Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 P 67/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 50/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch nach Einfügung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge ist der Rechtsbehelf der Gegenvorstellung weiterhin grundsätzlich statthaft.
2. Die Gegenvorstellung setzt die schlüssige Darlegung groben prozessualen Unrechts wie eine Verletzung des Willkürverbots oder von Verfahrensgrundrechten voraus.
3. Gegenstand der Gegenvorstellung können nur solche groben Verfahrensverstöße sein, die nicht von der Anhörungsrüge erfasst sind.
4. Zweck der Gegenvorstellung ist nicht die nochmalige Überprüfung der Rechtsanwendung.
Zur streitigen Weitergewährung von Pflegegeldleistungen nach der Pflegestufe I bei Reduzierung des Hilfebedarfs in der Grundpflege.
2. Die Gegenvorstellung setzt die schlüssige Darlegung groben prozessualen Unrechts wie eine Verletzung des Willkürverbots oder von Verfahrensgrundrechten voraus.
3. Gegenstand der Gegenvorstellung können nur solche groben Verfahrensverstöße sein, die nicht von der Anhörungsrüge erfasst sind.
4. Zweck der Gegenvorstellung ist nicht die nochmalige Überprüfung der Rechtsanwendung.
Zur streitigen Weitergewährung von Pflegegeldleistungen nach der Pflegestufe I bei Reduzierung des Hilfebedarfs in der Grundpflege.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 11. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I über den 30. April 2011 hinaus.
Der 1997 geborene Kläger, der bei der Beklagten im Rahmen der Familienversicherung gesetzlich versichert ist und der von seiner Mutter als der gemäß anwaltlicher Erklärung vom 24. Januar 2013 alleinigen gesetzlichen Vertreterin vertreten wird, leidet von Geburt an insbesondere an einer schwergradigen Hämophilie Typ A (sog. Bluterkrankheit) mit medikamentöser täglicher Infusionsbehandlung, an einer leichtergradigen fraglichen mentalen Retardierung und an multiplen Gelenkschädigungen der Extremitätengelenke mit schmerzhafter Funktionseinschränkung wechselnder Intensität. Es besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 100; das Merkzeichen "H" wurde zuerkannt.
Der Kläger bezog mit Bescheid vom 28. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1998 seit Oktober 1997 von der Beklagten Pflegegeld nach der Pflegestufe I, zunächst befristet bis 31. Januar 2000. Dem lag ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern vom 9. Dezember 1997 nach Hausbesuch vom 7. November 1997 zugrunde, das jedoch noch zu dem Ergebnis gelangt war, dass keine Pflegebedürftigkeit bei dem damaligen Kleinkind vorlag. Die Klage vom 8. Juni 1998 beim Sozialgericht Würzburg, die auf die Anerkennung einer höheren Pflegestufe als die Pflegestufe I gerichtet war (Az.: ), nahm der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 27. März 2001 zurück.
In einem Gutachten zur Nachuntersuchung vom 9. Juli 2001 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die Pflegestufe I seit Oktober 1997 bei Hämophilie und Sprachentwicklungsstörungen vorliege. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 180 Minuten (Körperpflege 80 Minuten, Ernährung 40 Minuten, Mobilität 60 Minuten), in der Hauswirtschaft 45 Minuten. Der altersbedingte Mehrbedarf des Klägers gegenüber einem gleichaltrigen Kind betrage ab dem 4. Lebensjahr 45 Minuten. Mit Schreiben vom 12. Juli 2001 gewährte die Beklagte weiter Leistungen nach der Pflegestufe I.
Eine weitere Nachuntersuchung durch den MDK erfolgte am 12. Juni 2003. Der Zeitbedarf für die Grundpflege wurde auf 120 Minuten (Körperpflege 50 Minuten, Ernährung 30 Minuten, Mobilität 40 Minuten), für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 30 Minuten eingeschätzt. Der altersbedingte Mehrbedarf betrage nur 15 Minuten täglich. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2003 die Leistungen mit Ablauf des Monats Juli 2003 ein. Der MDK kam in einem Widerspruchsgutachten vom 6. November 2003 erneut zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr gegeben seien. So betrage der Hilfebedarf in der Grundpflege zwar noch 115 Minuten (Körperpflege 55 Minuten, Ernährung 25 Minuten, Mobilität 35 Minuten), für Hauswirtschaft jedoch nur 30 Minuten. Nach Gesamtabzug der altersphysiologischen Hilfen verbleibe nur ein Mehrbedarf in der Grundpflege gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind von 30 Minuten. In einem weiteren Gutachten vom 21. Januar 2004 schätzte der MDK den Grundpflegebedarf auf 143 Minuten (Körperpflege 72 Minuten, Ernährung 25 Minuten, Mobilität 46 Minuten), in der Hauswirtschaft auf 45 Minuten. Der Mehrbedarf belaufe sich auf 53 Minuten. Aufgrund erheblicher Verhaltensauffälligkeiten sei ein Mehrbedarf nach der Pflegestufe I nachvollziehbar.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2004 nahm die Beklagte die Leistungsgewährung rückwirkend ab August 2003 wieder auf.
Die Pflegestufe I wurde bestätigt durch Gutachten des MDK vom 30. Januar 2007 nach Hausbesuch. Als pflegebegründende Diagnose wurde eine Hämophilie bei Faktor VIII Mangel sowie Verhaltensauffälligkeiten und mentale Entwicklungsstörungen mit expressiver Sprachstörung beschrieben. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrage insgesamt 63 Minuten (Körperpflege 32 Minuten, Ernährung 12 Minuten, Mobilität 19 Minuten), für die hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Im Vergleich zum Vorgutachten hätten sich keine wesentlichen Veränderungen des Hilfebedarfs ergeben. Die weitere Entwicklung bleibe abzuwarten. Empfohlen wurde eine Folgebegutachtung im Januar 2011. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 teilte die Beklagte mit, dass die Leistungen in bisherigem Umfang zur Verfügung gestellt werden.
Der MDK kam in dem Gutachten vom 2. März 2011 nach Hausbesuch zu dem Ergebnis, dass der Zeitaufwand für die Grundpflege auf 27 Minuten gesunken sei (Körperpflege 21 Minuten, Ernährung 3 Minuten, Mobilität 3 Minuten). Der Kläger sei nun altersbedingt in der Lage, seine Pflege in der Regel selbst durchzuführen. Außergewöhnliche Situationen seien ab akuten Einblutungen und nur für einige Tage, maximal Wochen, mit erhöhter Pflege nachvollziehbar bzw. bei geringerer Mobilität werde er im Rollstuhl gefahren. Es entfielen die Hilfestellungen zur Teilwäsche Unterkörper, Hände/Gesicht und bei der Zahnpflege und Kämmen; die Nahrungsaufnahme erfolge selbstständig, ebenso die Toilettengänge. Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu Arztbesuchen entfielen; die intravenöse Medikamentengabe werde von der Mutter übernommen, die hierzu angelernt worden sei. Die Alltagskompetenz sei - anders noch als bei der Begutachtung im Jahre 2007 - nicht eingeschränkt.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2011 die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I mit dem 30. April 2011 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ein und hob den Bescheid vom 28. Mai 1998 auf.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte ein Gutachten des MDK vom 19. April 2011 nach Aktenlage ein, das die Einstufung in dem Vorgutachten bestätigte. Insbesondere sei keine tägliche Hilfe bei der Grundpflege nötig, sondern nur phasenbedingt. Die tägliche Gabe der Medikation sei der Behandlungspflege zuzuordnen. Therapeutische Maßnahmen könnten nur als vertragsärztlich verordnete Therapien mit regelmäßigem Besuch einer Krankengymnastikpraxis berücksichtigt werden. Ein ständiges Hineinheben in die Badewanne sowie eine Reinigung nach Stuhlgang seien aufgrund der vorhandenen Ressourcen nicht nachvollziehbar.
In einem weiteren Gutachten des MDK vom 1. August 2011 nach Hausbesuch verneinte der Gutachter einen Hilfebedarf in der Grundpflege. Es würden nur mehr Hilfen benötigt, die nicht bei den gesetzlich definierten Verrichtungen anfielen. Ein zeitlicher Aufwand sei für Behandlungspflege gegeben. Die vom Kläger bzw. der Mutter angegebenen Zeiten stünden nicht im Einklang mit den erhobenen Ressourcen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Würzburg hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers weiterhin Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I begehrt. Die Erbkrankheit habe sich sehr stark verschlechtert. Der Kläger dürfe nicht mehr laufen und bewege sich seit April im Rollstuhl fort. Er müsse täglich in die Schule gebracht und abgeholt werden. Das Pflegegeld sei für seine Nachhilfe eingesetzt worden, weil er oft in der Schule fehle. Sie hat im Januar 2012 ein "Pflegetagebuch" (ohne Zeitangaben zu den einzelnen Verrichtungen) vorgelegt, in dem der Tagesablauf geschildert wird.
Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte beigezogen und aktuelle Befundberichte u.a. des Hausarztes Dr. B. und des Klinikums der J.W.G.-Universität F. vom 6. März 2012 eingeholt. Danach werde konsequent eine Dauersubstitutionstherapie durchgeführt, die nur mit einem entsprechenden Pflegeaufwand durch die Mutter gewährleistet sei. Aufgrund der chronischen Synovitis im Bereich des linken Kniegelenkes und auftretender Blutungsereignisse sei der Kläger außerdem erheblich in seinem Alltagsleben eingeschränkt und auf die Hilfe im Rahmen seiner Grundversorgung durch seine Mutter angewiesen.
Das Sozialgericht hat den Arzt für Innere Medizin Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach dem Gutachten vom 20. April 2012 besteht bei dem Kläger eine schwergradige Hämophilie A mit medikamentöser täglicher Infusionsbehandlung durch das Medikament FEIBA, eine leichtgradige fragliche mentale Retardierung, multiple Gelenkschädigungen der Extremitätengelenke mit schmerzhafter Funktionseinschränkung wechselnder Intensität, vermehrt bei akuten Gelenkeinblutungen (etwa alle drei Monate) sowie eine endgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke und der Kniegelenke durch blutungsbedingte Schädigung, ferner eine zeitweise Melena bei rezidivierenden Darmblutungen und eine ausgeprägte allgemeine Körperschwäche mit Einschränkung der groben Kraft der Hände bei körperlicher Inaktivität. Seit Januar 2007 sei eine allmähliche Besserung im Sinne einer guten körperlichen und geistig-seelischen Entwicklung eingetreten. Eine Absenkung des Hilfebedarfs auf unter die Voraussetzungen der Pflegestufe I sei wahrscheinlich schon weit vor März 2011 eingetreten, eventuell bereits - bei der Annahme einer gleichmäßigen Absenkung - vor zwei Jahren. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei deshalb bereits im Januar 2011 die Pflegestufe I nicht mehr gegeben gewesen. Derzeit betrage der Hilfebedarf in der Grundpflege 29 Minuten (Körperpflege 17 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 8 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Die Alltagskompetenz sei nicht erheblich eingeschränkt.
Die Mutter des Klägers hat Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht. Die Pflegezeit sei zu kurz bemessen. Sie hat hierzu eine Verordnung von sechs Krankengymnastikeinheiten vom 3. Mai 2012 vorgelegt. Es fehlten im Gutachten Zeiten für die Krankengymnastik des Klägers sowie für Besuche im Universitätsklinikum F., die allerdings nicht wöchentlich stattfänden. Sie beantragte Prozesskostenhilfe für einen Sachverständigen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Sozialgericht hat hierzu am 11. Mai 2012 ausgeführt, dass Prozesskostenhilfe für ein Gutachten nach § 109 SGG gesetzlich ausgeschlossen sind.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2012 abgewiesen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X liege seit dem Erlass des Bescheides vom 28. Mai 1998 unter Berücksichtigung der MDK-Gutachten erkennbar in der im Jahre 2011 festgestellten Verringerung des Hilfebedarfs. Das Sozialgericht hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. S. gestützt. Insbesondere seien nach der Rechtsprechung Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu einem Arztbesuch oder zur Krankengymnastik nicht anzuerkennen, da diese nur gelegentlich bzw. nicht wöchentlich erfolgten. Die Einschätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch Dr. S. sei unter Berücksichtigung der maßgebenden Begutachtungsrichtlinien als Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung vorgenommen. Die hilfsweise beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG sei nach § 73 a Abs. 3 SGG ausgeschlossen.
Mit der Berufung hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers vorgebracht, dass der Kläger pflegebedürftig sei und das Recht habe, solange er Schüler ist und die Schule besucht, in der Pflegestufe I zu sein. Krankengymnastik sei nur möglich, wenn er keine Blutungen habe. Derzeit habe er wieder starke Blutungen und Schmerzen, die Krankheit habe sich verschlechtert. Der im Berufungsverfahren zunächst beauftragte Prozessbevollmächtigte hat Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. S. vorgebracht. Das Gutachten gehe zum Teil von falschen Voraussetzungen aus und berücksichtige die Nebenwirkungen des Medikamentes FEIBA wie Kopfschmerzen, Erbrechung und Übelkeit, allgemeines Unwohlsein mit Aggressivität sowie Hitzegefühl nicht ausreichend. Auf den Beipackzettel wurde verwiesen. Der Kläger leide unter Stimmungsschwankungen und neige zu Angstzuständen und Aggressivität. Er benötige ferner Unterstützung bei dem nächtlichen Toilettengang. In Folge häufiger Übelkeit und Erbrechens bestehe erhöhter Bedarf betreffend des Kleidungswechsels. Da das Medikament FEIBA ein erhöhtes Hitzegefühl auslöse, müsse er täglich im Wechsel gebadet oder geduscht werden. Die Krankengymnastik sei verrichtungsbezogen und müsse notwendig im Rahmen der Grundpflege durchgeführt werden, damit die Versteifung und Gelenkigkeit der Beine entgegengewirkt werde. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte zu den einzelnen Verrichtungen Stellung genommen. Der Zeitbedarf in der Grundpflege betrage insgesamt weit mehr als 45 Minuten. Er hat eine Heilmittelverordnung vom 12. November 2012 sowie ein Attest vom 10. Dezember 2012 des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin PD Dr. K. vorgelegt. Schäden durch Blutungen sowie eine langsame Progredienz der Erkrankung konnten danach nicht verhindert werden. Eine Begutachtung durch PD Dr. K. ist angeregt worden.
Mit Schreiben vom 7. November 2012 hat der Senat eine Frist zur Stellung eines Antrags nach § 109 SGG bis 10. Dezember 2012 gesetzt. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Einholung eines Gutachtens nach § 103 SGG durch PD Dr. K. angeregt und zugleich mitgeteilt, dass ein Kostenvorschuss im Sinne von § 109 SGG nicht aufgebracht werden könne. Der Bitte auf Kostenübernahme einer Begutachtung durch PD Dr. K. nach § 109 SGG bzw. auf Absehen von einem Kostenvorschuss ist der Senat mit Schreiben vom 8. Januar 2013 nicht nachgekommen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2012 ausgeführt, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber dem "Bescheid vom 01.02.2007" eingetreten sei, insbesondere durch eine Verbesserung der Alltagskompetenz des Klägers; Beaufsichtigungen oder Teilübernahmen z.B. beim Waschen des Unterkörpers, der Hände und des Gesichts, bei der Zahnpflege und beim Kämmen, beim Stuhlgang und beim Richten der Bekleidung seien eingeschränkt bzw. überflüssig geworden. Das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei im Jahre 2007 noch dreimal wöchentlich erfolgt, nunmehr laut Auskunft der Hausärztin vom 28. Januar 2012 für Arztbesuche nur mehr seltener als einmal wöchentlich. Eine Pflegebedarf infolge Erbrechen und Übelkeit, Stimmungsschwankungen und Aggressivität seien im Pflegetagebuch und auch gegenüber allen Gutachtern nie erwähnt worden. Schwindel und Übelkeit sei von Dr. S. berücksichtigt worden - allerdings ohne einen daraus resultierenden Hilfebedarf, da diese Attacken nur etwa alle zwei Wochen aufträten. Für das Baden sei ein Hilfebedarf von täglich 16 Minuten berücksichtigt worden; ein Hilfebedarf von 20 Minuten für Hilfe bei der Vor- und Nachbereitung sei nicht plausibel. Die Zeit für die von der Pflegeperson durchgeführte Krankengymnastik könne nicht berücksichtigt werden, da kein ausreichend enger Zusammenhang mit Verrichtungen der Grundpflege bestehe. Das Zähneputzen erfolge nach dem Gutachten des MDK selbstständig. Ein Hilfebedarf von fünfmal täglich beim mundgerechten Zubereiten von Nahrung von mehr als zwei Minuten pro Verrichtung sei nicht plausibel. Ein Hilfebedarf beim Aufstehen sei berücksichtigt worden; ein höherer zeitlicher Hilfebedarf sei nicht plausibel. Ein höherer Hilfebedarf beim An- und Auskleiden als von Dr. S. bezüglich des Unterkörpers und insbesondere der Schuhe sei nicht zu vertreten. Der Rollstuhl könne selbstständig genutzt werden, so dass ein Hilfebedarf beim Gehen nicht ersichtlich sei. Treppen oder Schwellen seien in der Wohnung nicht zu überwinden.
Der Senat hat einen aktuellen Befundbericht der seit 1997 behandelnden Allgemeinärzte Dr. B./Dr. C. vom 8. August 2012 eingeholt, nach dem die Befunde gleichbleibend sind.
Mit Beschluss vom 16. November 2012 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Gegenvorstellung hat der Senat mit Beschluss vom 20. März 2013 als unzulässig verworfen.
Die gesetzliche Vertreterin hat zuletzt noch ein Attest des PD Dr. K. vom 22. März 2013 vorgelegt, der die Krankheitsgeschichte des Klägers nochmals zusammenfasst. Eine langsame Progredienz habe nicht verhindert werden können. Er könne aufgrund seiner Grunderkrankung und der Entwicklung von Folgeschäden (Gelenkschäden) nur leichte körperliche Arbeiten durchführen. Der Ausbildungswunsch zum Altenpflege werde unterstützt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 10. April 2013 das Mandat niedergelegt, weshalb der Senat den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013 vertagt hat. Einem Vergleichsvorschlag der Klägerin hat die Beklagte nicht zugestimmt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 11. Juni 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers bzw. der gesetzlichen Vertreterin entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Die in dem Verfahren auftretende A. ist die Mutter des noch minderjährigen Klägers und mit anwaltlicher Erklärung vom 24. Januar 2013 die alleinige gesetzliche Vertreterin des Klägers.
Das Klageziel des Klägers, Leistungen der Pflegestufe I über den 30. April 2011 hinaus zu erhalten, kann bereits durch Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2011 erreicht werden. Zulässige Klageart ist deshalb allein die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG.
Die Pflegegeldgewährung nach der Pflegestufe I erfolgte vorliegend unbefristet. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung. Mit Bescheid vom 28. Mai 1998, einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, gewährte die Beklagte unbefristet ab Oktober 1997 Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 bestätigte die Beklagte diese Feststellung. Da dieses Schreiben einen eigenständigen Regelungsgehalt, nämlich die Weiterzahlung der monatlichen Pflegegeldleistungen nach erfolgter Nachbegutachtung, enthält, liegt auch hierin ein Verwaltungsakt im Sinne der §§ 31 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vor.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid hob die Beklagte ausdrücklich den Bescheid vom 28. Mai 1998 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X auf. Eine Aufhebung insbesondere des Bescheides vom 1. Februar 2007 erfolgte nicht. Zwar ist die Aufhebung dieser Bescheide notwendiger Inhalt des Aufhebungsbescheides, doch muss dies nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich auch aus der Auslegung des Inhalts des Bescheides ergeben (vgl. auch KassKomm-Steinwedel, § 48 SGB X Rdnr. 21). Es reicht, dass der Wille erkennbar wird, die im ursprünglichen Verwaltungsakt getroffene Regelung aufzuheben (BSGE 72, 1, 2 ?f; BSG SozR 4?-?1300 § 48 Nr. 6). Dies erfolgt vorliegend auch in Bezug auf den Bescheid vom 1. Februar 2007 durch den Bescheid vom 25. März 2011, in dem die Beklagte auf ihr Anhörungsschreiben verweist und auf die dort angekündigte Aufhebung des bisherigen Leistungsbescheides vom 28. Mai 1998 Bezug nimmt. Inhaltlich ergibt sich aus dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid, dass eine Aufhebung der Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I zum 30. April 2010 gewollt war und damit die Wirkung der vorangegangenen Bescheide aufgehoben werden sollte. Es wurde auch deutlich, dass die Aufhebung wegen nachträglich eingetretener Änderungen erfolgt: Die Beklagte stellt zur Begründung darauf ab, dass "die Voraussetzungen für die Einstufung in eine der drei Pflegestufen nicht mehr" (Bescheid vom 25. März 2011) vorlägen. Anders als in dem vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Verfahren (Urteil v. 05.03.2010, Az.: L 4 P 4773/08) ist der Beklagten gewusst gewesen, dass sie wegen nachträglicher Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen die bescheidmäßig erteilte Gewährung von Pflegegeld aufhebt. Dies wurde auch dem Kläger bzw. dessen gesetzlicher Vertreterin als Adressat der streitgegenständlichen Bescheide ausreichend deutlich.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der hierin aufgeführte Katalog der Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen. Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI), unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zu verstehen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung;
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung;
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt vor; nach den Feststellungen aller Sachverständigen sind zumindest seit Mai 2011 die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr gegeben. Zutreffend hat das Sozialgericht hierbei auf die Gutachten des MDK sowie des Dr. S. verwiesen, der den zeitlichen Hilfebedarf in der Grundpflege auf lediglich 29 Minuten täglich einschätzte. Der Sachverständige weist gegenüber dem noch im Jahr 2007 festgestellten Hilfebedarf von 63 Minuten auf eine wesentliche Reduzierung des Hilfebedarfs durch eine Verbesserung der Alltagskompetenz hin, die die Beaufsichtigungen oder Teilübernahmen in mehreren Bereichen einschränkt bzw. überflüssig macht. Zwar hat sich die im Vordergrund stehende Bluterkrankheit nicht wesentlich geändert; im Laufe der Jahre traten immer wieder Blutungen, insbesondere auch Gelenkblutungen auf. Es handelt sich aber stets nur um zeitweilige Verschlechterungen des Gesundheitszustandes bei akuten Blutungsereignissen und nicht um eine fortdauernde Erhöhung des pflegerischen Hilfebedarfs. Seit 1998 bzw. 2007 liegen günstige Aspekte einer normalen bzw. guten körperlichen und geistigen Entwicklung vor, die zu einer Reduzierung des Hilfebedarfs geführt haben.
Ausdrücklich schließt sich der Senat der Auffassung des Sachverständigen Dr. S. an, dass die Beurteilung des zeitlichen Grundpflegebedarfs durch den MDK im Juli/August 2011 mit 0 Minuten nicht zutreffend ist. Beim Kläger liegen gravierende Krankheitsereignisse vor, die sich durch aktuelle Blutungen äußern, aber Auswirkungen von mehr als einem halben Jahren zeigen. Auch in den Zeiten zwischen den akuten Blutungen besteht noch ein zeitlicher Hilfebedarf in der Grundpflege, wenn auch in deutlich reduziertem Umfang. Bereits die Blutungsneigung bedingt eine wesentliche Einschränkung der körperlichen Aktivitäten sowie eine erhebliche allgemeine Körperschwäche. Ferner sind wegen Verletzungsgefahren bei mehreren Verrichtungen Beaufsichtigungen mit der Notwendigkeit des sofortigen Eingreifens erforderlich. Diese Gesichtspunkte berücksichtigte der Sachverständige Dr. S ...
Während der MDK in dem Gutachten vom 30. Januar 2007 noch darlegte, dass im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahre 2004 keine wesentliche Änderung eingetreten ist, ergibt sich im Einzelnen bei einem Vergleich der Gutachten zwischen 2007 und 2012 (ausgenommen das Gutachten des MDK vom 1. August 2011) deutlich die zeitliche Reduzierung des Hilfebedarfs vor allem durch Wegfall von Übernahme bzw. Unterstützung bei einzelnen Verrichtungen. Beaufsichtigungen oder Teilübernahmen sind z.B. beim Waschen des Unterkörpers, der Hände und des Gesichts, bei der Zahnpflege und beim Kämmen, beim Stuhlgang und beim Richten der Bekleidung überflüssig bzw. nur mehr zeitlich eingeschränkt notwendig geworden. Der Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege sank somit von 32 Minuten auf 17 Minuten im Tagesdurchschnitt: Berücksichtigungsfähig sind nur mehr ein Hilfebedarf von 16 Minuten für das tägliche Baden und von einer Minute für die Zahnpflege. Beim Baden betrifft der Hilfebedarf nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen eine Unterstützung und Beaufsichtigung wegen hoher Unfallgefahr; ein vom Kläger vorgebrachter Hilfebedarf von 40 Minuten bei zweimaliger täglicher Reinigung ist nicht plausibel. Unterstützung bei der Zahnpflege hat Dr. S. mit einer Minute täglich berücksichtigt. Erforderlich ist hierbei nach dem Gutachten nur ein Zureichen der notwendigen Utensilien. Ein Hilfebedarf beim Kämmen, Stuhlgang und Wasserlassen ist nach allen Gutachten nicht erforderlich.
Im Bereich der Ernährung sind statt 12 Minuten nur mehr vier Minuten für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung anzusetzen. Dieser zeitliche Hilfebedarf erscheint ausreichend. Hilfe hat hier nur in einer Teilübernahme zu erfolgen. Notwendig ist wegen der Verletzungsgefahr das Zuschneiden der Nahrung, dreimal täglich.
Aufgrund der körperlichen Schwäche und Unsicherheiten besteht im Bereich der Mobilität noch ein Hilfebedarf von sieben Minuten (statt 19 Minuten im Jahre 2007) täglich. Zutreffend wendet der Kläger ein, dass im Bereich der Mobilität Hilfe beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen benötigt wird. Dr. S. setzte wegen der bestehenden Körperschwäche mit deutlicher Unsicherheit einen zeitlichen Hilfebedarf von einer Minute an, ohne dies bei der Gesamtberechnung zu berücksichtigen. Ein Bedarf von zwei Minuten je Vorgang, wie vom Kläger geltend gemacht, erscheint allerdings zumindest grenzwertig. Ein Hilfebedarf von fünf bis sechs Minuten beim An- und Ausziehen pro Vorgang statt vier Minuten wie von Dr. S. angenommen erscheint nicht gerechtfertigt und würde sogar den 2007 festgestellten Hilfebedarf übersteigen. Dr. S. beschreibt den Hilfebedarf nur für den Bereich des distalen Unterkörpers, insbesondere bezüglich des An- und Ausziehens der Schuhe.
Hinsichtlich des Gehens ist eine inzwischen eingetretene weitgehende Rollstuhlpflichtigkeit, vor allem bei Gelenkeinblutungen, zu beachten. Ein Hilfebedarf erscheint - entgegen dem Gutachten des MDK und des Dr. S. - vertretbar. Eine Unterstützung von 20 Minuten täglich ist jedoch bei Weitem überzogen. Insbesondere ist innerhalb der Wohnung auch keine Hilfe beim Rollstuhlfahren notwendig, da die Wohnung keine Treppen und Schwellen hat.
Hilfe beim Treppensteigen kommt nur im Hinblick auf das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung in Betracht, da sich die Wohnung im 3. OG in einem Haus ohne Lift befindet. Hierfür hat der gerichtliche Sachverständige einen Hilfebedarf angesetzt. Eine Reduzierung gegenüber dem Jahre 2007 fand im Bereich Mobilität vor allem bezüglich des Verlassens der Wohnung für Arztbesuche oder zur Therapie statt. Nach den Angaben der Hausärzte vom 28. Januar 2012 erfolgten die Besuche ab Juli 2007 bei Weitem nicht regelmäßig nach § 14 Abs. 1 und 4 SGB XI im Sinne von einmal pro Woche (hierzu: Udsching, SGB XI - Soziale Pflegeversicherung, 3. Aufl. 2010, § 14 Rdnr. 24). Dennoch berücksichtige Dr. S. hierfür im Tagesdurchschnitt zwei Minuten (statt 10 Minuten im Jahre 2007) unter Einbezug einer Untersuchung in der Gerinnungsspezialambulanz der Universität F. alle drei Monate. Die Hausarztpraxis befindet sich in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Klägers.
Neu im Berufungsverfahren vorgetragen, jedoch nicht belegt, ist eine Pflegebedarf infolge Erbrechen, Stimmungsschwankungen und Aggressivität. Dies ist weder in dem Pflegetagebuch noch gegenüber allen Gutachtern erwähnt worden. Allerdings sind Schwindel und Übelkeit von Dr. S. berücksichtigt worden - die allerdings nur in Attacken alle zwei Wochen für einen Tag und somit nicht regelmäßig im Sinne des § 14 Abs. 1, 4 SGB XI auftreten ohne daraus resultierendem besonders anrechenbarem Hilfebedarf.
Die Zeit für die von der Pflegeperson durchgeführte Krankengymnastik kann nicht berücksichtigt werden, da kein ausreichend enger Zusammenhang mit Verrichtungen der Grundpflege besteht.
Im Übrigen haben sich alle Gutachter nach den Pflege-Begutachtungsrichtlinien, die als Orientierungswerte dienen, gerichtet.
Insgesamt hält der Senat das Gutachten des Dr. S. für sachlich zutreffend und überzeugend, ergänzt durch einen geringfügig erhöhten zeitlichen Hilfebedarf von 1 bis 2 Minuten für Hilfen beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen sowie von einigen Minuten für das Gehen. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I liegen daher nicht mehr vor; wie Dr. S. ausführte gilt dies jedenfalls für die Zeit ab Mai 2011. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist belegt.
Soweit die Mutter des Klägers vorbringt, dass sich der Gesundheitszustand in der Zwischenzeit wesentlich geändert habe, wird dies durch den vom Senat eingeholten Befundbericht der Dres. B./C. vom 8. August 2012 nicht bestätigt. Danach sind die Befunde gleichbleibend. Auch berücksichtigte Dr. S. ausdrücklich die tägliche Infusionsbehandlung mit dem Medikament FEIBA. Unbeachtlich sind die grundsätzlich im Beipackzettel benannten möglichen Nebenwirkungen. Abzustellen ist allein auf die den Kläger betreffenden Gesundheitsbeeinträchtigungen bzw. der notwendige konkrete Hilfebedarf in der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung.
Schließlich ergibt sich auch aus dem zuletzt vorgelegten ärztlichen Attest des PD Dr. K. nicht, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I weiter gegeben sind. Unstreitig sind das Bestehen der Erbkrankheit sowie deren progredienter Verlauf beim Kläger. Bei der Erstuntersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz vom 19. März 2013 lag jedoch keine akute Erkrankung oder Blutung vor. Der Arzt bescheinigte, dass der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann und unterstützte eine Ausbildung zum Altenpfleger, die von diesem angestrebt wird. Auch hieraus wird deutlich, dass der Kläger in zunehmendem Alter immer selbstständiger wurde, so dass der Hilfebedarf vor allem in der Grundpflege abgenommen hat.
Ein Gutachten durch PD Dr. K. nach § 109 SGG war nicht einzuholen. Mit Schreiben vom 8. Januar 2013 hat der Senat hierzu bereits hingewiesen, dass im Hinblick auf die Gutachtenslage, nach der die Voraussetzungen der Pflegestufe I bei Weitem nicht vorliegen, ein Absehen von einem Kostenvorschuss nach § 109 SGG nicht erfolgen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I über den 30. April 2011 hinaus.
Der 1997 geborene Kläger, der bei der Beklagten im Rahmen der Familienversicherung gesetzlich versichert ist und der von seiner Mutter als der gemäß anwaltlicher Erklärung vom 24. Januar 2013 alleinigen gesetzlichen Vertreterin vertreten wird, leidet von Geburt an insbesondere an einer schwergradigen Hämophilie Typ A (sog. Bluterkrankheit) mit medikamentöser täglicher Infusionsbehandlung, an einer leichtergradigen fraglichen mentalen Retardierung und an multiplen Gelenkschädigungen der Extremitätengelenke mit schmerzhafter Funktionseinschränkung wechselnder Intensität. Es besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 100; das Merkzeichen "H" wurde zuerkannt.
Der Kläger bezog mit Bescheid vom 28. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1998 seit Oktober 1997 von der Beklagten Pflegegeld nach der Pflegestufe I, zunächst befristet bis 31. Januar 2000. Dem lag ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern vom 9. Dezember 1997 nach Hausbesuch vom 7. November 1997 zugrunde, das jedoch noch zu dem Ergebnis gelangt war, dass keine Pflegebedürftigkeit bei dem damaligen Kleinkind vorlag. Die Klage vom 8. Juni 1998 beim Sozialgericht Würzburg, die auf die Anerkennung einer höheren Pflegestufe als die Pflegestufe I gerichtet war (Az.: ), nahm der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 27. März 2001 zurück.
In einem Gutachten zur Nachuntersuchung vom 9. Juli 2001 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die Pflegestufe I seit Oktober 1997 bei Hämophilie und Sprachentwicklungsstörungen vorliege. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 180 Minuten (Körperpflege 80 Minuten, Ernährung 40 Minuten, Mobilität 60 Minuten), in der Hauswirtschaft 45 Minuten. Der altersbedingte Mehrbedarf des Klägers gegenüber einem gleichaltrigen Kind betrage ab dem 4. Lebensjahr 45 Minuten. Mit Schreiben vom 12. Juli 2001 gewährte die Beklagte weiter Leistungen nach der Pflegestufe I.
Eine weitere Nachuntersuchung durch den MDK erfolgte am 12. Juni 2003. Der Zeitbedarf für die Grundpflege wurde auf 120 Minuten (Körperpflege 50 Minuten, Ernährung 30 Minuten, Mobilität 40 Minuten), für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 30 Minuten eingeschätzt. Der altersbedingte Mehrbedarf betrage nur 15 Minuten täglich. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2003 die Leistungen mit Ablauf des Monats Juli 2003 ein. Der MDK kam in einem Widerspruchsgutachten vom 6. November 2003 erneut zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr gegeben seien. So betrage der Hilfebedarf in der Grundpflege zwar noch 115 Minuten (Körperpflege 55 Minuten, Ernährung 25 Minuten, Mobilität 35 Minuten), für Hauswirtschaft jedoch nur 30 Minuten. Nach Gesamtabzug der altersphysiologischen Hilfen verbleibe nur ein Mehrbedarf in der Grundpflege gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind von 30 Minuten. In einem weiteren Gutachten vom 21. Januar 2004 schätzte der MDK den Grundpflegebedarf auf 143 Minuten (Körperpflege 72 Minuten, Ernährung 25 Minuten, Mobilität 46 Minuten), in der Hauswirtschaft auf 45 Minuten. Der Mehrbedarf belaufe sich auf 53 Minuten. Aufgrund erheblicher Verhaltensauffälligkeiten sei ein Mehrbedarf nach der Pflegestufe I nachvollziehbar.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2004 nahm die Beklagte die Leistungsgewährung rückwirkend ab August 2003 wieder auf.
Die Pflegestufe I wurde bestätigt durch Gutachten des MDK vom 30. Januar 2007 nach Hausbesuch. Als pflegebegründende Diagnose wurde eine Hämophilie bei Faktor VIII Mangel sowie Verhaltensauffälligkeiten und mentale Entwicklungsstörungen mit expressiver Sprachstörung beschrieben. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrage insgesamt 63 Minuten (Körperpflege 32 Minuten, Ernährung 12 Minuten, Mobilität 19 Minuten), für die hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Im Vergleich zum Vorgutachten hätten sich keine wesentlichen Veränderungen des Hilfebedarfs ergeben. Die weitere Entwicklung bleibe abzuwarten. Empfohlen wurde eine Folgebegutachtung im Januar 2011. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 teilte die Beklagte mit, dass die Leistungen in bisherigem Umfang zur Verfügung gestellt werden.
Der MDK kam in dem Gutachten vom 2. März 2011 nach Hausbesuch zu dem Ergebnis, dass der Zeitaufwand für die Grundpflege auf 27 Minuten gesunken sei (Körperpflege 21 Minuten, Ernährung 3 Minuten, Mobilität 3 Minuten). Der Kläger sei nun altersbedingt in der Lage, seine Pflege in der Regel selbst durchzuführen. Außergewöhnliche Situationen seien ab akuten Einblutungen und nur für einige Tage, maximal Wochen, mit erhöhter Pflege nachvollziehbar bzw. bei geringerer Mobilität werde er im Rollstuhl gefahren. Es entfielen die Hilfestellungen zur Teilwäsche Unterkörper, Hände/Gesicht und bei der Zahnpflege und Kämmen; die Nahrungsaufnahme erfolge selbstständig, ebenso die Toilettengänge. Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu Arztbesuchen entfielen; die intravenöse Medikamentengabe werde von der Mutter übernommen, die hierzu angelernt worden sei. Die Alltagskompetenz sei - anders noch als bei der Begutachtung im Jahre 2007 - nicht eingeschränkt.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2011 die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I mit dem 30. April 2011 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) ein und hob den Bescheid vom 28. Mai 1998 auf.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte ein Gutachten des MDK vom 19. April 2011 nach Aktenlage ein, das die Einstufung in dem Vorgutachten bestätigte. Insbesondere sei keine tägliche Hilfe bei der Grundpflege nötig, sondern nur phasenbedingt. Die tägliche Gabe der Medikation sei der Behandlungspflege zuzuordnen. Therapeutische Maßnahmen könnten nur als vertragsärztlich verordnete Therapien mit regelmäßigem Besuch einer Krankengymnastikpraxis berücksichtigt werden. Ein ständiges Hineinheben in die Badewanne sowie eine Reinigung nach Stuhlgang seien aufgrund der vorhandenen Ressourcen nicht nachvollziehbar.
In einem weiteren Gutachten des MDK vom 1. August 2011 nach Hausbesuch verneinte der Gutachter einen Hilfebedarf in der Grundpflege. Es würden nur mehr Hilfen benötigt, die nicht bei den gesetzlich definierten Verrichtungen anfielen. Ein zeitlicher Aufwand sei für Behandlungspflege gegeben. Die vom Kläger bzw. der Mutter angegebenen Zeiten stünden nicht im Einklang mit den erhobenen Ressourcen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht Würzburg hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers weiterhin Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I begehrt. Die Erbkrankheit habe sich sehr stark verschlechtert. Der Kläger dürfe nicht mehr laufen und bewege sich seit April im Rollstuhl fort. Er müsse täglich in die Schule gebracht und abgeholt werden. Das Pflegegeld sei für seine Nachhilfe eingesetzt worden, weil er oft in der Schule fehle. Sie hat im Januar 2012 ein "Pflegetagebuch" (ohne Zeitangaben zu den einzelnen Verrichtungen) vorgelegt, in dem der Tagesablauf geschildert wird.
Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte beigezogen und aktuelle Befundberichte u.a. des Hausarztes Dr. B. und des Klinikums der J.W.G.-Universität F. vom 6. März 2012 eingeholt. Danach werde konsequent eine Dauersubstitutionstherapie durchgeführt, die nur mit einem entsprechenden Pflegeaufwand durch die Mutter gewährleistet sei. Aufgrund der chronischen Synovitis im Bereich des linken Kniegelenkes und auftretender Blutungsereignisse sei der Kläger außerdem erheblich in seinem Alltagsleben eingeschränkt und auf die Hilfe im Rahmen seiner Grundversorgung durch seine Mutter angewiesen.
Das Sozialgericht hat den Arzt für Innere Medizin Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach dem Gutachten vom 20. April 2012 besteht bei dem Kläger eine schwergradige Hämophilie A mit medikamentöser täglicher Infusionsbehandlung durch das Medikament FEIBA, eine leichtgradige fragliche mentale Retardierung, multiple Gelenkschädigungen der Extremitätengelenke mit schmerzhafter Funktionseinschränkung wechselnder Intensität, vermehrt bei akuten Gelenkeinblutungen (etwa alle drei Monate) sowie eine endgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke und der Kniegelenke durch blutungsbedingte Schädigung, ferner eine zeitweise Melena bei rezidivierenden Darmblutungen und eine ausgeprägte allgemeine Körperschwäche mit Einschränkung der groben Kraft der Hände bei körperlicher Inaktivität. Seit Januar 2007 sei eine allmähliche Besserung im Sinne einer guten körperlichen und geistig-seelischen Entwicklung eingetreten. Eine Absenkung des Hilfebedarfs auf unter die Voraussetzungen der Pflegestufe I sei wahrscheinlich schon weit vor März 2011 eingetreten, eventuell bereits - bei der Annahme einer gleichmäßigen Absenkung - vor zwei Jahren. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei deshalb bereits im Januar 2011 die Pflegestufe I nicht mehr gegeben gewesen. Derzeit betrage der Hilfebedarf in der Grundpflege 29 Minuten (Körperpflege 17 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 8 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Die Alltagskompetenz sei nicht erheblich eingeschränkt.
Die Mutter des Klägers hat Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht. Die Pflegezeit sei zu kurz bemessen. Sie hat hierzu eine Verordnung von sechs Krankengymnastikeinheiten vom 3. Mai 2012 vorgelegt. Es fehlten im Gutachten Zeiten für die Krankengymnastik des Klägers sowie für Besuche im Universitätsklinikum F., die allerdings nicht wöchentlich stattfänden. Sie beantragte Prozesskostenhilfe für einen Sachverständigen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Sozialgericht hat hierzu am 11. Mai 2012 ausgeführt, dass Prozesskostenhilfe für ein Gutachten nach § 109 SGG gesetzlich ausgeschlossen sind.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2012 abgewiesen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X liege seit dem Erlass des Bescheides vom 28. Mai 1998 unter Berücksichtigung der MDK-Gutachten erkennbar in der im Jahre 2011 festgestellten Verringerung des Hilfebedarfs. Das Sozialgericht hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. S. gestützt. Insbesondere seien nach der Rechtsprechung Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu einem Arztbesuch oder zur Krankengymnastik nicht anzuerkennen, da diese nur gelegentlich bzw. nicht wöchentlich erfolgten. Die Einschätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch Dr. S. sei unter Berücksichtigung der maßgebenden Begutachtungsrichtlinien als Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung vorgenommen. Die hilfsweise beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG sei nach § 73 a Abs. 3 SGG ausgeschlossen.
Mit der Berufung hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers vorgebracht, dass der Kläger pflegebedürftig sei und das Recht habe, solange er Schüler ist und die Schule besucht, in der Pflegestufe I zu sein. Krankengymnastik sei nur möglich, wenn er keine Blutungen habe. Derzeit habe er wieder starke Blutungen und Schmerzen, die Krankheit habe sich verschlechtert. Der im Berufungsverfahren zunächst beauftragte Prozessbevollmächtigte hat Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. S. vorgebracht. Das Gutachten gehe zum Teil von falschen Voraussetzungen aus und berücksichtige die Nebenwirkungen des Medikamentes FEIBA wie Kopfschmerzen, Erbrechung und Übelkeit, allgemeines Unwohlsein mit Aggressivität sowie Hitzegefühl nicht ausreichend. Auf den Beipackzettel wurde verwiesen. Der Kläger leide unter Stimmungsschwankungen und neige zu Angstzuständen und Aggressivität. Er benötige ferner Unterstützung bei dem nächtlichen Toilettengang. In Folge häufiger Übelkeit und Erbrechens bestehe erhöhter Bedarf betreffend des Kleidungswechsels. Da das Medikament FEIBA ein erhöhtes Hitzegefühl auslöse, müsse er täglich im Wechsel gebadet oder geduscht werden. Die Krankengymnastik sei verrichtungsbezogen und müsse notwendig im Rahmen der Grundpflege durchgeführt werden, damit die Versteifung und Gelenkigkeit der Beine entgegengewirkt werde. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte zu den einzelnen Verrichtungen Stellung genommen. Der Zeitbedarf in der Grundpflege betrage insgesamt weit mehr als 45 Minuten. Er hat eine Heilmittelverordnung vom 12. November 2012 sowie ein Attest vom 10. Dezember 2012 des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin PD Dr. K. vorgelegt. Schäden durch Blutungen sowie eine langsame Progredienz der Erkrankung konnten danach nicht verhindert werden. Eine Begutachtung durch PD Dr. K. ist angeregt worden.
Mit Schreiben vom 7. November 2012 hat der Senat eine Frist zur Stellung eines Antrags nach § 109 SGG bis 10. Dezember 2012 gesetzt. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Einholung eines Gutachtens nach § 103 SGG durch PD Dr. K. angeregt und zugleich mitgeteilt, dass ein Kostenvorschuss im Sinne von § 109 SGG nicht aufgebracht werden könne. Der Bitte auf Kostenübernahme einer Begutachtung durch PD Dr. K. nach § 109 SGG bzw. auf Absehen von einem Kostenvorschuss ist der Senat mit Schreiben vom 8. Januar 2013 nicht nachgekommen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2012 ausgeführt, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber dem "Bescheid vom 01.02.2007" eingetreten sei, insbesondere durch eine Verbesserung der Alltagskompetenz des Klägers; Beaufsichtigungen oder Teilübernahmen z.B. beim Waschen des Unterkörpers, der Hände und des Gesichts, bei der Zahnpflege und beim Kämmen, beim Stuhlgang und beim Richten der Bekleidung seien eingeschränkt bzw. überflüssig geworden. Das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei im Jahre 2007 noch dreimal wöchentlich erfolgt, nunmehr laut Auskunft der Hausärztin vom 28. Januar 2012 für Arztbesuche nur mehr seltener als einmal wöchentlich. Eine Pflegebedarf infolge Erbrechen und Übelkeit, Stimmungsschwankungen und Aggressivität seien im Pflegetagebuch und auch gegenüber allen Gutachtern nie erwähnt worden. Schwindel und Übelkeit sei von Dr. S. berücksichtigt worden - allerdings ohne einen daraus resultierenden Hilfebedarf, da diese Attacken nur etwa alle zwei Wochen aufträten. Für das Baden sei ein Hilfebedarf von täglich 16 Minuten berücksichtigt worden; ein Hilfebedarf von 20 Minuten für Hilfe bei der Vor- und Nachbereitung sei nicht plausibel. Die Zeit für die von der Pflegeperson durchgeführte Krankengymnastik könne nicht berücksichtigt werden, da kein ausreichend enger Zusammenhang mit Verrichtungen der Grundpflege bestehe. Das Zähneputzen erfolge nach dem Gutachten des MDK selbstständig. Ein Hilfebedarf von fünfmal täglich beim mundgerechten Zubereiten von Nahrung von mehr als zwei Minuten pro Verrichtung sei nicht plausibel. Ein Hilfebedarf beim Aufstehen sei berücksichtigt worden; ein höherer zeitlicher Hilfebedarf sei nicht plausibel. Ein höherer Hilfebedarf beim An- und Auskleiden als von Dr. S. bezüglich des Unterkörpers und insbesondere der Schuhe sei nicht zu vertreten. Der Rollstuhl könne selbstständig genutzt werden, so dass ein Hilfebedarf beim Gehen nicht ersichtlich sei. Treppen oder Schwellen seien in der Wohnung nicht zu überwinden.
Der Senat hat einen aktuellen Befundbericht der seit 1997 behandelnden Allgemeinärzte Dr. B./Dr. C. vom 8. August 2012 eingeholt, nach dem die Befunde gleichbleibend sind.
Mit Beschluss vom 16. November 2012 hat der Senat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Gegenvorstellung hat der Senat mit Beschluss vom 20. März 2013 als unzulässig verworfen.
Die gesetzliche Vertreterin hat zuletzt noch ein Attest des PD Dr. K. vom 22. März 2013 vorgelegt, der die Krankheitsgeschichte des Klägers nochmals zusammenfasst. Eine langsame Progredienz habe nicht verhindert werden können. Er könne aufgrund seiner Grunderkrankung und der Entwicklung von Folgeschäden (Gelenkschäden) nur leichte körperliche Arbeiten durchführen. Der Ausbildungswunsch zum Altenpflege werde unterstützt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 10. April 2013 das Mandat niedergelegt, weshalb der Senat den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2013 vertagt hat. Einem Vergleichsvorschlag der Klägerin hat die Beklagte nicht zugestimmt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 11. Juni 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers bzw. der gesetzlichen Vertreterin entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Die in dem Verfahren auftretende A. ist die Mutter des noch minderjährigen Klägers und mit anwaltlicher Erklärung vom 24. Januar 2013 die alleinige gesetzliche Vertreterin des Klägers.
Das Klageziel des Klägers, Leistungen der Pflegestufe I über den 30. April 2011 hinaus zu erhalten, kann bereits durch Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2011 erreicht werden. Zulässige Klageart ist deshalb allein die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG.
Die Pflegegeldgewährung nach der Pflegestufe I erfolgte vorliegend unbefristet. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung. Mit Bescheid vom 28. Mai 1998, einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, gewährte die Beklagte unbefristet ab Oktober 1997 Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 bestätigte die Beklagte diese Feststellung. Da dieses Schreiben einen eigenständigen Regelungsgehalt, nämlich die Weiterzahlung der monatlichen Pflegegeldleistungen nach erfolgter Nachbegutachtung, enthält, liegt auch hierin ein Verwaltungsakt im Sinne der §§ 31 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 SGB X vor.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid hob die Beklagte ausdrücklich den Bescheid vom 28. Mai 1998 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X auf. Eine Aufhebung insbesondere des Bescheides vom 1. Februar 2007 erfolgte nicht. Zwar ist die Aufhebung dieser Bescheide notwendiger Inhalt des Aufhebungsbescheides, doch muss dies nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich auch aus der Auslegung des Inhalts des Bescheides ergeben (vgl. auch KassKomm-Steinwedel, § 48 SGB X Rdnr. 21). Es reicht, dass der Wille erkennbar wird, die im ursprünglichen Verwaltungsakt getroffene Regelung aufzuheben (BSGE 72, 1, 2 ?f; BSG SozR 4?-?1300 § 48 Nr. 6). Dies erfolgt vorliegend auch in Bezug auf den Bescheid vom 1. Februar 2007 durch den Bescheid vom 25. März 2011, in dem die Beklagte auf ihr Anhörungsschreiben verweist und auf die dort angekündigte Aufhebung des bisherigen Leistungsbescheides vom 28. Mai 1998 Bezug nimmt. Inhaltlich ergibt sich aus dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid, dass eine Aufhebung der Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I zum 30. April 2010 gewollt war und damit die Wirkung der vorangegangenen Bescheide aufgehoben werden sollte. Es wurde auch deutlich, dass die Aufhebung wegen nachträglich eingetretener Änderungen erfolgt: Die Beklagte stellt zur Begründung darauf ab, dass "die Voraussetzungen für die Einstufung in eine der drei Pflegestufen nicht mehr" (Bescheid vom 25. März 2011) vorlägen. Anders als in dem vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Verfahren (Urteil v. 05.03.2010, Az.: L 4 P 4773/08) ist der Beklagten gewusst gewesen, dass sie wegen nachträglicher Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen die bescheidmäßig erteilte Gewährung von Pflegegeld aufhebt. Dies wurde auch dem Kläger bzw. dessen gesetzlicher Vertreterin als Adressat der streitgegenständlichen Bescheide ausreichend deutlich.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der hierin aufgeführte Katalog der Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen. Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI), unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zu verstehen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung;
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung;
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt vor; nach den Feststellungen aller Sachverständigen sind zumindest seit Mai 2011 die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr gegeben. Zutreffend hat das Sozialgericht hierbei auf die Gutachten des MDK sowie des Dr. S. verwiesen, der den zeitlichen Hilfebedarf in der Grundpflege auf lediglich 29 Minuten täglich einschätzte. Der Sachverständige weist gegenüber dem noch im Jahr 2007 festgestellten Hilfebedarf von 63 Minuten auf eine wesentliche Reduzierung des Hilfebedarfs durch eine Verbesserung der Alltagskompetenz hin, die die Beaufsichtigungen oder Teilübernahmen in mehreren Bereichen einschränkt bzw. überflüssig macht. Zwar hat sich die im Vordergrund stehende Bluterkrankheit nicht wesentlich geändert; im Laufe der Jahre traten immer wieder Blutungen, insbesondere auch Gelenkblutungen auf. Es handelt sich aber stets nur um zeitweilige Verschlechterungen des Gesundheitszustandes bei akuten Blutungsereignissen und nicht um eine fortdauernde Erhöhung des pflegerischen Hilfebedarfs. Seit 1998 bzw. 2007 liegen günstige Aspekte einer normalen bzw. guten körperlichen und geistigen Entwicklung vor, die zu einer Reduzierung des Hilfebedarfs geführt haben.
Ausdrücklich schließt sich der Senat der Auffassung des Sachverständigen Dr. S. an, dass die Beurteilung des zeitlichen Grundpflegebedarfs durch den MDK im Juli/August 2011 mit 0 Minuten nicht zutreffend ist. Beim Kläger liegen gravierende Krankheitsereignisse vor, die sich durch aktuelle Blutungen äußern, aber Auswirkungen von mehr als einem halben Jahren zeigen. Auch in den Zeiten zwischen den akuten Blutungen besteht noch ein zeitlicher Hilfebedarf in der Grundpflege, wenn auch in deutlich reduziertem Umfang. Bereits die Blutungsneigung bedingt eine wesentliche Einschränkung der körperlichen Aktivitäten sowie eine erhebliche allgemeine Körperschwäche. Ferner sind wegen Verletzungsgefahren bei mehreren Verrichtungen Beaufsichtigungen mit der Notwendigkeit des sofortigen Eingreifens erforderlich. Diese Gesichtspunkte berücksichtigte der Sachverständige Dr. S ...
Während der MDK in dem Gutachten vom 30. Januar 2007 noch darlegte, dass im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahre 2004 keine wesentliche Änderung eingetreten ist, ergibt sich im Einzelnen bei einem Vergleich der Gutachten zwischen 2007 und 2012 (ausgenommen das Gutachten des MDK vom 1. August 2011) deutlich die zeitliche Reduzierung des Hilfebedarfs vor allem durch Wegfall von Übernahme bzw. Unterstützung bei einzelnen Verrichtungen. Beaufsichtigungen oder Teilübernahmen sind z.B. beim Waschen des Unterkörpers, der Hände und des Gesichts, bei der Zahnpflege und beim Kämmen, beim Stuhlgang und beim Richten der Bekleidung überflüssig bzw. nur mehr zeitlich eingeschränkt notwendig geworden. Der Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege sank somit von 32 Minuten auf 17 Minuten im Tagesdurchschnitt: Berücksichtigungsfähig sind nur mehr ein Hilfebedarf von 16 Minuten für das tägliche Baden und von einer Minute für die Zahnpflege. Beim Baden betrifft der Hilfebedarf nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen eine Unterstützung und Beaufsichtigung wegen hoher Unfallgefahr; ein vom Kläger vorgebrachter Hilfebedarf von 40 Minuten bei zweimaliger täglicher Reinigung ist nicht plausibel. Unterstützung bei der Zahnpflege hat Dr. S. mit einer Minute täglich berücksichtigt. Erforderlich ist hierbei nach dem Gutachten nur ein Zureichen der notwendigen Utensilien. Ein Hilfebedarf beim Kämmen, Stuhlgang und Wasserlassen ist nach allen Gutachten nicht erforderlich.
Im Bereich der Ernährung sind statt 12 Minuten nur mehr vier Minuten für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung anzusetzen. Dieser zeitliche Hilfebedarf erscheint ausreichend. Hilfe hat hier nur in einer Teilübernahme zu erfolgen. Notwendig ist wegen der Verletzungsgefahr das Zuschneiden der Nahrung, dreimal täglich.
Aufgrund der körperlichen Schwäche und Unsicherheiten besteht im Bereich der Mobilität noch ein Hilfebedarf von sieben Minuten (statt 19 Minuten im Jahre 2007) täglich. Zutreffend wendet der Kläger ein, dass im Bereich der Mobilität Hilfe beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen benötigt wird. Dr. S. setzte wegen der bestehenden Körperschwäche mit deutlicher Unsicherheit einen zeitlichen Hilfebedarf von einer Minute an, ohne dies bei der Gesamtberechnung zu berücksichtigen. Ein Bedarf von zwei Minuten je Vorgang, wie vom Kläger geltend gemacht, erscheint allerdings zumindest grenzwertig. Ein Hilfebedarf von fünf bis sechs Minuten beim An- und Ausziehen pro Vorgang statt vier Minuten wie von Dr. S. angenommen erscheint nicht gerechtfertigt und würde sogar den 2007 festgestellten Hilfebedarf übersteigen. Dr. S. beschreibt den Hilfebedarf nur für den Bereich des distalen Unterkörpers, insbesondere bezüglich des An- und Ausziehens der Schuhe.
Hinsichtlich des Gehens ist eine inzwischen eingetretene weitgehende Rollstuhlpflichtigkeit, vor allem bei Gelenkeinblutungen, zu beachten. Ein Hilfebedarf erscheint - entgegen dem Gutachten des MDK und des Dr. S. - vertretbar. Eine Unterstützung von 20 Minuten täglich ist jedoch bei Weitem überzogen. Insbesondere ist innerhalb der Wohnung auch keine Hilfe beim Rollstuhlfahren notwendig, da die Wohnung keine Treppen und Schwellen hat.
Hilfe beim Treppensteigen kommt nur im Hinblick auf das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung in Betracht, da sich die Wohnung im 3. OG in einem Haus ohne Lift befindet. Hierfür hat der gerichtliche Sachverständige einen Hilfebedarf angesetzt. Eine Reduzierung gegenüber dem Jahre 2007 fand im Bereich Mobilität vor allem bezüglich des Verlassens der Wohnung für Arztbesuche oder zur Therapie statt. Nach den Angaben der Hausärzte vom 28. Januar 2012 erfolgten die Besuche ab Juli 2007 bei Weitem nicht regelmäßig nach § 14 Abs. 1 und 4 SGB XI im Sinne von einmal pro Woche (hierzu: Udsching, SGB XI - Soziale Pflegeversicherung, 3. Aufl. 2010, § 14 Rdnr. 24). Dennoch berücksichtige Dr. S. hierfür im Tagesdurchschnitt zwei Minuten (statt 10 Minuten im Jahre 2007) unter Einbezug einer Untersuchung in der Gerinnungsspezialambulanz der Universität F. alle drei Monate. Die Hausarztpraxis befindet sich in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Klägers.
Neu im Berufungsverfahren vorgetragen, jedoch nicht belegt, ist eine Pflegebedarf infolge Erbrechen, Stimmungsschwankungen und Aggressivität. Dies ist weder in dem Pflegetagebuch noch gegenüber allen Gutachtern erwähnt worden. Allerdings sind Schwindel und Übelkeit von Dr. S. berücksichtigt worden - die allerdings nur in Attacken alle zwei Wochen für einen Tag und somit nicht regelmäßig im Sinne des § 14 Abs. 1, 4 SGB XI auftreten ohne daraus resultierendem besonders anrechenbarem Hilfebedarf.
Die Zeit für die von der Pflegeperson durchgeführte Krankengymnastik kann nicht berücksichtigt werden, da kein ausreichend enger Zusammenhang mit Verrichtungen der Grundpflege besteht.
Im Übrigen haben sich alle Gutachter nach den Pflege-Begutachtungsrichtlinien, die als Orientierungswerte dienen, gerichtet.
Insgesamt hält der Senat das Gutachten des Dr. S. für sachlich zutreffend und überzeugend, ergänzt durch einen geringfügig erhöhten zeitlichen Hilfebedarf von 1 bis 2 Minuten für Hilfen beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen sowie von einigen Minuten für das Gehen. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I liegen daher nicht mehr vor; wie Dr. S. ausführte gilt dies jedenfalls für die Zeit ab Mai 2011. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist belegt.
Soweit die Mutter des Klägers vorbringt, dass sich der Gesundheitszustand in der Zwischenzeit wesentlich geändert habe, wird dies durch den vom Senat eingeholten Befundbericht der Dres. B./C. vom 8. August 2012 nicht bestätigt. Danach sind die Befunde gleichbleibend. Auch berücksichtigte Dr. S. ausdrücklich die tägliche Infusionsbehandlung mit dem Medikament FEIBA. Unbeachtlich sind die grundsätzlich im Beipackzettel benannten möglichen Nebenwirkungen. Abzustellen ist allein auf die den Kläger betreffenden Gesundheitsbeeinträchtigungen bzw. der notwendige konkrete Hilfebedarf in der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung.
Schließlich ergibt sich auch aus dem zuletzt vorgelegten ärztlichen Attest des PD Dr. K. nicht, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I weiter gegeben sind. Unstreitig sind das Bestehen der Erbkrankheit sowie deren progredienter Verlauf beim Kläger. Bei der Erstuntersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz vom 19. März 2013 lag jedoch keine akute Erkrankung oder Blutung vor. Der Arzt bescheinigte, dass der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann und unterstützte eine Ausbildung zum Altenpfleger, die von diesem angestrebt wird. Auch hieraus wird deutlich, dass der Kläger in zunehmendem Alter immer selbstständiger wurde, so dass der Hilfebedarf vor allem in der Grundpflege abgenommen hat.
Ein Gutachten durch PD Dr. K. nach § 109 SGG war nicht einzuholen. Mit Schreiben vom 8. Januar 2013 hat der Senat hierzu bereits hingewiesen, dass im Hinblick auf die Gutachtenslage, nach der die Voraussetzungen der Pflegestufe I bei Weitem nicht vorliegen, ein Absehen von einem Kostenvorschuss nach § 109 SGG nicht erfolgen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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