Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 6128/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2276/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird als unzulässig verworfen. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. April 2012 insoweit aufgehoben, als der Beklagte verurteilt worden ist, ab 19. Juli 2010 einen GdB von 70 festzustellen; im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der 1962 geborene Kläger stellte am 26.03.2007 einen Erstantrag nach § 69 SGB IX. Mit Bescheid vom 21.06.2007 wurde ein GdB von 30 seit 26.03.2007 festgestellt. An Funktionsbeeinträchtigungen wurden berücksichtigt: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), Verlust des Dickdarms (Teil-GdB 20). Auf den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch holte das Landratsamt E. (Kreissozialamt - Schwerbehindertenrecht - LRA) einen Befundschein vom Facharzt für Neurochirurgie Dr. W. B. vom 28.09.2007 ein. Dieser wurde mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.10.2007 (Dr. E.) ausgewertet. Danach wurden die Funktionsbeeinträchtigungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom mit einem Teil-GdB von 30 und der Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Mit Teil-Abhilfebescheid vom 24.10.2007 stellte das LRA den GdB mit 40 seit 26.03.2007 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage war erfolglos, die Berufung (L 8 SB 3468/08) wurde mit Urteil vom 14.08.2009 zurückgewiesen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG mit Beschluss vom 01.02.2010 als unzulässig verworfen (B 9 SB 57/01 B).
Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 12.09.2008 holte das LRA die Befundscheine der Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K., D., vom 07.09.2009 und vom 12.11.2009 ein. Mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.03.2010 (Dr. E.) wurde als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung "Schwerhörigkeit beidseits" mit einem Einzel-GdB von 20 vorgeschlagen; der Gesamt-GdB betrage 50. Anschließend holte das LRA u.a. einen Befundschein vom Internisten Dr. M. V., W., vom 21.04.2010 ein, der mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.06.2010 ausgewertet wurde. Danach wurden die Funktionsbeeinträchtigungen teilweise neu bewertet. Für "Verlust des Dickdarms, Magenschleimhautentzündung" wurde ein Teil-GdB von 30, für "Neurodermitis, Allergie" ein Teil-GdB von 20 und für "Schwerhörigkeit beidseits" ein Teil-GdB von 10 angenommen. Der Gesamt-GdB wurde mit 50 beurteilt.
Mit Bescheid vom 16.06.2010 wurde auf den Antrag vom 12.09.2008 der Bescheid vom 24.10.2007 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und der GdB mit 50 seit 01.06.2008 festgestellt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.09.2009 - beim LRA eingegangen am 25.09.2009 - stellte der Bevollmächtigte des Klägers einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X im Hinblick auf den Bescheid vom 21.06.2007. Hierüber entschied das LRA mit Bescheid vom 17.06.2010 und entsprach dem Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 21.06.2007 sei der GdB ab 26.03.2007 mit 30 festgestellt worden; mit Teilabhilfebescheid vom 24.10.2007 sei der GdB ab 26.03.2007 auf 40 angehoben worden. Mit Neufeststellungsbescheid vom 16.06.2010 werde der GdB ab 01.06.2008 mit 50 bewertet. Die Überprüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bevollmächtigten des Klägers habe ergeben, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X nicht erfüllt seien, weil bei Erlass des früheren Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Erhöhung des GdB von 40 auf 50 sei erfolgt aufgrund der vom Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 08.04.2010 neu geltend gemachten Allergie. Da die Hauterkrankung nach den vorliegenden Befundberichten ab Juni 2008 behandelt worden sei, könne die Feststellung ab diesem Zeitpunkt erfolgen. Die geltend gemachte Schwerhörigkeit bedinge dagegen lediglich einen GdB von 10, was sich beim Gesamt-GdB nicht erhöhend auswirke. Für den Verlust des Dickdarms und für die Magenschleimhautentzündung sei der GdB auf 30 angehoben worden, was sich beim Gesamt-GdB jedoch ebenfalls nicht erhöhend ausgewirkt habe.
Der dagegen am 10.07.2010 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 (§ 48 SGB X) erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 30.11.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 10 SB 6128/10) mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von wenigstens 60 statt wie bisher 50 und den GdB von 50 zu einem früheren Zeitpunkt als den 01.06.2008 anzuerkennen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 (§ 44 SGB X) erhob der Bevollmächtigte des Klägers ebenfalls am 30.11.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 10 SB 6134/10). Es wurde beantragt, den Bescheid vom 17.06.2010 abzuändern und den Beklagten nach § 44 SGB X zu verurteilen, einen Gesamt-GdB von wenigstens 50 anzuerkennen.
Mit Beschluss vom 12.04.2011 verband das SG die Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 10 SB 6128/10.
Auf ein richterliches Hinweischreiben vom 31.01.2011 und nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage unterbreitete der Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2010 (gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 17.05.2011) ein Vergleichsangebot dahingehend, den GdB mit 50 ab 26.03.2007 festzustellen und die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Mit gerichtlichem Schreiben vom 27.05.2011 übersandte das SG dem Bevollmächtigten des Klägers das Vergleichsangebot vom 19.05.2011 und fragte gleichzeitig an, ob dieses Vergleichsangebot angenommen und der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde. Eine Antwort vom Bevollmächtigten des Klägers ging hierauf beim SG - trotz gerichtlicher Mahnung gemäß Schreiben vom 28.07.2011 - nicht ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2012 änderte das SG den Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 ab und verurteilte den Beklagten, beim Kläger einen Gesamt-GdB von 50 seit 26.03.2007, einen Gesamt-GdB von 60 seit 01.06.2008 und einen Gesamt-GdB von 70 seit 19.07.2010 festzustellen; im Übrigen wies das SG die Klage ab. Hinsichtlich der Kosten entschied es, dass der Beklagte zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen habe. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klage gegen den Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 (§ 48 SGB X) sei zulässig. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 (§ 44 SGB X) sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses jedoch unzulässig. Der Kläger verlange sinngemäß, den Bescheid vom 21.06.2007, geändert durch Teilabhilfebescheid vom 24.10.2007, zurückzunehmen. Das sei aber nicht mehr möglich, nachdem dieser Bescheid mit Bescheid vom 16.06.2010 aufgehoben worden sei. Die materiell-rechtliche Frage, ob dem Kläger ein höherer GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugestanden haben könnte, sei außerdem bereits Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens wegen der Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010. Soweit die Klage zulässig sei, sei sie auch begründet. Der Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger habe sowohl Anspruch auf einen höheren GdB mit einem Gesamt-GdB von mehr als 50 als auch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab einem früheren Zeitpunkt als den 01.06.2008. Der Gesamt-GdB betrage 50 seit 26.03.2007, 60 seit 01.06.2008 und 70 seit 19.07.2010.
Der Gerichtsbescheid wurden den Bevollmächtigten des Klägers am 30.04.2012 und dem Beklagten am 03.05.2012 zugestellt.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 26.04.2012 legte der Bevollmächtigte des Klägers am 30.05.2012 und der Beklagte am 01.06.2012 Berufung ein. Der Beklagte trug zur Begründung vor, er sei verurteilt worden, beim Kläger einen Gesamt-GdB von 50 seit dem 26.03.2007, einen Gesamt-GdB von 60 seit dem 01.06.2008 und einen Gesamt-GdB von 70 seit dem 19.07.2010 festzustellen. Mit dieser Entscheidung könne sich der Beklagte nur hinsichtlich eines GdB von 50 ab 26.03.2007 einverstanden erklären. Mit seinem Vergleichsangebot vom 19.05.2011 habe er sich auch bereit erklärt, einen GdB von 50 ab 26.03.2007 festzustellen. Ein Gesamt-GdB von 60 ab 01.06.2008 allein durch das Hinzutreten eines Teil-GdB von 20 für das Hautleiden sei nicht gerechtfertigt. Der weitere seit 19.07.2010 hinzugetretene Teil-GdB von 20 für die Schwerhörigkeit und die Ohrgeräusche bewirke keine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB; ergänzend verweise er auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 09.05.2012.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 29.01.2013 ist der Bevollmächtigte des Klägers aufgefordert worden, bis 28.02.2013 einen Antrag zu stellen und die Berufung zu begründen. Hieran ist er mit Schreiben vom 02.04.2013 erinnert worden und hat hierfür unter Hinweis auf § 106 a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine letzte Nachfrist bis 25. April 2013 erhalten. Eine Erklärung ist weder vom Bevollmächtigten des Klägers noch vom Kläger eingegangen.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. April 2012 insoweit aufzuheben, als er verurteilt worden ist, einen höheren GdB als 50 festzustellen, und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger hat einen Antrag nicht gestellt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unzulässig (1.). Die Berufung des Beklagten ist zulässig und in der Sache teilweise begründet (2.).
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unzulässig, da der Kläger einen Antrag nicht gestellt hat und eine Berufungsbegründung, aus der möglicherweise sein Begehren zu entnehmen gewesen wäre, nicht abgegeben hat. Der Bevollmächtigte des Klägers ist mit gerichtlichem Schreiben vom 29.01.2013 darauf hingewiesen worden, dass Antrag und Begründung noch ausstehen; ihm ist Frist gesetzt worden bis 28.02.2013, dies nachzuholen. Mit gerichtlichem Schreiben vom 02.04.2013 ist der Bevollmächtigte des Klägers gemahnt worden und ihm ist unter Hinweis auf § 106 a SGG eine letzte Nachfrist bis 25.04.2013 gesetzt worden, die er jedoch nicht genutzt hat. Damit ist eine Beschwer des Klägers durch den angegriffenen Gerichtsbescheid nicht erkennbar. Die Klage des Klägers S 10 SB 6134/10 richtete sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.06.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010), mit dem der Beklagte die gemäß § 44 SGB X beantragte Rücknahme des Bescheids vom 21.06.2007 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 24.10.2007 ablehnte. Der Kläger begehrte den GdB mit wenigstens 50 (statt 40 seit dem 26.03.2007) festzustellen. Diesem Begehren entspricht der angefochtene Gerichtsbescheid des SG mit der Verurteilung des Beklagten, für die Zeit vom 26.03.2007 (bis 31.05.2007) den GdB mit 50 festzustellen, in vollem Umfang. Das Begehren einer zeitlich vor dem 26.03.2007 vorzunehmenden Feststellung des GdB hat der Kläger im Klageverfahren (wie auch im Berufungsverfahren) nicht geltend gemacht. Entsprechendes gilt für den Verschlimmerungsantrag des Kläger. Mit der gegen den Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010 gerichteten Klage S 10 SB 6128/10 machte der Kläger die Feststellung des GdB von wenigstens 60 (statt 50 seit dem 01.06.2008) geltend. Auch diesem Begehren entspricht der angefochtene Gerichtsbescheid des SG mit der Verurteilung des Beklagten, den GdB mit 60 seit dem 01.06.2008 und mit 70 seit dem 19.07.2010 festzustellen. Eine Beschwer, die es dem Senat ermöglich hätte, im Wege der Auslegung einen sachdienlichen Berufungsantrag des Klägers zu formulieren, ist damit nicht erkennbar, weshalb die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen war. Ob der Ansicht des SG zu folgen ist, die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 (§ 44 SGB X) sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, bedarf damit keiner Erörterung durch den Senat.
2. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist in der Sache teilweise begründet. Soweit der Beklagte mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid verurteilt worden ist, einen GdB von 50 ab 26.03.2007 anzuerkennen, hat der Beklagte hiergegen Berufung nicht eingelegt; insoweit ist der Gerichtsbescheid rechtskräftig. Der Beklagte hat auch einen GdB von 50 ab 26.03.2007 unstreitig gestellt, da er sich schon in 1. Instanz mit dem Vergleichsangebot vom 19.05.2011 bereit erklärt hatte, einen GdB von 50 ab 26.03.2007 festzustellen. Einer Entscheidung durch den Senat bedarf es insoweit nicht.
Hinsichtlich der Berufung des Beklagten ist damit nur streitig, ob durch das Hinzutreten der Funktionsbeeinträchtigungen "Neurodermitis (Hauterkrankung), Allergie" (ab 01.06.2008) und der Funktionsbeeinträchtigungen "Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche - Tinnitus - (seit 19.07.2010) eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB eingetreten ist.
Rechtsgrundlage der Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 – B 9 SB 3/08 R – Rn. 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.4.2009, aaO, Rn. 30).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und die VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A Nr. 3). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Hiervon ausgehend gelangt der Senat aufgrund der vorliegenden Befunde und unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen hinsichtlich der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen zu dem Ergebnis, dass eine Erhöhung des Gesamt-GdB von 50 auf 60 durch das Hinzutreten des Hautleidens ab 01.06.2008 eingetreten ist; insoweit ist die Berufung des Beklagten nicht begründet. Durch das weitere Hinzutreten der Schwerhörigkeit einschließlich der Ohrgeräusche ist der Gesamt-GdB jedoch nicht weiter erhöht worden; insoweit ist die Berufung des Beklagten begründet.
Nach den eigenen Bewertungen des Beklagten bedingen die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom" und "Verlust des Dickdarms, Magenschleimhautentzündung" jeweils einen Teil-GdB von 30 und einen Gesamt-GdB von 50, wovon Dr. W. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.05.2012 ausgeht.
Im Juni 2008 sind die Funktionsbeeinträchtigungen "Neurodermitis, Allergie" hinzugetreten. Danach besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Allergie auf ein örtlich angewandtes Lokalanästhetikum sowie eine schwach ausgeprägte Allergie gegen Tomate und einige wenig behindernde Kontaktallergien. Aus den Hautarztberichten des Universitätsklinikums F. vom 22.03.2010 sowie des Facharztes für Dermatologie, Allergologie Dr. P. vom 23.04.2010, bei dem der Kläger ab 09.06.2008 (bis 02.02.2010) behandelt worden ist, lässt sich entnehmen, dass die Haut des Klägers überdurchschnittlich vulnerabel und reaktiv ist. Es liegt eine chronische Hautveränderung vor, welche beim Kläger zu einer deutlichen subjektiven Belastung führt und die regelmäßige Pflege und Behandlung notwendig macht. Außerdem können die Präparate Tetracain und Benzalkoniumchlorid beim Kläger lebensbedrohliche Sofortreaktionen auslösen, wobei allerdings Ausweichpräparate vorhanden sind. Dies rechtfertigt zur Überzeugung des Senats hierfür einen Einzel-GdB von 20 zugrunde zu legen, wovon auch der Beklagte selbst ausgeht.
Die durch die Hauterkrankung und Allergie des Klägers hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen stellen zusätzliche Einschränkungen in der Teilhabe am Leben der Gesellschaft dar, weshalb es gerechtfertigt ist, den bis dahin vorliegenden Gesamt-GdB von 50 auf 60 zu erhöhen. Da der Kläger bei Dr. P. wegen der Hauterkrankung ab Juni 2008 in Behandlung gestanden ist, ist der Gesamt-GdB mit 60 ab 01.06.2008 festzustellen, wie dies das SG auch zutreffend entschieden hat.
Hinsichtlich der Schwerhörigkeit gelangt der Senat in Übereinstimmung mit dem SG zu dem Ergebnis, dass allein die Schwerhörigkeit des Klägers nach Auswertung des Sprachaudiogramms einen GdB von (10 bis maximal) 15 bedingt. Wie die den Kläger behandelnde Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. K. mit ihren Berichten vom 07.09.2009 und vom 12.11.2009 mitgeteilt hat, lag beim Kläger eine Schwerhörigkeit mit Tinnitus vor. Die Schwerhörigkeit bedingt nach Auswertung des Sprachaudiogramms einen Teil-GdB von (bis) 15. Unter Berücksichtigung des Tinnitus ist der Teil-GdB auf HNO-ärztlichem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von maximal 20 ausreichend bewertet. Ein höherer GdB lässt sich aufgrund der im Verfahren beigezogenen ärztlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht rechtfertigen, da erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen vom Kläger nicht dargelegt worden sind und auch nicht bekannt ist, dass sich der Kläger wegen derartiger psychovegetativer Begleiterscheinungen von Seiten des Tinnitus nervenfachärztlich behandeln lassen muss. Der Ansicht von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.05.2012, der von zwei verschiedenen Funktionssysteme Ohren und (hinsichtlich des Tinnitus) Psyche mit nicht zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten von jeweils 10 ausgeht, kann schon deshalb nicht gefolgt werden. Der Senat erachtet es jedoch – im Ergebnis mit dem Beklagten - nicht für gerechtfertigt, die für sich nicht Gesamt-GdB-relevante Hörstörung des Klägers wegen des Tinnitus Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigen. Der abweichenden Ansicht des SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Tinnitus des Klägers wurde einmalig von Dr. K. (Befundbericht vom 26.08.2010) als Diagnose genannt. Nähere Befunde hierzu, insbesondere zum Ausmaß, hat Dr. K. nicht beschrieben, wie auch eine gezielte Behandlung des - laut Befundbericht der Dr. K. nach den Angaben des Klägers im Juli 2010 aufgetretenen - Tinnitus nicht ersichtlich ist. Damit ist hinsichtlich des Tinnitus nicht von einer bedeutsamen Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung des Klägers schließen lässt, und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert dargetan, weshalb sich der Senat hierzu auch nicht zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes (zu Gunsten des Klägers) gedrängt fühlt. Insofern verhält es sich bei diesem Teil-GdB von 20 um einen schwachen GdB-Wert, der sich zur Überzeugung des Senats nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB auswirkt. Ausgehend von Teil-GdB-Werten von 30, 30, 20 und einem schwachen 20 sind die Behinderungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 60 seit dem 01.06.2008 vielmehr angemessen und ausreichend bewertet.
Damit ist im Übrigen die Berufung des Klägers auch in der Sache nicht begründet.
Nach alledem war die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen und die Berufung des Beklagten ist teilweise erfolgreich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Der Beklagte erstattet dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der 1962 geborene Kläger stellte am 26.03.2007 einen Erstantrag nach § 69 SGB IX. Mit Bescheid vom 21.06.2007 wurde ein GdB von 30 seit 26.03.2007 festgestellt. An Funktionsbeeinträchtigungen wurden berücksichtigt: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), Verlust des Dickdarms (Teil-GdB 20). Auf den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch holte das Landratsamt E. (Kreissozialamt - Schwerbehindertenrecht - LRA) einen Befundschein vom Facharzt für Neurochirurgie Dr. W. B. vom 28.09.2007 ein. Dieser wurde mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.10.2007 (Dr. E.) ausgewertet. Danach wurden die Funktionsbeeinträchtigungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom mit einem Teil-GdB von 30 und der Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Mit Teil-Abhilfebescheid vom 24.10.2007 stellte das LRA den GdB mit 40 seit 26.03.2007 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage war erfolglos, die Berufung (L 8 SB 3468/08) wurde mit Urteil vom 14.08.2009 zurückgewiesen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG mit Beschluss vom 01.02.2010 als unzulässig verworfen (B 9 SB 57/01 B).
Auf den Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 12.09.2008 holte das LRA die Befundscheine der Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K., D., vom 07.09.2009 und vom 12.11.2009 ein. Mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.03.2010 (Dr. E.) wurde als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung "Schwerhörigkeit beidseits" mit einem Einzel-GdB von 20 vorgeschlagen; der Gesamt-GdB betrage 50. Anschließend holte das LRA u.a. einen Befundschein vom Internisten Dr. M. V., W., vom 21.04.2010 ein, der mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.06.2010 ausgewertet wurde. Danach wurden die Funktionsbeeinträchtigungen teilweise neu bewertet. Für "Verlust des Dickdarms, Magenschleimhautentzündung" wurde ein Teil-GdB von 30, für "Neurodermitis, Allergie" ein Teil-GdB von 20 und für "Schwerhörigkeit beidseits" ein Teil-GdB von 10 angenommen. Der Gesamt-GdB wurde mit 50 beurteilt.
Mit Bescheid vom 16.06.2010 wurde auf den Antrag vom 12.09.2008 der Bescheid vom 24.10.2007 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und der GdB mit 50 seit 01.06.2008 festgestellt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.09.2009 - beim LRA eingegangen am 25.09.2009 - stellte der Bevollmächtigte des Klägers einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X im Hinblick auf den Bescheid vom 21.06.2007. Hierüber entschied das LRA mit Bescheid vom 17.06.2010 und entsprach dem Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 21.06.2007 sei der GdB ab 26.03.2007 mit 30 festgestellt worden; mit Teilabhilfebescheid vom 24.10.2007 sei der GdB ab 26.03.2007 auf 40 angehoben worden. Mit Neufeststellungsbescheid vom 16.06.2010 werde der GdB ab 01.06.2008 mit 50 bewertet. Die Überprüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bevollmächtigten des Klägers habe ergeben, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X nicht erfüllt seien, weil bei Erlass des früheren Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Erhöhung des GdB von 40 auf 50 sei erfolgt aufgrund der vom Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 08.04.2010 neu geltend gemachten Allergie. Da die Hauterkrankung nach den vorliegenden Befundberichten ab Juni 2008 behandelt worden sei, könne die Feststellung ab diesem Zeitpunkt erfolgen. Die geltend gemachte Schwerhörigkeit bedinge dagegen lediglich einen GdB von 10, was sich beim Gesamt-GdB nicht erhöhend auswirke. Für den Verlust des Dickdarms und für die Magenschleimhautentzündung sei der GdB auf 30 angehoben worden, was sich beim Gesamt-GdB jedoch ebenfalls nicht erhöhend ausgewirkt habe.
Der dagegen am 10.07.2010 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 (§ 48 SGB X) erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 30.11.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 10 SB 6128/10) mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von wenigstens 60 statt wie bisher 50 und den GdB von 50 zu einem früheren Zeitpunkt als den 01.06.2008 anzuerkennen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 (§ 44 SGB X) erhob der Bevollmächtigte des Klägers ebenfalls am 30.11.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 10 SB 6134/10). Es wurde beantragt, den Bescheid vom 17.06.2010 abzuändern und den Beklagten nach § 44 SGB X zu verurteilen, einen Gesamt-GdB von wenigstens 50 anzuerkennen.
Mit Beschluss vom 12.04.2011 verband das SG die Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 10 SB 6128/10.
Auf ein richterliches Hinweischreiben vom 31.01.2011 und nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage unterbreitete der Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2010 (gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 17.05.2011) ein Vergleichsangebot dahingehend, den GdB mit 50 ab 26.03.2007 festzustellen und die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Mit gerichtlichem Schreiben vom 27.05.2011 übersandte das SG dem Bevollmächtigten des Klägers das Vergleichsangebot vom 19.05.2011 und fragte gleichzeitig an, ob dieses Vergleichsangebot angenommen und der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde. Eine Antwort vom Bevollmächtigten des Klägers ging hierauf beim SG - trotz gerichtlicher Mahnung gemäß Schreiben vom 28.07.2011 - nicht ein.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2012 änderte das SG den Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 ab und verurteilte den Beklagten, beim Kläger einen Gesamt-GdB von 50 seit 26.03.2007, einen Gesamt-GdB von 60 seit 01.06.2008 und einen Gesamt-GdB von 70 seit 19.07.2010 festzustellen; im Übrigen wies das SG die Klage ab. Hinsichtlich der Kosten entschied es, dass der Beklagte zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen habe. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klage gegen den Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 (§ 48 SGB X) sei zulässig. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 (§ 44 SGB X) sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses jedoch unzulässig. Der Kläger verlange sinngemäß, den Bescheid vom 21.06.2007, geändert durch Teilabhilfebescheid vom 24.10.2007, zurückzunehmen. Das sei aber nicht mehr möglich, nachdem dieser Bescheid mit Bescheid vom 16.06.2010 aufgehoben worden sei. Die materiell-rechtliche Frage, ob dem Kläger ein höherer GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugestanden haben könnte, sei außerdem bereits Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens wegen der Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010. Soweit die Klage zulässig sei, sei sie auch begründet. Der Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2010 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger habe sowohl Anspruch auf einen höheren GdB mit einem Gesamt-GdB von mehr als 50 als auch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab einem früheren Zeitpunkt als den 01.06.2008. Der Gesamt-GdB betrage 50 seit 26.03.2007, 60 seit 01.06.2008 und 70 seit 19.07.2010.
Der Gerichtsbescheid wurden den Bevollmächtigten des Klägers am 30.04.2012 und dem Beklagten am 03.05.2012 zugestellt.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 26.04.2012 legte der Bevollmächtigte des Klägers am 30.05.2012 und der Beklagte am 01.06.2012 Berufung ein. Der Beklagte trug zur Begründung vor, er sei verurteilt worden, beim Kläger einen Gesamt-GdB von 50 seit dem 26.03.2007, einen Gesamt-GdB von 60 seit dem 01.06.2008 und einen Gesamt-GdB von 70 seit dem 19.07.2010 festzustellen. Mit dieser Entscheidung könne sich der Beklagte nur hinsichtlich eines GdB von 50 ab 26.03.2007 einverstanden erklären. Mit seinem Vergleichsangebot vom 19.05.2011 habe er sich auch bereit erklärt, einen GdB von 50 ab 26.03.2007 festzustellen. Ein Gesamt-GdB von 60 ab 01.06.2008 allein durch das Hinzutreten eines Teil-GdB von 20 für das Hautleiden sei nicht gerechtfertigt. Der weitere seit 19.07.2010 hinzugetretene Teil-GdB von 20 für die Schwerhörigkeit und die Ohrgeräusche bewirke keine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB; ergänzend verweise er auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 09.05.2012.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 29.01.2013 ist der Bevollmächtigte des Klägers aufgefordert worden, bis 28.02.2013 einen Antrag zu stellen und die Berufung zu begründen. Hieran ist er mit Schreiben vom 02.04.2013 erinnert worden und hat hierfür unter Hinweis auf § 106 a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine letzte Nachfrist bis 25. April 2013 erhalten. Eine Erklärung ist weder vom Bevollmächtigten des Klägers noch vom Kläger eingegangen.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. April 2012 insoweit aufzuheben, als er verurteilt worden ist, einen höheren GdB als 50 festzustellen, und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger hat einen Antrag nicht gestellt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unzulässig (1.). Die Berufung des Beklagten ist zulässig und in der Sache teilweise begründet (2.).
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unzulässig, da der Kläger einen Antrag nicht gestellt hat und eine Berufungsbegründung, aus der möglicherweise sein Begehren zu entnehmen gewesen wäre, nicht abgegeben hat. Der Bevollmächtigte des Klägers ist mit gerichtlichem Schreiben vom 29.01.2013 darauf hingewiesen worden, dass Antrag und Begründung noch ausstehen; ihm ist Frist gesetzt worden bis 28.02.2013, dies nachzuholen. Mit gerichtlichem Schreiben vom 02.04.2013 ist der Bevollmächtigte des Klägers gemahnt worden und ihm ist unter Hinweis auf § 106 a SGG eine letzte Nachfrist bis 25.04.2013 gesetzt worden, die er jedoch nicht genutzt hat. Damit ist eine Beschwer des Klägers durch den angegriffenen Gerichtsbescheid nicht erkennbar. Die Klage des Klägers S 10 SB 6134/10 richtete sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.06.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010), mit dem der Beklagte die gemäß § 44 SGB X beantragte Rücknahme des Bescheids vom 21.06.2007 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 24.10.2007 ablehnte. Der Kläger begehrte den GdB mit wenigstens 50 (statt 40 seit dem 26.03.2007) festzustellen. Diesem Begehren entspricht der angefochtene Gerichtsbescheid des SG mit der Verurteilung des Beklagten, für die Zeit vom 26.03.2007 (bis 31.05.2007) den GdB mit 50 festzustellen, in vollem Umfang. Das Begehren einer zeitlich vor dem 26.03.2007 vorzunehmenden Feststellung des GdB hat der Kläger im Klageverfahren (wie auch im Berufungsverfahren) nicht geltend gemacht. Entsprechendes gilt für den Verschlimmerungsantrag des Kläger. Mit der gegen den Bescheid vom 16.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2010 gerichteten Klage S 10 SB 6128/10 machte der Kläger die Feststellung des GdB von wenigstens 60 (statt 50 seit dem 01.06.2008) geltend. Auch diesem Begehren entspricht der angefochtene Gerichtsbescheid des SG mit der Verurteilung des Beklagten, den GdB mit 60 seit dem 01.06.2008 und mit 70 seit dem 19.07.2010 festzustellen. Eine Beschwer, die es dem Senat ermöglich hätte, im Wege der Auslegung einen sachdienlichen Berufungsantrag des Klägers zu formulieren, ist damit nicht erkennbar, weshalb die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen war. Ob der Ansicht des SG zu folgen ist, die Klage gegen den Bescheid vom 17.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 (§ 44 SGB X) sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, bedarf damit keiner Erörterung durch den Senat.
2. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist in der Sache teilweise begründet. Soweit der Beklagte mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid verurteilt worden ist, einen GdB von 50 ab 26.03.2007 anzuerkennen, hat der Beklagte hiergegen Berufung nicht eingelegt; insoweit ist der Gerichtsbescheid rechtskräftig. Der Beklagte hat auch einen GdB von 50 ab 26.03.2007 unstreitig gestellt, da er sich schon in 1. Instanz mit dem Vergleichsangebot vom 19.05.2011 bereit erklärt hatte, einen GdB von 50 ab 26.03.2007 festzustellen. Einer Entscheidung durch den Senat bedarf es insoweit nicht.
Hinsichtlich der Berufung des Beklagten ist damit nur streitig, ob durch das Hinzutreten der Funktionsbeeinträchtigungen "Neurodermitis (Hauterkrankung), Allergie" (ab 01.06.2008) und der Funktionsbeeinträchtigungen "Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche - Tinnitus - (seit 19.07.2010) eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB eingetreten ist.
Rechtsgrundlage der Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 – B 9 SB 3/08 R – Rn. 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.4.2009, aaO, Rn. 30).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die AHP und die VG führen zur Umsetzung dieser Vorschriften aus, dass eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Gesamt-GdB-Bildung ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3 bzw. VG Teil A Nr. 3). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Hiervon ausgehend gelangt der Senat aufgrund der vorliegenden Befunde und unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen hinsichtlich der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen zu dem Ergebnis, dass eine Erhöhung des Gesamt-GdB von 50 auf 60 durch das Hinzutreten des Hautleidens ab 01.06.2008 eingetreten ist; insoweit ist die Berufung des Beklagten nicht begründet. Durch das weitere Hinzutreten der Schwerhörigkeit einschließlich der Ohrgeräusche ist der Gesamt-GdB jedoch nicht weiter erhöht worden; insoweit ist die Berufung des Beklagten begründet.
Nach den eigenen Bewertungen des Beklagten bedingen die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom" und "Verlust des Dickdarms, Magenschleimhautentzündung" jeweils einen Teil-GdB von 30 und einen Gesamt-GdB von 50, wovon Dr. W. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.05.2012 ausgeht.
Im Juni 2008 sind die Funktionsbeeinträchtigungen "Neurodermitis, Allergie" hinzugetreten. Danach besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Allergie auf ein örtlich angewandtes Lokalanästhetikum sowie eine schwach ausgeprägte Allergie gegen Tomate und einige wenig behindernde Kontaktallergien. Aus den Hautarztberichten des Universitätsklinikums F. vom 22.03.2010 sowie des Facharztes für Dermatologie, Allergologie Dr. P. vom 23.04.2010, bei dem der Kläger ab 09.06.2008 (bis 02.02.2010) behandelt worden ist, lässt sich entnehmen, dass die Haut des Klägers überdurchschnittlich vulnerabel und reaktiv ist. Es liegt eine chronische Hautveränderung vor, welche beim Kläger zu einer deutlichen subjektiven Belastung führt und die regelmäßige Pflege und Behandlung notwendig macht. Außerdem können die Präparate Tetracain und Benzalkoniumchlorid beim Kläger lebensbedrohliche Sofortreaktionen auslösen, wobei allerdings Ausweichpräparate vorhanden sind. Dies rechtfertigt zur Überzeugung des Senats hierfür einen Einzel-GdB von 20 zugrunde zu legen, wovon auch der Beklagte selbst ausgeht.
Die durch die Hauterkrankung und Allergie des Klägers hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen stellen zusätzliche Einschränkungen in der Teilhabe am Leben der Gesellschaft dar, weshalb es gerechtfertigt ist, den bis dahin vorliegenden Gesamt-GdB von 50 auf 60 zu erhöhen. Da der Kläger bei Dr. P. wegen der Hauterkrankung ab Juni 2008 in Behandlung gestanden ist, ist der Gesamt-GdB mit 60 ab 01.06.2008 festzustellen, wie dies das SG auch zutreffend entschieden hat.
Hinsichtlich der Schwerhörigkeit gelangt der Senat in Übereinstimmung mit dem SG zu dem Ergebnis, dass allein die Schwerhörigkeit des Klägers nach Auswertung des Sprachaudiogramms einen GdB von (10 bis maximal) 15 bedingt. Wie die den Kläger behandelnde Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. K. mit ihren Berichten vom 07.09.2009 und vom 12.11.2009 mitgeteilt hat, lag beim Kläger eine Schwerhörigkeit mit Tinnitus vor. Die Schwerhörigkeit bedingt nach Auswertung des Sprachaudiogramms einen Teil-GdB von (bis) 15. Unter Berücksichtigung des Tinnitus ist der Teil-GdB auf HNO-ärztlichem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von maximal 20 ausreichend bewertet. Ein höherer GdB lässt sich aufgrund der im Verfahren beigezogenen ärztlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht rechtfertigen, da erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen vom Kläger nicht dargelegt worden sind und auch nicht bekannt ist, dass sich der Kläger wegen derartiger psychovegetativer Begleiterscheinungen von Seiten des Tinnitus nervenfachärztlich behandeln lassen muss. Der Ansicht von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.05.2012, der von zwei verschiedenen Funktionssysteme Ohren und (hinsichtlich des Tinnitus) Psyche mit nicht zu berücksichtigenden Teil-GdB-Werten von jeweils 10 ausgeht, kann schon deshalb nicht gefolgt werden. Der Senat erachtet es jedoch – im Ergebnis mit dem Beklagten - nicht für gerechtfertigt, die für sich nicht Gesamt-GdB-relevante Hörstörung des Klägers wegen des Tinnitus Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigen. Der abweichenden Ansicht des SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Tinnitus des Klägers wurde einmalig von Dr. K. (Befundbericht vom 26.08.2010) als Diagnose genannt. Nähere Befunde hierzu, insbesondere zum Ausmaß, hat Dr. K. nicht beschrieben, wie auch eine gezielte Behandlung des - laut Befundbericht der Dr. K. nach den Angaben des Klägers im Juli 2010 aufgetretenen - Tinnitus nicht ersichtlich ist. Damit ist hinsichtlich des Tinnitus nicht von einer bedeutsamen Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung des Klägers schließen lässt, und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert dargetan, weshalb sich der Senat hierzu auch nicht zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes (zu Gunsten des Klägers) gedrängt fühlt. Insofern verhält es sich bei diesem Teil-GdB von 20 um einen schwachen GdB-Wert, der sich zur Überzeugung des Senats nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB auswirkt. Ausgehend von Teil-GdB-Werten von 30, 30, 20 und einem schwachen 20 sind die Behinderungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 60 seit dem 01.06.2008 vielmehr angemessen und ausreichend bewertet.
Damit ist im Übrigen die Berufung des Klägers auch in der Sache nicht begründet.
Nach alledem war die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen und die Berufung des Beklagten ist teilweise erfolgreich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
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