L 10 U 1539/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2969/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1539/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.02.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 2108 und 2110 (im Folgenden BK 2108 bzw. BK 2110) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der am 1960 geborene, aus der ehemaligen S. stammende Kläger war nach seiner Ausbildung zum Landmaschinenführer als Kfz-Elektriker sowie als LKW-Fahrer tätig, bevor er im Februar 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Hier war er vom 03.07.1989 bis 30.10.2003 bei der Bruno B. Garten-Landschaftsbau GmbH in W. (im Folgenden: Firma B. ) beschäftigt, seinen Angaben zufolge bis August 1992 als Hilfsarbeiter und hiernach als Vorarbeiter. Zu seinen Tätigkeiten gehörten Kanalbau- und Pflasterarbeiten, das Verlegen von Betonplatten, das Setzen von Bordsteinen und das Bedienen bzw. Fahren von Baggern und Radladern.

Im Juni 2001 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Distorsion des linken Knies zuzog. Wegen Kniebeschwerden wurde im Dezember 2001 sowie erneut im Juni 2003 eine Arthroskopie des linken Knies durchgeführt. Im Anschluss an die hiernach im August 2003 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik I. und den sich anschließenden Arbeitsversuch kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis. Im November 2003 nahm er eine Tätigkeit als LKW-Fahrer bei einer Spedition auf.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wegen Entschädigungsleistungen aus Anlass des Arbeitsunfalles vom Juni 2001 beantragte der Kläger die Durchführung eines Feststellungsverfahrens im Hinblick auf die BK 2108. Zu seinen Rückenbeschwerden gab der Kläger an, diese seien im November 2001 zum ersten Mal aufgetreten; seit Februar 2003 habe er heftige Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS). Nachdem es im Anschluss an eine Rehabilitationsmaßnahme im Rahmen eines Arbeitsversuchs wieder zu Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in Bein und Fußsohle gekommen sei, habe er seine rückenbelastende Tätigkeit im September 2003 aufgegeben. Befragt nach den Gegenständen und dem Gewicht der getragenen Lasten gab der Kläger Erdstampfer (85 kg), Betonblockstufen (bis zu 80 kg), Bordsteine (100 x 30 x 14 cm, ca. 52 kg) und Blumentröge (aus Beton) an. Diese Lasten habe er nahezu täglich getragen. Zu näheren Angaben hinsichtlich der Häufigkeit der im Einzelnen getragenen Lasten sah sich der Kläger nicht in der Lage.

Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), wobei Dipl.-Ing. B. auf Grund eines persönlichen Gesprächs mit dem Kläger seiner Berechnung der Belastungsdosis folgende Belastungen durch das Heben und Tragen von schweren Lasten zu Grunde legte: - Anheben/Absetzen von Tiefbordsteinen (ca. 78 kg) zu zweit (39 kg pro Person) beim Setzen, ca. 100 Steine täglich, d.h. ca. 100 Hebe-/Absetzvorgänge täglich sowie Anheben/Absetzen von Baumaschinen (ca. 50 kg), ca. 3 Hebe-/Absetzvorgänge pro Tag an jeweils 10 Tagen/Jahr (Beurteilungsdosis: 5.032 Nh/Tag). - Anheben/Absetzen von Hochbordsteinen (ca. 103 kg) zu zweit (51,5 kg pro Person) beim Setzen, ca. 100 Steine täglich, d.h. ca. 100 Hebe-/Absetzvorgänge täglich sowie Anheben/Absetzen von Baumaschinen (ca. 50 kg), ca. 3 Hebe-/Absetzvorgänge pro Tag an jeweils 10 Tagen/Jahr (Beurteilungsdosis: 6.012 Nh/Tag). - Anheben/Absetzen von Blockstufen (ca. 100 kg) zu zweit (50 kg pro Person) beim Setzen, ca. 20 Steine täglich, d.h. ca. 20 Hebe-/Absetz- und Tragevorgänge täglich; Tragedauer ca. 5 Sekunden sowie Anheben/Absetzen von Baumaschinen (ca. 50 kg), ca. 3 Hebe-/Absetzvorgänge pro Tag an jeweils ca. 5 Tagen/Jahr (Beurteilungsdosis: 3.672 Nh/Tag). - Anheben/Absetzen von Randsteinen (ca. 46 kg) beim Setzen, ca. 40 Randsteine täglich, d.h. ca. 40 Hebe-/Absetz- und Tragevorgänge täglich; Tragedauer ca. 2 bis 5 Sekunden sowie Anheben/Absetzen von Baumaschinen (ca. 50 kg), ca. 3 Hebe-/Absetzvorgänge pro Tag an jeweils ca. 10 Tagen/Jahr (Beurteilungsdosis: 4.8462 Nh/Tag). - Anheben/Absetzen von Betonplatten (ca. 28 bis 30 kg) beim Verlegen, 125 Platten täglich, d.h. 125 Hebe-/Absetz- und Tragevorgänge täglich; Tragedauer ca. 3 bis 5 Sekunden sowie Anheben/Absetzen von Baumaschinen (ca. 50 kg), ca. 3 Hebe-/Absetzvorgänge pro Tag an jeweils 50 Tagen/Jahr (Beurteilungsdosis: 6.124 Nh/Tag. - Anheben/Absetzen von PVC-Rohren (ca. 30 kg) zu zweit (ca. 15 kg pro Person) beim Verlegen im Graben, ca. 200 PVC-Rohre täglich, ca. 200 bis 300 Hebe-/Absetzvorgänge täglich sowie Anheben/Absetzen von Baumaschinen (ca. 50 kg), ca. 3 Hebe-/Absetzvorgänge pro Tag an jeweils 14 Tagen/Jahr (Beurteilungsdosis: 717 Nh/Tag).

Unter Anwendung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) sah Dipl.-Ing. B. bei der ermittelten Beurteilungsdosis zwischen 717 Nh/Tag bis maximal 6124 Nh/Tag an den jeweiligen jährlichen Arbeitstagen den Richtwert von 5.500 Nh/Tag für Männer an ca. 60 Tagen/Jahr erreicht bzw. überschritten. Da die belastende Tätigkeit damit nicht in der überwiegenden Anzahl der jährlichen Arbeitsschichten ausgeübt worden sei, seien schon aus diesem Grund die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 nicht erreicht. Auch die Gesamtbelastungsdosis von 5,25 x 106 Nh liege deutlich unter dem als gefährdend angesehenen Dosisrichtwert von 25 x 106 Nh.

Im Hinblick auf die BK 2110 ermittelte Dipl.-Ing. B. für die Beschäftigungszeit in der UdSSR von 1987 bis Mitte 1989, wo der Kläger seinen Angaben zufolge LKW-Fahrzeuge (Fahrzeiten von sechs bis sieben Stunden täglich) führte, als Tagesdosis die Beurteilungsbeschleunigung A(8) mit 0,561 m/s2 und für die Tätigkeit bei der Firma B. , wo er Bagger bzw. Minibagger und Radlader ca. vier Stunden täglich an 150 bis 160 Tagen im Jahr sowie LKW-Fahrzeuge zwei Stunden täglich an zehn bis 20 Tagen im Jahr führte, mit A(8) = 0,556 m/s2 bzw. A(8) = 0,3 m/s2,wodurch der gefährdende Wert von A(8) = 0,63 m/s2 jeweils nicht erreicht sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Arbeitsplatzanalyse Bl. 70 ff VA einschließlich der dort dokumentierten Angaben des Klägers Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 23.05.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2108 und der BK 2110 mit der Begründung ab, die festgestellte Erkrankung sei nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Der dagegen im Wesentlichen mit der Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers, er sei zweifellos langjährig belastend tätig gewesen und das MDD sei eine Fehlbetrachtung unter Verletzung der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.07.2006).

Am 11.08.2006 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und unter Hinweis auf die durchgeführten Arbeiten (vorwiegend Pflasterarbeiten in Form von Verlegen von Verbund- und Doppelverbundsteinen sowie Industriepflaster, ferner Setzen von Tiefbordsteinen, Hochbordsteinen und Randsteinen sowie Verlegen von Blockstufen und Betonplatten) und Wiederholung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, mehr als vierzehn Jahre belastende Tätigkeit erklärten ohne weiteres die BK 2108. Die Arbeitsplatzexpositionsanalyse des TAD sei nicht zutreffend.

Das SG hat das Gutachten des Prof. Dr. C. , ehemals Leiter der Gutachtensambulanz der Orthopädischen Universitätsklinik H. , auf Grund Untersuchung des Klägers vom 22.02.2007 eingeholt, der das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS verneint hat. Mit Gerichtsbescheid vom 25.02.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger erfülle die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 und der BK 2110 nicht. Zusätzlich hat es sich auf das Gutachten des Prof. Dr. C. gestützt.

Am 02.04.2009 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er wendet sich wiederum gegen die Heranziehung des MDD, wobei der ermittelte Wert von 5,25 x 106 allerdings durchaus eine wesentliche Mitursächlichkeit begründe. Im Übrigen seien auch 60 Arbeitsschichten pro Jahr belastend genug für die Anerkennung der in Rede stehenden BKen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.02.2009 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2006 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. B. auf Grund Untersuchung des Klägers vom 19.08.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe in "Trauma und Berufskrankheit" 2005, 211 ff.) das Vorliegen der Konstellation E 1 bejaht. Dem hat die Beklagte unter Vorlage beratungsärztlicher Stellungnahmen widersprochen.

Auf Veranlassung des Senats hat die Beklagte im Übrigen eine den Anforderungen der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Rechnung tragende Berechnung der Belastungsdosis nach dem MDD (Verzicht auf Mindesttagesdosis) vorgelegt, nach der sich nunmehr Belastungen im Sinne der BK 2108 an ca. 100 Tagen/Jahr und eine Gesamtbelastungsdosis von 7,071 x 106 Nh ergeben haben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 108 ff der Senatsakte verwiesen.

Der Senat hat im Zuge weiterer Sachaufklärung u.a. das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. H. , Leiter des Orthopädischen Forschungsinstituts S. , eingeholt. Dieser hat - wie Prof. Dr. C. - eine bandscheibenbedingte Erkrankung verneint.

Im Hinblick auf den seitens des Klägers bei der Beklagten mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28.09.2011 gestellten Antrags gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X), mit dem er geltend gemacht hat, die Beklagte habe seine Belastungen bei Hebe- und Tragevorgängen unzutreffend ermittelt (die Angaben über die Verlegung von Tief- und Hochbordsteinen seien zu niedrig; zur Verlegung seien 80 bis 90 Liter Beton pro Meter notwendig gewesen, wobei 1.000 Liter Beton ein Gewicht von 2.300 kg hätten; das zur Verlegung notwendige Zusatzmaterial, wie bspw. Splitt, Beton, Kies, das habe angemischt, getragen und verarbeitet werden müssen, sei unberücksichtigt geblieben; die berücksichtigte Tragdauer von zwei bis fünf Sekunden sei zu niedrig, da die Palette mit den zu verlegenden Steinen bis zu 20 m vom Verlegeort entfernt gestanden sei), hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme durch den TAD der Beklagten veranlasst, wobei Dipl.-Ing. B. keine Veranlassung gesehen hat, von den bisher zu Grunde gelegten Werten abzuweichen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2108 und /oder BK 2110 anzuerkennen. Denn eine solche BK liegt beim Kläger nicht vor.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. (Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV) durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 bzw. 2110 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die bei der BK 2108 durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. bei der BK 2110 durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss jeweils den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Der Kläger erfüllt nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Rechtsprechung bereits nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BKen.

Das sog. und hier von der Beklagten der Beurteilung zu Grunde gelegte MDD ist ein Verfahren zur Bewertung der beim Einzelnen auftretenden tatsächlichen Belastung im Hinblick auf die in der BK 2108 aufgeführten Kriterien (langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw. langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung), also zur Beurteilung, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen (s. im Einzelnen: BK-Report Wirbelsäulenerkrankungen 2/03, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften - BK-Report -). Hintergrund des MDD ist die Erkenntnis, dass insbesondere bei Beschäftigten in Pflegeberufen, Betonbauern und Hafenarbeitern nach epidemiologischen Studien von einem signifikant erhöhten Risiko in Bezug auf die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS auszugehen ist und dass weniger häufig auftretende hohe Kompressionskräfte eine höhere Schädigungswirkung besitzen als häufige Belastungen mit niedriger Höhe. Letzteres führt zum so genannten quadratischen Ansatz, bei dem die überproportionale Wichtung der auf das Wirbelsäulensegment einwirkenden Kompressionskraft (hervorgerufen insbes. durch das zu bewältigende Gewicht) durch eine Quadrierung der Expositionshöhe erfolgt. Zur Abgrenzung zwischen (für die BK 2108 relevanten) schweren und (unerheblichen) allgemeinen Hebe- und Tragetätigkeiten geht das MDD von der Annahme aus, dass bei Männern ab 40 Jahren ab 20 kg, bei Frauen ab 40 Jahren ab 10 kg vom Heben einer schweren Last zu sprechen sei, wobei biomechanische Messungen und Berechnungen beim Heben und Tragen von Lasten am Übergang der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein bestimmte Druckkraftwerte (in Newton - N -) ergeben. Auf diesen Grundlagen wurde die Belastung der genannten Berufsgruppen ermittelt und für eine Acht-Stunden-Schicht aufaddiert. Für die Beschäftigten in Pflegeberufen - insoweit bezogen sich die Studien fast ausschließlich auf Frauen - ergab sich eine kumulierte LWS-Belastungsdosis von knapp 4.000 Nh, für Betonbauer bzw. Hafenarbeiter - fast ausschließlich männliche Beschäftigte - eine solche von bis über 6.000 bzw. über 13.000 Nh je Schicht. Davon abgeleitet geht das MDD von einer erforderlichen Mindestexposition i. S. einer kritischen Dosis je Schicht für Frauen von 3.500 Nh (= 3,5 Kilo-Newton-Stunden - kNh -) und für Männer von 5.500 Nh (= 5,5 kNh) bzw. für das gesamte Berufsleben von 17 Mega-Newton-Stunden (MNh = 106 Nh) für Frauen bzw. 25 MNh für Männer aus.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. März 2003, B 2 U 13/02 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 1) dient das MDD letztendlich der Konkretisierung der in der BK 2108 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe. Es ist als Zusammenfassung wissenschaftlicher Erfahrungstatsachen ein geeignetes Modell, die kritische Belastungsdosis eines Versicherten zu ermitteln und in Beziehung zu seinem Erkrankungsrisiko zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass die Schwellen- oder Dosiswerte des MDD keine festen Grenzwerte, sondern Orientierungswerte sind, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen.

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R) ist derzeit trotz diverser Schwächen des MDD an diesem Berechnungsmodell in modifizierter Form als Grundlage für die Konkretisierung der im Text der BK 2108 zur Kennzeichnung der beruflichen Einwirkungen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe festzuhalten, weil aktuell kein den wissenschaftlichen Erkenntnisstand besser abbildendes Alternativmodell zur Verfügung steht. Allerdings ist auf eine Mindesttagesdosis zu verzichten und sind die Richtwerte des MDD für die Gesamtbelastungsdosis (s.o.: 17 MNh für Frauen bzw. 25 MNh für Männer) zu halbieren, sodass von einem langjährigen Heben und Tragen schwerer Lasten bzw. einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung auszugehen ist, wenn mindestens die Hälfte des nach dem MDD ermittelten Wertes für die Gesamtbelastungsdosis (für Frauen also 8,5 MNh und für Männer 12,5 MNh) erreicht oder überschritten wird. Wird der so ermittelte Grenzwert (so ausdrücklich das BSG, a.a.O.) unterschritten, ist ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung ausgeschlossen, sodass es keiner weiteren Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (BSG, a.a.O.).

Diesen Grenzwert von 12,5 x 106 Nh (= 12,5 MNh) erreicht der Kläger mit der ermittelten Gesamtbelastungsdosis von 7,071 x 106 Nh bei weitem nicht.

Grundlage der Beurteilung des Senats sind die zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Berechnungen des Mitarbeiters des Präventionsdienstes der Beklagten Dipl.-Ing. B. , in denen dieser die dargelegten Vorgaben des BSG umgesetzt und auf der Grundlage der Angaben des Klägers anlässlich des mit ihm am 17.01.2006 geführten Gesprächs dessen Hebe- und Tragbelastungen in der vorliegend allein relevanten Tätigkeit bei der Firma B. errechnet und hieraus die Gesamtbelastungsdosis ermittelt hat. Diesen Berechnungen liegen damit die eigenen Angaben des Klägers zu seinen Belastungen während seiner wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten zu Grunde, mithin die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Anheben und Absetzen bzw. Tragen von Tiefbordsteinen, Hochbordsteinen, Blockstufen, Randsteinen, Betonplatten und PVC-Rohren, einschließlich des in diesem Zusammenhang jeweils erforderlichen Anhebens und Absetzens von Baumaschinen.

Für den Senat sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten mit weiteren, bisher unberücksichtigten relevanten Hebe- und Tragebelastungen verbunden waren. Konkrete derartige Verrichtungen hat der Kläger weder im Anschluss an die von Dipl.-Ing. B. aufgrund des mit ihm am 17.01.2006 geführten Gesprächs gefertigte Analyse seiner belastenden Arbeiten genannt noch hat er im Klageverfahren die Unvollständigkeit oder inhaltliche Fehlerhaftigkeit der erhobenen und dokumentierten Hebe- und Tragebelastungen geltend gemacht. Zwar hat er im Verfahren vor dem SG mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21.09.2006 bestritten, dass die Arbeitsplatzexpositionsanalyse der Technischen Abteilung vom 27.03.2006 zutreffend" ist, jedoch hat er dies lediglich damit begründet, dass die Technische Abteilung selbst ein Organ der Beklagten sei, weshalb diese Expertise "durchaus der kritischen Überprüfung von Amts wegen durch das Sozialgericht zugänglich" sei. Dass nach Ansicht des Klägers die von Dipl.-Ing. B. dargelegten Hebe- und Tragebelastungen unvollständig oder inhaltlich fehlerhaft dokumentiert wurden, vermag der Senat aus diesem Vorbringen nicht abzuleiten. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es nämlich nahe gelegen, die entsprechenden Unvollständigkeiten bzw. Fehler konkret zu benennen, damit das SG diese in die zu treffende kritische Würdigung der Ausführungen des Dipl.-Ing. B. hätte einbeziehen können.

Soweit der Kläger substantiierte diesbezügliche Angaben erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28.09.2011 im Rahmen eines gegenüber der Beklagten gestellten Antrags gemäß § 44 SGB X gemacht hat, und damit fünfeinhalb Jahre nach Fertigung der Arbeitsplatzexpositionsanalyse des Dipl.-Ing. B. , vermag der Senat hieraus nicht die Unrichtigkeit der Beurteilung des Dipl.-Ing. B. abzuleiten. Abgesehen davon, dass die Richtigkeit des diesbezüglichen Vorbringens des Klägers schon deshalb zweifelhaft erscheint, weil unverständlich ist, weshalb das entsprechende Vorbringen erst nach mehr als fünf Jahren und nicht bereits zu Beginn in das gerichtliche Verfahrens vor dem SG eingeführt worden ist, sondern erst während und zudem außerhalb des Berufungsverfahrens im Rahmen eines Antrags gemäß § 44 SGB X, hat Dipl.-Ing. B. im Rahmen seiner Stellungnahmen für die Beklagten darüber hinaus für den Senat auch überzeugend dargelegt, dass ausgehend von den bereits berücksichtigten und bewerteten Hebe- und Tragbelastungen weitere belastende Arbeiten nicht zu berücksichtigen sind.

Soweit der Kläger geltend macht, zur Verlegung der Tief- und Hochbordsteine seien 80 bis 90 Liter Beton pro Meter notwendig gewesen, wobei 1.000 Liter Beton ein Gewicht von 2.300 kg hätten, ist nicht ersichtlich, dass und inwieweit der Kläger durch die Verwendung dieser Mengen an Beton mit Hebe- und Tragevorgängen belastet wurde. Denn welchen Hebe- und Tragbelastungen er hierbei ausgesetzt gewesen sein soll hat er weder dargelegt noch spezifiziert. Der Senat vermag insbesondere nicht davon auszugehen, dass die angegebene Menge an Beton in ähnlicher Weise wie die zu verlegenden Tief- und Hochbordsteine zu dem Verwendungsort getragen werden muss. Soweit der Kläger die Anzahl der zu verlegenden Tief- und Hochbordsteinen für zu niedrig erachtet, ist schon nicht ersichtlich, aus welchen Gründen er den zu Grunde gelegten Wert für unangemessen niedrig erachtet und welche konkrete Anzahl seines Erachtens den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen soll. Für den Senat nachvollziehbar hat Dipl.-Ing. B. zudem darauf hingewiesen, dass mit 100 Steinen täglich bereits eine sehr hohe tägliche Zahl angesetzt wurde. Soweit er in diesem Zusammenhang dargelegt hat, dass diese Menge zwar durchaus zu bewältigen ist, jedoch immer nur mit zwei bis drei Personen und dann gleichzeitig aber bereits das Betonbett fertig bzw. nahezu fertig gestellt sein muss oder die dritte Person vorarbeitet und zusätzlich die Steine schon möglichst bauortnah verteilt, steht zur Überzeugung des Senats auch fest, dass die vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Belastungen im Zusammenhang mit der Verlegung des notwendigen Zusatzmaterials, wie bspw. Splitt, Beton und Kies, keine Berücksichtigung finden können, da diese Vorarbeiten zusätzlich zu den zu Grunde gelegten Setzarbeiten nicht zu bewältigen sind. Ohnehin könnten insoweit zudem lediglich Belastungen durch Heben und Tragen Berücksichtigung finden und damit nicht die Zeit für das vom Kläger aufgeführte "Anmischen" und "Verarbeiten" des Materials. Soweit der Kläger darüber hinaus die von Dipl.-Ing. B. berücksichtigte Tragdauer von zwei bis fünf Sekunden bei den Tragevorgängen für zu niedrig erachtet, da die Paletten mit den zu verlegenden Steinen bis zu 20 m vom Verlegeort entfernt gelagert gewesen wären, hält der Senat dieses Vorbringen nicht für glaubhaft. Für den Senat überzeugend hat Dipl.-Ing. B. insoweit vielmehr darauf hingewiesen, dass es im Regelfall - in Ausnahmefällen mag dies anders sein - nicht realistisch ist, auf Baustellen mit als Tagesleistung zu setzenden 100 Hoch- bzw. Tiefbordsteinen diese in 20 m Entfernung vom Einbauort zu lagern und sie dann zum Einbau heranzutragen.

Nach alledem legt der Senat seiner Beurteilung die vom Kläger anlässlich seines Gesprächs mit dem Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten Dipl.-Ing. B. gemachten Angaben zu Grunde, die nach Überzeugung des Senats ein den tatsächlichen Gegebenheit nahe kommendes Bild der Hebe- und Tragbelastungen des Klägers beschreiben. Mit der auf dieser Grundlage nach dem MDD ermittelten Gesamtbelastungsdosis von 7,071 x 106 Nh erreicht der Kläger bei weitem nicht den Grenzwert von 12,5 x 106 Nh, so dass er die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 nicht erfüllt, mit der Folge, dass ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung - entsprechend den obigen Darlegungen - ausgeschlossen ist.

Damit bedarf es im Sinne des Urteils des BSG vom 30.10.2007 (a.a.O.) keiner weiteren Feststellungen mehr zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall. Der Senat kann im Hinblick auf die zwischen den Sachverständigen Prof. Dr. C. , Dr. B. und Dr. H. kontrovers diskutierte Frage, ob beim Kläger die medizinischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BK 2108 erfüllt sind, insbesondere ob beim Kläger überhaupt eine bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegt, daher offen lassen.

Letztlich erfüllt der Kläger auch im Hinblick auf die BK 2110 nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen. Denn mit den ermittelten Belastungen im Rahmen der vom Kläger jeweils ausgeübten Fahrertätigkeiten wird der im Sinne dieser BK gefährdende Wert der Beurteilungsbeschleunigung (Tagesbelastungsdosis) von A(8) = 0,63 m/s2 mit Werten von 0,561 m/s2 (Führen von LKW-Fahrzeugen in der früheren UdSSR), 0,556 m/s2 (Führen von Bagger/Minibagger, Radlader bei der Firma B. ) sowie 0,3 m/s2 (führen von LKW-Fahrzeugen bei der Firma B. ) jeweils nicht erreicht. Einwände gegen diese Berechnung des TAD hat der Kläger nicht erhoben. Mangels gefährdender Tätigkeit kommt es deshalb nicht darauf an, ob die medizinischen Voraussetzungen dieser BK bejaht werden könnten.

Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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