L 2 AL 21/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AL 356/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 21/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 10/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldanspruches des Klägers für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 3. Oktober 2007.

Der am ... 1963 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 30. Juni 2006 als angestellter Rechtsanwalt beschäftigt. In seiner Lohnsteuerkarte war für das Jahr 2006 die Lohnsteuerklasse III eingetragen, in der Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau, die einen geringeren Verdienst erzielte, die Lohnsteuerklasse V. Sein Verdienst lag bei 5.200,00 EUR brutto monatlich. Zum 1. Juli 2006 schloss der Kläger einen Juniorpartnervertrag mit den Rechtsanwälten R. , G. und Kollegen aus H. ab. Der Kläger wurde aus der Sozialversicherung abgemeldet und stellte einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung, dem die Beklagte mit einem Beginn der freiwilligen Weiterversicherung am 3. Juli 2006 entsprach. Der Juniorpartnervertrag endete zum 30. September 2007 und der Kläger meldete sich am 13. September 2007 mit Wirkung zum 1. Oktober 2007 bei der Beklagten arbeitslos. In dem Antrag gab er bei der Nachfrage zu der zu Jahresbeginn auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse an: "Einkommensteuer". Die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung führte der Kläger bis zum 30. September 2007 durch und zahlte die entsprechenden Beiträge. Der Kläger legte auch noch eine Genehmigung zur Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten vom Finanzamt W. für die Umsätze aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes vor. Bereits zum 4. Oktober 2007 meldete sich der Kläger aus dem Leistungsbezug ab, weil er eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt aufnehmen wollte, für welche er einen Gründungszuschuss beantragte.

Mit Bescheid vom 1. November 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 3. Oktober 2007 unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse VI in Höhe von 25,61 EUR täglich. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 9. November 2007 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor: Da er mehr als 150 Kalendertage einen Verdienst oberhalb der Höchstgrenze für die Sozialversicherungspflicht erzielt habe, könne der zugrunde gelegte Satz für das Arbeitslosengeld nicht zutreffend sein.

Mit Änderungsbescheid vom 17. Januar 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld vom 1. Oktober 2007 bis 3. Oktober 2007 in Höhe von 41,37 EUR täglich. Hierbei legte sie ein Bemessungsentgelt in Höhe von täglich 151,67 EUR zugrunde und berücksichtigte die Lohnsteuerklasse VI bei einem erhöhten Leistungssatz von 67 Prozent. Die Beklagte betrachtete diesen Bescheid als vollständige Abhilfeentscheidung und sicherte dem Kläger die Übernahme der Kosten für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens einschließlich der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten (also des Klägers selbst) zu. Die Zuziehung des Bevollmächtigten erklärte sie für notwendig. Diesbezüglich stellte der Kläger in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter einen Kostenantrag, welcher mit Bescheid vom 8. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2008 beschieden wurde. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden.

Gegen den Änderungsbescheid vom 17. Januar 2008 erhob der Kläger am 25. Januar 2008 Widerspruch, soweit lediglich ein Leistungsbetrag von täglich 41,37 EUR bewilligt worden sei. Weder sei das Bemessungsentgelt in Höhe von täglich 151,67 EUR nachvollziehbar noch die zugrunde gelegte Lohnsteuerklasse VI. Es müsse die Lohnsteuerklasse III zugrunde gelegt werden, weil seine Ehefrau deutlich weniger verdiene und er zuletzt ausschließlich selbständig tätig gewesen sei. Ausweislich eines Vermerkes in den Verwaltungsakten fragte die Beklagte telefonisch bei dem Einwohnermeldeamt der Stadt W. nach und bekam die Auskunft, dass der Kläger für das Jahr 2007 eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse V ausgestellt bekommen habe und bezüglich seiner Ehefrau eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse III ausgestellt worden sei. Mit Änderungsbescheid vom 8. Juli 2008 berücksichtigte die Beklagte bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes die Lohnsteuerklasse V und bewilligte dem Kläger einen kalendertäglichen Leistungsbetrag in Höhe von 42,12 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 25. Januar 2008 gegen den Bescheid vom 17. Januar 2008 als unzulässig und den Widerspruch des Klägers vom 8. November 2007 gegen die Bescheide vom 1. November 2007 und 17. Januar 2008 nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 8. Juli 2008 als unbegründet zurück. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für den am 25. Januar 2008 eingelegten Widerspruch werde nicht als notwendig anerkannt. Die Aufwendungen zum Widerspruch vom 8. November 2007 würden zu 40 Prozent erstattet und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten werde als notwendig erachtet. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Der Bescheid vom 17. Januar 2008 habe nicht mit einem erneuten Widerspruch angefochten werden können, weil er bereits Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens gewesen sei. Nach dem Verursacherprinzip seien allerdings auch die in dem unzulässigen Verfahren entstandenen notwendigen Kosten von der Beklagten zu tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei jedoch nicht notwendig gewesen. Die Beklagte habe die richtige Lohnsteuerklasse für die Berechnung des Arbeitslosengeldanspruches zugrunde gelegt. Einen höheren Anspruch auf Alg habe der Kläger nicht. Die Feststellung der Lohnsteuer richte sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen sei. Hierbei sei nicht notwendig, dass der Antragsteller zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, lohnsteuerpflichtige Einnahmen erzielt habe. Ausweislich der Auskunft der Meldebehörden der Stadt W. sei dem Kläger am 20. September 2006 für das Kalenderjahr 2007 eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse V und seiner Ehefrau eine Steuerkarte mit der Steuerklasse III ausgestellt worden. Änderungen der Steuerklassen seien nicht erfolgt. Das Bemessungsentgelt habe nur das unter Berücksichtigung der für die neuen Bundesländer geltenden Bemessungsgrenze für die Beitragspflicht von Entgelten zugrunde gelegt werden können. Parallel dazu bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 4. Oktober 2007 bis 3. Juli 2008 in Höhe von zuletzt 1.563,60 EUR monatlich (Änderungsbescheid vom 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2008).

Gegen den Widerspruchsbescheid in Bezug auf die Arbeitslosengeldhöhe hat der Kläger am 7. August 2008 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Hinsichtlich des Gründungszuschusses haben die Beteiligten das Verfahren ruhend gestellt und von dem Ausgang dieses Verfahrens abhängig gemacht. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Es sei unzutreffend, für die Lohnsteuerklasse auf die aktuelle Steuerkarte abzustellen. Weil für ihn als Selbständigen überhaupt keine Lohnsteuer entrichtet worden sei, könne die für das Jahr 2007 ausgestellte Lohnsteuerkarte nicht maßgeblich sein. Es müsse als Referenzzeitraum der Zeitraum zugrunde gelegt werden, in dem die betreffende Person abhängig beschäftigt gewesen sei. Danach sei der Kläger nach der Lohnsteuerklasse III zu besteuern gewesen. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des selbständig Tätigen werde der mitverdienende Ehegatte, der abhängig beschäftigt sei, automatisch in die Lohnsteuerklasse III eingruppiert. Dies habe mit einer Steuerklassenwahl nichts zu tun. Es müsse berücksichtigt werden, dass hier ein freiwillig weiterversicherter Selbständiger Arbeitslosengeld beanspruche, insoweit passten auch die von der Beklagten genannten Urteile, die sich auf abhängige Beschäftigte beziehen, nicht. Die Verfahrensweise der Beklagten führe dazu, dass freiwillig Versicherte gegenüber herkömmlichen Arbeitnehmern schlechter gestellt würden. Sachgerecht sei es, von der Steuerklasse auszugehen, die einzutragen gewesen wäre, wenn der Kläger Lohnempfänger gewesen wäre. Die Komplexität der Materie zeige, dass die Beiziehung eines Rechtsanwaltes in jedem Fall notwendig gewesen sei. Auf Anfrage des SG hat die Stadt W. schriftlich mitgeteilt, dass für den Kläger 2007 eine Steuerkarte mit der Steuerklasse V ausgestellt worden sei (Bl. 73 der Gerichtsakte).

Mit Urteil vom 27. Januar 2011 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil zugelassen, weil es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handele. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Arbeitslosengeldes. Die Beklagte habe auch zutreffend die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut komme es nicht darauf an, welche Steuerklasse das Steuerrecht für den Arbeitnehmer vorsehe, sondern darauf, welche Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte tatsächlich eingetragen sei. Die eingetragene Steuerklasse habe für die Berechnung des Arbeitslosengeldes Tatbestandswirkung. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass auch die korrespondierende Steuerklasse des Klägers zu der Steuerklasse seiner Ehefrau die Steuerklasse V gewesen wäre. Denn die Ehefrau des Klägers habe die Steuerklasse III gehabt. Darüber hinaus sei die Entscheidung der Beklagten, es fehle die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Widerspruch vom 25. Januar 2008, nicht zu beanstanden gewesen. Ziel dieses Widerspruchs habe nur sein können, die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes zu verhindern, der formal als eine vollständige Abhilfe deklariert und mit einer falschen Rechtsmittelbelehrung versehen war. Hierfür sei die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen. Denn es habe keiner inhaltlichen Auseinandersetzung bedurft.

Gegen das ihm am 2. März 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. März 2011 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Es treffe nicht zu, dass bei einem Selbständigen auf die Eintragung in der Lohnsteuerkarte abgestellt werden könne. Wenn keine Lohnsteuerpflicht bestehe, könne es auch nicht darauf ankommen, welche Eintragung auf einer Lohnsteuerkarte, die gar keine Wirkung entfalten könne, bei der betroffenen Person vorhanden sei. Es müsse auf die Steuerklasse, die er zum Zeitpunkt seiner abhängigen Beschäftigung gehabt habe, abgestellt werden. Nur diese Steuerklasse korrespondiere auch zu dem unterschiedlichen Verhältnis der Entgelte zwischen ihm und seiner Ehefrau. Seine Ehefrau hätte zwar theoretisch einen Steuerklassenwechsel veranlassen können, da für sie die Lohnsteuerkarte steuerrechtliche Bedeutung gehabt habe. Dieser Schritt wäre jedoch für sie steuerrechtlich nachteilig gewesen und konnte daher von ihr nicht erwartet werden. Aus steuerrechtlicher Sicht hätten beide Ehegatten die "richtige" Steuerklassenkombination vor der Selbständigkeit gewählt. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass die Beklagte an eine falsche oder unzweckmäßige Lohnsteuerklassenwahl nicht gebunden sei. Dem liege zugrunde, dass die Anbindung der Leistungshöhe an die Steuerklasse gewährleisten solle, dass die Leistung in allen Steuerklassen in Höhe des jeweiligen Prozentsatzes des zuletzt erzielten Nettoarbeitsentgeltes ausgezahlt werde. Da er kein Arbeitsentgelt, sondern der Einkommensteuer unterliegende Einnahmen erzielt habe, sei die zuletzt auf dem Arbeitsentgelt lastende Lohnsteuer zugrunde zu legen. Zudem sei hervorzuheben, dass bei einem Ehegatten, der aktuell kein Arbeitsentgelt erziele und wegen dieses Ausfalles einen Anspruch auf das gemäß § 3 EStG steuerfreie Arbeitslosengeld habe, das vor der Arbeitslosigkeit zuletzt erzielte Arbeitsentgelt für die Prüfung maßgeblich sei. Nachdem der Kläger die Berufung hinsichtlich des angekündigten Antrages, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten bezüglich des Widerspruchs vom 25. Januar 2008 für notwendig zu erklären in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21. Februar 2013, zurückgenommen hat, beantragt er zuletzt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Januar 2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Gestalt der Bescheide vom 17. Januar 2008, vom 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Oktober 2007 bis zum 3. Oktober 2007 Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Eintragung in der Lohnsteuerkarte komme Tatbestandswirkung zu. Selbst unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers, dass er aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit keine Lohnsteuerklasse bzw. Lohnsteuerkarte gehabt habe, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Nachdem auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers unstreitig die Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen sei, wäre auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V einzutragen gewesen. Denn es müsse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigt werden, dass die Zugrundelegung einer Steuerklasse, die mit der von dem Ehegatten eingetragene Steuerklasse steuerrechtlich nicht korrespondiere, dem System der Anbindung an das Steuerrecht widerspreche und die ebenfalls vom Gesetz eindeutig nicht gewollte Folge hätte, dass bei beiden Ehegatten im Falle gleichzeitiger Leistungsansprüche wegen Arbeitslosigkeit Ansprüche nach derselben und günstigsten Leistungsgruppe zustehen könnten. Um dies zu vermeiden, müsste dann auch für die leistungsberechtigte Ehefrau eine Lohnsteuerklasse fingiert werden, die nicht der tatsächlich eingetragenen entspreche. Dies wäre mit dem Wortlaut und dem Zweck des Arbeitsförderungsrechtes nicht vereinbar.

Auf weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte verwiesen. Diese Akten haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen und sind von ihm berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gem. § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft, weil das SG die Berufung zugelassen hat.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Fassung der Bescheide vom 17. Januar 2008 und 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1.Oktober 2007 bis 3. Oktober 2007. Die Beklagte hat ihm zutreffend Arbeitslosengeld in Höhe von 42,12 EUR täglich nach der Steuerklasse V gewährt.

Der Kläger hat die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nach den §§ 117 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung in der Fassung vom 23. Dezember 2003 (SGB III a. F.) erfüllt. Der Kläger war arbeitslos und hat sich arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs. 1 SGB III a. F.). Er war beschäftigungslos, bemühte sich seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und war verfügbar, also bereit, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Allein aus dem Umstand, dass er am 4. Oktober 2007 seine vollzeitige selbständige Tätigkeit begonnen hat und auch für die hier streitgegenständliche Zeit angegeben hatte, unter 15 Stunden hierfür selbständig tätig zu sein, kann nicht das Gegenteil gefolgert werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger entgegen seinen Angaben schon in der Zeit vom 1. bis zum 3. Oktober 2007 mindestens 15 Stunden in der Woche selbständig tätig war.

Der Kläger hat auch die Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 123 SGB III a. F. erfüllt. So hat er nach Beendigung seiner abhängigen Beschäftigung zum 30. Juni 2006 im Anschluss daran ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III durch eine freiwillige Weiterversicherung begründet. Innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren stand er damit mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis.

Die Beklagte hat auch die Höhe seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld zutreffend berechnet.

Nach § 129 SGB III in der damaligen Fassung beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose, die u. a. mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungsrahmen wird hier gem. § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III a. F. auf zwei Jahre erweitert, weil im einjährigen Regelbemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten sind. Im erweiterten Bemessungszeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2007 liegen 273 Tage mit Arbeitsentgeltbezug, so dass es keiner fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III a. F. bedarf. Bemessungsentgelt ist gem. § 131 SGB III a. F. das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. In dem betreffenden Zeitraum erzielte der Kläger ein Entgelt in Höhe von 47.100 EUR, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 172,53 EUR errechnet. Dieses kann jedoch – wie von der Beklagten durchgeführt – nur soweit es beitragspflichtig war für die Bemessung herangezogen werden. Nach § 341 SGB III sind beitragspflichtige Einnahmen nur bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung für den Kalendertag zu berücksichtigen. Diese Grenze lag für die neuen Bundesländer, in denen der Kläger sein Arbeitsentgelt verdient hatte, im Jahr 2007 bei 4.550 EUR monatlich bzw. 151,67 EUR täglich. Nur bis zu diesem Betrag konnte das Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden.

Nach § 133 SGB III a. F. ist Leistungsentgelt das um die die pauschalierten Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Neben der Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des Bemessungsentgeltes und des Solidaritätszuschlages ist ein Abzug für die Lohnsteuer nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III a. F. vorzunehmen. Danach stellt die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt, einen Abzug dar.

Nach Abs. 2 der Vorschrift richtet sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war.

Der Anspruch ist mit Erfüllung aller Voraussetzungen, also hier am 1. Oktober 2007, entstanden, so dass grundsätzlich maßgeblich die Eintragung auf der Steuerkarte 2007 zu Beginn des Jahres war. Auf der Lohnsteuerkarte 2007 war für den Kläger die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Die Gemeindeverwaltung der Stadt W. hat auf die gerichtliche Anfrage am 20. Juli 2010 mitgeteilt, dass dem Kläger für das Jahr 2007 eine Steuerkarte mit der Steuerklasse V ausgestellt worden sei. Das SGB III ordnet in § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. für die Arbeitsverwaltung eine Tatbestandswirkung der nicht in ihre Zuständigkeit fallenden Steuerkarteneintragung zur Lohnsteuerklasse an (Behrend in Hauck/Noftz § 133 SGB III, Rn. 43).

Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Eintragung einer Lohnsteuerklasse für einen Selbständigen bedeutungslos ist und normalerweise nicht vorgenommen wird, weil er dem Lohnsteuerabzugsverfahren nicht unterliegt. Der Vortrag des Klägers, als Selbständiger hätte er keine Steuerkarte ausgestellt bekommen müssen, trifft zu. Es spricht viel dafür, einer für einen Selbständigen bedeutungslosen Eintragung keine Wirkung beizumessen. Die Bedeutung einer Lohnsteuerkarte besteht nur für abhängig Beschäftigte bzw. Personen, die als solche tätig werden wollen, nicht aber für Selbständige. Letzlich kann dies hier aber dahinstehen.

Es kommt hier nicht darauf an, ob für den selbständig tätigen Kläger eine für einen Selbständigen nicht bedeutsame Steuerkarte gleichwohl Tatbestandswirkung entfalten kann, denn selbst wenn dem Kläger keine Steuerkarte ausgestellt worden wäre, hätte sein Arbeitslosengeldanspruch sich nach der Steuerklasse V richten müssen.

Sollen sich die pauschalierten Abzüge nach den steuerrechtlichen Gegebenheiten richten und fehlt eine Eintragung in der Steuerkarte, ist es überzeugend, darauf abzustellen, welche Lohnsteuerklasse eingetragen worden wäre, wenn eine Steuerkarte ausgestellt worden wäre (so schon BSG, Urteil vom 22. Februar 1984 – 7 RAr 52/82 – Rn. 18, zitiert nach juris zur Vorgängervorschrift im Arbeitsförderungsgesetz - AFG).

Nur durch eine solche fiktive Betrachtung kann dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass die Steuerklasse eines Ehegatten nur eine hierzu korrespondierende Steuerklasse bei dem anderen Ehegatten zulässt. Da bei der Ehefrau des Klägers die Steuerklasse III eingetragen war, kann es sich bei der korrespondierenden Steuerklasse des Klägers nur um die Steuerklasse V handeln. Würde bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes diese Bindung an das Steuerrecht für einen solchen Fall aufgegeben werden, hätte dies zur Folge, dass sich auch leistungsrechtlich ungewollte Ergebnisse ergäben. Zutreffend verweist das BSG darauf, dass dies sonst die vom Gesetz nicht gewollte Folge hätte, dass beiden Ehegatten im Falle gleichzeitiger Leistungsansprüche wegen Arbeitslosigkeit Ansprüche nach derselben und günstigen Leistungsgruppe zustehen könnten. Um dies zu vermeiden, müsste dann auch für die leistungsberechtigte Ehefrau eine Lohnsteuerklasse fingiert werden, zudem eine andere als die tatsächlich eingetragene. Dies wäre weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck der Vorschrift im Arbeitsförderungsrecht vereinbar (BSG, Urteil vom 22. Februar 1984 – 7 RAr 52/82 – Rn. 18 zitiert nach juris).

Das vom Kläger favorisierte Ergebnis (wonach auch seine Ehefrau nach der früheren Lohnsteuerklasse V Leistungen bekommen sollte und er nach der Lohnsteuerklasse III) würde bei seiner Ehefrau dazu führen, dass eine Lösung von der Steuerklasse, die zu Beginn des Jahres in ihrer Lohnsteuerkarte eingetragen ist, in dem der Anspruch entstanden ist, einträte. Dies ist aber vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Nur bei einem Lohnsteuerklassenwechsel im laufenden Jahr ist zu prüfen, ob die neuen Lohnsteuerklassen leistungsrechtlich anzuerkennen sind oder nicht (§ 133 Abs. 3 Satz 2 SGB III a. F.). In diesem Fall kann auch die Feststellung der Lohnsteuer sich nach der früheren nicht mehr eingetragenen Lohnsteuerklasse richten. Der Gesetzgeber knüpft ansonsten ausschließlich an die tatsächlich eingetragene Steuerklasse an. Ein solcher Wechsel der Lohnsteuerklasse hat im Jahr 2007 nicht stattgefunden. Es ist auch nicht entscheidend, dass mit dem Beginn der Selbständigkeit des Klägers die Ehefrau des Klägers nach § 38b Satz 2 Ziffer 3a Unterkategorie aa) EStG in die Steuerklasse III gehört. Nach dieser Vorschrift gehören in die Lohnsteuerklasse III Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht. Jedenfalls mit Beginn seiner Arbeitslosigkeit hätten der Kläger und seine Ehefrau einen Antrag auf Steuerklassenwechsel stellen können. Nach § 39 Abs. 5 Satz 3 EStG können Ehegatten, die beide in einem Dienstverhältnis stehen, im Laufe des Kalenderjahres einmal, spätestens bis zum 30. November des Jahres einen Steuerklassenwechsel beantragen. Dabei soll die Voraussetzung "beide in einem Dienstverhältnis stehen" nur die zusätzliche Beschränkung auf einen einmaligen Wechsel begründen. Ist ein Ehegatte arbeitslos und der andere in Beschäftigung können sie den Antrag sogar mehrmals im Jahr stellen (FG Düsseldorf, Urteil vom 7. April 2003 – 7 K 3301/02 F – zitiert nach juris).

Einen solchen Antrag haben der Kläger und seine Ehefrau nicht gestellt und wollten sie nach der Aussage des Klägers auch nicht stellen. Auch in dem nachfolgenden Jahr haben sie einen solchen Steuerklassenwechsel nicht vorgenommen, so dass nicht geprüft zu werden braucht, inwieweit eine spätere Änderung für die Arbeitslosengeldberechnung nach § 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III rückwirkende Kraft entfalten kann. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass dies wohl auch schwerlich möglich gewesen wäre, weil der Kläger zwischenzeitlich wieder als Selbständiger tätig war.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so gestellt werden zu müssen, wie er stehen würde, wenn er den Steuerklassenwechsel vorgenommen hätte. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegen nicht vor. Es fehlt schon an der zulässigen Amtshandlung, die den durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretenen Nachteil wieder beseitigen kann. Der Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass in Fällen, in denen kein Steuerklassenwechsel vorgenommen worden ist, nur die eingetragene Steuerklasse berücksichtigt werden kann. Eine Berücksichtigung einer anderen als der im Steuerrecht maßgeblichen Steuerklasse würde sich außerhalb einer durch das Gesetz vorgesehenen zulässigen und rechtmäßigen Amtshandlung bewegen (vgl. ausführlich Grundsatzurteil des BSG vom 1. April 2004 – B 7 AL 52/03 R – zitiert nach juris). Das Gesetz sieht und sah lediglich die Möglichkeit vor, einen vollzogenen Steuerklassenwechsel bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht zu berücksichtigen, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen. Die Vorschriften für den Wechsel der Steuerklassen nach § 133 Abs. 3 SGB III und der differenzierten Rechtsprechung, wann ein Wechsel der Steuerklasse im laufenden Jahr bei der Arbeitslosengeldbemessung relevant ist und wann nicht, kann nicht auf die Korrektur einer Steuerklasse zu Beginn des Jahres bezogen werden. Hier geht es darum, dass bei der Ehefrau des Klägers die Steuerklasse III schon zu Beginn des Jahres 2007 eingetragen war und dazu nur die Steuerklasse V bei dem Kläger korrespondiert. Der Rückgriff auf frühere Steuerklassen aus anderen Steuerjahren wäre systemfremd.

Danach hat die Beklagte zutreffend die Abzüge nach der Steuerklasse III vorgenommen. Die Abzüge sind insgesamt rechnerisch richtig berücksichtigt. Es ergibt sich ein Leistungsbetrag in Höhe von 42,12 EUR täglich.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Die zugrundeliegende Rechtsfrage hat nach der Auffassung des Senates grundsätzliche Bedeutung und die zitierte Rechtsprechung des BSG bezieht sich auf die Vorgängervorschrift im AFG.
Rechtskraft
Aus
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