Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 5813/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4011/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. September 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) erhebliche Gehbehinderung ("G") streitig.
Bei dem 1929 geborenen Kläger erkannte das Versorgungsamt S. zuletzt mit Bescheid vom 25.08.2003 als Schädigungsfolgen, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG, Restbeschwerden nach Schädel-Hirn-Trauma mit geringem Hirnsubstanzdefekt, Narben am Kopf und Gesicht, rechtem Ohr, Hals, rechtem Handgelenk und beiden Händen, verheilter Bruch der linken Speiche, Arthrose im linken Handgelenk, Teilversteifung der rechten Hand, Schädigung des rechten Ellennerven, Bewegungseinschränkung im rechten Zeigefinger und verheilter Bruch der linken Kniescheibe an und stellte die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 ab dem 01.01.2002 neu fest.
Mit Bescheid vom 24.09.2003 stellte das Versorgungsamt S. beim Kläger außerdem unter Übernahme der anerkannten Schädigungsfolgen nach dem BVG (Teil-GdB 50) sowie einer seelischen Störung, Hirndurchblutungsstörungen (Teil-GdB 20) den Gesamt-GdB mit 60 seit dem 30.01.2002 sowie das Merkzeichen "RF" fest.
Am 12.08.2008 beantragte der Kläger beim Landratsamt R.-M.-K. - Außenstelle B. - (LRA) die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G" nach § 69 SGB IX. Dieser Antrag wurde vom Landratsamt B. - Versorgungsamt in S. - gleichzeitig als Antrag auf Neufeststellung des Versorgungsanspruches nach dem BVG gewertet.
Das LRA zog medizinische Unterlagen bei (Berichte Drs. L.-M. und M. vom 08.05.2008, Professor Dr. S. vom 29.04.2008, Dr. H. vom 23.05.2008 und 22.04.2008, Dr. M. vom 06.12.2007 und 25.10.2007, Dr. K. vom 21.11.2007 und 31.10.2007, des Arztes für Nervenheilkunde K. vom 28.04.2007, Dr. Z. vom 19.10.2006 - Diagnose: Fortgeschrittene Retropatellararthrose linkes Knie -, Dr. S. vom 13.01.2006 - Diagnosen: Chronische absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie - und Dr. M. vom 03.03.2005 - Diagnosen: Kein Anhalt für KHK, AA bei Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, u.a. -).
Außerdem holte das Landratsamt B. das versorgungsärztliche Gutachten des Chirurgen Dr. B. vom 17.11.2008 zum Erhöhungsantrag nach dem BVG ein. Bei der Untersuchung gab der Kläger u.a. eine Einschränkung der Gehstrecke auf etwa 200 Meter wegen Schmerzen in beiden Kniegelenken und Atemnot unter Belastung an. Dr. B. beschreibt in seinem Gutachten ein mit einem Gehstock und Konfektionsschuhen etwas verlangsamtes und unelastisch wirkendes, ausreichend raumgreifendes und sicheres Gangbild des Klägers mit etwa seitengleicher Belastung der Beine. Dr. B. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, die Schädigungsfolgen seien wie bisher zu bezeichnen und der GdS betrage weiterhin 50 v.H. nach § 30 Abs. 1 BVG.
Mit (vorliegend nicht streitgegenständlichem) Bescheid vom 30.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2009 lehnte das Landratsamt B. den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Versorgungsanspruches ab.
Entsprechend einer gutachtlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. H., vom 27.01.2009 stellte das LRA beim Kläger mit Bescheid vom 28.01.2009 wegen der Schädigungsfolgen nach dem BVG gemäß Bescheid vom 25.08.2003 (Teil-GdB 50), einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung der Gelenke (Teil-GdB 20), einer seelischen Störung, Hirndurchblutungsstörungen (Teil-GdB 20) sowie wegen Herzrhythmusstörungen (Teil-GdB 20) den GdB mit 80 seit dem 12.08.2008 neu sowie das Merkzeichen "RF" weiterhin fest. Die Feststellung des Merkzeichens "G" lehnte das LRA ab.
Gegen den Bescheid vom 28.01.2009 legte der Kläger am 06.02.2009 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Nichtzuerkennung des Merkzeichens "G" wandte. Die starke Einschränkung seiner Gehfähigkeit wegen der beidseitigen Kniegelenksarthrose und der absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern sei nicht genügend berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2009 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 28.01.2009 zurück. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lasse sich nicht begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 27.08.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, die herangezogenen ärztlichen Unterlagen gäben die akute Sachlage nicht wieder. Eine kardiologische Untersuchung sei unterblieben.
Das SG hörte den Kardiologen Dr. M. und den Orthopäden Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. M. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.12.2009 unter Vorlage von Befundberichten den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Die Leistungseinschränkungen aus kardiologischer Sicht seien als leicht anzusehen (Einschränkung maximal 20 %). Die Herzrhythmusstörungen wirkten sich auf die Gehfähigkeit des Klägers nicht aus. Inwieweit die Orthopädie/rheumatologische Erkrankungen eine Verminderung der Gehfähigkeit verursachten, könne er nicht abschließend beurteilen. Dr. Z. teilte in seiner Stellungnahme vom 05.01.2010 den Behandlungsverlauf (letzte Behandlung am 12.03.2007), die Befunde und Diagnosen mit. Gesundheitsstörungen der Kniegelenke (fortgeschrittene Gonarthrose beidseits) seien als sehr schwer, Wirbelsäulenbeschwerden als mittelschwer und die Handgelenksarthrose als leicht-mittel einzustufen. Die Kniegelenksarthrosen wirkten sich ganz erheblich auf die Gehfähigkeit des Klägers aus. Ein selbständiges Gehen sei kaum mehr möglich. Die Behinderungen im Bereich der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule bedingten einen GdB von 50. Der Kläger könne keine 2 km oder eine halbe Stunde Wegstrecke zu Fuß zurücklegen.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 14.04.2010 entgegen.
Das SG holte das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. D. vom 19.07.2010 ein. Bei der Untersuchung gab der Kläger eine maximale Gehstrecke von höchstens 1000 Meter in der Zeit von vielleicht 10 Minuten, einer viertel Stunde an, alles andere fahre er mit dem Auto. Als begrenzende Faktoren der eingeschränkten Gehstrecke nannte der Kläger Knieschmerzen und Herzrhythmusstörungen. Dr. D. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, an Gesundheitsstörungen bestünden beim Kläger auf orthopädischem Gebiet eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Hals- Brust- und Lendenwirbelsäule, eine durch die Lendenwirbelsäule schmerzbedingt endgradig eingeschränkte Bewegung in beiden Hüftgelenken, eine endgradig eingeschränkte Außenrotationsbeweglichkeit im linken Schultergelenk, eine endgradige Streck- und Beugeeinschränkung im rechten Ellenbogengelenk, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Handgelenk, eine deutliche Funktionseinschränkung der rechten Hand mit deutlicher Minderung der groben Kraft und Bewegungseinschränkung der rechtsseitigen Finger, eine endgradige Streckhemmung des linken Kniegelenks bei deutlicher Retropatellar-Arthrose und Kniegelenksergüssen sowie eine um ein Drittel eingeschränkte Zehengelenksbeweglichkeit beidseits bei Krallenzehenbildung. Die Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 20), der Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 10) und eine statische Minderbelastbarkeit der Füße (Teil-GdB 10) wirkten sich auf die Gehfähigkeit des Klägers aus. Ob der Kläger trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen noch ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere die üblichen Wegstrecken im Ortsverkehr (etwa 2 km in einer halben Stunde) zu Fuß zurücklegen könne, könne nicht objektiv beantwortet werden, weil die subjektive Schmerztoleranz des jeweilig Betroffenen ganz entscheidenden Einfluss auf die Gehfähigkeit habe.
Der Kläger äußerte sich zum Gutachten des Dr. D. (Schreiben vom 07.09.2010).
Mit Gerichtsbescheid vom 07.09.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung gestützt auf das Gutachten von Dr. D. aus, die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seien beim Kläger nicht erfüllt. Die Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bedingten keinen GdB von 50, wie das von Teil D Ziffer 1 lit. d) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vorausgesetzt werde. Dr. D. habe zwar eine schmerzbedingte Gehstreckenverminderung nicht ausgeschlossen. Die Kammer sei jedoch davon überzeugt, dass eine solche nicht in dem für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" erforderlichen Ausmaß vorliege. Die abweichende Ansicht von Dr. Z. sei nicht nachvollziehbar. Die beim Kläger bestehende Erkrankung des Herzens sei nicht geeignet, eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens anzunehmen. Das Vorliegen anderer innerer Leiden, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken könnten, sei nicht ersichtlich. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für eine Lungenfunktionseinschränkung.
Gegen den dem Kläger am 12.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 17.09.2012 (beim SG) Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, seit der letzten ärztlichen Untersuchung am 11.07.2010 seien über zwei Jahre vergangen. Sein Gesundheitszustand habe sich bezüglich der Gehfähigkeit in den zurückliegenden zwei Jahren weiter verschlechtert, insbesondere die Beschwerden im linken Knie hätten zugenommen. Er gehe seit Jahren keine 2000 Meter mehr zu Fuß. Da es sich bei den Beschwerden, insbesondere im linken Knie, um eine anerkannte Kriegsverletzung handele, halte er seinen Antrag auf Eintragung des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenausweis aufrecht. Dr. D. habe bei der Begutachtung alles Mögliche untersucht, die eigentliche Gehfähigkeit aber nur am Rande gestreift. Es bestehe ein Schmerzzustand beim Liegen, Sitzen und beim Gehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.09.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009 zu verurteilen, das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ob sich der Gesundheitszustand des Klägers verschlechtert habe, sei nicht bekannt.
Der Senat hat Dr. M., den Internisten und Kardiologen Dr. G., das Herzzentrum S. sowie Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. M. hat in seiner Stellungnahme vom 13.12.2012 unter Vorlage von Befundberichten mitgeteilt, dass sich der Kläger bei ihm zuletzt im Mai 2009 in Behandlung befunden habe. Dr. G. hat in seiner Stellungnahme vom 20.12.2012 unter Vorlage von Befundberichten mitgeteilt, der Kläger habe sich einmalig am 05.07.2012 zur kardiologischen Diagnostik in seiner Praxis vorgestellt. Beim Kläger bestehe eine hypertensive Herzerkrankung bei erhaltener systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion und ein permanentes Vorhofflimmern. Nach der Beschwerdeschilderung des Klägers bestehe eine Belastungsdyspnoe bei geringer Belastung, im Gegensatz zu einer durchgeführten Ergometrie mit einer Belastung bis 75 Watt, was im Durchschnitt der körperlichen Belastbarkeit eines 83-jährigen Patienten liege. Der Abbruch sei wegen peripherer Erschöpfung erfolgt. Eine Dyspnoe und pectangiösen Beschwerden seien verneint worden. Beim Kläger sei von einer altersüblich normalen körperlichen Belastbarkeit auszugehen. 83-jährige, die eine Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde zurücklegten, seien wohl eher eine Ausnahme als die Regel. Das Herzzentrum S. äußerte sich in seiner Stellungnahme vom 08.01.2013 unter Vorlage eines Befundberichtes vom 09.05.2011 (zur letzten Behandlung des Klägers). Dr. Z. hat in seiner Stellungnahme vom 06.02.2013 (unter Bezug auf seine Stellungnahme an das SG vom 05.01.2010) mitgeteilt, der Kläger habe sich von Juli 2010 bis 10.01.2013 nicht mehr in seiner Behandlung befunden. Letztmalig sei der Kläger am 10.01.2013 behandelt worden. Signifikante Befundänderungen lägen nicht vor.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die Neufeststellung des GdB mit 80 seit dem 12.08.2008. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 06.02.2009, mit dem sich der Kläger ausdrücklich nur gegen die Ablehnung des Merkzeichens "G" gewandt hat, nicht, weshalb der (allein) streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 28.01.2009 hinsichtlich der Neufeststellung des GdB teilweise bestandskräftig geworden ist. Dem entsprechen auch die Klage des Klägers und sein weiteres Vorbringen im gerichtlichen Verfahren. Entsprechend diesem Vorbringen hat der Senat den Berufungsantrag sachdienlich gefasst.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G". Der Bescheid des Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009, mit dem die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde, ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG (jetzt § 30 Abs. 16 BVG) zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht auf die VG (Teil D 1) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "G" sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröffentlicht in juris und im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 -, unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher (für die Zeit ab Inkrafttreten der VG) allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von 2 km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f ) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von 2 km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschluss vom 02.10.2012 L 8 SB 1914/10 juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist zur Überzeugung des Senats nicht erwiesen, dass der Kläger durch die bei ihm bestehenden Behinderungen Wegstrecken im Ortsverkehr (ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall) von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten nicht zu Fuß zurückzulegen kann.
Beim Kläger liegen auf orthopädischem Gebiet eine Funktionseinschränkung des (linken) Kniegelenks, der Lendenwirbelsäule sowie eine statische Minderbelastbarkeit der Füße vor, die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers einschränkend auswirken, wie Dr. D. in seinem Gutachten vom 19.07.2010 - nach auch insoweit eingehender Untersuchung des Klägers - nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. Z. vom 05.01.2010 an das SG, der ebenfalls von einer Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers durch Kniegelenksarthrosen ausgeht, sowie die im Gutachten des Dr. D. beschriebene Beschwerdeschilderung des Klägers bei der Untersuchung (Schmerzen im linken Knie, gelegentliche plötzliche starke Schmerzen in der Kniekehle für die Dauer von etwa 1 Minute). Dass seit der Begutachtung durch Dr. D. eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, wie der Kläger zur Begründung seiner Berufung geltend macht, ist nicht der Fall. Vielmehr hat Dr. Z. in seiner vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 06.02.2013 (unter Bezug auf seine schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 05.01.2010 an das SG) ausgesagt, dass beim Kläger eine signifikante Befundänderung nicht vorliegt.
Dass der Kläger durch diese Behinderungen gehindert ist, Wegstrecken im Ortsverkehr (ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall) von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen, ist für den Senat nicht erwiesen. Nach den von Dr. D. in seinem Gutachten vom 19.07.2010 beschriebenen Befunden ist die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks beim Kläger frei (0-0-120°) bei klinisch regelgerechten Untersuchungsergebnissen. Im linken Kniegelenk besteht eine Beugekontraktur von 5° bei sonst freier Beweglichkeit. Weiter erbrachte die klinische Untersuchung links eine verstrichene Kniegelenks-Silhouette bei deutlicher Ergussbildung, einen Kniescheibenverschiebeschmerz bei stabilem Kapsel-Bandapparat, keine sicheren Meniskuszeichen und keinen Hinweis für Kreuzbandlockerungen. Die Beugung in den beiden Hüftgelenken ist - nach den Angaben des Klägers wegen einer Schmerzsymptomatik in der Lendenwirbelsäule - endgradig eingeschränkt (5-0-100° beidseits). Eine Einschränkung der Beweglichkeit in den Sprunggelenken besteht nicht. Aufgrund einer Krallenzehenbildung beidseits besteht eine um ein Drittel eingeschränkte Zehengelenksbeweglichkeit. Bei der neurologischen Untersuchung der unteren Extremitäten des Klägers hat Dr. D. keinen Hinweis für ein motorisches und sensibles Nervenwurzelreiz-Syndrom seitens der Lendenwirbelsäule festgestellt. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die von Dr. B. in seinem Gutachten vom 17.11.2008 beschriebenen Befunde, wobei Dr. B. ein etwas verlangsamtes und unelastisch wirkendes, aber ausreichend raumgreifendes und sicheres Gangbild des Klägers - mit Gehstock und Konfektionsschuhen - mit seitengleicher Belastung der Beine beschreibt.
Eine die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigende Einschränkung des Gehvermögens des Klägers lässt sich zur Überzeugung des Senats daraus nicht plausibel entnehmen. Von einer solchen Einschränkung des Gehvermögens des Klägers durch funktionelle Einbußen geht auch Dr. D. in seinem Gutachten nicht aus. Auch der Kläger hat im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens funktionelle Einschränkungen der unteren Extremitäten und/oder der Lendenwirbelsäule und eine damit verbundene erhebliche Gehbehinderung nicht in den Vordergrund seines Vorbringens gestellt. Allein der Umstand, dass die Beschwerden, insbesondere im linken Knie, als Kriegsverletzung anerkannt sind, wie der Kläger zur Begründung seiner Berufung geltend macht, rechtfertigt die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht.
Soweit Dr. D. in seinem Gutachten vom 19.06.2010 davon ausgeht, dass die subjektive Schmerztoleranz des jeweilig Betroffenen ganz entscheidenden Einfluss auf die Gehfähigkeit hat, lässt sich allein hieraus nicht schon auf das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung des Klägers schließen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass Schmerzzustände zu einer Einschränkung der Gehfähigkeit führen können. Dass beim Kläger Schmerzen, insbesondere hinsichtlich der Kniegelenke vorliegen, die zu einer erheblichen Einschränkung seines Gehvermögens führen, wie der Kläger im gerichtlichen Verfahren geltend macht, ist jedoch nicht erwiesen. Nach dem Gutachten von Dr. D. bewirken Schmerzen im Kniegelenk des Klägers ein Schonhinken links. Nach den von Dr. D. wiedergegebenen Beschwerdeangaben des Klägers beträgt die maximale Gehstrecke (höchstens) 1000 Meter, wozu der Kläger (vielleicht) 10 Minuten oder eine viertel Stunde benötigt. Soweit der Kläger weiter angegeben hat, alles andere mit dem Auto zu fahren, lässt sich diesen Angaben eine erhebliche Gehbehinderung des Klägers nicht entnehmen. Dieses Verhalten des Klägers entspricht vielmehr der Ansicht von Dr. G. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 20.12.2012 an den Senat, wonach bei Menschen im Alter des Klägers das Zurücklegen einer Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde eher eine Ausnahme als die Regel sei. Eine erhebliche Gehbehinderung lässt sich hieraus jedoch nicht herleiten. Auch sonst fehlen objektive medizinische Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger schmerzbedingt erheblich gehbehindert ist. Eine besondere Schmerzbehandlung des Klägers ist nicht ersichtlich. Dass beim Kläger weiter etwa Muskelverschmächtigungen vorliegen, die einen Rückschluss auf eine schmerzbedingte Einschränkung des Gehvermögens zuließen, wird im Gutachten von Dr. D. nicht beschrieben und lässt sich auch den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen.
Weiter liegt beim Kläger auf internistisch/kardiologischem Gebiet eine Herzerkrankung in Form einer Arrhythmie bei Vorhofflimmern sowie eine arterielle Hypertonie vor. Hieraus resultiert nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. M. vom 21.12.2009 jedoch nur eine leichte Leistungseinschränkung. Die Herzrhythmusstörungen wirken sich auf die Gehfähigkeit des Klägers nicht aus. Dem entspricht auch die schriftliche sachverständige Zeugenauskunft von Dr. G. vom 20.12.2012 an den Senat. Nach den Mitteilungen von Dr. G. war der Kläger (zuletzt) im Rahmen einer kardiologischen Diagnostik am 05.07.2012 fahrradergometrisch bis 75 Watt belastbar. Dem entsprechen auch die sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen (Belastbarkeit 100 Watt). Dem entspricht nach den VG Teil B 9.1.1 Nr. 2 eine mittelschwere Belastbarkeit, z.B. forsches Gehen (5 bis 6 km/h), die ein Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde ermöglicht. Nach dem von Dr. G. erhobenen Befund besteht beim Kläger eine altersübliche normale körperliche Belastbarkeit. Eine vom Kläger bei Dr. G. geschilderte Dyspnoe bei geringer Belastung steht nach der Aussage von Dr. G. im Gegensatz zum Ergebnis der durchgeführten Ergometrie. Hiervon geht auch das Herzzentrum S. in dem mit der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 08.01.2013 vorgelegten Befundbericht vom 09.05.2011 aus, wonach eine vom Kläger geschilderte im Alltag zunehmende Belastungsdyspnoe auf niedrigem Niveau myokardial nicht erklärbar ist. Die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Dyspnoe ist damit nicht belegt. Entsprechendes gilt auch für sonstige innere Leiden. Insbesondere bestehen nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine relevante Lungenfunktionseinschränkung des Klägers. Nach dem Befundbericht von Dr. M. vom 07.05.2009, auf den sich der Kläger beim SG berufen hat, besteht kein nennenswerter Abfall der Sauerstoffsättigung unter Belastung (Abfall der Sauerstoffsättigung von 97% in Ruhe auf 95% unter Belastung bei 100 Watt). Eine Lungenfunktionsstörung wird vom Kläger auch nicht substantiiert dargetan.
Dass beim Kläger Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit bestehen, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Danach sind beim Kläger keine Gesundheitsstörungen/Behinderungen erwiesen, die - für sich oder in der Gesamtschau - die Annahme einer erheblichen Gehbehinderung rechtfertigen. Der abweichenden Bewertung von Dr. Z. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.01.2010 an das SG folgt der Senat nicht. Befunde, die seine Bewertung, dass der Kläger keine 2 km oder keine halbe Stunde Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß zurücklegen könne, plausibel macht, nennt Dr. Z. nicht. Zudem steht seine Ansicht, dass beim Kläger selbständiges Gehen kaum mehr möglich sei, nicht in Übereinstimmung mit dem vom Kläger bei Dr. B. und Dr. D. demonstrierten Gehvermögen und seiner bei der Untersuchung durch Dr. D. gemachten Beschwerdeschilderung.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die im Laufe des Rechtsstreites durchgeführten Ermittlungen geklärt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) erhebliche Gehbehinderung ("G") streitig.
Bei dem 1929 geborenen Kläger erkannte das Versorgungsamt S. zuletzt mit Bescheid vom 25.08.2003 als Schädigungsfolgen, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG, Restbeschwerden nach Schädel-Hirn-Trauma mit geringem Hirnsubstanzdefekt, Narben am Kopf und Gesicht, rechtem Ohr, Hals, rechtem Handgelenk und beiden Händen, verheilter Bruch der linken Speiche, Arthrose im linken Handgelenk, Teilversteifung der rechten Hand, Schädigung des rechten Ellennerven, Bewegungseinschränkung im rechten Zeigefinger und verheilter Bruch der linken Kniescheibe an und stellte die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 ab dem 01.01.2002 neu fest.
Mit Bescheid vom 24.09.2003 stellte das Versorgungsamt S. beim Kläger außerdem unter Übernahme der anerkannten Schädigungsfolgen nach dem BVG (Teil-GdB 50) sowie einer seelischen Störung, Hirndurchblutungsstörungen (Teil-GdB 20) den Gesamt-GdB mit 60 seit dem 30.01.2002 sowie das Merkzeichen "RF" fest.
Am 12.08.2008 beantragte der Kläger beim Landratsamt R.-M.-K. - Außenstelle B. - (LRA) die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G" nach § 69 SGB IX. Dieser Antrag wurde vom Landratsamt B. - Versorgungsamt in S. - gleichzeitig als Antrag auf Neufeststellung des Versorgungsanspruches nach dem BVG gewertet.
Das LRA zog medizinische Unterlagen bei (Berichte Drs. L.-M. und M. vom 08.05.2008, Professor Dr. S. vom 29.04.2008, Dr. H. vom 23.05.2008 und 22.04.2008, Dr. M. vom 06.12.2007 und 25.10.2007, Dr. K. vom 21.11.2007 und 31.10.2007, des Arztes für Nervenheilkunde K. vom 28.04.2007, Dr. Z. vom 19.10.2006 - Diagnose: Fortgeschrittene Retropatellararthrose linkes Knie -, Dr. S. vom 13.01.2006 - Diagnosen: Chronische absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie - und Dr. M. vom 03.03.2005 - Diagnosen: Kein Anhalt für KHK, AA bei Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, u.a. -).
Außerdem holte das Landratsamt B. das versorgungsärztliche Gutachten des Chirurgen Dr. B. vom 17.11.2008 zum Erhöhungsantrag nach dem BVG ein. Bei der Untersuchung gab der Kläger u.a. eine Einschränkung der Gehstrecke auf etwa 200 Meter wegen Schmerzen in beiden Kniegelenken und Atemnot unter Belastung an. Dr. B. beschreibt in seinem Gutachten ein mit einem Gehstock und Konfektionsschuhen etwas verlangsamtes und unelastisch wirkendes, ausreichend raumgreifendes und sicheres Gangbild des Klägers mit etwa seitengleicher Belastung der Beine. Dr. B. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, die Schädigungsfolgen seien wie bisher zu bezeichnen und der GdS betrage weiterhin 50 v.H. nach § 30 Abs. 1 BVG.
Mit (vorliegend nicht streitgegenständlichem) Bescheid vom 30.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2009 lehnte das Landratsamt B. den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Versorgungsanspruches ab.
Entsprechend einer gutachtlichen Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. H., vom 27.01.2009 stellte das LRA beim Kläger mit Bescheid vom 28.01.2009 wegen der Schädigungsfolgen nach dem BVG gemäß Bescheid vom 25.08.2003 (Teil-GdB 50), einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung der Gelenke (Teil-GdB 20), einer seelischen Störung, Hirndurchblutungsstörungen (Teil-GdB 20) sowie wegen Herzrhythmusstörungen (Teil-GdB 20) den GdB mit 80 seit dem 12.08.2008 neu sowie das Merkzeichen "RF" weiterhin fest. Die Feststellung des Merkzeichens "G" lehnte das LRA ab.
Gegen den Bescheid vom 28.01.2009 legte der Kläger am 06.02.2009 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Nichtzuerkennung des Merkzeichens "G" wandte. Die starke Einschränkung seiner Gehfähigkeit wegen der beidseitigen Kniegelenksarthrose und der absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern sei nicht genügend berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2009 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 28.01.2009 zurück. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lasse sich nicht begründen.
Hiergegen erhob der Kläger am 27.08.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, die herangezogenen ärztlichen Unterlagen gäben die akute Sachlage nicht wieder. Eine kardiologische Untersuchung sei unterblieben.
Das SG hörte den Kardiologen Dr. M. und den Orthopäden Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. M. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.12.2009 unter Vorlage von Befundberichten den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Die Leistungseinschränkungen aus kardiologischer Sicht seien als leicht anzusehen (Einschränkung maximal 20 %). Die Herzrhythmusstörungen wirkten sich auf die Gehfähigkeit des Klägers nicht aus. Inwieweit die Orthopädie/rheumatologische Erkrankungen eine Verminderung der Gehfähigkeit verursachten, könne er nicht abschließend beurteilen. Dr. Z. teilte in seiner Stellungnahme vom 05.01.2010 den Behandlungsverlauf (letzte Behandlung am 12.03.2007), die Befunde und Diagnosen mit. Gesundheitsstörungen der Kniegelenke (fortgeschrittene Gonarthrose beidseits) seien als sehr schwer, Wirbelsäulenbeschwerden als mittelschwer und die Handgelenksarthrose als leicht-mittel einzustufen. Die Kniegelenksarthrosen wirkten sich ganz erheblich auf die Gehfähigkeit des Klägers aus. Ein selbständiges Gehen sei kaum mehr möglich. Die Behinderungen im Bereich der unteren Gliedmaßen und der Wirbelsäule bedingten einen GdB von 50. Der Kläger könne keine 2 km oder eine halbe Stunde Wegstrecke zu Fuß zurücklegen.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 14.04.2010 entgegen.
Das SG holte das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. D. vom 19.07.2010 ein. Bei der Untersuchung gab der Kläger eine maximale Gehstrecke von höchstens 1000 Meter in der Zeit von vielleicht 10 Minuten, einer viertel Stunde an, alles andere fahre er mit dem Auto. Als begrenzende Faktoren der eingeschränkten Gehstrecke nannte der Kläger Knieschmerzen und Herzrhythmusstörungen. Dr. D. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, an Gesundheitsstörungen bestünden beim Kläger auf orthopädischem Gebiet eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Hals- Brust- und Lendenwirbelsäule, eine durch die Lendenwirbelsäule schmerzbedingt endgradig eingeschränkte Bewegung in beiden Hüftgelenken, eine endgradig eingeschränkte Außenrotationsbeweglichkeit im linken Schultergelenk, eine endgradige Streck- und Beugeeinschränkung im rechten Ellenbogengelenk, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im rechten Handgelenk, eine deutliche Funktionseinschränkung der rechten Hand mit deutlicher Minderung der groben Kraft und Bewegungseinschränkung der rechtsseitigen Finger, eine endgradige Streckhemmung des linken Kniegelenks bei deutlicher Retropatellar-Arthrose und Kniegelenksergüssen sowie eine um ein Drittel eingeschränkte Zehengelenksbeweglichkeit beidseits bei Krallenzehenbildung. Die Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 20), der Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 10) und eine statische Minderbelastbarkeit der Füße (Teil-GdB 10) wirkten sich auf die Gehfähigkeit des Klägers aus. Ob der Kläger trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen noch ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere die üblichen Wegstrecken im Ortsverkehr (etwa 2 km in einer halben Stunde) zu Fuß zurücklegen könne, könne nicht objektiv beantwortet werden, weil die subjektive Schmerztoleranz des jeweilig Betroffenen ganz entscheidenden Einfluss auf die Gehfähigkeit habe.
Der Kläger äußerte sich zum Gutachten des Dr. D. (Schreiben vom 07.09.2010).
Mit Gerichtsbescheid vom 07.09.2012 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung gestützt auf das Gutachten von Dr. D. aus, die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seien beim Kläger nicht erfüllt. Die Funktionsbeeinträchtigungen an den unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bedingten keinen GdB von 50, wie das von Teil D Ziffer 1 lit. d) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vorausgesetzt werde. Dr. D. habe zwar eine schmerzbedingte Gehstreckenverminderung nicht ausgeschlossen. Die Kammer sei jedoch davon überzeugt, dass eine solche nicht in dem für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" erforderlichen Ausmaß vorliege. Die abweichende Ansicht von Dr. Z. sei nicht nachvollziehbar. Die beim Kläger bestehende Erkrankung des Herzens sei nicht geeignet, eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens anzunehmen. Das Vorliegen anderer innerer Leiden, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken könnten, sei nicht ersichtlich. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für eine Lungenfunktionseinschränkung.
Gegen den dem Kläger am 12.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 17.09.2012 (beim SG) Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, seit der letzten ärztlichen Untersuchung am 11.07.2010 seien über zwei Jahre vergangen. Sein Gesundheitszustand habe sich bezüglich der Gehfähigkeit in den zurückliegenden zwei Jahren weiter verschlechtert, insbesondere die Beschwerden im linken Knie hätten zugenommen. Er gehe seit Jahren keine 2000 Meter mehr zu Fuß. Da es sich bei den Beschwerden, insbesondere im linken Knie, um eine anerkannte Kriegsverletzung handele, halte er seinen Antrag auf Eintragung des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenausweis aufrecht. Dr. D. habe bei der Begutachtung alles Mögliche untersucht, die eigentliche Gehfähigkeit aber nur am Rande gestreift. Es bestehe ein Schmerzzustand beim Liegen, Sitzen und beim Gehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.09.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009 zu verurteilen, das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ob sich der Gesundheitszustand des Klägers verschlechtert habe, sei nicht bekannt.
Der Senat hat Dr. M., den Internisten und Kardiologen Dr. G., das Herzzentrum S. sowie Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. M. hat in seiner Stellungnahme vom 13.12.2012 unter Vorlage von Befundberichten mitgeteilt, dass sich der Kläger bei ihm zuletzt im Mai 2009 in Behandlung befunden habe. Dr. G. hat in seiner Stellungnahme vom 20.12.2012 unter Vorlage von Befundberichten mitgeteilt, der Kläger habe sich einmalig am 05.07.2012 zur kardiologischen Diagnostik in seiner Praxis vorgestellt. Beim Kläger bestehe eine hypertensive Herzerkrankung bei erhaltener systolischer linksventrikulärer Pumpfunktion und ein permanentes Vorhofflimmern. Nach der Beschwerdeschilderung des Klägers bestehe eine Belastungsdyspnoe bei geringer Belastung, im Gegensatz zu einer durchgeführten Ergometrie mit einer Belastung bis 75 Watt, was im Durchschnitt der körperlichen Belastbarkeit eines 83-jährigen Patienten liege. Der Abbruch sei wegen peripherer Erschöpfung erfolgt. Eine Dyspnoe und pectangiösen Beschwerden seien verneint worden. Beim Kläger sei von einer altersüblich normalen körperlichen Belastbarkeit auszugehen. 83-jährige, die eine Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde zurücklegten, seien wohl eher eine Ausnahme als die Regel. Das Herzzentrum S. äußerte sich in seiner Stellungnahme vom 08.01.2013 unter Vorlage eines Befundberichtes vom 09.05.2011 (zur letzten Behandlung des Klägers). Dr. Z. hat in seiner Stellungnahme vom 06.02.2013 (unter Bezug auf seine Stellungnahme an das SG vom 05.01.2010) mitgeteilt, der Kläger habe sich von Juli 2010 bis 10.01.2013 nicht mehr in seiner Behandlung befunden. Letztmalig sei der Kläger am 10.01.2013 behandelt worden. Signifikante Befundänderungen lägen nicht vor.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist die Neufeststellung des GdB mit 80 seit dem 12.08.2008. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 06.02.2009, mit dem sich der Kläger ausdrücklich nur gegen die Ablehnung des Merkzeichens "G" gewandt hat, nicht, weshalb der (allein) streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 28.01.2009 hinsichtlich der Neufeststellung des GdB teilweise bestandskräftig geworden ist. Dem entsprechen auch die Klage des Klägers und sein weiteres Vorbringen im gerichtlichen Verfahren. Entsprechend diesem Vorbringen hat der Senat den Berufungsantrag sachdienlich gefasst.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G". Der Bescheid des Beklagten vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009, mit dem die Feststellung des Merkzeichens "G" abgelehnt wurde, ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG (jetzt § 30 Abs. 16 BVG) zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht auf die VG (Teil D 1) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "G" sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröffentlicht in juris und im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 -, unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher (für die Zeit ab Inkrafttreten der VG) allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von 2 km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f ) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von 2 km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschluss vom 02.10.2012 L 8 SB 1914/10 juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist zur Überzeugung des Senats nicht erwiesen, dass der Kläger durch die bei ihm bestehenden Behinderungen Wegstrecken im Ortsverkehr (ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall) von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten nicht zu Fuß zurückzulegen kann.
Beim Kläger liegen auf orthopädischem Gebiet eine Funktionseinschränkung des (linken) Kniegelenks, der Lendenwirbelsäule sowie eine statische Minderbelastbarkeit der Füße vor, die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers einschränkend auswirken, wie Dr. D. in seinem Gutachten vom 19.07.2010 - nach auch insoweit eingehender Untersuchung des Klägers - nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. Z. vom 05.01.2010 an das SG, der ebenfalls von einer Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers durch Kniegelenksarthrosen ausgeht, sowie die im Gutachten des Dr. D. beschriebene Beschwerdeschilderung des Klägers bei der Untersuchung (Schmerzen im linken Knie, gelegentliche plötzliche starke Schmerzen in der Kniekehle für die Dauer von etwa 1 Minute). Dass seit der Begutachtung durch Dr. D. eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, wie der Kläger zur Begründung seiner Berufung geltend macht, ist nicht der Fall. Vielmehr hat Dr. Z. in seiner vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 06.02.2013 (unter Bezug auf seine schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 05.01.2010 an das SG) ausgesagt, dass beim Kläger eine signifikante Befundänderung nicht vorliegt.
Dass der Kläger durch diese Behinderungen gehindert ist, Wegstrecken im Ortsverkehr (ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall) von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen, ist für den Senat nicht erwiesen. Nach den von Dr. D. in seinem Gutachten vom 19.07.2010 beschriebenen Befunden ist die Beweglichkeit des rechten Kniegelenks beim Kläger frei (0-0-120°) bei klinisch regelgerechten Untersuchungsergebnissen. Im linken Kniegelenk besteht eine Beugekontraktur von 5° bei sonst freier Beweglichkeit. Weiter erbrachte die klinische Untersuchung links eine verstrichene Kniegelenks-Silhouette bei deutlicher Ergussbildung, einen Kniescheibenverschiebeschmerz bei stabilem Kapsel-Bandapparat, keine sicheren Meniskuszeichen und keinen Hinweis für Kreuzbandlockerungen. Die Beugung in den beiden Hüftgelenken ist - nach den Angaben des Klägers wegen einer Schmerzsymptomatik in der Lendenwirbelsäule - endgradig eingeschränkt (5-0-100° beidseits). Eine Einschränkung der Beweglichkeit in den Sprunggelenken besteht nicht. Aufgrund einer Krallenzehenbildung beidseits besteht eine um ein Drittel eingeschränkte Zehengelenksbeweglichkeit. Bei der neurologischen Untersuchung der unteren Extremitäten des Klägers hat Dr. D. keinen Hinweis für ein motorisches und sensibles Nervenwurzelreiz-Syndrom seitens der Lendenwirbelsäule festgestellt. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die von Dr. B. in seinem Gutachten vom 17.11.2008 beschriebenen Befunde, wobei Dr. B. ein etwas verlangsamtes und unelastisch wirkendes, aber ausreichend raumgreifendes und sicheres Gangbild des Klägers - mit Gehstock und Konfektionsschuhen - mit seitengleicher Belastung der Beine beschreibt.
Eine die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigende Einschränkung des Gehvermögens des Klägers lässt sich zur Überzeugung des Senats daraus nicht plausibel entnehmen. Von einer solchen Einschränkung des Gehvermögens des Klägers durch funktionelle Einbußen geht auch Dr. D. in seinem Gutachten nicht aus. Auch der Kläger hat im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens funktionelle Einschränkungen der unteren Extremitäten und/oder der Lendenwirbelsäule und eine damit verbundene erhebliche Gehbehinderung nicht in den Vordergrund seines Vorbringens gestellt. Allein der Umstand, dass die Beschwerden, insbesondere im linken Knie, als Kriegsverletzung anerkannt sind, wie der Kläger zur Begründung seiner Berufung geltend macht, rechtfertigt die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht.
Soweit Dr. D. in seinem Gutachten vom 19.06.2010 davon ausgeht, dass die subjektive Schmerztoleranz des jeweilig Betroffenen ganz entscheidenden Einfluss auf die Gehfähigkeit hat, lässt sich allein hieraus nicht schon auf das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung des Klägers schließen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass Schmerzzustände zu einer Einschränkung der Gehfähigkeit führen können. Dass beim Kläger Schmerzen, insbesondere hinsichtlich der Kniegelenke vorliegen, die zu einer erheblichen Einschränkung seines Gehvermögens führen, wie der Kläger im gerichtlichen Verfahren geltend macht, ist jedoch nicht erwiesen. Nach dem Gutachten von Dr. D. bewirken Schmerzen im Kniegelenk des Klägers ein Schonhinken links. Nach den von Dr. D. wiedergegebenen Beschwerdeangaben des Klägers beträgt die maximale Gehstrecke (höchstens) 1000 Meter, wozu der Kläger (vielleicht) 10 Minuten oder eine viertel Stunde benötigt. Soweit der Kläger weiter angegeben hat, alles andere mit dem Auto zu fahren, lässt sich diesen Angaben eine erhebliche Gehbehinderung des Klägers nicht entnehmen. Dieses Verhalten des Klägers entspricht vielmehr der Ansicht von Dr. G. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 20.12.2012 an den Senat, wonach bei Menschen im Alter des Klägers das Zurücklegen einer Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde eher eine Ausnahme als die Regel sei. Eine erhebliche Gehbehinderung lässt sich hieraus jedoch nicht herleiten. Auch sonst fehlen objektive medizinische Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger schmerzbedingt erheblich gehbehindert ist. Eine besondere Schmerzbehandlung des Klägers ist nicht ersichtlich. Dass beim Kläger weiter etwa Muskelverschmächtigungen vorliegen, die einen Rückschluss auf eine schmerzbedingte Einschränkung des Gehvermögens zuließen, wird im Gutachten von Dr. D. nicht beschrieben und lässt sich auch den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen.
Weiter liegt beim Kläger auf internistisch/kardiologischem Gebiet eine Herzerkrankung in Form einer Arrhythmie bei Vorhofflimmern sowie eine arterielle Hypertonie vor. Hieraus resultiert nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. M. vom 21.12.2009 jedoch nur eine leichte Leistungseinschränkung. Die Herzrhythmusstörungen wirken sich auf die Gehfähigkeit des Klägers nicht aus. Dem entspricht auch die schriftliche sachverständige Zeugenauskunft von Dr. G. vom 20.12.2012 an den Senat. Nach den Mitteilungen von Dr. G. war der Kläger (zuletzt) im Rahmen einer kardiologischen Diagnostik am 05.07.2012 fahrradergometrisch bis 75 Watt belastbar. Dem entsprechen auch die sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen (Belastbarkeit 100 Watt). Dem entspricht nach den VG Teil B 9.1.1 Nr. 2 eine mittelschwere Belastbarkeit, z.B. forsches Gehen (5 bis 6 km/h), die ein Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde ermöglicht. Nach dem von Dr. G. erhobenen Befund besteht beim Kläger eine altersübliche normale körperliche Belastbarkeit. Eine vom Kläger bei Dr. G. geschilderte Dyspnoe bei geringer Belastung steht nach der Aussage von Dr. G. im Gegensatz zum Ergebnis der durchgeführten Ergometrie. Hiervon geht auch das Herzzentrum S. in dem mit der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 08.01.2013 vorgelegten Befundbericht vom 09.05.2011 aus, wonach eine vom Kläger geschilderte im Alltag zunehmende Belastungsdyspnoe auf niedrigem Niveau myokardial nicht erklärbar ist. Die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Dyspnoe ist damit nicht belegt. Entsprechendes gilt auch für sonstige innere Leiden. Insbesondere bestehen nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine relevante Lungenfunktionseinschränkung des Klägers. Nach dem Befundbericht von Dr. M. vom 07.05.2009, auf den sich der Kläger beim SG berufen hat, besteht kein nennenswerter Abfall der Sauerstoffsättigung unter Belastung (Abfall der Sauerstoffsättigung von 97% in Ruhe auf 95% unter Belastung bei 100 Watt). Eine Lungenfunktionsstörung wird vom Kläger auch nicht substantiiert dargetan.
Dass beim Kläger Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit bestehen, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Danach sind beim Kläger keine Gesundheitsstörungen/Behinderungen erwiesen, die - für sich oder in der Gesamtschau - die Annahme einer erheblichen Gehbehinderung rechtfertigen. Der abweichenden Bewertung von Dr. Z. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.01.2010 an das SG folgt der Senat nicht. Befunde, die seine Bewertung, dass der Kläger keine 2 km oder keine halbe Stunde Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß zurücklegen könne, plausibel macht, nennt Dr. Z. nicht. Zudem steht seine Ansicht, dass beim Kläger selbständiges Gehen kaum mehr möglich sei, nicht in Übereinstimmung mit dem vom Kläger bei Dr. B. und Dr. D. demonstrierten Gehvermögen und seiner bei der Untersuchung durch Dr. D. gemachten Beschwerdeschilderung.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die im Laufe des Rechtsstreites durchgeführten Ermittlungen geklärt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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