S 34 AS 4524/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 34 AS 4524/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II wirkt gem. § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II auch dann auf den Monatsersten zurück, wenn wegen des Vollzugs einer Freiheitsstrafe am ersten Tag des Monats ein Leistungsanspruch gem. § 7 Abs. 4 SGB II noch nicht bestand.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten tragen ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Anrechnung eines dem Kläger nach einer Haftentlassung gewährten Überbrückungsgeldes als auf seinen Bedarf anzurechnendes Einkommen.

Der Kläger verbüßte bis zum 12.6.2012 eine Haftstrafe. Bei seiner Haftentlassung am 12.6.2012 wurde ihm ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1335,22 Euro bewilligt und ausgezahlt.

Dem Kläger gelang es seitdem nicht, ein bezahltes Arbeitsverhältnis zu begründen und er verfügt auch nicht über ein Vermögen, mit dem er seinen Lebensunterhalt und die Kosten einer Unterkunft decken könnte.

Am 14.6.2012 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Der vom Kläger hierzu verwendete Vordruck enthält in der Kopfzeile den Hinweis: "Beachten Sie bitte, dass dieser Antrag gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der Regel auf den Ersten des Monats zurückwirkt und Sie somit alle leistungsrelevanten Tatsachen (insbesondere Zufluss von Einkommen) für den gesamten Monat (auch für die Zeit ab dem Ersten des Monats) angeben müssen."

Mit Bescheid vom 19.6.2012 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 12.6.2012 bis zum 30.6.2012 in Höhe von 33,33 Euro (für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes) und für den Zeitraum vom 1.7.2012 bis zum 30.11.2012 in Höhe von monatlich 181,46 Euro (für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes) und rechnete hierbei das Überbrückungsgeld von 1335,22 Euro im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2012 in Höhe von monatlich 222,54 Euro als auf sechs Monate aufgeteilte einmalige Einnahme des Monats Juni 2012 auf den Bedarf an.

Am 20.6.2012 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.6.2012 ein und begründete diesen am 1. August 2012.

Am 26.7.2012 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er ab dem 26.7.2012 in einer Wohnung in H. wohnen werde und dass die Grundmiete ab dem 1.8.2012 monatlich 120,00 Euro betrage zuzüglich 80,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung einschließlich einer Vorauszahlung für Strom.

Mit Änderungsbescheid vom 30.7.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1.8.2012 bis zum 30.11.2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 361,46 Euro (hiervon 181,46 Euro für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes und 180,00 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung).

Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 14.8.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 12.6.2012 bis zum 30.6.2012 Leistungen nach dem SGB II (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes) in Höhe von 44,33 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 20.6.2012 als – nach Erlass der Änderungsbescheide – unbegründet zurück.

Daraufhin hat der Kläger die verfahrensgegenständliche Klage vom 24.9.2012 erhoben.

Auf Anregung des Gerichts haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 4.2.2013 bzw. 6.2.2013 jeweils ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, dass das Überbrückungsgeld nicht als einmalige Einnahme zu bewerten sei und auch nicht – aufgeteilt auf sechs Monate – als zugeflossenes Einkommen auf seinen Bedarf hätte angerechnet werden dürfen, sondern dass das Überbrückungsgeld (geschütztes) Vermögen darstelle, da es vor der Antragstellung vom 14.6.2012 zugeflossen sei.

Der Antrag wirke nicht gem. § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II auf den 1.6.2012 zurück, weil am 1.6.2012 noch nicht die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch vorgelegen hätten, weil der Kläger sich bis zum 12.6.2012 in Haft befunden habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 19.6.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.7.2012 und vom 14.8.2012 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.8.2012 abzuändern und dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlich vorgesehener Höhe zu bewilligen und auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte folgert aus § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II i.V.m. § 11 SGB II, dass der Antrag auf den 1.6.2012 zurückwirke und dass das zugeflossene Überbrückungsgeld als einmalige Einnahme anzusehen und auf sechs Monate aufzuteilen sei.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte im Hinblick auf das von den Beteiligten erklärte Einverständnis und da der Sachverhalt unstreitig ist – ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist zulässig.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Der Leistungsantrag des Klägers vom 14.6.2012 wirkt gem. § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II auf den 1.6.2012 zurück. Da der Kläger sich bis zum 12.6.2012 in Haft befand, hatte er gem. § 7 Abs. 4 SGB II erst ab dem 12.6.2012 einen Leistungsanspruch.

Das am 12.6.2012 dem Kläger zugeflossene Überbrückungsgeld in Höhe von 1335,22 Euro ist eine einmalige Einnahme gem. § 11 SGB II, die auf sechs Monate aufzuteilen und auf den Bedarf anzurechnen ist.

Das Überbrückungsgeld soll nach § 51 StVollzG den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen nach seiner Haftentlassung sichern. Aufgrund dieser Zweckbestimmung, die dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II entspricht, ist eine Anrechnung als Einkommen auf den Bedarf im Rahmen der SGB II-Prüfung vorzunehmen.

Der Rechtsposition des Klägers, dass entgegen § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II der Antrag des Klägers vom 14.6.2012 nicht auf den 1.6.2012 zurückwirke, weil der Kläger sich vom 1.6. bis zum 12.6.2012 noch in Haft befunden habe und daher gem. § 7 Abs. 4 SGB II keinen Leistungsanspruch gehabt habe, wird bereits vom Wortlaut des § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II nicht getragen. Sowohl nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll eine umfassende Prüfung des Leistungsanspruchs gewährleistet sein. Es soll erreicht werden, dass auch dann, wenn zum Ersten des Monats noch kein Leistungsanspruch besteht (z.B. weil ein Arbeitsverhältnis nach Kündigung noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist läuft), zum frühesten möglichen Zeitpunkt nach dem Ersten des Monats Leistungen gewährt werden können – vorliegend nach Ablauf der Sperrwirkung des § 7 Abs. 4 SGB II ab dem 12.6.2012.

Die dem Kläger gewährten Leistungen entsprechen – nach Änderung durch die Bescheide vom 30.7.2012 und vom 14.8.2012 – in der Höhe den Vorgaben des SGB II.

Zu berücksichtigen ist jeweils ein Regelbedarf des Klägers von 374,00 Euro pro Monat und ab dem 1.8.2012 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 180,00 Euro pro Monat (- da in der Pauschalmiete von 200,00 Euro die vom Kläger aus dem Regelbedarf zu bestreitenden Stromkosten enthalten sind, konnte eine Kürzung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf 180,00 Euro pro Monat erfolgen). Da im Juni 2012 lediglich ein Bedarf nach Haftentlassung ab dem 12.6.2012 bestand, betrug der Regelbedarf insoweit 374,00 Euro x 19 Tage: 30 Tage = 236,87 Euro.

Die Aufteilung des Überbrückungsgeldes von 1335,22 Euro auf sechs Monate ergibt einen Betrag von monatlich 222,54 Euro. Da der Kläger über kein Arbeitseinkommen verfügt hat, war jeweils monatlich lediglich die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro von den 222,54 Euro abzusetzen.

Aus den aufgeführten Berechnungsgrundlagen ergibt sich, dass die jeweils gewährten Leistungen dem Anspruch des Klägers nach dem SGB II entsprechen:

Für Juni 2012 bestand ein Leistungsanspruch in Höhe von

236,87 Euro anteiliger Regelbedarf 12.6.-30.6.2012

- 222,54 Euro 1/6 des Überbrückungsgeldes

+ 30,00 Euro Versicherungspauschale

44,33 Euro (Leistungsanspruch für Juni 2012).

Für Juli 2012 bestand ein Leistungsanspruch in Höhe von

374,00 Euro Regelbedarf

- 222,54 Euro 1/6 des Überbrückungsgeldes

+ 30,00 Euro Versicherungspauschale

181,46 Euro (Leistungsanspruch für Juli 2012).

Für August bis November 2012 bestand jeweils ein Leistungsanspruch in Höhe von

374,00 Euro Regelbedarf

+180,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung

- 222,54 Euro 1/6 des Überbrückungsgeldes

+ 30,00 Euro Versicherungspauschale

361,46 Euro (monatlicher Leistungsanspruch für August bis November 2012).

Die Beteiligten tragen gem. § 193 SGG ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst. Es liegt kein Grund dafür vor, dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen, weil der Kläger mit seiner Klage unterlegen ist und weil der Beklagte die Klageerhebung nicht veranlasst hat.
Rechtskraft
Aus
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