Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 SF 190/12 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Festsetzung von aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe.
Dem Ausgangsverfahren lag ein Rechtsstreit über die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ausgehend von höheren Kosten der Unterkunft und Heizung für Oktober bis Dezember 2011 zu Grunde.
Aus der Betriebs- und Nebenkostenabrechnung des Klägers vom 29.07.2011 hatte sich ein Guthaben von 967,79 EUR ergeben, welches vom Vermieter zum Teil mit der Miete für September 2011 verrechnet wurde. Mit Schreiben vom 05.08.2011 teilte der Beklagte mit, dass der Kläger das Guthaben für sich verbrauchen könne, es aber bei der Weiterbewilligung von den Kosten der Unterkunft abgesetzt werde. Mit Bescheid vom 11.08.2011 erfolgte die Bewilligung von SGB II-Leistungen für September 2011 bis Februar 2012. Hierbei berücksichtigte der Beklagte von Oktober bis Dezember 2011 nur geminderte Kosten der Unterkunft und Heizung beim Kläger. Nach erfolglosem Widerspruch, vertreten durch die Erinnerungsführerin, erhob der Kläger, weiterhin vertreten durch die Erinnerungsführerin, am 25.11.2011 Klage. Hierfür wurde am 26.01.2012 Prozesskostenhilfe gewährt und die Erinnerungsführerin beigeordnet. Neben der dreiseitigen Klageschrift erfolgte durch die Erinnerungsführerin ein einseitiger Erwiderungsschriftsatz im Klageverfahren. Im Rahmen eines 30-minutigen Erörterungstermins am 09.10.2012 schlossen die Beteiligten einen Vergleich zur Erledigung des Rechtsstreites. Nach dem Vergleich gewährte die Beklagte dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft für Dezember 2011 in Höhe von 230,00 EUR und übernahm die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/3.
Der Erinnerungsführer beantragte mit Schreiben vom 25.10.2012 die Kostenfestsetzung im Rahmen der Prozesskostenhilfe in Höhe von 937,72 EUR. Im Einzelnen: • Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 320,00 EUR • Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR • Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 216,00 EUR • Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR • Fahrtkosten für 80 Kilometer anteilig zu ½ 12,00 EUR • Abwesenheitspauschale 20,00 EUR • 19 % Umsatzsteuer von 788,00 EUR (= 149,72 EUR).
Am 25.10.2012 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 728,28 EUR fest. Sie berücksichtigte die Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 EUR und die Erledigungsgebühr in Höhe von 190,00 EUR. Die Absetzungen begründete sie damit, dass die Höhe der geltend gemachten Gebühren unbillig sei. Bei einem Durchschnittsfall sei die Mittelgebühr angemessen. Dies sei vorliegend der Fall. Entsprechend reduziere sich auch die Umsatzsteuer. Die übrigen Gebühren und Auslagen setzte sie wie beantragt fest.
Gegen die Festsetzung hat die Erinnerungsführerin am 03.11.2012 Erinnerung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die Gebühren zu Unrecht herabgesetzt wurden. Bei der Verfahrensgebühr sei die Höchstgebühr angemessen. Das Verfahren habe für den Kläger erhebliche Bedeutung gehabt. Ein Plus von mehr als 900,00 EUR, wie mit der Klage gefordert, stellte wegen seiner unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse eine massive finanzielle und emotionale Entlastung für ihn dar. Die Angelegenheit sei auch rechtlich anspruchsvoll gewesen. Bei der Erledigungsgebühr seien nicht mehr als 20 % über der Mittelgebühr beantragt worden. Dies liege im Rahmen der Billigkeit.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Beschluss vom 06.11.2011).
Der Erinnerungsgegner ist der Ansicht, dass die Erinnerung unbegründet sei. Anhaltspunkte für eine höhere Verfahrensgebühr als 170,00 EUR seien nicht gegeben. Es liege kein durchschnittliches Verfahren vor, daher sei auch keine erhöhte Erledigungsgebühr festzusetzen. Diese folge in der Höhe auch regelmäßig der Bestimmung der Verfahrensgebühr.
II.
Die nach § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthafte Erinnerung hat keinen Erfolg. Die von der Staatskasse gemäß § 55 RVG zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind zutreffend auf nicht mehr als 728,28 EUR festgesetzt worden. Weitergehende Ansprüche der Erinnerungsführerin bestehen nicht.
Die Erinnerungsführerin hat keinen Anspruch auf die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG von 320,00 EUR sowie einer Erledigungsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG von 216,00 EUR.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG ist bei der Bemessung im Falle von Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen (20 Prozent: LSG NRW, Beschluss vom 26.04.2007, L 7 B 36/07) zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet.
Die mit 320,00 EUR beantragte Verfahrensgebühr (= Höchstgebühr) erweist sich als unbillig im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Der zulässige Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr bestimmt sich im vorliegenden Fall nach Nr. 3103 VV RVG, da die Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war. Dieser beträgt 20,00 EUR bis 320,00 EUR, die Mittelgebühr beträgt 170,00 EUR.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billige Gebühr zu Grunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (BSG, Urteil vom 1.7.2009, B 4 AS 21/09 R).
Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger erweist sich insgesamt als durchschnittlich. Bei existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II ist in der Regel von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit auszugehen (vgl. BSG a.a.O.). Jedoch betraf die streitige Frage der Anrechnung des Guthabens aus der Betriebs- und Nebenkostenabrechnung lediglich eines Teilzeitraum von 3 Monaten des gesetzlichen Bewilligungsabschnittes von 6 Monaten und dies auch nur hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung. Entsprechend lag keine überdurchschnittliche Bedeutung vor.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind als unterdurchschnittlich anzusehen. Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist der Arbeits- und Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er objektiv auch auf die Sache verwenden musste, zu würdigen. Dabei ist der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand, den die Erinnerungsführerin im Verfahren aufgewendet hat, in die Beurteilung mit einzubeziehen. Streitig war vorliegend allein die Anwendung der Anrechnungsvorschrift für Guthaben aus § 22 Abs. 3 SGB II. Das konkrete Verfahren lässt auch keine vertiefte anwaltliche Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen erkennen. Dies gilt auch für die zu würdigenden tatsächlichen Umstände. Es erfolgte keine Beweiserhebung, eine anwaltliche Beweiswürdigung war demzufolge nicht erforderlich. Vom Umfang her sind eine Klageschrift mit gut 3 Seiten sowie eine 1 Seite umfassende Replik und eine Verfahrensdauer von 10 ½ Monaten als unterdurchschnittlich anzusehen.
Ersichtlich sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers wegen des Bezugs existenzsichernder Leistungen als unterdurchschnittlich zu bewerten (vgl. BSG a.a.O.).
Das Haftungsrisiko der Erinnerungsführerin ist als durchschnittlich zu qualifizieren.
Bei einer durchschnittlichen Bedeutung, unterdurchschnittlichem Umfang und Schwierigkeit, unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und durchschnittlichen Haftungsrisiko ist eine Abweichung von der Mittelgebühr von 170,00 EUR nicht angezeigt. Entsprechend war die unangemessenen Gebühr von 320,00 EUR (Höchstgebühr) auf die Mittelgebühr herabzusetzen.
Hinsichtlich der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG war die von der Erinnerungs-führerin beantragte Gebühr von 216,00 EUR ebenfalls wegen Unbilligkeit auf die Mittelgebühr von 190,00 EUR herabzusetzen. Der zulässige Gebührenrahmen für die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG beträgt 30,00 EUR bis 350,00 EUR, die Mittelgebühr beträgt 190,00 EUR. Der Herabbemessung von 216,00 EUR auf 190,00 EUR steht nicht entgegen, dass die beantragte Gebührenhöhe noch innerhalb der Toleranzgrenze von 20 Prozent (s.o.) liegt.
Die beiden Grundsätze der Mittelgebühr und des Toleranzrahmens sind nicht in der Weise miteinander zu kombinieren, dass in jedem Durchschnittsfall eine bis zu 20-prozentige Überschreitung der Mittelgebühr im Rahmen der Billigkeit bliebe (SG Berlin, Beschluss vom 01.04.2010, S 165 SF 2479/09 E). Der Toleranzrahmen von 20 Prozent gilt nicht in solchen Fällen, in denen ein Durchschnittsfall vorliegt und daher die Mittelgebühr anzusetzen ist. Nur bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen (LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2013, L 9 AS 142/13 B m.w.N.).
Für eine über die Mittelgebühr hinausgehende Erledigungsgebühr ist vorliegend kein Raum. Nach den zuvor getroffenen Feststellungen lag keine über dem Durchschnitt liegende Fallgestaltung vor (s.o.). Auch im Hinblick auf die vergleichsweise Regelung von höheren Unterkunftskosten für Dezember 2011 ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die eine Abweichung von der Mittelgebühr von 190,00 EUR rechtfertigen.
Die Terminsgebühr sowie die Auslagen und Pauschalen (Fahrtkosten, Dokumentenpauschale, Abwesenheitsgeld) sind wie beantragt festgesetzt worden. Die zu erstattende Umsatzsteuer war entsprechend zu reduzieren.
Insgesamt ergibt sich daher ein festgesetzter Anspruch der Erinnerungsführerin gegen die Staatskasse von 728,28 EUR (170,00 EUR + 200,00 EUR +190,00 EUR + 20,00 EUR +12,00 EUR +20,00 EUR zzgl. 116,28 EUR Umsatzsteuer).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Festsetzung von aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe.
Dem Ausgangsverfahren lag ein Rechtsstreit über die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ausgehend von höheren Kosten der Unterkunft und Heizung für Oktober bis Dezember 2011 zu Grunde.
Aus der Betriebs- und Nebenkostenabrechnung des Klägers vom 29.07.2011 hatte sich ein Guthaben von 967,79 EUR ergeben, welches vom Vermieter zum Teil mit der Miete für September 2011 verrechnet wurde. Mit Schreiben vom 05.08.2011 teilte der Beklagte mit, dass der Kläger das Guthaben für sich verbrauchen könne, es aber bei der Weiterbewilligung von den Kosten der Unterkunft abgesetzt werde. Mit Bescheid vom 11.08.2011 erfolgte die Bewilligung von SGB II-Leistungen für September 2011 bis Februar 2012. Hierbei berücksichtigte der Beklagte von Oktober bis Dezember 2011 nur geminderte Kosten der Unterkunft und Heizung beim Kläger. Nach erfolglosem Widerspruch, vertreten durch die Erinnerungsführerin, erhob der Kläger, weiterhin vertreten durch die Erinnerungsführerin, am 25.11.2011 Klage. Hierfür wurde am 26.01.2012 Prozesskostenhilfe gewährt und die Erinnerungsführerin beigeordnet. Neben der dreiseitigen Klageschrift erfolgte durch die Erinnerungsführerin ein einseitiger Erwiderungsschriftsatz im Klageverfahren. Im Rahmen eines 30-minutigen Erörterungstermins am 09.10.2012 schlossen die Beteiligten einen Vergleich zur Erledigung des Rechtsstreites. Nach dem Vergleich gewährte die Beklagte dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft für Dezember 2011 in Höhe von 230,00 EUR und übernahm die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/3.
Der Erinnerungsführer beantragte mit Schreiben vom 25.10.2012 die Kostenfestsetzung im Rahmen der Prozesskostenhilfe in Höhe von 937,72 EUR. Im Einzelnen: • Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 320,00 EUR • Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR • Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 216,00 EUR • Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR • Fahrtkosten für 80 Kilometer anteilig zu ½ 12,00 EUR • Abwesenheitspauschale 20,00 EUR • 19 % Umsatzsteuer von 788,00 EUR (= 149,72 EUR).
Am 25.10.2012 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 728,28 EUR fest. Sie berücksichtigte die Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 EUR und die Erledigungsgebühr in Höhe von 190,00 EUR. Die Absetzungen begründete sie damit, dass die Höhe der geltend gemachten Gebühren unbillig sei. Bei einem Durchschnittsfall sei die Mittelgebühr angemessen. Dies sei vorliegend der Fall. Entsprechend reduziere sich auch die Umsatzsteuer. Die übrigen Gebühren und Auslagen setzte sie wie beantragt fest.
Gegen die Festsetzung hat die Erinnerungsführerin am 03.11.2012 Erinnerung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die Gebühren zu Unrecht herabgesetzt wurden. Bei der Verfahrensgebühr sei die Höchstgebühr angemessen. Das Verfahren habe für den Kläger erhebliche Bedeutung gehabt. Ein Plus von mehr als 900,00 EUR, wie mit der Klage gefordert, stellte wegen seiner unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse eine massive finanzielle und emotionale Entlastung für ihn dar. Die Angelegenheit sei auch rechtlich anspruchsvoll gewesen. Bei der Erledigungsgebühr seien nicht mehr als 20 % über der Mittelgebühr beantragt worden. Dies liege im Rahmen der Billigkeit.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Beschluss vom 06.11.2011).
Der Erinnerungsgegner ist der Ansicht, dass die Erinnerung unbegründet sei. Anhaltspunkte für eine höhere Verfahrensgebühr als 170,00 EUR seien nicht gegeben. Es liege kein durchschnittliches Verfahren vor, daher sei auch keine erhöhte Erledigungsgebühr festzusetzen. Diese folge in der Höhe auch regelmäßig der Bestimmung der Verfahrensgebühr.
II.
Die nach § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthafte Erinnerung hat keinen Erfolg. Die von der Staatskasse gemäß § 55 RVG zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind zutreffend auf nicht mehr als 728,28 EUR festgesetzt worden. Weitergehende Ansprüche der Erinnerungsführerin bestehen nicht.
Die Erinnerungsführerin hat keinen Anspruch auf die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG von 320,00 EUR sowie einer Erledigungsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG von 216,00 EUR.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG ist bei der Bemessung im Falle von Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen (20 Prozent: LSG NRW, Beschluss vom 26.04.2007, L 7 B 36/07) zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet.
Die mit 320,00 EUR beantragte Verfahrensgebühr (= Höchstgebühr) erweist sich als unbillig im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Der zulässige Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr bestimmt sich im vorliegenden Fall nach Nr. 3103 VV RVG, da die Erinnerungsführerin bereits im Widerspruchsverfahren tätig war. Dieser beträgt 20,00 EUR bis 320,00 EUR, die Mittelgebühr beträgt 170,00 EUR.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billige Gebühr zu Grunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (BSG, Urteil vom 1.7.2009, B 4 AS 21/09 R).
Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger erweist sich insgesamt als durchschnittlich. Bei existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II ist in der Regel von einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit auszugehen (vgl. BSG a.a.O.). Jedoch betraf die streitige Frage der Anrechnung des Guthabens aus der Betriebs- und Nebenkostenabrechnung lediglich eines Teilzeitraum von 3 Monaten des gesetzlichen Bewilligungsabschnittes von 6 Monaten und dies auch nur hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung. Entsprechend lag keine überdurchschnittliche Bedeutung vor.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind als unterdurchschnittlich anzusehen. Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist der Arbeits- und Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er objektiv auch auf die Sache verwenden musste, zu würdigen. Dabei ist der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand, den die Erinnerungsführerin im Verfahren aufgewendet hat, in die Beurteilung mit einzubeziehen. Streitig war vorliegend allein die Anwendung der Anrechnungsvorschrift für Guthaben aus § 22 Abs. 3 SGB II. Das konkrete Verfahren lässt auch keine vertiefte anwaltliche Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen erkennen. Dies gilt auch für die zu würdigenden tatsächlichen Umstände. Es erfolgte keine Beweiserhebung, eine anwaltliche Beweiswürdigung war demzufolge nicht erforderlich. Vom Umfang her sind eine Klageschrift mit gut 3 Seiten sowie eine 1 Seite umfassende Replik und eine Verfahrensdauer von 10 ½ Monaten als unterdurchschnittlich anzusehen.
Ersichtlich sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers wegen des Bezugs existenzsichernder Leistungen als unterdurchschnittlich zu bewerten (vgl. BSG a.a.O.).
Das Haftungsrisiko der Erinnerungsführerin ist als durchschnittlich zu qualifizieren.
Bei einer durchschnittlichen Bedeutung, unterdurchschnittlichem Umfang und Schwierigkeit, unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und durchschnittlichen Haftungsrisiko ist eine Abweichung von der Mittelgebühr von 170,00 EUR nicht angezeigt. Entsprechend war die unangemessenen Gebühr von 320,00 EUR (Höchstgebühr) auf die Mittelgebühr herabzusetzen.
Hinsichtlich der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG war die von der Erinnerungs-führerin beantragte Gebühr von 216,00 EUR ebenfalls wegen Unbilligkeit auf die Mittelgebühr von 190,00 EUR herabzusetzen. Der zulässige Gebührenrahmen für die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG beträgt 30,00 EUR bis 350,00 EUR, die Mittelgebühr beträgt 190,00 EUR. Der Herabbemessung von 216,00 EUR auf 190,00 EUR steht nicht entgegen, dass die beantragte Gebührenhöhe noch innerhalb der Toleranzgrenze von 20 Prozent (s.o.) liegt.
Die beiden Grundsätze der Mittelgebühr und des Toleranzrahmens sind nicht in der Weise miteinander zu kombinieren, dass in jedem Durchschnittsfall eine bis zu 20-prozentige Überschreitung der Mittelgebühr im Rahmen der Billigkeit bliebe (SG Berlin, Beschluss vom 01.04.2010, S 165 SF 2479/09 E). Der Toleranzrahmen von 20 Prozent gilt nicht in solchen Fällen, in denen ein Durchschnittsfall vorliegt und daher die Mittelgebühr anzusetzen ist. Nur bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen (LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2013, L 9 AS 142/13 B m.w.N.).
Für eine über die Mittelgebühr hinausgehende Erledigungsgebühr ist vorliegend kein Raum. Nach den zuvor getroffenen Feststellungen lag keine über dem Durchschnitt liegende Fallgestaltung vor (s.o.). Auch im Hinblick auf die vergleichsweise Regelung von höheren Unterkunftskosten für Dezember 2011 ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die eine Abweichung von der Mittelgebühr von 190,00 EUR rechtfertigen.
Die Terminsgebühr sowie die Auslagen und Pauschalen (Fahrtkosten, Dokumentenpauschale, Abwesenheitsgeld) sind wie beantragt festgesetzt worden. Die zu erstattende Umsatzsteuer war entsprechend zu reduzieren.
Insgesamt ergibt sich daher ein festgesetzter Anspruch der Erinnerungsführerin gegen die Staatskasse von 728,28 EUR (170,00 EUR + 200,00 EUR +190,00 EUR + 20,00 EUR +12,00 EUR +20,00 EUR zzgl. 116,28 EUR Umsatzsteuer).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved