L 20 AS 578/13 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 138 AS 3397/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 578/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2013 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 09. Januar 2013 zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 09. Januar 2013 angeordnet. Dabei hat das Sozialgericht zunächst zutreffend über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 09. Januar 2013 entschieden, da grundsätzlich die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, auch wenn bereits – wie hier - ein Widerspruchsbescheid ergangen und Anfechtungsklage erhoben worden ist. Einer Umstellung des Antrages bedurfte es insoweit nicht. Eine Klarstellung im Tenor ist jedoch unschädlich.

Der vorliegende Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 09. Januar 2013 hat keine aufschiebende Wirkung; der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Antrag jedoch unbegründet. Die vom Sozialgericht für eine Anordnung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zutreffend angeführten Voraussetzungen, auf die der Senat verweist, liegen hier nicht vor. Zutreffend führt das Sozialgericht an, dass in den Fällen, in denen kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung eine Widerspruchs nicht eintritt, hiervon durch nachträgliche gerichtliche Anordnung nur abgewichen werden kann, wenn dies ausnahmsweise durch gewichtige Argumente zu begründen ist ( in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b, Rn. 12c). Eine Anordnung kommt dann in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung bestehen und diese im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben wird. In einem solchen Fall fehlt es an dem vom Gesetzgeber beim Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unterstellten vorrangigen Vollzugsinteresse der Verwaltung.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es bestehen jedenfalls nicht solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 09. Januar 2013, die hier ausnahmsweise eine Abkehr von dem gesetzlichen Regelfall der sofortigen Vollziehbarkeit der Verwaltungsentscheidung rechtfertigen.

Der Bescheid ist insbesondere nicht wegen mangelnder Bestimmtheit formell rechtswidrig. Nach § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Das Erfordernis der Bestimmtheit bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes. Mehrere Personen als Adressaten eines Verwaltungsaktes müssen einzeln aufgezählt werden. Aus dem Verfügungssatz muss sich unzweifelhaft ergeben, was die Behörde will und von wem sie es will ( in von Wulffen, SGB X, Kommentar, 7. Auflage 2010, § 33 Rn. 6). Die Bestimmtheit bezieht sich nicht auf die Begründung. Vorliegend ist der Bescheid vom 09. Januar 2013 hinsichtlich der Verfügung eindeutig – nicht nur hinreichend – bestimmt. Allein aus dem Verfügungssatz " wird für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 30. April 2013 (Minderungszeitraum) ein vollständiger Wegfall Ihres Arbeitslosengeldes festgestellt" ist die von dem Antragsgegner getroffene Regelung für den Antragsteller eindeutig und zweifelsfrei zu erkennen. Soweit der Antragsgegner diese Regelung mit der Formulierung einleitet " da Sie wiederholt Ihren Pflichten nicht nachgekommen sind (vorangegangene Pflichtverletzung am 19. August 2012)", handelt es sich damit um einen Teil der Begründung der nachfolgenden Regelung. Dies ist formell unschädlich; die vorangestellte "Kurzbegründung" führt hier auch nicht etwa dazu, dass die getroffene Regelung "Feststellung eines vollständigen Wegfalls des Arbeitslosengeldes" für den bezeichneten Zeitraum nicht mehr bestimmt ist. Hinsichtlich der Anforderung an die Bestimmtheit nach § 33 SGB X kommt es – was offenbar das Sozialgericht meint – auf eine nicht zutreffende oder schwer verständliche Begründung nicht an. Zwar kann eine Unbestimmtheit dann vorliegen, wenn sich aus dem Verwaltungsakt nicht der zugrunde gelegte Sachverhalt und die getroffene Rechtsfolge ergeben (Engelmann, aaO., Rn. 8). Unbestimmtheit in diesem Sinne ist jedoch nur dann gegeben, wenn der Verwaltungsakt nicht erkennen lässt, welcher Sachverhalt geregelt werden sollte (Engelmann, aaO). Hier war für den Antragsteller eindeutig die sanktionierende Regelung und der Zeitraum erkennbar, der Verfügungssatz war vollständig und klar und es war unzweideutig zu erkennen, was der Antragsgegner regeln wollte (vgl. BSG, Urt. v. 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R, juris, Rn. 18).

Der Senat hat auch keine im Rahmen des Antragsverfahrens nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu beachtenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung. Der Antragsgegner stützt die getroffene Regelung rechtmäßig auf § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Nach § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II entfällt bei einer wiederholten Pflichtverletzung im Sinne des § 31 SGB II, nachdem zuvor bereits nach einer wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II eine Minderung des Anspruchs um 60 v.H. eingetreten war, der Anspruch auf Arbeitslosengeld II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a SGB II liegt dabei nur dann vor, wenn eine Pflichtverletzung bereits festgestellt wurde (§ 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II).

Diese Voraussetzungen sind hier nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchzuführenden Prüfung gegeben.

Der Antragsteller hat trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen und in Kenntnis der Rechtsfolgen sich geweigert, die ihn aus dem Verwaltungsakt zur Festlegung der Eingliederungspflichten vom 20. August 2012 treffenden Pflichten zu erfüllen, nämlich je Zeitmonat in dem Zeitraum vom 22. August 2012 bis 15. Februar 2013 jeweils 4 Bewerbungsbemühungen dem Antragsgegner nachzuweisen. Dass der Antragsgegner keinerlei Bewerbungsbemühungen unternommen bzw. nachgewiesen hat, wird von dem Antragsteller dabei nicht in Abrede gestellt, so dass die Pflichtverletzung unbestritten vorliegt. Die Verpflichtung ist auch ihm gegenüber durch Bekanntgabe des Bescheides vom 20. August 2012 (der Antragsteller hat diesen Bescheid selbst über seinen Prozessbevollmächtigten zur Gerichtsakte gereicht) wirksam geworden. Dass der Antragsteller den Umschlag mit dem Bescheid nicht geöffnet haben will, ist insoweit für die Begründung der Verpflichtungen unschädlich.

Der Antragsteller hatte auch Kenntnis von den Folgen der Pflichtverletzungen, denn er war bereits zuvor in nicht zu beanstandender Weise ausführlich von dem Antragsgegner über die Folgen bei Pflichtverletzungen entsprechend der Regelungen des § 31a SGB II schriftlich durch die von ihm mit dem Antragsgegner abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarungen vom 30. Januar 2012 und 7. Mai 2012 belehrt worden. Auch mit dem Bescheid vom 20. August 2012 ist der Kläger ausführlich und zutreffend über die Rechtsfolgen bei Verletzung der auferlegten Pflichten belehrt worden. Die dem Antragsteller erteilten Belehrungen haben nicht nur die gesetzlichen Vorschriften bekannt gemacht. Unter "Wichtige Hinweise" wurden die gesetzlichen Vorschriften vollständig erläutert, der Antragsteller wurde konkret darauf hingewiesen, mit welchen Folgen er bei einer wiederholten Pflichtverletzung rechnen musste. Die Belehrungen standen auch zeitnah im Zusammenhang mit bestehenden Pflichten und bereits verhängten Sanktionen. Sie waren damit vollständig und wirksam (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R. juris, Rn. 24). Soweit er sich geweigert hat, die Pflichten und die Belehrung über die Rechtsfolgen zur Kenntnis zu nehmen, hindert dies nicht den Antragsgegner, die gesetzlich bestimmten Rechtsfolgen umzusetzen. Zu Recht hat der Antragsgegner auch mit dem angefochtenen Bescheid vom 09. Januar 2013 eine vollständige Minderung des Anspruchs festgestellt. Es lag nämlich eine mehrfach wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II vor. Bereits mit bestandskräftigen Bescheid vom 03. September 2012 wurde die Verletzung der Pflicht, selbständige Bemühungen zur Aufnahme einer Arbeit nachzuweisen (Pflicht bereits aus Eingliederungsvereinbarung vom 30. Januar 2012) festgestellt und bereits eine vollständige Minderung des Anspruchs verfügt. Mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 2012, ebenfalls bestandskräftig, war wiederholt die Verletzung der Pflicht, selbstständige Bemühungen zur Arbeit nachzuweisen, festgestellt worden. Mit Bescheid vom 09. Januar 2013 wurde nunmehr diese Pflichtverletzung wiederholt festgestellt, so dass die Voraussetzungen – weiterhin – für eine vollständige Minderung des Anspruchs vorlagen. Soweit der Antragsteller meint, dass die Wiederholung der Feststellung einer Pflichtverletzung sich auf dieselbe Grundlage der Pflicht – hier etwa Pflichten aus dem Bescheid vom 20. August 2012 – beziehen müsste, ist dafür nach dem Gesetz nichts ersichtlich. Hier hat der Antragsteller wiederholt gegen dieselbe Pflicht verstoßen. Damit liegen die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II vor. Einen wichtigen Grund für sein Verhalten nach § 31a Abs. 2 SGB II hat der Antragsteller nicht dargelegt und auch nicht nachgewiesen.

Soweit das Sozialgericht im Übrigen darauf abstellt, dass schon nicht ersichtlich sei, auf welche (wiederholte) Pflichtverletzung mit der Angabe "19.08.2012" Bezug genommen werde, kommt es darauf schon allein deshalb nicht an, weil im Bescheid vom 09. Januar 2013 mit der weiteren Begründung die sanktionierte Pflichtverletzung benannt wird und tatsächlich – wie dargelegt – diese Pflichtverletzung wiederholt zuvor mit Bescheiden festgestellt worden ist. Auch dies war dem Antragsteller bekannt, denn er hat die entsprechenden Bescheide vom 03. September 2012 und 24. Oktober 2012 erhalten.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist er auch ausführlich auf die Folgen der Pflichtverletzung hingewiesen worden. Bereits der Bescheid vom 20. August 2012 enthält – wie bereits dargelegt - eine ausführliche, leicht verständliche Belehrung über die Rechtsfolge, die ihm auch bereits bekannt war. Der Antragsteller ist aber auch mit den Bescheiden vom 03. September 2012 und 24. Oktober 2012 jeweils nochmals über die Rechtsfolgen einer Verletzung von Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung oder aus einem eine solche ersetzenden Bescheid (hier Bescheid vom 20. August 2012) belehrt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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