief Radiologe Dr. W. vom 09.02.2004).
Dr. Dr. B. gab in einem Befundbericht vom 09.04.2009 an, den Kläger am 25.03.2009 zuletzt untersucht zu haben. Dabei habe er eine Trapeciusatrophie links, nur angedeutet auslösbare BHR beidseits in allen drei Etagen, eine Abschwächung des Patellasehnenreflexes (PSR), eine segmental begrenzte Hyperalgesie von S2 bis S5 beidseits, eine Extensionsschwäche der Zehen II-V, eine Abduktionsschwäche des Fingers I und V links, ein ungerichtetes Schwanken beim forcierten Romberg, eine Undurchführbarkeit des Seiltänzergangs ohne optische Kontrolle sowie eine Dysmetrie beim Finger-Finger-Versuch beidseits festgestellt. In psychischer Hinsicht stehe eine deutliche Reduktion der dynamischen Funktionen, eine gedrückte stationäre Grundstimmung mit affektinkontinenten Reaktionen und intermittierend auftretende suizidale Tendenzen sowie Mut- und Hoffnungslosigkeit im Vordergrund. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege vor.
Nach erneuter Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. G., 15.01.2009 und 30.04.2009) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2009 zurück. Der Widerspruchsbescheid ging am 09.06.2009 beim Prozessbevollmächtigten des Klägers ein.
Dagegen erhob der Kläger am 08.07.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er die Feststellung eines GdB von 50 geltend machte und sich zur Begründung auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren bezog.
Das SG zog weitere ärztliche Unterlagen beim Hausarzt Dr. R. bei. Er übersandte Arztbriefe des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. vom 07.04.2009, 21.04.2009, 24.04.2009 und 09.07.2009, in denen dieser ein ausgeprägtes WS-Syndrom mit massiver Bewegungseinschränkung und eine therapieresistente Lumboischialgie beidseits, rechts mehr als links diagnostizierte. In einem Brief vom 09.07.2009 stellte er einen Bandscheibenvorfall L 1/2 fest. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. M. z. V. bescheinigte am 09.07.2009 chronische Beschwerden bei massiven degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Der Radiologe E. B. diagnostizierte unter dem 24.04.2009 eine multisegmentale Spondylosis deformans, insbesondere im unteren BWS-Abschnitt sowie im thorakolumbalen Übergang, einen flachen Bandscheibenvorfall L 1/2 rechts paramedian, ohne foraminale oder spinale Enge und eine erheblich deformierende Spondylarthrose der unteren drei Bewegungssegmente mit p.m. L 4/5.
Der Neurologe und Psychiater Dr. S. beschrieb am 15.05.2009 eine Anpassungsstörung, lumbosakrale degenerative Veränderungen und ein Lumbalsyndrom. Behandlungstechnisch stünden orthopädische Maßnahmen im Vordergrund.
Dr. Dr. B. gab am 02.03.2009 erneut eine gutachterliche Äußerung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers ab.
Im September 2009 war der Kläger wegen einer Rippenprellung in Behandlung beim Chirurgen Dr. S. (Brief vom 07.09.2009).
Der Beklagte trat der Klage entgegen und legte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 16.02.2010 vor.
Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. B. vom 06.07.2010 ein. Dort schilderte der Kläger ausgeprägte Rückenschmerzen vor allem nachts und eine unkontrollierbare Angst vor Schmerzattacken. Dr. B. befragte den Kläger ausführlich zum Tagesablauf. Dr. B. kam zu den Diagnosen: Rezidivierende statische Lumbago bei Spondylarthrose und Spondylose, Präcoxarthrose, subacromiales Impingement rechte Schulter. Der Kläger spanne bei den Bewegungsprüfung massiv dagegen. Er könne die rechte Schulter aktiv bis 100° bewegen. Daneben bestünden ein Diabetes mellitus, ein Bluthochdruck und eine subdepressive Stimmungslage. Seine Befunde deckten sich im Wesentlichen mit denjenigen von Dr. S. und der Z.klinik. Für die Wirbelsäulenbeschwerden sei ein GdB von 10, für die Impingementsymptomatik in der rechten Schulter ebenfalls 10 anzusetzen. Unter Berücksichtigung der übrigen Diagnosen sei ein GdB von 20 weiterhin angemessen.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.11.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. B ... Bedeutsame Funktionsstörungen habe er nicht feststellen können, insbesondere hätten keine Nervenwurzelreizerscheinungen gesichert werden können. Unter Berücksichtigung seiner Befunde und derjenigen der Z.klinik aus dem Reha-Entlassungsbericht vom 07.08.2008 sei die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Dr. Dr. B. beschriebenen neurologischen Störungen nicht in einer Weise vorlägen, dass von mehr als einem vorübergehenden Zustand auszugehen sei. Der versorgungsärztlich für die Anpassungsstörung angesetzte GdB von 20 sei nicht zu beanstanden. Der von Dr. B. beschriebene Tagesablauf des Klägers lasse eine regelrechte Strukturierung erkennen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei auch dem Bericht des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S. nicht zu entnehmen.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 08.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 08.12.2010 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung führt er aus, das SG habe sich zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. B. gestützt. Dr. B. könne als Orthopäde die neurologisch-psychiatrischen Beschwerden des Klägers nicht zutreffend beurteilen. Auch der Arztbrief von Dr. S. sei insofern nicht ausreichend. Das SG habe sich mit Beweisanträgen nicht auseinandergesetzt.
Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass er nicht in laufender nervenärztlicher Behandlung sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.11.2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 19.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 50 seit 30.06.2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung schließt er sich dem angefochtenen Gerichtsbescheid an.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts den Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. vom 17.12.2012 über eine Rehabilitation vom 12.11.2012 bis 10.12.2012 beigezogen. Dort war der Kläger unter den Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen, rezidivierende Lumbalgien bei degenerativen LWS Veränderungen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II in Behandlung. Bei Aufnahme ist die Psyche als normothym, orientiert beschrieben worden. Die Ärzte sind bei Entlassung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger mittelschwere körperliche Tätigkeiten, rückengerecht mit wechselnder Arbeitshaltung ausüben könne. Betreffend den Diabetes müsse eine Kontrolle und gegebenenfalls Umstellung der Medikation erfolgen.
Der Senat hat von Amts wegen das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 05.02.2013 eingeholt. Dort hat der Kläger Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bis in die Knie, in den Schultern und den Hüften geschildert. Er habe keine Energie und keinen Schwung mehr und leide unter Atemnot. Der Kläger hat seinen Tagesablauf und seine familiären Verhältnisse angegeben. Eine psychotherapeutische Behandlung werde nicht durchgeführt. Dr. N. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer Dysthymia als Folge einer Anpassungsstörung und einer leichtgradigen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus leide. Der Tagesablauf zeige eine hinreichende Fähigkeit zur Strukturierung. Der Kläger habe einen erhöhten Blutdruck von 160/100 mmHg, das Vibrationsempfinden in den Füßen sei herabgesetzt, eine Prüfung der Wirbelsäulenbeweglichkeit sei bei deutlichem Gegenspannen nicht möglich. Psychisch fänden sich keine Hinweise auf eine tiefergehende depressive oder Angststörung, bei der körperlichen Untersuchung werde deutlich psychosomatisch angespannt. Die depressive Verstimmung entspreche einer Dysthymia. Es sei von einer hinreichenden willentlichen Überwindbarkeit der Schmerzen auszugehen, wie sich aus der Tagesbewältigung zeige. Dr. N. hat für die Schmerzstörung einen GdB von 20, für die Dysthymia einen GdB von 20 und für die diabetische Polyneuropathie einen solchen von 10 vorgeschlagen, der Gesamt-GdB sei mit 20 einzuschätzen. Von Seiten der Schmerzstörung und der Dysthymia habe sich keine wesentliche Verschlimmerung eingestellt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung des GdB mit 50 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 – B 9 SB 3/08 R – Rn. 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.4.2009, aaO, Rn. 30).
Nach diesen Kriterien steht dem Kläger ein Gesamt-GdB von 20 zu. Die beim Kläger vorliegende psychische Funktionsbeeinträchtigung ist mit einem GdB von 20, die Beeinträchtigung von Seiten der Wirbelsäule mit 10, diejenige im Bereich der Schulter mit ebenfalls 10, der Bluthochdruck mit 10 und die Beschwerden durch den Diabetes mellitus mit allenfalls 10 zu bewerten, die Beschwerden an Lungen und Bronchien sowie die von Dr. Dr. B. angegebenen Gleichgewichtsstörungen bedingen keinen eigenen GdB.
Die psychische Beeinträchtigung des Klägers ist mit einem GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bedingen nach Nr. 3.7 Teil B VG, der im Wesentlichen Nr. 26.3 AHP entspricht, einen GdB von 0 bis 20 bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen. Ein GdB von 30 bis 40 wird bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit z.B. bei ausgeprägteren depressiven, hypochondrischen, asthenischen oder phobischen Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoformen Störungen angenommen. Ein GdB von 50 und mehr wird bei schweren Störungen wie z.B. schweren Zwangskrankheiten mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten angenommen. Wie das SG zutreffend ausgeführt und Dr. N. in seinem Gutachten im Wesentlichen bestätigt hat, liegen beim Kläger keine höhergradigen psychischen Beeinträchtigungen vor. Der Kläger leidet an einer Angst vor Schmerzattacken, sonstige Ängste konnte Dr. N. nicht feststellen. Der Tagesablauf ist hinreichend strukturiert. Der Kläger neigt zu aggressivem, gereiztem Ausdrucksverhalten und verdeutlicht dabei seine Beschwerden. Die Stimmungslage ist ausgeglichen, themenabhängig ist eine gereizte Grundstimmung erkennbar, er ist ausreichend ablenkbar und aufheiterbar. Die letzte psychiatrische Behandlung fand im Jahr 2012 statt, eine psychotherapeutische Behandlung fand nicht statt. Die von Dr. Dr. B. angegebenen Suizidtendenzen und massiven depressiven Beeinträchtigung ließen sich weder von Dr. N. noch in der Rehabilitation in der Reha-Klinik S. im November und Dezember 2012 feststellen. Eine somatoforme Schmerzstörung hat keiner der behandelnden und begutachtenden Ärzte diagnostiziert, es besteht allerdings eine chronische Schmerzstörung, der Kläger empfindet die körperlichen Schmerzen stärker als zu erwarten, ohne dass es zu einer Verselbständigung gekommen ist. Eine wesentliche Einschränkung der Gestaltungsfähigkeit ergibt sich aus diesen Befunden nicht. Der GdB für die psychischen Beeinträchtigungen ist mit 20 ausreichend berücksichtigt. Der abweichenden Bewertung von Dr. Dr. B. folgt der Senat nicht. Die Befunde von Dr. Dr. B. konnten durch die behandelnden und begutachtenden Ärzte einschließlich der in beiden Rehabilitationen hinzugezogenen Psychologen und Ärzte nicht nachvollzogen werden. Die von Dr. Dr. B. angenommene höhergradige psychische Beeinträchtigung besteht nicht dauerhaft.
Die Beeinträchtigungen des Klägers von Seiten der Wirbelsäule sind mit einem GdB von 10 einzuschätzen wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität werden mit einem GdB von 0 bewertet, bei geringen funktionellen Auswirkungen besteht ein GdB von 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt wird ein GdB von 20, bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradigen bis schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Mittelgradige Auswirkungen sind dabei Verformung, häufig wiederkehrende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage anhaltende Wirbelsäulensyndrome. Nach den Befunden der Reha-Klinik S., die im Wesentlichen mit den Befunden von Dr. B., Dr. S. und der Z.klinik übereinstimmen, liegen beim Kläger die Folgen eines Bandscheibenvorfalls im obersten LWS Segment vor. Es kommt immer wieder zu Schmerzausstrahlung in das linke Bein, die Schmerzen werden intensiver, wenn der Kläger mit gebeugtem Rumpf Tätigkeiten ausübt und schwere Gegenstände trägt. Bei Entlassung aus der Rehabilitation konnte der Kläger sich bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 15 cm vorbeugen, Zehen- und Fersenstand waren sicher möglich, die Füße und Zehen konnte er kräftig heben, die von Dr. Dr. B. angegebene Zehen- und Fußheberschwäche war nicht festzustellen, nur der Achillessehnenreflex war noch abgeschwächt auslösbar. Diese Befunde rechtfertigen nicht die Einordnung als mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, die Wirbelsäulenbeweglichkeit ist geringgradig eingeschränkt. Ein GdB von 10 ist deshalb für diese Behinderung auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen körperlichen, medikamentös zu behandelnden Schmerzen ausreichend.
Die Beeinträchtigung im Bereich der Schultern ist mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Nach Nr. 18.13 Teil B VG (26.18 AHP) bedingt eine einseitige Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich des Schultergürtels), die die Armhebung mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit bis zu 120° beschränkt, einen GdB von 10, bei einer Einschränkung auf bis zu 90° wird ein GdB von 20 angenommen. Bei beidseitiger Einschränkung ergibt sich ein entsprechend höherer GdB. Beim Kläger liegt nach den Befunden von Dr. B. an beiden Schultern eine Impingementsymptomatik vor. Die Beweglichkeit beider Schultern war bei dessen Untersuchung passiv mit der Möglichkeit, die Arme bis 180° zu heben, weitgehend frei. Der Kläger hat zwar den rechten Arm aktiv nur bis 100° gehoben, dieser Befund bedingt aber - unabhängig von der von Dr. B. angenommenen Aggravationstendenz - nach den genannten Kriterien keinen höheren GdB als 10. Höhergradige Einschränkungen ergeben sich auch nicht aus dem Reha-Entlassungsbericht der Z.klinik aus dem Jahr 2008 und der Reha-Klinik S. aus dem Jahr 2012.
Der erhöhte Blutdruck des Klägers ist mit einem GdB von 10 ausreichend berücksichtigt. Nach Nr. 9.3 Teil B VG bedingt ein Bluthochdruck in einer leichten Form, d.h. ohne oder mit geringer Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 0 bis 10. Die mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades oder diastolischem Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung rechtfertigt einen GdB von 20 bis 40. Beim Kläger liegt ein arterieller Bluthochdruck vor. Organveränderungen sind durch den Blutdruck bisher nicht aufgetreten. Bei der Untersuchung durch Dr. N. lag der Blutdruck einmalig bei 160/100 mmHg. Die übrigen behandelnden und begutachtenden Ärzte haben keine diastolischen Blutdruck von mehr 100 mmHg festgestellt. Ein höherer GdB als der bereits vom Beklagten berücksichtigte GdB von 10 ergibt sich daraus nicht.
Der Diabetes des Klägers bedingt jedenfalls keinen GdB von mehr als 10. Für die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) sind die GdB-Bewertungsgrundsätze durch die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV (BGBl. 2010, 928) mit Wirkung vom 22.07.2010 geändert worden. Mit dieser Änderung wurde Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nachvollzogen, die sowohl zu den bis 31.12.2008 anzuwendenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) als auch zu den versorgungsmedizinischen Grundsätzen in der VersMedV seit 01.01.2009 (VG) ergangen ist (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, v. 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R, Juris). Auf die VG in der Fassung der Änderungsverordnung kann auch für die Zeit vor deren Inkrafttreten zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 12). Danach gilt nach den VG Teil B 15.1 für die GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus: Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und die durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB-Werte bedingen.
Nach diesen Kriterien ist jedenfalls ein höherer GdB als 10 nicht festzustellen. Der Kläger unterzieht sich keiner Therapie, die Hypoglykämien auslösen kann. Der Diabetes des Klägers wird mit Metformin behandelt, das keine Hypoglykämien auslösen kann. Aus dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. ergibt sich zwar, dass eine Überprüfung dieser Therapie aufgrund des dort erstellten Blutzuckertagesprofils erfolgen sollte. Eine Umstellung der Therapie auf eine solche mit einem erhöhten Therapieaufwand ist aber weder aus dieser Empfehlung noch sonst erkennbar. Der Diabetes des Klägers hat nach den Feststellungen des Dr. N. inzwischen eine leichte Polyneuropathie der Beine verursacht, die aber nicht zu einer Beeinträchtigung der Funktion der Beine geführt hat. Ein höherer GdB als der vom Beklagten bereits berücksichtigte GdB von 10 ist daraus jedenfalls nicht abzuleiten.
Das hyperreagible Bronchialsystem des Klägers ist nicht mit einem eigenen GdB zu berücksichtigen. Nach Nr. 8.2 Teil B VG (Nr. 26.8 AHP) wird eine chronische Bronchitis als eigenständige Erkrankung ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion in leichter Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet. Eine schwere Form mit fast kontinuierlich ausgiebigem Husten und Auswurf, häufigen akuten Schüben führt zur Feststellung eines GdB von 20 bis 30. Nach Nr. 8.5 Teil B VG ist ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Bei häufigen, d.h. mehrmals pro Monat auftretenden, oder schweren Anfällen ist ein höherer GdB zu berücksichtigen. Beim Kläger liegt ein hyperreagibles Bronchialsystem vor. Er ist mit einem Inhalierspray ausgestattet, das er einmal täglich anwendet (Entlassungsbericht Reha-Klinik S.). Die Lungenfunktion ist nach den Befunden von Dr. H. nicht beeinträchtigt, der Kläger sieht sich nach eigenen Angaben gegenüber der Reha-Klinik S. dazu in der Lage, vier Stockwerke problemlos zu steigen. Hinweise auf häufig auftretende Asthma-Anfälle ergeben sich nicht. Die vom Kläger vermutete Staublunge liegt nach den Untersuchungen von Dr. H. nicht vor. Aus diesen Befunden ergeben sich weder eine Einschränkung der Lungenfunktion noch eine chronische Bronchitis noch eine höhergradige Einschränkung durch die bronchiale Hyperreagibilität. Ein GdB ist insofern nicht zu berücksichtigen.
Die von Dr. Dr. B. mitgeteilten Gleichgewichtsstörungen des Klägers bedingen keinen eigenen GdB. Diese Gleichgewichtsstörungen haben sich weder in der Rehabilitation in der Z.klinik noch in der Reha-Klinik S. noch bei der Untersuchung durch Dr. N. belegen lassen. Sie werden auch vom Kläger weder im gerichtlichen Verfahren behauptet noch bei den Anamnesen während der Rehabilitationen und der gutachterlichen Untersuchungen angegeben. Gleichgewichtsstörungen liegen beim Kläger nicht vor.
Die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen rechtfertigen in der Gesamtschau keinen höheren Gesamt-GdB als 20. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und die VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt GdB Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung dieser Bewertungsgrundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Beim Kläger liegen Einzel-GdB von 20, 10, 10, 10 und allenfalls 10 vor. Die Einzel-GdB von 10 für die Wirbelsäulenbeschwerden, die Schultersymptomatik, den Bluthochdruck und den Diabetes sind nicht geeignet den bereits großzügig bemessenen GdB von 20 für die psychische Beeinträchtigung des Klägers weiter zu erhöhen. Eine besondere gegenseitige Beeinflussung ist nicht erkennbar.
Ansätze für weitere Ermittlungen sieht der Senat nicht und sind von den Beteiligten auch nicht dargetan.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Dem im Jahr 1961 geborenen Kläger, der aus dem Kosovo stammt, ist die Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland unbefristet erlaubt. Er beantragte am 30.06.2008 die Feststellung seiner Behinderung beim Beklagten. Dazu legte er ein nervenärztliches Gutachten des Dr. Dr. B. vom 13.05.2008 über das Vorliegen der Voraussetzungen der Schwerbehinderteneigenschaft vor. Dr. Dr. B. diagnostizierte ein ausgeprägtes depressives Syndrom mit suizidalen Tendenzen, deutlicher Antriebsreduzierung und Hoffnungslosigkeit, eine Trapeciusatrophie links, eine radikuläre Ischiasneuritis beidseits, eine Extensionsschwäche der Zehen II-V links, eine Abduktionsschwäche des Fingers I und V links, eine Periarthritis humeroscapularis links sowie eine cerebelläre Koordinationsstörung. Internistisch bestehe eine Staublunge, ein Bluthochdruck sowie ein Diabetes mellitus Typ 2. Dr. Dr. B. kam zu dem Ergebnis, dass die Schwerbehinderteneigenschaft vorliege.
Der Beklagte zog weitere Unterlagen bei und befragte die behandelnden Ärzte. Der Pneumologe Dr. H. teilte am 24.07.2008 mit, der Kläger leide unter einem leichten hyperreagiblen Bronchialsystem bei Ausschluss von Inhalationsallergien. Er habe Husten und etwas Verschleimung. Die Lungenfunktionskontrolle am 30.04.2008 und der klinische Befund seien normal ausgefallen, eine Thoraxaufnahme vom 17.07.2007 sei ebenfalls normal gewesen, allenfalls bestehe ein gering linkstypisch konfiguriertes Herz bei bekannter arterieller Hypertonie.
In der Zeit vom 08.07.2008 bis 29.07.2008 war der Kläger in Rehabilitation in der Z. Klinik, S. B ... Ausweislich des Entlassungsberichts vom 07.08.2008 leidet er an einem hyperreagiblen Bronchialsystem, einem therapieresistenten Lumbalsyndrom, einer Anpassungsstörung, einem Diabetes mellitus und einem arteriellen Bluthochdruck. Bei der dortigen Untersuchung bestand ein Druckschmerz über der Lendenwirbelsäule (LWS) bei ausreichender Entfaltbarkeit von Brustwirbelsäule (BWS) und LWS und einem Finger-Boden-Abstand (FBA) von 50 cm. Der Achillesehnenreflex (ASR) rechts war abgeschwächt. Dipl.-Psych. S. schilderte den Antrieb und die affektive Schwingungsfähigkeit als gehemmt, der Kläger sei emotional sehr gespannt, gereizt, deprimiert, ängstlich und ratlos. Psychotherapeutisch sei er arbeitsfähig ohne wesentliche Einschränkungen der geistig/physischen Belastbarkeit. Die konsiliarisch beigezogenen Internisten Dres. J., K. und F. stellten eine normale Lungenfunktion und den Verdacht auf ein hyperreagibles Bronchialsystem fest. Der Blutdruck sei gut eingestellt, der Diabetes bedürfe bei einem aktuellen HbA1c Wert von 8,0 % der medikamentösen Behandlung, empfehlenswert sei Metformin.
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. Z.-C., 11.07.2008 und 15.09.2008) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.09.2008 einen GdB von 20 wegen einer Anpassungsstörung (GdB 20), eines Bluthochdrucks (10), eines hyperreagiblen Bronchialsystems (10), eines Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar – 10) und eines chronischen Wirbelsäulensyndroms (10) fest.
Dagegen erhob der Kläger am 15.10.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er auf die Diagnosen von Dr. Dr. B. verwies und die Auffassung vertrat, dass allein ein depressives Syndrom einen GdB von 30 rechtfertige. Die übrigen neurologischen Diagnosen habe der Beklagte gar nicht berücksichtigt. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege vor. Die Bildung des Gesamt-GdB sei fehlerhaft erfolgt.
Der Beklagte holte beim behandelnden Orthopäden Dr. P. einen Befundbericht ein, der am 05.02.2009 mitteilte, dass bei ihm keine Befunde vorhanden seien. Aus einem Arztbrief vom 09.11.2006 ergab sich die Diagnose eine Kettenmyotendinose mit myogenem, spondylogenem Schmerzsyndrom. Eine Kernspintomographie der LWS ergab im Februar 2004 einen unauffälligen Befund (Arztbrief Radiologe Dr. W. vom 09.02.2004).
Dr. Dr. B. gab in einem Befundbericht vom 09.04.2009 an, den Kläger am 25.03.2009 zuletzt untersucht zu haben. Dabei habe er eine Trapeciusatrophie links, nur angedeutet auslösbare BHR beidseits in allen drei Etagen, eine Abschwächung des Patellasehnenreflexes (PSR), eine segmental begrenzte Hyperalgesie von S2 bis S5 beidseits, eine Extensionsschwäche der Zehen II-V, eine Abduktionsschwäche des Fingers I und V links, ein ungerichtetes Schwanken beim forcierten Romberg, eine Undurchführbarkeit des Seiltänzergangs ohne optische Kontrolle sowie eine Dysmetrie beim Finger-Finger-Versuch beidseits festgestellt. In psychischer Hinsicht stehe eine deutliche Reduktion der dynamischen Funktionen, eine gedrückte stationäre Grundstimmung mit affektinkontinenten Reaktionen und intermittierend auftretende suizidale Tendenzen sowie Mut- und Hoffnungslosigkeit im Vordergrund. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege vor.
Nach erneuter Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. G., 15.01.2009 und 30.04.2009) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2009 zurück. Der Widerspruchsbescheid ging am 09.06.2009 beim Prozessbevollmächtigten des Klägers ein.
Dagegen erhob der Kläger am 08.07.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er die Feststellung eines GdB von 50 geltend machte und sich zur Begründung auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren bezog.
Das SG zog weitere ärztliche Unterlagen beim Hausarzt Dr. R. bei. Er übersandte Arztbriefe des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. vom 07.04.2009, 21.04.2009, 24.04.2009 und 09.07.2009, in denen dieser ein ausgeprägtes WS-Syndrom mit massiver Bewegungseinschränkung und eine therapieresistente Lumboischialgie beidseits, rechts mehr als links diagnostizierte. In einem Brief vom 09.07.2009 stellte er einen Bandscheibenvorfall L 1/2 fest. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. M. z. V. bescheinigte am 09.07.2009 chronische Beschwerden bei massiven degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Der Radiologe E. B. diagnostizierte unter dem 24.04.2009 eine multisegmentale Spondylosis deformans, insbesondere im unteren BWS-Abschnitt sowie im thorakolumbalen Übergang, einen flachen Bandscheibenvorfall L 1/2 rechts paramedian, ohne foraminale oder spinale Enge und eine erheblich deformierende Spondylarthrose der unteren drei Bewegungssegmente mit p.m. L 4/5.
Der Neurologe und Psychiater Dr. S. beschrieb am 15.05.2009 eine Anpassungsstörung, lumbosakrale degenerative Veränderungen und ein Lumbalsyndrom. Behandlungstechnisch stünden orthopädische Maßnahmen im Vordergrund.
Dr. Dr. B. gab am 02.03.2009 erneut eine gutachterliche Äußerung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers ab.
Im September 2009 war der Kläger wegen einer Rippenprellung in Behandlung beim Chirurgen Dr. S. (Brief vom 07.09.2009).
Der Beklagte trat der Klage entgegen und legte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 16.02.2010 vor.
Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. B. vom 06.07.2010 ein. Dort schilderte der Kläger ausgeprägte Rückenschmerzen vor allem nachts und eine unkontrollierbare Angst vor Schmerzattacken. Dr. B. befragte den Kläger ausführlich zum Tagesablauf. Dr. B. kam zu den Diagnosen: Rezidivierende statische Lumbago bei Spondylarthrose und Spondylose, Präcoxarthrose, subacromiales Impingement rechte Schulter. Der Kläger spanne bei den Bewegungsprüfung massiv dagegen. Er könne die rechte Schulter aktiv bis 100° bewegen. Daneben bestünden ein Diabetes mellitus, ein Bluthochdruck und eine subdepressive Stimmungslage. Seine Befunde deckten sich im Wesentlichen mit denjenigen von Dr. S. und der Z.klinik. Für die Wirbelsäulenbeschwerden sei ein GdB von 10, für die Impingementsymptomatik in der rechten Schulter ebenfalls 10 anzusetzen. Unter Berücksichtigung der übrigen Diagnosen sei ein GdB von 20 weiterhin angemessen.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.11.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. B ... Bedeutsame Funktionsstörungen habe er nicht feststellen können, insbesondere hätten keine Nervenwurzelreizerscheinungen gesichert werden können. Unter Berücksichtigung seiner Befunde und derjenigen der Z.klinik aus dem Reha-Entlassungsbericht vom 07.08.2008 sei die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Dr. Dr. B. beschriebenen neurologischen Störungen nicht in einer Weise vorlägen, dass von mehr als einem vorübergehenden Zustand auszugehen sei. Der versorgungsärztlich für die Anpassungsstörung angesetzte GdB von 20 sei nicht zu beanstanden. Der von Dr. B. beschriebene Tagesablauf des Klägers lasse eine regelrechte Strukturierung erkennen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei auch dem Bericht des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S. nicht zu entnehmen.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 08.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 08.12.2010 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung führt er aus, das SG habe sich zu Unrecht auf das Gutachten des Dr. B. gestützt. Dr. B. könne als Orthopäde die neurologisch-psychiatrischen Beschwerden des Klägers nicht zutreffend beurteilen. Auch der Arztbrief von Dr. S. sei insofern nicht ausreichend. Das SG habe sich mit Beweisanträgen nicht auseinandergesetzt.
Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass er nicht in laufender nervenärztlicher Behandlung sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.11.2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 19.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 50 seit 30.06.2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung schließt er sich dem angefochtenen Gerichtsbescheid an.
Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts den Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. vom 17.12.2012 über eine Rehabilitation vom 12.11.2012 bis 10.12.2012 beigezogen. Dort war der Kläger unter den Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen, rezidivierende Lumbalgien bei degenerativen LWS Veränderungen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II in Behandlung. Bei Aufnahme ist die Psyche als normothym, orientiert beschrieben worden. Die Ärzte sind bei Entlassung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger mittelschwere körperliche Tätigkeiten, rückengerecht mit wechselnder Arbeitshaltung ausüben könne. Betreffend den Diabetes müsse eine Kontrolle und gegebenenfalls Umstellung der Medikation erfolgen.
Der Senat hat von Amts wegen das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 05.02.2013 eingeholt. Dort hat der Kläger Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bis in die Knie, in den Schultern und den Hüften geschildert. Er habe keine Energie und keinen Schwung mehr und leide unter Atemnot. Der Kläger hat seinen Tagesablauf und seine familiären Verhältnisse angegeben. Eine psychotherapeutische Behandlung werde nicht durchgeführt. Dr. N. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer Dysthymia als Folge einer Anpassungsstörung und einer leichtgradigen Polyneuropathie bei Diabetes mellitus leide. Der Tagesablauf zeige eine hinreichende Fähigkeit zur Strukturierung. Der Kläger habe einen erhöhten Blutdruck von 160/100 mmHg, das Vibrationsempfinden in den Füßen sei herabgesetzt, eine Prüfung der Wirbelsäulenbeweglichkeit sei bei deutlichem Gegenspannen nicht möglich. Psychisch fänden sich keine Hinweise auf eine tiefergehende depressive oder Angststörung, bei der körperlichen Untersuchung werde deutlich psychosomatisch angespannt. Die depressive Verstimmung entspreche einer Dysthymia. Es sei von einer hinreichenden willentlichen Überwindbarkeit der Schmerzen auszugehen, wie sich aus der Tagesbewältigung zeige. Dr. N. hat für die Schmerzstörung einen GdB von 20, für die Dysthymia einen GdB von 20 und für die diabetische Polyneuropathie einen solchen von 10 vorgeschlagen, der Gesamt-GdB sei mit 20 einzuschätzen. Von Seiten der Schmerzstörung und der Dysthymia habe sich keine wesentliche Verschlimmerung eingestellt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die beim Senat angefallene Akte.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung des GdB mit 50 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 – B 9 SB 3/08 R – Rn. 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.4.2009, aaO, Rn. 30).
Nach diesen Kriterien steht dem Kläger ein Gesamt-GdB von 20 zu. Die beim Kläger vorliegende psychische Funktionsbeeinträchtigung ist mit einem GdB von 20, die Beeinträchtigung von Seiten der Wirbelsäule mit 10, diejenige im Bereich der Schulter mit ebenfalls 10, der Bluthochdruck mit 10 und die Beschwerden durch den Diabetes mellitus mit allenfalls 10 zu bewerten, die Beschwerden an Lungen und Bronchien sowie die von Dr. Dr. B. angegebenen Gleichgewichtsstörungen bedingen keinen eigenen GdB.
Die psychische Beeinträchtigung des Klägers ist mit einem GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bedingen nach Nr. 3.7 Teil B VG, der im Wesentlichen Nr. 26.3 AHP entspricht, einen GdB von 0 bis 20 bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen. Ein GdB von 30 bis 40 wird bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit z.B. bei ausgeprägteren depressiven, hypochondrischen, asthenischen oder phobischen Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoformen Störungen angenommen. Ein GdB von 50 und mehr wird bei schweren Störungen wie z.B. schweren Zwangskrankheiten mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten angenommen. Wie das SG zutreffend ausgeführt und Dr. N. in seinem Gutachten im Wesentlichen bestätigt hat, liegen beim Kläger keine höhergradigen psychischen Beeinträchtigungen vor. Der Kläger leidet an einer Angst vor Schmerzattacken, sonstige Ängste konnte Dr. N. nicht feststellen. Der Tagesablauf ist hinreichend strukturiert. Der Kläger neigt zu aggressivem, gereiztem Ausdrucksverhalten und verdeutlicht dabei seine Beschwerden. Die Stimmungslage ist ausgeglichen, themenabhängig ist eine gereizte Grundstimmung erkennbar, er ist ausreichend ablenkbar und aufheiterbar. Die letzte psychiatrische Behandlung fand im Jahr 2012 statt, eine psychotherapeutische Behandlung fand nicht statt. Die von Dr. Dr. B. angegebenen Suizidtendenzen und massiven depressiven Beeinträchtigung ließen sich weder von Dr. N. noch in der Rehabilitation in der Reha-Klinik S. im November und Dezember 2012 feststellen. Eine somatoforme Schmerzstörung hat keiner der behandelnden und begutachtenden Ärzte diagnostiziert, es besteht allerdings eine chronische Schmerzstörung, der Kläger empfindet die körperlichen Schmerzen stärker als zu erwarten, ohne dass es zu einer Verselbständigung gekommen ist. Eine wesentliche Einschränkung der Gestaltungsfähigkeit ergibt sich aus diesen Befunden nicht. Der GdB für die psychischen Beeinträchtigungen ist mit 20 ausreichend berücksichtigt. Der abweichenden Bewertung von Dr. Dr. B. folgt der Senat nicht. Die Befunde von Dr. Dr. B. konnten durch die behandelnden und begutachtenden Ärzte einschließlich der in beiden Rehabilitationen hinzugezogenen Psychologen und Ärzte nicht nachvollzogen werden. Die von Dr. Dr. B. angenommene höhergradige psychische Beeinträchtigung besteht nicht dauerhaft.
Die Beeinträchtigungen des Klägers von Seiten der Wirbelsäule sind mit einem GdB von 10 einzuschätzen wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität werden mit einem GdB von 0 bewertet, bei geringen funktionellen Auswirkungen besteht ein GdB von 10, bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt wird ein GdB von 20, bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradigen bis schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Mittelgradige Auswirkungen sind dabei Verformung, häufig wiederkehrende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage anhaltende Wirbelsäulensyndrome. Nach den Befunden der Reha-Klinik S., die im Wesentlichen mit den Befunden von Dr. B., Dr. S. und der Z.klinik übereinstimmen, liegen beim Kläger die Folgen eines Bandscheibenvorfalls im obersten LWS Segment vor. Es kommt immer wieder zu Schmerzausstrahlung in das linke Bein, die Schmerzen werden intensiver, wenn der Kläger mit gebeugtem Rumpf Tätigkeiten ausübt und schwere Gegenstände trägt. Bei Entlassung aus der Rehabilitation konnte der Kläger sich bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 15 cm vorbeugen, Zehen- und Fersenstand waren sicher möglich, die Füße und Zehen konnte er kräftig heben, die von Dr. Dr. B. angegebene Zehen- und Fußheberschwäche war nicht festzustellen, nur der Achillessehnenreflex war noch abgeschwächt auslösbar. Diese Befunde rechtfertigen nicht die Einordnung als mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, die Wirbelsäulenbeweglichkeit ist geringgradig eingeschränkt. Ein GdB von 10 ist deshalb für diese Behinderung auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen körperlichen, medikamentös zu behandelnden Schmerzen ausreichend.
Die Beeinträchtigung im Bereich der Schultern ist mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. Nach Nr. 18.13 Teil B VG (26.18 AHP) bedingt eine einseitige Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich des Schultergürtels), die die Armhebung mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit bis zu 120° beschränkt, einen GdB von 10, bei einer Einschränkung auf bis zu 90° wird ein GdB von 20 angenommen. Bei beidseitiger Einschränkung ergibt sich ein entsprechend höherer GdB. Beim Kläger liegt nach den Befunden von Dr. B. an beiden Schultern eine Impingementsymptomatik vor. Die Beweglichkeit beider Schultern war bei dessen Untersuchung passiv mit der Möglichkeit, die Arme bis 180° zu heben, weitgehend frei. Der Kläger hat zwar den rechten Arm aktiv nur bis 100° gehoben, dieser Befund bedingt aber - unabhängig von der von Dr. B. angenommenen Aggravationstendenz - nach den genannten Kriterien keinen höheren GdB als 10. Höhergradige Einschränkungen ergeben sich auch nicht aus dem Reha-Entlassungsbericht der Z.klinik aus dem Jahr 2008 und der Reha-Klinik S. aus dem Jahr 2012.
Der erhöhte Blutdruck des Klägers ist mit einem GdB von 10 ausreichend berücksichtigt. Nach Nr. 9.3 Teil B VG bedingt ein Bluthochdruck in einer leichten Form, d.h. ohne oder mit geringer Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 0 bis 10. Die mittelschwere Form mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades oder diastolischem Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung rechtfertigt einen GdB von 20 bis 40. Beim Kläger liegt ein arterieller Bluthochdruck vor. Organveränderungen sind durch den Blutdruck bisher nicht aufgetreten. Bei der Untersuchung durch Dr. N. lag der Blutdruck einmalig bei 160/100 mmHg. Die übrigen behandelnden und begutachtenden Ärzte haben keine diastolischen Blutdruck von mehr 100 mmHg festgestellt. Ein höherer GdB als der bereits vom Beklagten berücksichtigte GdB von 10 ergibt sich daraus nicht.
Der Diabetes des Klägers bedingt jedenfalls keinen GdB von mehr als 10. Für die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) sind die GdB-Bewertungsgrundsätze durch die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV (BGBl. 2010, 928) mit Wirkung vom 22.07.2010 geändert worden. Mit dieser Änderung wurde Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nachvollzogen, die sowohl zu den bis 31.12.2008 anzuwendenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) als auch zu den versorgungsmedizinischen Grundsätzen in der VersMedV seit 01.01.2009 (VG) ergangen ist (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, v. 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R, Juris). Auf die VG in der Fassung der Änderungsverordnung kann auch für die Zeit vor deren Inkrafttreten zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 12). Danach gilt nach den VG Teil B 15.1 für die GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus: Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und die durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB-Werte bedingen.
Nach diesen Kriterien ist jedenfalls ein höherer GdB als 10 nicht festzustellen. Der Kläger unterzieht sich keiner Therapie, die Hypoglykämien auslösen kann. Der Diabetes des Klägers wird mit Metformin behandelt, das keine Hypoglykämien auslösen kann. Aus dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik S. ergibt sich zwar, dass eine Überprüfung dieser Therapie aufgrund des dort erstellten Blutzuckertagesprofils erfolgen sollte. Eine Umstellung der Therapie auf eine solche mit einem erhöhten Therapieaufwand ist aber weder aus dieser Empfehlung noch sonst erkennbar. Der Diabetes des Klägers hat nach den Feststellungen des Dr. N. inzwischen eine leichte Polyneuropathie der Beine verursacht, die aber nicht zu einer Beeinträchtigung der Funktion der Beine geführt hat. Ein höherer GdB als der vom Beklagten bereits berücksichtigte GdB von 10 ist daraus jedenfalls nicht abzuleiten.
Das hyperreagible Bronchialsystem des Klägers ist nicht mit einem eigenen GdB zu berücksichtigen. Nach Nr. 8.2 Teil B VG (Nr. 26.8 AHP) wird eine chronische Bronchitis als eigenständige Erkrankung ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion in leichter Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet. Eine schwere Form mit fast kontinuierlich ausgiebigem Husten und Auswurf, häufigen akuten Schüben führt zur Feststellung eines GdB von 20 bis 30. Nach Nr. 8.5 Teil B VG ist ein Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion bei Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Bei häufigen, d.h. mehrmals pro Monat auftretenden, oder schweren Anfällen ist ein höherer GdB zu berücksichtigen. Beim Kläger liegt ein hyperreagibles Bronchialsystem vor. Er ist mit einem Inhalierspray ausgestattet, das er einmal täglich anwendet (Entlassungsbericht Reha-Klinik S.). Die Lungenfunktion ist nach den Befunden von Dr. H. nicht beeinträchtigt, der Kläger sieht sich nach eigenen Angaben gegenüber der Reha-Klinik S. dazu in der Lage, vier Stockwerke problemlos zu steigen. Hinweise auf häufig auftretende Asthma-Anfälle ergeben sich nicht. Die vom Kläger vermutete Staublunge liegt nach den Untersuchungen von Dr. H. nicht vor. Aus diesen Befunden ergeben sich weder eine Einschränkung der Lungenfunktion noch eine chronische Bronchitis noch eine höhergradige Einschränkung durch die bronchiale Hyperreagibilität. Ein GdB ist insofern nicht zu berücksichtigen.
Die von Dr. Dr. B. mitgeteilten Gleichgewichtsstörungen des Klägers bedingen keinen eigenen GdB. Diese Gleichgewichtsstörungen haben sich weder in der Rehabilitation in der Z.klinik noch in der Reha-Klinik S. noch bei der Untersuchung durch Dr. N. belegen lassen. Sie werden auch vom Kläger weder im gerichtlichen Verfahren behauptet noch bei den Anamnesen während der Rehabilitationen und der gutachterlichen Untersuchungen angegeben. Gleichgewichtsstörungen liegen beim Kläger nicht vor.
Die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen rechtfertigen in der Gesamtschau keinen höheren Gesamt-GdB als 20. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und die VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt GdB Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung dieser Bewertungsgrundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Beim Kläger liegen Einzel-GdB von 20, 10, 10, 10 und allenfalls 10 vor. Die Einzel-GdB von 10 für die Wirbelsäulenbeschwerden, die Schultersymptomatik, den Bluthochdruck und den Diabetes sind nicht geeignet den bereits großzügig bemessenen GdB von 20 für die psychische Beeinträchtigung des Klägers weiter zu erhöhen. Eine besondere gegenseitige Beeinflussung ist nicht erkennbar.
Ansätze für weitere Ermittlungen sieht der Senat nicht und sind von den Beteiligten auch nicht dargetan.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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