Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 SF 7/13 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AL 55/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage, ob eine Pauschgebühr nach § 184 SGG festzustellen und anzufordern ist, wenn wegen der ursprünglichen Forderung eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende eine Klage gegen die Bundesagentur für Arbeit anhängig war
Die Erinnerung gegen die Pauschgebührenanforderung nach § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 2. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Feststellung und Anforderung der Pauschgebühr nach § 184 SGG.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt (S 21 AL 347/12) klagte Herr N. H. gegen die Beklagte und jetzige Erinnerungsführerin im Rahmen einer Untätigkeitsklage wegen der Bescheidung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. Juli 2012 betreffend die Festsetzung einer Mahngebühr. Mit Bescheid vom 2. Juli 2012 hatte die Erinnerungsführerin Mahngebühren wegen einer offenen Forderung von 87,11 EUR in Höhe von 0,80 EUR festgesetzt. Dagegen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 Widerspruch eingelegt. Mit Schreiben vom 23. Juli 2012 hatte die Erinnerungsführerin dem Kläger mitgeteilt, dass sie sein Schreiben dem Jobcenter des Landkreises GW. weitergeleitet habe, weswegen der Kläger von dort weitere Nachricht erhalte. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 half die Erinnerungsführerin dem Widerspruch in vollem Umfange ab, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 den Rechtsstreit für erledigt erklärte.
Am 2. Januar 2013 ist durch die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gem. § 189 Abs. 2 SGG eine Pauschgebühr in Höhe von 75,00 EUR festgestellt worden.
Dagegen hat die Erinnerungsführerin am 14. Januar 2013 bei dem Sozialgericht Darmstadt Erinnerung eingelegt.
Sie weist darauf hin, ursächlich sei eine Forderung des Jobcenters GW. nach den Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewesen. Mit § 44b Abs. 4 SGB II sei die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die Aufgabe des Forderungsseinszugs auf die Träger der gemeinsamen Einrichtungen zu übertragen. Sie sei daher aufgrund der Regelung des § 44b Abs. 4 SGB II tätig geworden. Demzufolge sei sie in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende tätig gewesen, so dass Pauschgebühren aufgrund § 64 Abs. 3 S. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht entstehen könnten.
Der Erinnerungsgegner hat sich nicht geäußert.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte des Hauptsacheverfahrens (S 21 AL 347/12) sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Zu Recht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 2. Januar 2013 gegenüber der Erinnerungsführerin eine Pauschgebühr in Höhe von 75,00 EUR festgestellt.
Gemäß § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr wird gemäß § 185 SGG fällig, sobald die Streitsache erledigt ist. Sofern diese nicht durch Urteil erledigt wird, ermäßigt sich die Gebühr von 150,00 EUR auf die Hälfte (§§ 184 Abs. 2, 186 SGG). Gemäß § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X sind die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von den Gerichtskosten befreit.
Nach herrschender Meinung kommt es für die Pauschgebührenverpflichtung allein auf die Beteiligung der gebührenpflichtigen Person als Kläger oder Beklagte an. Dabei gilt eine formelle Beteiligtenstellung. Unerheblich ist insoweit die Kenntnis des Gebührenpflichtigen von der Gebührenschuld, die Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage bzw. das Vorliegen der Passivlegitimation (Lüdke/Straßfeld, SGG, § 184 Rn 11; Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, § 184 Rn 5; Hintz/Lowe, SGG, § 184 Rn 8). Dieser Sichtweise folgt auch die Kammer allein schon vor dem Hintergrund, dass die Feststellung der Pauschgebührenpflicht in der gerichtlichen Verwaltungspraxis ein Massengeschäft ist und die Gebührenpflicht nach einfachen Kriterien von den zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgestellt werden muss.
Die Voraussetzungen für die Feststellung der Pauschgebühr liegen vor. Demgegenüber greift die Kostenprivilegierung nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X zu Gunsten der Erinnerungsführerin nicht.
Nach Auffassung der Kammer ist nämlich die Erinnerungsführerin im Rahmen der Bescheiderteilung vom 2. Juli 2012 nicht als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, wie es § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X verlangt, tätig gewesen. Denn nach dem Akteninhalt war insoweit das Jobcenter des Landkreises GW. für die Gewährung der Grundsicherungsleistungen an den Kläger des Hauptsacheverfahrens sachlich zuständig, und damit auch der allein zuständige Leistungsträger. Über die Regelung des § 44b Abs. 4 SGB II ist die Erinnerungsführerin nicht in die Stellung des Leistungsträgers eingerückt. Mit dieser Verfahrensoption können einzelne Verwaltungsaufgaben übertragen werden. Dies geschieht im Sinne einer Wahrnehmungszuständigkeit. Der Träger nimmt dann zwar inhaltlich Aufgaben des SGB II-Trägers wahr. Es entsteht aber kein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 88 ff SGB X, wonach gem. § 89 SGB X z.B. Verwaltungsakte, die der Beauftragte zur Ausführung des Auftrags erlässt, im Namen des Auftraggebers ergehen (Hauck-Luthe, SGB II, § 44b Rn 34, 35; Sauer/Kossens, SGB II, § 44b Rn 55). Vorliegend ist die Erinnerungsführerin im eigenen Namen aufgrund ihr gesetzlich allgemein übertragener Kompetenzen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) tätig geworden. Damit ist eine Lösung von der Trägerstellung i.S.d. § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X verbunden, weswegen Pauschgebührenpflicht eintritt.
Soweit die Erinnerungsführerin auf eine Entscheidung des BSG vom 26. Mai 2011 (B 14 AS 54/10 R) zur Begründung ihres Standpunktes verweist, ist die Kammer der Auffassung, dass dieses Urteil nicht einschlägig ist. Dort ging es im Wesentlichen um die Frage, ob - nach dem damals geltenden Recht - die Übertragung entsprechender Aufgaben überhaupt rechtlich zulässig war.
Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war vorliegend die Beschwerde zuzulassen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Feststellung und Anforderung der Pauschgebühr nach § 184 SGG.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt (S 21 AL 347/12) klagte Herr N. H. gegen die Beklagte und jetzige Erinnerungsführerin im Rahmen einer Untätigkeitsklage wegen der Bescheidung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. Juli 2012 betreffend die Festsetzung einer Mahngebühr. Mit Bescheid vom 2. Juli 2012 hatte die Erinnerungsführerin Mahngebühren wegen einer offenen Forderung von 87,11 EUR in Höhe von 0,80 EUR festgesetzt. Dagegen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2012 Widerspruch eingelegt. Mit Schreiben vom 23. Juli 2012 hatte die Erinnerungsführerin dem Kläger mitgeteilt, dass sie sein Schreiben dem Jobcenter des Landkreises GW. weitergeleitet habe, weswegen der Kläger von dort weitere Nachricht erhalte. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 half die Erinnerungsführerin dem Widerspruch in vollem Umfange ab, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 den Rechtsstreit für erledigt erklärte.
Am 2. Januar 2013 ist durch die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gem. § 189 Abs. 2 SGG eine Pauschgebühr in Höhe von 75,00 EUR festgestellt worden.
Dagegen hat die Erinnerungsführerin am 14. Januar 2013 bei dem Sozialgericht Darmstadt Erinnerung eingelegt.
Sie weist darauf hin, ursächlich sei eine Forderung des Jobcenters GW. nach den Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewesen. Mit § 44b Abs. 4 SGB II sei die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die Aufgabe des Forderungsseinszugs auf die Träger der gemeinsamen Einrichtungen zu übertragen. Sie sei daher aufgrund der Regelung des § 44b Abs. 4 SGB II tätig geworden. Demzufolge sei sie in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende tätig gewesen, so dass Pauschgebühren aufgrund § 64 Abs. 3 S. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht entstehen könnten.
Der Erinnerungsgegner hat sich nicht geäußert.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte des Hauptsacheverfahrens (S 21 AL 347/12) sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Zu Recht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 2. Januar 2013 gegenüber der Erinnerungsführerin eine Pauschgebühr in Höhe von 75,00 EUR festgestellt.
Gemäß § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr wird gemäß § 185 SGG fällig, sobald die Streitsache erledigt ist. Sofern diese nicht durch Urteil erledigt wird, ermäßigt sich die Gebühr von 150,00 EUR auf die Hälfte (§§ 184 Abs. 2, 186 SGG). Gemäß § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X sind die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von den Gerichtskosten befreit.
Nach herrschender Meinung kommt es für die Pauschgebührenverpflichtung allein auf die Beteiligung der gebührenpflichtigen Person als Kläger oder Beklagte an. Dabei gilt eine formelle Beteiligtenstellung. Unerheblich ist insoweit die Kenntnis des Gebührenpflichtigen von der Gebührenschuld, die Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage bzw. das Vorliegen der Passivlegitimation (Lüdke/Straßfeld, SGG, § 184 Rn 11; Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, § 184 Rn 5; Hintz/Lowe, SGG, § 184 Rn 8). Dieser Sichtweise folgt auch die Kammer allein schon vor dem Hintergrund, dass die Feststellung der Pauschgebührenpflicht in der gerichtlichen Verwaltungspraxis ein Massengeschäft ist und die Gebührenpflicht nach einfachen Kriterien von den zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgestellt werden muss.
Die Voraussetzungen für die Feststellung der Pauschgebühr liegen vor. Demgegenüber greift die Kostenprivilegierung nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X zu Gunsten der Erinnerungsführerin nicht.
Nach Auffassung der Kammer ist nämlich die Erinnerungsführerin im Rahmen der Bescheiderteilung vom 2. Juli 2012 nicht als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, wie es § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X verlangt, tätig gewesen. Denn nach dem Akteninhalt war insoweit das Jobcenter des Landkreises GW. für die Gewährung der Grundsicherungsleistungen an den Kläger des Hauptsacheverfahrens sachlich zuständig, und damit auch der allein zuständige Leistungsträger. Über die Regelung des § 44b Abs. 4 SGB II ist die Erinnerungsführerin nicht in die Stellung des Leistungsträgers eingerückt. Mit dieser Verfahrensoption können einzelne Verwaltungsaufgaben übertragen werden. Dies geschieht im Sinne einer Wahrnehmungszuständigkeit. Der Träger nimmt dann zwar inhaltlich Aufgaben des SGB II-Trägers wahr. Es entsteht aber kein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 88 ff SGB X, wonach gem. § 89 SGB X z.B. Verwaltungsakte, die der Beauftragte zur Ausführung des Auftrags erlässt, im Namen des Auftraggebers ergehen (Hauck-Luthe, SGB II, § 44b Rn 34, 35; Sauer/Kossens, SGB II, § 44b Rn 55). Vorliegend ist die Erinnerungsführerin im eigenen Namen aufgrund ihr gesetzlich allgemein übertragener Kompetenzen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) tätig geworden. Damit ist eine Lösung von der Trägerstellung i.S.d. § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X verbunden, weswegen Pauschgebührenpflicht eintritt.
Soweit die Erinnerungsführerin auf eine Entscheidung des BSG vom 26. Mai 2011 (B 14 AS 54/10 R) zur Begründung ihres Standpunktes verweist, ist die Kammer der Auffassung, dass dieses Urteil nicht einschlägig ist. Dort ging es im Wesentlichen um die Frage, ob - nach dem damals geltenden Recht - die Übertragung entsprechender Aufgaben überhaupt rechtlich zulässig war.
Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war vorliegend die Beschwerde zuzulassen.
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