L 12 R 1107/09

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 12 R 2841/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 12 R 1107/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 20. Juli 2009 sowie der Bescheid vom 4. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Zeitraum vom 1. Januar 1968 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssys-tem der technischen Intelligenz sowie die darin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Zeitraums vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Der im Jahre 1942 geborene Kläger qualifizierte sich im Juli 1965 zum Diplom-Physiker. Ab September 1965 war er als Entwicklungsingenieur im M. Büromaschinenwerk AG Z. einge-stellt. Das Büromaschinenwerk wurde Ende 1967 aufgelöst und ging in dem VEB Rechen-elektronik M. auf. Dort war der Kläger ab Januar 1968 ebenfalls als Entwicklungsingenieur tätig. Ab 1974 und auch noch am 30. Juni 1990 war der Kläger als Themenlei-ter/Gruppenleiter beim VEB Rechenelektronik M. bzw. bei dessen Rechtsnachfolger, dem VEB R.- E. Z. beschäftigt. In dem Funktionsplan vom Oktober 1986 wird ausgeführt, dass der Kläger dem Direktionsbereich Forschung und Entwicklung unterstanden habe. Seine Funktion wird als Gruppenleiter Gerätetechnik EG 2 bezeichnet. Übergeordnetes Organ des VEB Re-chenelektronik bzw. des VEB R. Z.war bis Dezember 1976 der VEB Kombinat Z. E. und dann der VEB Kombinat R. D ... Die R.GmbH als Rechtsnachfolger des VEB R. Z.wurde am 8. August 1990 in das Handelsregister eingetragen. Zu Zeiten der DDR erhielt der Kläger keine Zusage für ein Zusatzversorgungssystem. Der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung trat er zum 1. September 1980 bei und versicherte sein Arbeitentgelt bis maximal 600 M mo-natlich zusätzlich.

Im Januar 2001 beantragte der Kläger im Zuge eines Kontenklärungsverfahrens die Einbezie-hung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz. Mit Bescheid vom 4. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Anwendungsbereich des AAÜG sei nicht eröff-net. Zu Zeiten der DDR habe er keine Versorgungszusage erhalten. Er habe auch keinen An-spruch auf Einbeziehung als sogenannter obligatorisch Berechtigter. Mit der Qualifikation zum Diplom-Physiker erfülle er nicht die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung.

Auf den Widerspruch - hier nahm der Kläger auf Tätigkeiten eines Konstrukteurs Bezug - forderte die Beklagte die Sozialversicherungsausweise, Arbeitszeugnisse und Funktionspläne an. Sodann wies sie den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 30. Oktober 2002 zu-rück.

Auf die Klage (ehemals S 7 RA 1421/02) hat das Sozialgericht Meiningen die Registerakten des VEB R. Z. sowie schriftliche Zeugenaussagen der ehemaligen Arbeitskollegen J. und D. zum Tätigkeitsfeld des Klägers eingeholt. Mit Beschluss vom 12. März 2007 hat es im Ein-vernehmen mit den Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Wiederaufruf durch den Kläger hat das Sozialgericht den Beteiligten Urteile des Sächsischen Landessozial-gericht vom 24. Mai 2005 - L 4 RA 500/04 und vom 15. März 2005 - L 4 RA 500/04 über-sandt und die Klage mit Urteil vom 20. Juli 2009 abgewiesen. Der Kläger erfülle die persönli-che Voraussetzung für eine Einbeziehung nicht. Hierfür sei der Titel Diplom-Physiker nicht ausreichend. Der Kläger sei auch kein Konstrukteur gewesen. Seine Berufsbezeichnung habe jedenfalls nicht so gelautet. Die Eintragungen in den Arbeitsverträgen, den Arbeitszeugnissen und den Sozialversicherungsausweis bezeichneten ihn jedenfalls nicht als Konstrukteur. Auch sei er im Arbeitsbereich "Forschung und Entwicklung" und nicht im Arbeitsbereich "Kon-struktion" eingesetzt gewesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Meinung, er habe Anspruch auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz. Insbesondere habe er nach seinem Studium stets als Konstrukteur gearbeitet. Dies gehe eindeutig aus den zu den Akten gereichten Protokollheften, Verteidigungsschriften und Rechenschaftsberichten hervor. Im Übrigen gehe der Ansatz des Sozialgerichts fehl. Im VEB R. habe er im Unterbereich "Entwicklungskonstruktion" in der Abteilung Forschung und Entwicklung gearbeitet. Den Bezeichnungen in den Arbeitsverträgen und Sozialversicherungsausweisen käme auch nur Indizwirkung zu.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 20. Juli 2009 sowie den Bescheid vom 4. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. Oktober 2002 aufzuhe-ben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum vom 1. Januar 1968 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen In-telligenz sowie die darin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und denjenigen der Be-klagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung liegen unbedenklich vor.

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Feststellung.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 8 Abs. 1 bis 3 AAÜG. Auch ist der Anwendungsbereich des AAÜG als Grundvoraussetzung für die in den §§ 5 bis 8 AAÜG vorgesehene Datenfeststel-lung in seinem Fall eröffnet.

Maßstabsnorm ist insoweit § 1 Abs. 1 AAÜG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt dieses Ge-setz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssys-temen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Die Sonderregelung des Satzes 2 ist hier of-fensichtlich nicht einschlägig, weil der Kläger (unstreitig) zu keinem Zeitpunkt in ein Versor-gungssystem einbezogen war und folglich die Fiktion der Vorschrift, wonach bei einem Aus-scheiden aus dem Versorgungssystem der Verlust der Anwartschaft als nicht eingetreten gilt, in seinem Fall nicht greift.

Einen "Anspruch" auf Versorgung (damit ist das Vollrecht gemeint) hat der Kläger bei In-krafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht gehabt. Denn ein "Versorgungsfall" war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Dem Kläger stand am 1. August 1991 aber auch keine "Anwartschaft" zu (damit ist die Versorgungsberechtigung gemeint). Insofern ist allein auf das zu diesem Zeitpunkt gültige Bundesrecht abzustellen. Dieses Bundesrecht verbietet es, ab dem 1. Juli 1990 noch neue Versorgungsberechtigungen zu begründen. Dies ergibt sich aus der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a Satz 1, 2. Halbsatz zum Einigungsvertrag (EV) vom 31. August 1990 in Verbindung mit dem am 3. Oktober 1990 zu (sekundärem) Bundesrecht gewordenen § 22 Abs.1 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR vom 28. Juni 1990. Nach diesen Regelungen sind Neueinbeziehungen ab dem 1. Juli 1990 nicht mehr zulässig; folglich ist rückschauend auf die tatsächlichen Verhältnisse am 30. Juni 1990 abzustellen. Bei Personen, die zu diesem Zeitpunkt nicht in ein Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht durch originäres Bundesrecht einbezogen wurden (z.B. nach Art.9 Abs.2, 17, 19 EV), ist allerdings im Wege einer verfassungskonfor-men Auslegung des § 1 Abs.1 Satz 1 AAÜG zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen An-spruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten.

Dem Kläger war eine solche Versorgungszusage jedenfalls nicht in Form eines bindend ge-bliebenen Verwaltungsaktes erteilt worden (Art.19 Satz 1 EV). Er war aber auch nicht durch eine Einzelentscheidung (z.B. aufgrund eines Einzelvertrages) zu DDR-Zeiten einbezogen worden. Das Vorliegen einer nachträglichen Rehabilitierungsentscheidung wird ebenfalls nicht geltend gemacht. Da er früher nicht in ein Versorgungssystem einbezogen worden war, kann bei ihm auch keine wegen grober Rechtswidrigkeit unbeachtliche Aufhebung einer sol-chen Einbeziehung verbunden mit deren Fortwirkung vorliegen (Art.19 Satz 1 bis 3 EV).

Nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gege-benen tatsächlichen Umstände hatte der Kläger aber einen Anspruch auf Erteilung einer Ver-sorgungszusage. Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage ist vom Bundessozialgericht (BSG) in erweiternder verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs.1 AAÜG entwickelt worden, um Wertungswidersprüche innerhalb des Gesetzes zu ver-meiden. Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Im Bereich der so genannten technischen Intelligenz hängt der Anspruch nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (ZAVO-techInt) vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844) und der zweiten Durchführungsbestimmung zur ZAVO-techInt (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62 S. 487) von drei Voraussetzungen ab. Dieses Versorgungssystem war geschaffen wor-den für (vgl. stellv.: BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R) 1. Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Der Kläger erfüllt die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung am 30. Juni 1990. Allerdings folgt dies nicht aus seiner Qualifikation zum Diplom-Physiker. Dip-lom-Physiker gehörten nicht zur Berufsgruppe der Ingenieure oder Techniker und waren auch nicht berechtigt, einen entsprechend Berufstitel zu führen. Unerheblich in diesem Zusammen-hang ist, dass Diplom-Physiker gegebenenfalls dieselben Arbeiten wie ein Ingenieur oder Techniker ausübten (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 1/06 R, vom 16. März 2006 - B 4 RA 29/05 R und vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 62/10 R).

Der Kläger zählt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber zu dem Personenkreis der Konstrukteure. Indes gab es in der früheren DDR - anders als bei Ingenieuren und Technikern - keine abstrakt-generelle Regelungen, die zur Führung des Titels "Konstrukteur" berechtig-ten. Es gab weder auf der Grundlage einer Facharbeiterausbildung noch einer Qualifizierung einen eigenständigen Berufsabschluss zum "Konstrukteur". Entsprechende Ausbildungsinhal-te wurden vielmehr in Studiengängen vermittelt, die zu dem Berufstitel "Ingenieur" oder "Techniker" führten (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 28/07 R und vom 23. August 2007 - B 4 RS1/06 R sowie Sächsisches LSG, ebenda). Andererseits darf die Erwäh-nung der Konstrukteure in der Versorgungsordnung trotz fehlenden staatlich geregelten Aus-bildungsganges nicht leerlaufen.

Insoweit ist es zunächst hilfreich, auf die Tätigkeitsbezeichnungen in arbeits- und sozialrecht-lichen Dokumenten zurückzugreifen. Dabei ist zu beachten, dass die DDR in ihrer Arbeits-platzklassifizierung durchaus zwischen der Tätigkeit von Ingenieuren / Technikern einerseits und Konstrukteuren andererseits differenzierte (vgl. Sächsisches LSG, ebenda). Die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen geben für die Einstellung als Konstrukteur nichts her. In dem Sozialversicherungsausweis ist zunächst eine Tätigkeit als Entwicklungsingenieur und dann als Gruppenleiter / Themenleiter eingetragen. In den Arbeitszeugnissen von 1972 und 1981 wird von der Tätigkeit eines Entwicklungsingenieurs und Gruppenleiters berichtet. Schließ-lich wird in dem seit Oktober 1986 gültigen Funktionsplan die Beschäftigung als Gruppenlei-ter Gerätetechnik bezeichnet. Als Qualifikation wird Hochschulkader in der Fachrichtung Elektronik genannt. Indes haben die Bezeichnungen in arbeits- und sozialrechtlichen Doku-menten lediglich indizielle Wirkung (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 1/06 R). Dass den Eintragungen nur Indizwirkung zukommt, ist allein deswegen nachvollziehbar, weil anderenfalls auch Personen einbezogen werden müssten, die über keinen Fachschul- oder Hochschulabschluss verfügen, deren Aufgabe im Arbeitsvertrag oder Sozialversicherungs-ausweis aber "Konstrukteur" lautet (vgl. BSG, ebenda). Im Übrigen ist nach der Auffassung des Senats eine Parallele zu der sogenannten betrieblichen Voraussetzung zu ziehen. Insoweit haben formale Kriterien wie die Zuordnung zu einem bestimmten Ministerium oder die Klas-sifikation in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR allenfalls indizielle Wir-kung. Abzustellen ist auf die tatsächlichen, betrieblichen Verhältnisse (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R und Beschluss vom 13. Februar 2008 - B 4 RS 133/07 B). Gleiches gilt für den Konstrukteur.

Maßgeblich ist, ob Personen mit einer Fach- oder Hochschulausbildung tatsächlich mit der Wahrnehmung von konkreten Arbeitsaufgaben im Bereich der Konstruktion betraut waren. In Anknüpfung an die tatsächlichen Arbeitsaufgaben überschneiden sich bei dem Berufbild "Konstrukteur" die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen. Wurden tatsächlich Aufga-ben eines Konstrukteurs wahrgenommen, stehen der Einbeziehung anderslautende Eintragun-gen in arbeits- oder sozialrechtlichen Dokumenten, denen - wie eben dargelegt - nur Indizwir-kung zukommt, nicht entgegen.

Unter Konstruktion ist in der DDR der Entwurf, die Berechung und die Darstellung von Ein-zelteilen, Baugruppen und Erzeugnissen verstanden worden. Durch die Konstruktion wurden die zu bauenden oder zu fertigenden Gegenstände gestaltet. Bei der Konstruktionstätigkeit waren die vorher zu leistenden Versuchs-, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auszuwer-ten. Die Aufgaben eines Konstrukteurs einerseits und die in der Entwicklung und Forschung andererseits sind inhaltlich nicht identisch. Letztere Tätigkeit geht qualitativ über das Aufga-benfeld eines reinen Konstrukteurs hinaus. Unter Forschung und Entwicklung verstand man in der DDR eine der Konstrukteurtätigkeit vorgelagerte Tätigkeit, bei der wissenschaftliche Arbeiten zur Erlangung neuer Erkenntnisse über die Gesetzesmäßigkeiten in Natur und Ge-sellschaft sowie wissenschaftliche Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung in der Praxis durch-geführt worden sind. Die Beschaffenheit von Werkstoffen zur Herstellung von Produkten ist wissenschaftlich und experimentell erforscht und aufbereitet worden. Diese Beschäftigung erforderte den Einsatz von besonderes hochqualifiziertem wissenschaftlichen Personal. Der Bereich Forschung und Entwicklung unterscheidet sich von der Konstruktion dahingehend, dass er die ersten Schritte hin zur Entwicklung neuer Produkte unternimmt. Dagegen setzt die Tätigkeit des Konstrukteurs die Erkenntnisse aus dem Bereich Forschung und Entwicklung voraus und setzt diese bei der Berechung, Planung und Fertigung eines Produktes ein (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 1/06 R).

Die Tätigkeit als Gruppenleiter Geräteentwicklung, die der Kläger ab 1974 und auch noch am 30. Juni 1990 ausübte, war überwiegend von den eben definierten Aufgaben eines Konstruk-teurs geprägt. Aus den umfangreichen Schriftsätzen des Klägers geht hervor, dass er schwer-punktmäßig keine Forschung und Entwicklung betrieb. Seine Aufgabe war es in Abstimmung mit dem potentiellen Kunden und den anderen Direktionsbereichen des VEB ein bestimmtes Produkt in mehreren Etappen von der Präzisierung der Aufgabenstellung und der Erprobung bis zur Übergabe des konstruierten Prototyps in die Produktion zu entwickeln. Diese Aufgabe setzte die (abstrakten) Erkenntnisse aus dem Bereich Forschung und Entwicklung voraus, um diese dann für die Konstruktion eines bestimmten Produktes fruchtbar zu machen. Bestätigt wird dies durch den Funktionsplan vom Oktober 1986. Darin heißt es unter anderem, dass der Kläger für die Realisierung der über den Plan WuT (Wissenschaft und Technik) und durch die verbindlichen Festlegungen übergeordneter Leitungen vorgegebenen Aufgaben zur Entwick-lung von Geräten und Baugruppen mit vorwiegend autonomem Charakter nach der Verteidi-gungs- und Überleitungsordnung sowie die Erarbeitung und Fortschreibung von Pflichtenhef-ten verantwortlich war. Im Übrigen haben auch die Zeugen S. und J. bestätigt, dass der Kläger für die Entwicklung/Konstruktion von elektronischen Geräten zuständig war.

Zwar ging der Aufgabenbereich als Gruppenleiter/Themenleiter über die reine Entwicklung / Konstruktion hinaus. Dies wird auch aus den weiteren im Funktionsplan von Oktober 1986 beschriebenen Aufgabenfeldern deutlich; indes haben die Zeugen eindeutig bestätigt, dass die Entwicklung und Konstruktion der Geräte prozentual überwog, mithin für die Tätigkeit prä-gend war. Dagegen belief sich die kaufmännisch-verwaltende Tätigkeit inklusive der Koope-ration mit den Kunden und Zulieferern sowie den eigentlichen Führungsaufgaben eines Grup-penleiters nach den Angaben des Zeugen S. auf lediglich 20 bis 25 v. H.

Der Annahme einer Konstruktionstätigkeit steht auch nicht entgegen, dass in den arbeits- und sozialrechtlichen Dokumenten von der Anstellung als Entwicklungsingenieur bzw. Gruppen-leiter Geräteentwicklung die Rede ist. Die Zeugen haben für den Senat nachvollziehbar be-kundet, dass sich die Bezeichnung im Betrieb mit dem Aufkommen der elektronischen Da-tenverarbeitungsgeräte von Konstrukteur zu Entwicklungsingenieur wandelte. Der Entwick-lungsingenieur hat aber ebenfalls Konstruktionstätigkeiten, nur eben an elektronischen Daten-verarbeitungsgeräten ausgeübt.

Unschädlich ist auch der Umstand, dass der Kläger laut Funktionsplan dem Direktionsbereich Forschung und Entwicklung unterstand. Der Zeuge J. hat bekundet, dass der VEB R. sich nicht stringent an die Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Glie-derung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 18. Dezember 1974 anlehnte. Tatsächlich sei der Kläger nicht in der Forschung und Entwicklung, sondern in dem von den Rahmenrichtlinien genannten Bereich Entwicklungskonstruktion tätig gewesen.

Die persönliche bzw. sachliche Voraussetzung ist im Falle des Klägers auch für den Zeitraum vom Januar 1968 bis Dezember 1973 erfüllt. Gilt dies schon für die Tätigkeit als Gruppenlei-ter Geräteentwicklung von Januar 1974 bis 30. Januar 1990 mit gemischtem Aufgabenfeld, gilt dies erst Recht für die untergeordnete Tätigkeit des Entwicklungsingenieurs, dessen allei-nige Aufgabe die Entwicklung und Konstruktion ist. Dass der Kläger in diesem Zeitraum Konstruktionstätigkeiten ausübte, wird im Übrigen durch das Arbeitszeugnis des Zeugen S. vom 1. September 1981 bestätigt.

Schließlich ist auch die betriebliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in der Zeit vom 1. Januar 1968 bis 30. Juni 1990 erfüllt. Ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens lag dann vor, wenn es sich erstens um einen VEB handelte und zweitens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf der industriellen (serienmäßig wiederkehrende) Ferti-gung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmo-dell) von Sachgütern oder die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen ausge-richtet war. Maßgebend ist hierbei auf den Hauptzweck abzustellen. Die genannte Produktion muss dem Betrieb das Gepräge gegeben haben, also überwiegend und vorherrschend gewesen sein.

Der Kläger war am 1. Januar 1968 und auch noch am 30. Juni 1990 bei einem VEB tätig ge-wesen. Die R. GmbH wurde erst am 8. August 1990 in das Handelsregister eingetragen. Die Konstruktion eines Nebeneinander des VEB als sogenannte leere Hülle und einer Kapital-Vorgesellschaft als Rechtsinhaber der Produktionsmittel und eigentlichen Arbeitgeber hat das BSG dagegen verworfen (vgl. BSG; Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R). Der VEB R. M. / Z. bzw. dessen Rechtsnachfolger, der VEB R. Z. betrieben auch industrielle Massenpro-duktion. Der Senat stützt sich diesbezüglich auf das Statut des übergeordneten VEB Kombi-nat Z. E.-S. vom 10. Oktober 1973. Unter § 4 des Statuts wird ausgeführt, das Kombinat habe die Produktion und den Absatz von Geräten der Datenerfassung und -aufbereitung, Anlagen der mittleren Datentechnik sowie Büromaschinen zu sichern. Letztendlich hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2013 auch nicht in Abrede gestellt, dass dem VEB R. M./Z. bzw. dem VEB R. Z. die industrielle Massenproduktion das Gepräge gegeben hat.

Da der Anwendungsbereich des AAÜG eröffnet ist und der Kläger im streitigen Zeitraum durchgehend der Zusatzversorgungunssystem der technischen Intelligenz angehörte, muss die Beklagte die weiteren im AAÜG vorgesehenen Daten, insbesondere das während der Zugehö-rigkeit erzielte Arbeitsentgelt, feststellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Hinweis des Senats, bei der Büromaschinenwerk M. AG sei die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt, auf die Zeit ab 1. Januar 1968 beschränkt; indes ist diese Beschränkung so geringfügig, dass eine Quotelung nicht gerechtfertigt ist. Zu be-rücksichtigen ist ferner, dass die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. In ihren Verwaltungsentscheidungen hat sie darauf abgestellt, dass eine Einbeziehung scheitere, weil der Kläger (nur) den Titel Diplom-Physiker führen dürfe. Eine Auseinandersetzung mit sei-nem Vortrag, er sei als Konstrukteur eingesetzt gewesen, erfolgte dagegen nicht.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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