S 15 KR 817/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 817/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 99.254,45 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin betreibt unter der Firma "a. GmbH" ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie verfügt über eine Erlaubnis nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister (AMP). Auf die Arbeitsverträge mit den bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern wandte sie zumindest seit Dezember 2005 die Tarifverträge zwischen dem AMP und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) an. Auf der Grundlage der dort vorgesehenen Vergütung entrichtete die Klägerin für diese Beschäftigten die Beiträge zur Sozialversicherung. Zuletzt hatte die Beklagte im Oktober 2010 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2009 durchgeführt; die stichprobenartige Überprüfung habe keine Beanstandungen der Versicherungs- und Beitragspflicht im Sinne der Sozialversicherung ergeben.

Anlässlich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP (Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - juris) informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 über diese Entscheidung. Darin hieß es auszugsweise: "Da eine schriftliche Entscheidungsbegründung noch nicht vorliegt, lässt sich derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie die Frage der Rückwirkung dieser Entscheidung auf Beitragsansprüche, die seit Januar 2006 fällig geworden sind, zu beantworten ist. Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehen wir uns verpflichtet, hiermit fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge noch im Jahr 2010 geltend zu machen. Sie sind daher verpflichtet, selbständig unverzüglich zu prüfen, welche Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen sind." Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 mit, die aktuell seit 01. Januar 2010 in Kraft befindlichen Tarifverträge würden durch das Urteil des BAG nicht in Frage gestellt und erklärte ihre Bereitschaft, im Rahmen der Mitwirkungspflicht der Beklagten sämtliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge nebst Personalakten vorzulegen.

Vom 13. Oktober 2011 bis 28. Februar 2012 führte die Beklagte - abweichend vom üblichen Prüfturnus - erneut eine Betriebsprüfung durch. Bereits im Vorfeld hatte die Klägerin bei den 170 Entleihern angefragt, für die ca. 477 Leiharbeitnehmer eine vergleichbare Entlohnung eines bei ihm beschäftigten vergleichbaren Stammarbeitnehmers mitzuteilen. Ungefähr die Hälfte der befragten Entleiher machten Angaben, die die Beklagte dann ihrer Prüfung zugrunde legte. Nach Anhörung stellte sie mit Bescheid vom 01. Juni 2012 für den Prüfzeitraum vom 01. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 99.254,45 EUR fest; Säumniszuschläge machte sie nicht geltend. Zur Begründung führte sie aus, Folge der festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP sei die Unwirksamkeit der mit dieser geschlossenen Tarifverträge, so dass die betroffenen Leiharbeitnehmer gemäß § 10 Abs. 4 AÜG nach dem Grundsatz des "equal pay" denjenigen Lohn beanspruchen könnten, der einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine vergleichbare Arbeit gezahlt worden sei. Da im Beitragsrecht der Sozialversicherung das Entstehungsprinzip gelte, komme es auf diesen Arbeitsentgeltanspruch unabhängig davon an, ob die betreffenden Leiharbeitnehmer den ihnen zustehenden höheren Anspruch geltend machen bzw. rechtlich geltend machen können. Beiträge zur Sozialversicherung seien auf Grundlage der Differenz zwischen dem von der Klägerin gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Die Zusammenstellung der zu wenig gezahlten Beiträge könne die Klägerin der beigefügten Anlage entnehmen.

Hiergegen legte die Klägerin am 25. Juni 2012 Widerspruch ein und führte aus, eine Beitragsnachforderung setze die Zahlung, mindestens einen Anspruch auf Arbeitsentgelt voraus. Ein solcher Anspruch auf Arbeitsentgelt sei aus der Entscheidung des BAG nicht herzuleiten. Die Entscheidung des BAG gelte nur für die Gegenwart und Zukunft und entfalte keine Rückwirkung. Die Beklagte habe eine rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidung zur Frage der Tariffähigkeit für die Vergangenheit nicht abgewartet. Die Klägerin habe über viele Jahre auf die Rechtmäßigkeit der angewandten Tarifverträge vertraut; dieses Vertrauen sei schutzwürdig. Staatliche Stellen wie z.B. die Bundesagentur für Arbeit (BA) hätten die Anwendung des in Frage stehenden Tarifvertrages sogar empfohlen. Frühere Betriebsprüfungen hätten keine Beanstandungen gehabt. Dies könne zu einem Verbot, eine erneute Betriebsprüfung durchzuführen, führen, es sei denn, die Voraussetzungen der §§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen vor (vgl. Urteil des Bayrischen LSG vom 18.01.2013 – L 5 R 752/08). Spätere Angaben der Entleiher zum "equal pay"-Lohn hätten gezeigt, wie widersprüchlich diese ersten Angaben, die die Beklagte bei der Berechnung zugrunde gelegt habe, gewesen und welche erheblichen Differenzen aufgetreten seien. So hätte die Entleihfirma R. im Jahr 2011 angegeben, in der Tarifgruppe E4 10,40 EUR/Stunde zu zahlen, während sie im Jahr 2012 angegeben habe, 8,50 EUR/Stunde zu zahlen. Selbst bei Facharbeitern der Tarifgruppe E4 sei es allgemein bekannt, dass diese nicht wie Facharbeiter im Stammunternehmen, sondern allenfalls wie "Arbeitgeber" (wohl richtig –nehmer) nach der Tarifgruppe E3 eingesetzt werden könnten. Ein Facharbeiter des Stammunternehmens sei aufgrund seiner individuellen Ausbildung im Unternehmen in der Lage, ein Projekt (Schaltschrank) nach einer Zeichnung zu erstellen; dies sei bei einem entliehenen Arbeitnehmer der Zeitarbeitsbranche in der Regel nicht der Fall.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2012 als unbegründet zurück. Die CGZP sei keine tariffähige Organisation; deshalb gelte für die "Vergangenheit" nichts anderes, als was das BAG entschieden habe. Die Tarifunfähigkeit der CGZP habe von Anfang an vorgelegen. Ein Zuwarten auf den Ausgang weiterer arbeitsgerichtlicher Entscheidungen sei aufgrund der damit einhergehenden zeitlichen Verzögerungen unzulässig. Die Entscheidung des BAG sei lediglich deklaratorisch gewesen; unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des BAG sei der gute Glaube an die Tariffähigkeit nicht schützenswert. Das BAG habe deklaratorisch die Tarifunfähigkeit festgestellt. Erst mit dieser Entscheidung sei eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Tariffähigkeit der CGZP ergangen. Insoweit könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zudem werde der gute Glaube an die Tariffähigkeit nicht geschützt, wie das BAG bereits im Jahr 2006 klar gestellt habe. Auch bei vorangegangenen Prüfungen sei für bereits geprüfte Zeiträume die Geltendmachung von Beitragsansprüchen nicht ausgeschlossen. Betriebsprüfungen hätten unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern; sie bezweckten insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Die Klägerin als Arbeitgeberin sei zur vollständigen Führung von Lohnunterlagen verpflichtet, dazu gehöre auch die Angabe des Vergleichslohns. Die Beklagte habe im Rahmen der Betriebsprüfung die von der Klägerin selber vorgelegten Unterlagen ausgewertet. Es sei nicht Aufgabe der Betriebsprüfung, die Angaben der Entleiherfirmen anzuzweifeln und diese nochmals durch weitere Ermittlungen nachzuprüfen.

Dagegen hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am 31. Oktober 2012 Klage vor dem Sozialgericht Dresden erhoben. Sie verfolgt ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Sie trägt zudem weiter vor, sie genieße Vertrauensschutz, weil Mitarbeiter der VBG (d.h. Gesetzliche Unfallversicherung für Banken, Versicherungen, Zeitarbeitsunternehmen, Unternehmen der keramischen und Glas-Industrie etc) bei früheren Betriebsprüfungen als auch Mitarbeitern der BA der Klägerin erklärt hätten, die Anwendbarkeit des streitigen Tarifvertrages unterliege keinen Bedenken. Das BAG habe Rechtsfortbildung bzw. –schöpfung betrieben, so dass dies wie eine Gesetzesänderung wirke und gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße. Die Vorschriften über Einmalzahlungen seien entsprechend anzuwenden. Die Forderung sei für den Zeitraum bis Dezember 2006 zudem verjährt. Eine 30-jährige Verjährungsfrist sei auch nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 23. Dezember 2010 in Gang gesetzt worden. Ferner sei die Frage der Verwirkung zu prüfen, nachdem die Beklagte seit vielen Jahren von der Gültigkeit des Tarifvertrages ausgegangen sei. Die Beklagte habe den Vergleichslohn nicht zutreffend ermittelt. Sie habe nicht auf die individuellen Arbeitnehmer abgestellt, sondern vielmehr lediglich festgestellt, wie z.B. ein ungelernter oder ein gelernter Arbeitnehmer im allgemeinen vom entleihenden Unternehmer eingestuft worden wäre, unabhängig von den individuellen Handicaps wie z.B. gepfändete Konten, fehlende deutsche Sprachkenntnisse, fehlende Zuverlässigkeit, fehlende Fahrerlaubnis etc. Ferner seien Zulagen bei dem Vergleichslohn ebenso nicht berücksichtigt worden wie Verpflegungsmehraufwand. Die Klägerin habe die Aufzeichnungspflicht nicht verletzt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 01. Juni 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2012 aufzuheben,

hilfsweise den in der Klageschrift bzw. mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanregungen bzw. Beweisanträgen zum Vertrauensschutz und zur Schätzung des Arbeitsentgeltes nachzukommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung sei die Beitragsnachforderung rechtmäßig. Zusätzlich zu den Erwägungen aus dem Widerspruchsbescheid führt die Beklagte weiter aus, sie habe keine Schätzung vorgenommen, sondern die Lohndifferenzen und damit die Beitragsnachzahlung aufgrund der Angaben der Klägerin zu den Eingruppierungen und den Vergleichslöhnen individuell berechnet. Für die Annahme einer Verwirkung fehle es an einem entsprechenden Umstandsmoment. Mitteilungen anderer Sozialversicherungsträger (z.B. BA oder VBG) zeigen allenfalls ein fehlerhaftes rechtliches Verständnis, daraus lasse sich kein Vertrauensschutz ableiten. Die Regelungen über Einmalzahlungen seien nicht entsprechend anwendbar, weil die Beitragspflicht auf dem Entstehungsprinzip beruhe. Die Forderung sei nicht verjährt; aufgrund der öffentlichkeitswirksamen Publikation der BAG-Entscheidung liege seit Dezember 2010 bedingter Vorsatz iS von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor. Vorhergehende Betriebsprüfungen schlössen eine erneute Bescheidung für denselben Prüfzeitraum nicht aus. Bezüglich der Ermittlungen des Vergleichslohnes sei anzumerken, dass ein Einsatz im entleihenden Unternehmen nicht nach sozialer Herkunft oder Bildung erfolgt sei, sondern nach Bedarf des Unternehmens und Können der Leiharbeitnehmer. Der Vergleichslohn sei auf der Grundlage der von ihm ausgeübten Tätigkeit festzustellen. Zulagen seien ebenso nicht zu berücksichtigen wie Ersatz von Aufwendungen aufgrund Einsatzwechseltätigkeit wie Reisekosten, Verpflegungsmehraufwendungen etc.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 01. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1, 2 SGG).

Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheids ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV erfolgt mindestens alle vier Jahre - bei Vorliegen besonderer Gründe auch außerhalb dieses Turnus - eine Prüfung, ob die Arbeitgeber ihre Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Bei kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten wird der Beitragsbemessung in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung insbesondere das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zu Grunde gelegt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 57 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 162 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Arbeitsentgelt sind nach § 14 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV , sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, und dies unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangt hat oder es rechtlich noch verlangen könnte (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - juris Rn. 36, 43). Für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragshöhe gilt damit das Entstehungs- und nicht das Zuflussprinzip; auf den Zufluss kommt es daher nur an, soweit dem versicherten Beschäftigten über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet oder geleistet werden (BSG, a. a. O., juris Rn. 18, 28). In diesem Zusammenhang folgt das Gericht auch nicht dem Einwand der Klägerin, die Beitragsansprüche entstünden erst mit Zufluss des "equal pay" Lohns in analoger Anwendung der Regelungen zu Einmalzahlungen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), da es sich bei dem nachzuzahlenden Lohn nach den "equal pay" Grundsätzen nicht um einmaliges (vgl. § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV), sondern vielmehr um dem jeweiligen Entgeltzeitraum zuordbares laufendes Arbeitsentgelt handelt.

Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zu Recht den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigten Leiharbeitnehmer jeweils nach dem Arbeitsentgelt bemessen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde bzw. gezahlt worden wäre. Nach § 10 Abs. 4 AÜG in der bis zum 29. April 2011 geltenden Fassung des Art. 6 Nr. 5 Buchst. b) des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607) konnten Leiharbeitnehmer im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 AÜG von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, bezeichnet nach der Legaldefinition in § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einen Anspruch. Auch wenn der Gesetzgeber in § 10 Abs. 4 AÜG in der seit dem 30. April 2011 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 642) erstmals mit Blick auf die zugleich neu geschaffene Ordnungswidrigkeit in § 16 Abs. 1 Nr. 7a AÜG ausdrücklich die Formulierung einer Verpflichtung des Arbeitgebers auf Gewährung gleichen Arbeitsentgelts gewählt hat (vgl. hierzu: BT-Drs. 17/4808 S. 10 zu Nr. 7), war das diesbezügliche Recht des Arbeitnehmers bereits in der hier maßgeblichen Gesetzesfassung als gesetzlicher Anspruch ausgestaltet, dessen Entstehung nicht von einer (Wahl-)Entscheidung des Leiharbeitnehmers abhing. Dieser gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wurde und wird zu dem arbeitsvertraglich für die Vergütung vereinbarten Zeitpunkt fällig (vgl. BAG, Urteile vom 13. März 2013 - 5 AZR 954/11, 5 AZR 146/12, 5 AZR 242/12, 5 AZR 294/12 und 5 AZR 424/12 – alle veröffentlicht in juris, Rn. 34 ff). Der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt besteht auch, wenn der Entleiher im Aufgabengebiet des betreffenden Leiharbeitnehmers keine eigenen Stammkräfte einsetzt. Dann kann der Leiharbeitnehmer die Vergütung verlangen, die für ihn gelten würde, wenn er vom Entleiher für die gleiche Arbeitsaufgabe eingestellt worden wäre (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - juris Rn. 34; LAG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Januar 2013 - 6 Sa 737/12 - juris Rn. 77).

Im streitigen Prüfzeitraum lag eine wirksame, vom Grundsatz des "equal pay" zu Lasten der Leiharbeitnehmer abweichende Vereinbarung im Sinne von § 9 Nr. 2 AÜG nicht vor. Eine abweichende Vereinbarung erfolgt bei tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien durch einen wirksamen Tarifvertrag; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Vorliegend hat die Klägerin die Tarifverträge der CGZP mit dem AMP auf die Arbeitsverträge mit den bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern angewandt, die eine Abweichung vom Grundsatz des "equal pay" ermöglichten. Diese Tarifverträge waren jedoch unwirksam.

Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen im Sinne des § 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) ist die Tariffähigkeit der Tarifvertragsparteien. Schließt eine Vereinigung ohne Tariffähigkeit einen Tarifvertrag ab, ist dieser Tarifvertrag unwirksam und damit nichtig (BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - juris Rn. 64; Urteil vom 15. November 2006 - 10 AZR 665/05 - juris Rn. 21). So lag der Fall hier: Die CGZP ist weder nach § 2 Abs. 1 TVG als Gewerkschaft noch nach § 2 Abs. 3 TVG als Spitzenorganisation tariffähig (BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - juris Rn. 63 ff.); dies gilt im zeitlichen Geltungsbereich ihrer Satzungen vom 11. Dezember 2002, 5. Dezember 2005 sowie vom 8. Oktober 2009 (BAG, Beschluss vom 23. Mai 2005 - 1 AZB 67/11 - juris Rn. 5). Die Feststellungen des BAG zur Tariffähigkeit haben dabei nicht konstitutive, sondern rein deklaratorische Wirkung (vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2006 - 10 AZR 665/05 - juris Rn. 22), so dass die Klägerin für den gesamten Prüfzeitraum verpflichtet war, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die betroffenen Leiharbeitnehmer jeweils nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt wurde bzw. worden wäre.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 01. Juni 2012 ist auch hinsichtlich der Höhe der festgestellten Beitragsnachforderung nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe ihre Berechnungsgrundlagen nicht offengelegt, so dass ihre Berechnung insgesamt nicht nachvollziehbar sei, rügt sie sinngemäß eine mangelnde Bestimmtheit des Bescheides. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Ein Verwaltungsakt ist dann hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wenn sich im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände sowie unter Rückgriff auf die Begründung des Verwaltungsaktes erschließt, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sie sich als Anknüpfungssachverhalt beziehen soll (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 11/07 R - juris Rn. 12; Urteil vom 7. Februar 2012 - B 13 R 85/09 R - juris Rn. 47). Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Feststellungen der Beklagten zum ausstehenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag inhaltlich hinreichend bestimmt. Die für die betroffenen Arbeitnehmer errechnete und jeweils gesondert ausgewiesene Lohn- und Beitragsdifferenz hat sie nach der im Widerspruchsbescheid enthaltenen Begründung auf der Grundlage der eigenen Angaben der Klägerin ermittelt.

Soweit die Beklagte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf der Grundlage der von der Klägerin selber ermittelten Vergleichlöhne unter Angabe der Tätigkeiten durch Nachfrage bei den Entleihern festgesetzt hat, handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten um eine Schätzung. Rechtsgrundlage hierfür ist § 28f Abs. 2 SGB IV. Danach kann der prüfende Träger der Rentenversicherung in Fällen, in denen ein Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Höhe des Arbeitsentgelts und der Beiträge nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt und festgestellt werden kann, einerseits den Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Wege eines Lohnsummenbescheides geltend machen (Satz 1), andererseits die Höhe der Arbeitsentgelte schätzen (Satz 3). Wenn auch die Aufzeichnungspflicht als solche nicht ausdrücklich im Gesetz aufgeführt ist, so ergibt sie sich doch zwingend aus dem Zusammenhang der übrigen gesetzlich bestimmten Melde-, Auskunfts- und Vorlagepflichten. Es ist nämlich ausgeschlossen, diese Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, wenn nicht vorher der Arbeitgeber die versicherungsrechtlich maßgeblichen Angaben aufgezeichnet hat (BSG, Urteil vom 28. April 1977 - 12 RK 25/76 - juris Rn. 13). Entsprechend regelt die auf der Grundlage der §§ 28n, 28p Abs. 9 SGB IV erlassene Beitragsverfahrensverordnung (BVV) vom 3. Mai 2006 (BGBl. I S. 1138) in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BVV, dass der Arbeitgeber in den Entgeltunterlagen das beitragspflichtige Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung einschließlich seiner Zusammensetzung und seiner zeitlichen Zuordnung aufzunehmen hat (eine entsprechende Regelung sah die bis zum 30. Juni 2006 geltende Beitragsüberwachungsverordnung [BÜVO] in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Juli 1997 [BGBl. I S. 1930] in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 für die zu führenden Lohnunterlagen vor). Erforderlich ist allein, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht objektiv verletzt hat; auf ein Verschulden kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 - B 12 KR 12/01 R - juris Rn. 22).

Nach den vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass die Klägerin das nach dem Grundsatz des "equal pay" beitragspflichtige Arbeitsentgelt nicht aufgezeichnet hat. Ob sie subjektiv hierzu möglicherweise im Hinblick auf den – allerdings unwirksamen Tarifvertrag - keine Veranlassung gesehen hat, ist aus den dargestellten Gründen unerheblich. Ausreichend für die Feststellung einer Pflichtverletzung ist die Kenntnis der Tatsachen, die eine Obliegenheit begründen (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 16. September 2009 - IV ZR 246/08 - juris Rn. 12), hier die Kenntnis der Tatsachen, die Gegenstand der Aufzeichnungspflicht sind. Dass die Klägerin wusste, dass sie das beitragspflichtige Arbeitsentgelt aufzuzeichnen hat, kann das erkennende Gericht unterstellen. Etwaige entgegenstehende Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Eine etwaige fehlerhafte Bewertung der Klägerin, ob der in Bezug genommene Entgeltvertrag zwischen der CGZP und dem AMP wirksam ist, stellt keine Unkenntnis der die Aufzeichnungspflicht begründenden Tatsachen dar, sondern allenfalls einen unbeachtlichen Rechtsirrtum (vgl. zur entsprechenden Bewertung einer etwaigen fehlerhaften Bewertung durch die betroffenen Leiharbeitnehmer im Rahmen der Regelung über den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB: Sächsisches LAG, Urteil vom 23. August 2012 - 1 Sa 322/11 - juris Rn. 22; bestätigt: BAG, Urteil vom 13. März 2013 - 5 AZR 146/12 - juris). Die mit der Aufzeichnungspflicht korrespondierende Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht endet zwar nach § 28f Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelmäßig mit Ablauf des auf die letzte Prüfung nach § 28p SGB IV folgenden Kalenderjahres, vorliegend also mit Ablauf des 31. Dezember 2010. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass auf Grund des Beschlusses des BAG vom 14. Dezember 2010 (a.a.O.), welcher eine erhebliche Öffentlichkeitswirkung entfaltet hat, spätestens jedoch auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 23. Dezember 2010 für die Klägerin objektiv Anlass dazu bestanden hat, das beitragspflichtige Arbeitsentgelt nach dem Grundsatz des "equal pay" aufzuzeichnen, die entsprechenden Entgeltunterlagen über den 31. Dezember 2010 aufzubewahren und bei der nächsten Prüfung vorzulegen.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob durch die Klägerin über die sich aus der BVV bzw. BÜVO ergebenden Aufzeichnungspflichten hinaus auch die in § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG geregelte Pflicht, in den schriftlichen Verträgen mit dem jeweiligen Entleiher u. a. die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts anzugeben, verletzt worden ist. Anders als bei den Pflichten nach der BVV bzw. der BÜVO handelt es sich bei der in § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG geregelten Pflicht nicht um eine solche gegenüber den Trägern der Sozialversicherung. Sie regelt vielmehr die Rechtsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher und ist zudem keine Pflicht des Verleihers, sondern des Entleihers.

Die Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts konnte die Beklagte nicht bzw. nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermitteln. Anzustellen wäre nämlich für jeden Leiharbeitnehmer ein Gesamtvergleich der Entgelte im jeweiligen Überlassungszeitraum unter Berücksichtigung tätigkeitsbezogener (d. h. bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) und personenbezogener (d. h. bezogen eine bestimmte Qualifikation oder eine Berufsausbildung, an die die Arbeitsbedingungen gebunden sind) Komponenten (LAG Niedersachsen-Bremen - a.a.O. - juris Rn. 76). Unter den Gesamtvergleich der Entgelte fallen zudem nicht nur das laufende Entgelt, sondern auch alle Zulagen und Zuschläge, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung sowie weitere Vergütungsbestandteile, die als Gegenleistung vom Vertragsarbeitgeber für die Erbringung der Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers erbracht werden (LAG Niedersachsen-Bremen - a.a.O. - juris Rn. 76; BAG, Urteil vom 23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - juris Rn. 33). Vor diesem Hintergrund war für die im Bescheid aufgeführten überschlägig mehr als 477 Leiharbeitnehmer, die bei ca. 170 Entleihern eingesetzt worden waren, eine Schätzung gerechtfertigt.

Die Schätzung begegnet auch der Höhe nach keinen durchgreifenden Bedenken. Die Beklagte hat sich insoweit im Ausgang auf die eigenen Angaben der Klägerin gestützt. Diese hatte im Vorfeld der Betriebsprüfung selber für die jeweiligen Arbeitnehmertätigkeiten durch Nachfrage bei den Entleihern Vergleichslöhne ermittelt. Dies ist nicht zu beanstanden; die dagegen von der Klägerin vorgetragenen Einwendungen führen zu keiner anderen Entscheidung.

Der Einwand der Klägerin, die von ihr selbst im Rahmen der Betriebsprüfung eingeholten Angaben der Entleiherfirmen hätten sich später als widersprüchlich herausgestellt, ist nicht hinreichend substantiiert genug, um berechtigte Zweifel an der Höhe des mitgeteilten Arbeitsentgelts zu begründen und um weitere gerichtliche Ermittlungen einzuleiten. Zu der von der Klägerin benannten Entleiherfirma R., einer Schmiede- und Bauschlosserei aus R., die Tore, Industrietore einbaut, war im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt worden, dass dieses Unternehmen nicht der Metallbranche unterliegt, sondern der Bauindustrie, so dass die Angaben zum Stundenlohn auf dem Tarifvertrag für das Baugewerbe beruhten und insofern – wie auch der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - zutreffend waren.

Der weitere Vortrag, "selbst bei Facharbeitern der Tarifgruppe E4 sei es allgemein bekannt, dass diese nicht wie Facharbeiter im Stammunternehmen, sondern allenfalls wie "Arbeitgeber" (wohl richtig –nehmer) nach der Tarifgruppe E3 eingesetzt werden könnten; ein Facharbeiter des Stammunternehmens sei aufgrund seiner individuellen Ausbildung im Unternehmen in der Lage, ein Projekt (Schaltschrank) nach einer Zeichnung zu erstellen; dies sei bei einem entliehenen Arbeitnehmer der Zeitarbeitsbranche in der Regel nicht der Fall." führt ebenfalls nicht zur Annahme von Zweifeln an der Richtigkeit der Entleiherangaben. Insofern ist nicht hinreichend substantiiert genug dargetan und unter Beweisantritt dargelegt, bei welchem konkreten Arbeitnehmer der Klägerin dies warum genau der Fall gewesen sein soll. Die Formulierung "es ist allgemein bekannt" erfüllt diese Anforderungen nicht. Das Gericht ist aufgrunddessen nicht verpflichtet, ins Blaue hinein Ermittlungen anzustellen (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 22.03.2013 - L 1 KR 14/13 B ER - juris, Rn. 27). Gleiches gilt für den Vortrag, Zulagen und individuelle Handicaps seien nicht berücksichtigt worden. Auch hier fehlen genaue Angaben, welche Leiharbeitnehmer für welche Zeiträume wegen welcher Tätigkeiten es konkret betreffen soll.

Der weitere Einwand, nur 50 Prozent der von der Klägerin angefragten 170 Entleiher hätten überhaupt Angaben zum Vergleichslohn gemacht, die anderen hätten entweder nicht reagiert oder eine Mitteilung abgelehnt, führt weder zur Annahme einer Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung noch zur weiteren Sachaufklärung durch das Gericht. Denn insoweit reicht es nicht aus, bloß darzutun, dass Angaben fehlen, sondern erforderlich ist nach Auffassung der Kammer vielmehr, dass dargetan wird, dass insoweit die bislang angegebenen Vergleichslöhne unzutreffend sind oder nicht aussagekräftig genug sind und dies nur und ausschließlich sich aus den fehlenden Angaben der übrigen Entleiher nachweisen lasse.

Anhaltspunkte dahingehend, dass die vorliegenden Angaben nicht aussagekräftig und auch im übrigen repräsentativ genug sein sollen, hat das Gericht nicht. Vielmehr hat die Klägerin als Arbeitgeberin bei den Entleihern konkrete Anfragen mit Tätigkeitsbeschreibungen etc. gestellt. Allein aus der Tatsache, dass 50 Prozent der angefragten Entleiher nicht geantwortet haben, ergeben sich noch keine Hinweise darauf, dass die anderen 50 Prozent (d.h. 85 Unternehmen) keine repräsentativen Aussagen gemacht haben.

Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass hätte die Beklagte ihre Beitragsforderung auf die Studie des IAB vom 14. April 2011 gestützt – was nicht zu beanstanden gewesen wäre (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 22. März 2013 – L 1 KR 14/13 B ER – juris Rn. 27), die Beitragsnachforderung noch höher ausgefallen wäre.

Der Beitragsnachforderung der Beklagten stehen keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Ein schützenswertes Vertrauen lässt sich insbesondere weder aus einem Vertrauen in eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Tariffähigkeit der CGZP bzw. allgemein von Gewerkschaften und Spitzenverbänden, einem Vertrauen in die Wirksamkeit von Tarifverträgen noch aus einem Vertrauen in vorangegangene Betriebsprüfungen und die Bestandskraft hierbei erlassener Bescheide herleiten.

Zunächst ist festzuhalten, dass höchstrichterliche Rechtsprechung kein Gesetzesrecht ist und keine damit vergleichbare Rechtsbindung erzeugt. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung jedoch ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - juris Rn. 85 m. w. N.). Auch im Beitragsrecht der Sozialversicherung erfordern Treu und Glauben, dass die Beitragspflichtigen - hier nach § 28e SGB IV die Arbeitgeber - nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden, die auf die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, von deren Maßgeblichkeit die Beteiligten ausgegangen waren und die sie deshalb ihrer Beitragsentrichtung zugrunde gelegt hatten, zurückzuführen sind (BSG, Urteil vom 18. November 1980 - 12 RK 59/79 - juris Rn. 23). Hat ein Arbeitgeber aufgrund einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung Beiträge für bestimmte Arbeitnehmerbezüge abzuführen, die nach der bisherigen Rechtsprechung beitragsfrei waren, so ist die geänderte Rechtsprechung aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht rückwirkend anzuwenden. Der Vertrauensschutz des Arbeitgebers endet bei unveränderter Sach- und Rechtslage in der Regel erst dann, wenn der Arbeitgeber von der nach § 28h SGB IV zuständigen Einzugsstelle oder von dem nach § 28p SGB IV zuständigen Rentenversicherungsträger über die geänderte Rechtsprechung unterrichtet wird. Für die Zeit davor ist er zur Nachzahlung der nicht verjährten Beiträge nur verpflichtet, wenn er die geänderte Rechtsprechung und ihre Folgen für seine Beitragspflicht schon vor der Unterrichtung durch die genannten Träger kannte oder wenn er nach den Umständen des Falles Anlass hatte, insoweit bestehende Zweifel von sich aus zu klären (BSG, a. a. O., Rn. 29).

Diese Rechtsprechung lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Eine geänderte Rechtsprechung zum Beitragsrecht liegt nicht vor. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Spitzenorganisationen liegt durch den diese Materie erstmalig betreffenden Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 (a. a. O.) ebenfalls nicht vor. Weder hatte das BAG zuvor eine Entscheidung über die Tariffähigkeit der CGZP getroffen noch hat es mit dem genannten Beschluss seine Rechtsprechung zur Tariffähigkeit von Gewerkschaften und Spitzenorganisationen geändert (vgl. BAG, Beschluss vom 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12 - juris Rn. 25; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2012 - 24 TaBV 1285/11 u. a. - juris Rn. 182 ff.). Überdies wird der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, namentlich an die Tariffähigkeit einer Vereinigung, nicht geschützt (BAG, Urteil vom 15. November 2006 - 10 AZR 665/05 - juris Rn. 23).

Ein Vertrauensschutz ergibt sich für die Klägerin auch nicht aus vorangegangenen Prüfungen nach § 28p SGB IV, insbesondere nicht aus der den streitigen Prüfzeitraum bis zum 31. Dezember 2010 mit umfassender Betriebsprüfung vom Oktober 2010. Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen einschließlich der Protokolle über die Schlussbesprechung nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen (BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - juris Rn. 47; Urteil vom 29. Juli 2003 - B 12 AL 1/02 R - juris Rn. 26). Zwar kann ein Bescheid nach § 28p SGB IV neben der regelmäßig enthaltenen und den Arbeitgeber belastenden Entscheidung über die Nachforderung von Beiträgen auch ihn begünstigende Regelungen enthalten. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die Beklagte im anschließenden Prüfbescheid 2010 festgestellt hätte, die Klägerin habe im Prüfzeitraum zu Recht die Vergütung der Leiharbeitnehmer auf der Grundlage der zwischen der CGZP und des AMP geschlossenen Tarifverträge vorgenommen oder sämtliche nicht gesondert erwähnten Beitragspflichten ordnungsgemäß erfüllt, so dass für den erfassten Zeitraum keine weiteren Beitragsforderungen geltend gemacht würden. Derartiges hat die Klägerin jedoch selber nie behauptet. Ihr Vortrag in der mündlichen Verhandlung, die Mitarbeiter der Beklagten hätten 2010 gegenüber der Buchhalterin mitgeteilt, "es sei alles in Ordnung", lässt keine Schlussfolgerung zu, die Beklagte hätte die Gültigkeit des Tarifvertrages oder die Erfüllung sämtlicher Beitragspflichten geprüft. Insofern war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanregung, die Mitarbeiterin der Klägerin zu vernehmen, nicht zu folgen gewesen. Denn für die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Tarifvertrages fehlt der Beklagten schlicht die Zuständigkeit und Kompetenz. Hierzu berufen sind ausschließlich die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Der weitere Vortrag, Mitarbeiter anderer Sozialversicherungsträger (BA und VBG) hätten sich zur Anwendbarkeit des streitbefangenen Tarifvertrages geäußert, führt ebenfalls nicht zur Annahme eines Vertrauensschutzes bei der Klägerin im Rahmen von Betriebsprüfungen und Sozialversicherungsbeitragsnachforderungen. Zum einen ist weder die BA im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis noch die BG von Gesetz wegen befugt, die Gültigkeit von Tarifverträgen zu prüfen. Diese Prüfkompetenz obliegt – wie ausgeführt - allein den Arbeitsgerichten. Sollten die Äußerungen von Mitarbeitern anderer Sozialversicherungsträger tatsächlich den vorgetragenen Inhalt gehabt haben, sind diese jedoch nicht der Beklagten zuzurechnen. Grundsätzlich ist eine Behörde nur für eigene Fehler verantwortlich. Eine Zurechnung einer Falschauskunft eines anderen Leistungsträgers oder sonstigen Dritten ist - im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs – ausnahmsweise wie eine eigene Pflichtverletzung (st.Rspr seit BSG 51, 89 = SozR 2200 § 381 Nr. 44) nur dann anzunehmen, wenn zwei Leistungsträger im Sinne einer Funktionseinheit mit einer Aufgabenerfüllung arbeitsteilig betraut sind (BSGE 71, 217 = SozR 3-1200 § 14 Nr. 8) oder ein Leistungsträger einen anderen Leistungsträger bzw. Dritten in die Abwicklung eines Versicherungsverhältnisses mit einbezogen hat (zum Verhältnis Krankenkasse - Kassenärzte: BSGE 52, 254, 256 f = SozR 2200 § 216 Nr. 5; zum Verhältnis Unfallversicherungsträger - Ärzte: BSG SozR 3-5670 § 5 Nr. 1) und wenn spezifische Beratungspflichten aufgrund der Verknüpfung zweier Leistungsträger oder seitens eines Leistungsträgers aufgrund besonderer Aufgaben bestehen (bejaht zum Verhältnis Arbeitsamt - Rentenversicherung: BSGE 73, 56 = SozR 3-1200 § 14 Nr. 9; zum Verhältnis Krankenkasse - Rentenversicherung: BSG SozR 4-2600 § 4 Nr. 2; verneint zum Verhältnis Bafög-Amt - Kindergeld: BSGE 71, 217 = SozR 3-1200 § 14 Nr. 8; zum Verhältnis Rentenversicherungsträger - OEG-Anspruch: BSG SozR 3-3100 § 60 Nr. 3). Entscheidend für eine Zurechnung ist somit immer die konkrete Pflichtverletzung gegenüber dem Leistungsberechtigten und das Verhältnis des im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Anspruch genommenen Leistungsträgers zu dem Dritten, dem die Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Dabei ist seitens des Leistungsberechtigten zu beachten, dass ihm keine Nachteile daraus entstehen sollen, weil eine bestimmte Aufgabe auf mehrere Leistungsträger aufgeteilt oder weitere Stellen, einschließlich ggfs. private Dritte, in die Leistungsabwicklung einbezogen werden, oder weil das gegliederte Sozialsystem für Betroffene oftmals schwer zu überschauen ist. Aus Sicht des in Anspruch genommenen Leistungsträgers ist die Zurechnung der Pflichtverletzung eines Dritten in den Fällen einer gesetzlich vorgesehenen Aufgabenteilung oder bewussten Einbeziehung eines Dritten in die Aufgabenerfüllung sachgerecht. Die Zurechnung in den Fällen einer spezifischen Beratungspflicht des einen Leistungsträgers für Aufgaben des anderen bedarf keiner grundlegenden Entscheidung, sondern ist von der jeweiligen Fallgestaltung abhängig, wie die oben wiedergegebenen Entscheidungen zeigen. Keine dieser Alternativen ist vorliegend erfüllt. Weder die BA noch die BG waren weder durch Gesetz noch durch Vereinbarung seitens der beklagten Rentenversicherung in deren Aufgabenerfüllung mit einbezogen; eine Funktionseinheit ist nicht gegeben. Auch hat weder die BA noch die BG eine spezifische Beratungspflicht in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung – hier der Betriebsprüfung.

Da nach dem eigenen Vortrag der Klägerin entsprechende Feststellungen weder in dem Prüfbescheid von 2010 oder im Protokoll über die Schlussbesprechung ausdrücklich getroffen worden sind noch sie sich diesen Unterlagen unter Berücksichtigung des dargestellten Zwecks einer Betriebsprüfung aus der Sicht eines verständigen Empfängers entnehmen lassen, enthält der Prüfbescheid 2010 keine dem nachfolgenden Betriebsprüfungsbescheid vom 01. Juni 2012 entgegenstehenden und die Klägerin begünstigenden Regelungen. Folglich bedurfte es auch nicht seiner - teilweisen - Rücknahme nach § 45 SGB X. Zudem erfasst die Bindungswirkung eines Bescheides grundsätzlich nur dessen Verfügungssatz bzw. -sätze, nicht hingegen die Gründe, die zu der Regelung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 - 7 RAr 91/83 – in SozR 4100 § 112 Nr. 23 m.w.N.; Urteil vom 28. Juni 1990 - 7 RAr 22/90 - in SozR 3-4100 § 137 Nr. 1). Nichts deutet darauf hin, dass die im vorliegenden Fall streitgegenständliche Frage der Zahlung von equal-pay-Ansprüchen Gegenstand des Prüfbescheides 2010 gewesen sein soll. Insofern lässt sich ein der Bestandskraft fähiger Verfügungssatz in dem Sinne, dass die Klägerin im Prüfzeitraum sämtliche nicht gesondert erwähnten Meldepflichten und sonstigen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt habe (vgl. § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV), dem Bescheid ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) vor diesem Hintergrund nicht entnehmen.

Des Weiteren sind die geltend gemachten Beitragsansprüche auch nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten und Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 3. August 2005 (BGBl. I S. 2269) sind Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung waren die entsprechenden Beiträge spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Danach sind zumindest die Beitragsansprüche für die Monate Januar 2008 bis Dezember 2009 nicht verjährt.

Die Beitragsansprüche für die Monate Dezember 2005 bis Dezember 2007 sind ebenfalls nicht verjährt, da nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden sind. Für das Eingreifen der 30-jährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 R – juris, Rn.23). Eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründet dann keinen Vertrauensschutz mehr, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz im oben genannten Sinn hinzutritt. Auch in diesem Fall gilt die lange Verjährungsfrist. Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit noch keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30-jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird (BSG, a. a. O., Rn. 19, 20). Eine billigende Inkaufnahme im vorgenannten Sinne scheidet nur dann aus, wenn der Arbeitgeber ernstlich und nicht nur vage darauf vertraut hat, dass eine Beitragspflicht nicht gegeben ist, mit anderen Worten: wenn er bei rationaler Beurteilung gar nicht oder nicht zuverlässig darauf bauen konnte, dass eine Beitragspflicht nicht besteht (vgl. zum Vorsatzbegriff im Strafrecht: Herzberg, Das Wollen beim Vorsatzdelikt und dessen Unterscheidung vom bewusst fahrlässigen Verhalten - Teil 2, JZ 1988, 635, 639).

Gemessen daran steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die für die Klägerin handelnden Organe bzw. Bevollmächtigten vor Eintritt der Verjährung für die Ansprüche aus dem Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007 am 31. Dezember 2010 eine Beitragspflicht nach den Grundsätzen des "equal pay" billigend in Kauf genommen haben, wobei das entsprechende Wissen der Klägerin zuzurechnen ist, weil sie seitdem zumindest nicht mehr zuverlässig von einer mangelnden Beitragspflicht ausgehen konnten. Ein "Für-möglich-Halten" im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts mit Verkündung des Beschlusses des BAG vom 14. Dezember 2010, welcher eine erhebliche Öffentlichkeitswirkung entfaltet hat, spätestens jedoch in Folge des Schreibens der Beklagten vom 23. Dezember 2010 - und damit zu einem Zeitpunkt, als die vierjährige Verjährungsfrist für die Beitragsansprüche für die Monate Dezember 2005 bis Dezember 2007 noch nicht abgelaufen war. Dies gilt insbesondere für die Beiträge bis Dezember 2005. Diese wurden nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV spätestens zum 15. Januar 2006 fällig, so dass der Verjährungsbeginn mit Ablauf des Jahres 2006 begann. Die Beklagte hat mit diesem Schreiben ausdrücklich fristwahrend Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge nach dem Grundsatz des "equal pay" geltend gemacht und die Klägerin auf ihre in der Folge der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 bestehende Pflicht zur unverzüglichen Prüfung ihrer Beitrags- und Meldepflichten hingewiesen. Entsprechend hatte sich die Klägerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 und 18. Mai 2011 auch bereit erklärt, sämtliche Arbeitnehmerüberlassungsverträge vorzulegen sowie bei den Entleihern Ermittlungen anzustellen und mit der geänderten Abrechnung zu beginnen. Aus diesem Verhalten ist rückzuschließen, dass sich die Klägerin zum einen sehr wohl bewusst war, dass für die Vergangenheit möglicherweise Beitragsansprüche anstehen könnten; zudem konnte sie seitdem nicht mehr ernsthaft darauf vertrauen, keine Beiträge für die Vergangenheit mehr nachzahlen zu müssen. Dem steht insbesondere das Schreiben der Beklagten vom 23. Dezember 2010 entgegen.

Schließlich ist die Forderung auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (st.Rspr; vgl. BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 14, RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr. 5 RdNr 31; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr. 4 RdNr 36; BSG SozR 4-4200 § 37 Nr. 1 RdNr 17; BSG SozR 3-2400 § 4 Nr. 5 S 13; BSG Urteil vom 30.7.1997 - 5 RJ 64/95 - Juris RdNr 27; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6 S 17 f; BSG Urteil vom 1.4.1993 - 1 RK 16/92 - FEVS 44, 478, 483 = Juris RdNr 23; BSG SozR 2200 § 520 Nr. 3 S 7; BSG Urteil vom 29.7.1982 - 10 RAr 11/81 - Juris RdNr 15; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 15; BSG Urteil vom 25.1.1972 - 9 RV 238/71 - Juris RdNr 17; zuletzt BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R – juris Rn. 37f)).

Allein der Zeitablauf stellt ein solches Verwirkungsverhalten noch nicht dar. Denn die Verwirkung unterscheidet sich von der Verjährung dadurch, dass der bloße Zeitablauf nicht genügt, um die Ausübung des Rechts als unzulässig anzusehen (siehe ferner ergänzend zu den bereits oben genannten Entscheidungen BSGE 51, 260, 262 = SozR 2200 § 730 Nr. 2 S 4; BSG Urteil vom 30.10.1969 - 8 RV 53/68 - USK 6983 S 345 = Juris RdNr 23; BSGE 38, 187, 194 = SozR 2200 § 664 Nr. 1 S 9; BSGE 34, 211, 214 = SozR Nr. 14 zu § 242 BGB; BSGE 7, 199, 201; vgl. auch BGH NJW 2011, 445, 446). Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen ausnahmsweise allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (vgl. BSG Urteil vom 19.6.1980 - 7 RAr 14/79 - USK 80292 S 1312 = Juris RdNr 32; BSGE 47, 194, 197 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 17; BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr. 17 S 55). Vorliegend führt allein der Umstand, dass die Beklagte die Anwendung des streitigen Tarifvertrages nicht gerügt hat, nicht zur Annahme eines Verwirkungstatbestandes, weil für die Klägerin sich daraus keine Anhaltspunkte herleiten lassen, die Beklagte habe dies bewusst und planmäßig gemacht. Vielmehr führt diese die Betriebsprüfung lediglich stichprobenartig durch, so dass kein Umkehrschluss zu ziehen ist, bei Nichtbeanstandungen von nicht geprüften Daten würde die Verfahrensweise bewusst geduldet und für zutreffend erachtet. Eine derartige Annahme widerspricht vollkommen dem Sinn und Zweck einer stichprobenartigen Prüfung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Der gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs. 3 GKG festgesetzte Streitwert entspricht der Höhe der streitgegenständlichen Forderung.
Rechtskraft
Aus
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