Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 140/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 174/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 8/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Feststellungsklage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit stehen Forderungen der Klägerin aus Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der Beklagten als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Auto XY. GmbH (XY.) für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenz zwischen Verhängung des Verfügungsverbotes und Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 22. März 2005 wurde gegen XY. ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen und die Beklagte zu 2) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Deren Bestellung zur Insolvenzverwalterin sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten durch weiteren gerichtlichen Beschluss vom 15. Mai 2005.
Mit Schreiben an die Beklagte zu 1) vom 31. Mai 2005 wurde dieser von der Klägerin ein Sondervorschussbescheid über Vorausleistungen für das Umlagejahr 2005 über insgesamt 14.299 EUR sowie ein Vordruck zum Lohnnachweis für das Jahr 2005 übersandt. Mit weiterem Schreiben der Klägerin vom gleichen Tag wurden gegenüber der Beklagten zu 1) für den Zeitraum vom 22. März bis 14. Mai 2005 dem Grunde nach Masseforderungen geltend gemacht und eine Sicherheit in Höhe von 8844,53 EUR angemeldet.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 wurden der Klägerin von der Beklagten zu 1) die Lohnnachweise für den Zeitraum vom 22. März bis zum 14. Mai 2005 übersandt und dabei mitgeteilt, dass die Beiträge für diesen Zeitraum von ihr nicht als Masseforderung anerkannt werden könnten, sondern gegebenenfalls zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssten.
Am 18. November 2005 wurde der Beklagten zu 1) von der Klägerin ein Beitragsbescheid gegenüber XY. für den Zeitraum vom 22. März bis zum 14. Mai 2005 über 6337,19 EUR übersandt und zugleich mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 31. Mai 2005 angemeldete Massesicherheit auf diesen Betrag berichtigt werde und der genannte Betrag als Masseforderung bis zum 15. Dezember zu überweisen sei.
Nachfolgend wurde die Beklagte zu 1) von der Klägerin mehrfach zur Zahlung aufgefordert (Schreiben vom 19. Januar 2006, 10. März 2006 und 29. März 2006). Von der Beklagten zu 1) wurde dies durch Schreiben vom 30. November 2005 und 19. April 2006 unter Hinweis auf die zuvor geäußerte Rechtsansicht abgelehnt.
Die Veröffentlichung der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Insolvenzordnung (InsO) erfolgte laut Mitteilung des Amtsgerichts Kassel am 26. Juni 2006.
Mit Klage vom 19. Juni 2006 wurden von der Klägerin zunächst vor dem Landgericht Kassel Forderungen in Höhe von 6337,19 EUR gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemacht. Mit Beschluss vom 14. März 2007 wurde das Verfahren vom Landgericht Kassel an das Sozialgericht Kassel verwiesen.
Das Sozialgericht Kassel hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die auch vom Landgericht so verstandene und allein die Zuständigkeit des Sozialgerichts begründende Leistungsklage der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) sei unzulässig. Es habe im Zeitpunkt der Erhebung der Klage bereits ein entsprechender Titel existiert, der hätte vollzogen, d. h. vollstreckt werden können. Die Beklagte sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie gehöre der vollziehenden Gewalt an und sei befugt, Verwaltungsakte zu erlassen. Es mangele regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis dafür, öffentlich-rechtliche Forderungen, die durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden könnten, mit einer Leistungsklage zu verfolgen. Vorliegend komme hinzu, dass in Form des Verwaltungsaktes vom 18. November 2005 bereits ein vollstreckbarer Titel existiert habe, welcher ähnlich wie ein Abgaben- und Steuerbescheid auch im Falle der Erhebung eines Widerspruchs sofort vollziehbar gewesen sei. Einer Zahlungsklage habe es daher nicht bedurft. Sofern die Klage auf Schadensersatz gerichtet gewesen sein sollte, mangele es an der auch im Rahmen des § 60 InsO zu prüfenden Kausalität des Schadens. Die Klägerin habe am 18. November 2005 einen von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt erlassen und die Beklagte zu 1) zur Zahlung aufgefordert, was diese verweigert habe. Damit habe es der Klägerin freigestanden, den Verwaltungsakt zu vollziehen, d. h. die Verwaltungsvollstreckung zu betreiben. Eines Streites über die Frage, ob es sich um eine Masseforderung handele oder nicht, bedürfe es dafür nicht. Am 15. Mai 2005 sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Spätestens sechs Monate später hätte die Vollstreckung auch in die Masse betrieben werden dürfen (§ 90 InsO). Bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit und des daraus folgenden Vollstreckungsverbotes (§ 210 InsO) am 26. Juni 2006 habe die Klägerin folglich über sechs Monate Zeit gehabt, die nach ihrer Ansicht berechtigte Beitragsforderung zwangsweise durchzusetzen. Es wäre dann Sache der Beklagten zu 1) gewesen, ggf. im Wege der Vollstreckungsgegenklage überprüfen zu lassen, ob die Vollstreckung in die Masse zulässig gewesen sei oder nicht. Wäre das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um eine Masseforderung handele, so hätte dies zur Befriedigung der Klägerin geführt. Wäre das Gericht dagegen der Überzeugung gewesen, dass es sich bei der geltend gemachten Forderung um eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO handele, hätte es ebenfalls keiner Schadensersatzklage bedurft. Der seitens der Klägerin so bezeichnete Hilfsantrag, die Beklagte zu 2) persönlich in Anspruch zu nehmen, erweise sich vor diesem Hintergrund nicht als Hilfsantrag, sondern vielmehr als bedingt erhobene Klage. Indem die Klägerin ausführe, sie beabsichtige die Beklagte persönlich in Anspruch zu nehmen, falls diese aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Masseunzulänglichkeit nicht in der Lage sein sollte, die Forderung als Masseforderung zu befriedigen, verknüpfe sie nicht einen Haupt- mit einem Hilfsantrag, sondern strebe mit dem so von ihr bezeichneten Hilfsantrag einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite unter der Bedingung an, dass die im Hauptantrag bezeichnete Klage wegen Masseunzulänglichkeit wirtschaftlich wertlos sein sollte. Eine solche bedingte Klageerhebung sei unzulässig. Es gehe dabei nicht um die Frage, ob demselben Kläger der eine oder (hilfsweise) der andere Anspruch zuzubilligen sei, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches bestehe, dürfe schon um der Rechtsklarheit willen nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben. An der Unzulässigkeit dieses Hilfsantrages ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin mit Schriftsatz an das Gericht vom 27. Mai 2009 eine Parteiberichtigung beantragt und ausgeführt habe, dass die Klage sich gegen die Beklagte zu 2) persönlich und nicht in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin richte. Unabhängig davon, dass aus den zunächst formulierten Haupt- und Hilfsanträgen ersichtlich sei, dass mit dem Hauptantrag tatsächlich die Beklagte als Insolvenzverwalterin in Anspruch genommen werden sollte, werde mit dem Antrag letztendlich ein Parteiwechsel auf Beklagtenseite erstrebt, der einerseits eine verdeckte Klagerücknahme enthalte, andererseits aber auch, nachdem die Beklagte nicht zugestimmt habe, unzulässig sei, weil bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht stattgefunden habe. Im Übrigen sei insoweit auch die Sachdienlichkeit zu verneinen.
Gegen das ihr am 26. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 27. Juli 2009.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie habe ein Feststellungsinteresse bezüglich der Frage, ob ihr gegenüber der Masse eine Forderung zustehe und sie damit rechtlich als Massegläubigerin gem. § 53 InsO anzusehen sei. Daraus folgten bestimmte Sonderrechte, etwa aus § 208 Abs. 2 Satz 2 InsO. Da das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen sei, sei es auch denkbar, dass die Masseunzulänglichkeit wegfallen könnte. Eine Vollstreckung der Forderung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zulässig (§ 210 InsO). Auch der Aspekt der Wiederholungsgefahr begründe ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte zu 2) sei als Fachanwältin für Insolvenzrecht in einer der bundesweit größten Insolvenzverwalter-Kanzleien tätig. Es stehe zu erwarten, dass diese in weiteren Insolvenzverfahren - auch gegenüber der Klägerin - wiederum ein Begleichen von Beitragsforderungen der Klägerin aus der Masse für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung ablehnen werde. Zudem bestehe die Gefahr, dass Kollegen der Beklagten zu 2) auf deren Linie umschwenken könnten, wenn die Frage der Einordnung der Beiträge als Masseverbindlichkeiten im vorliegenden Verfahren keine Klärung erfahre. Viele Berufsgenossenschaften dürften sich dann einer Flut gerichtlicher Verfahren ausgesetzt sehen. Bei den Unfallversicherungsbeiträgen aus einer Betriebsweiterführung in der vorläufigen Insolvenz durch einen vorläufigen sog. starken Insolvenzverwalter handele es sich um vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO. Im Falle eines Verfügungsverbotes trete der vorläufige starke Insolvenzverwalter in alle Rechte und Pflichten des insolventen Unternehmens ein. Dies gelte auch für die Stellung als Arbeitgeber. Nehme der vorläufige starke Insolvenzverwalter Leistungen aus einem Dauerschuldverhältnis entgegen, so werde eine Masseschuld begründet (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies gelte auch für die Dauerschuldverhältnisse aus den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter. Deren Arbeitsangebot habe die Beklagte zu 2) als vorläufige starke Insolvenzverwalterin angenommen, d.h. die Belegschaft habe in der Zeit der vorläufigen Insolvenz aufgrund ihrer Entscheidung weitergearbeitet. Dazu sei die Beklagte zu 2) nicht gezwungen gewesen. Ihr habe es auch frei gestanden, die Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen. In diesem Fall wäre es nicht zu der streitgegenständlichen Forderung gekommen. Damit seien Masseverbindlichkeiten in Form der Gehaltsansprüche der Belegschaft für diese Zeit begründet worden (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die damit in Verbindung stehenden gesetzlichen Folgekosten (Unfallversicherung, Lohnsteuer) könnten dann aber nicht bloße Insolvenzforderungen sein, da diese an die erst begründeten Masseverbindlichkeiten unmittelbar anknüpften. Dafür spreche auch, dass die Beitragspflicht gesetzlich an die bloße Gewerbeaufnahme gekoppelt sei. Soweit der Gesetzgeber in § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gem. § 208 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 3. Buch - Arbeitsförderung (SGB III) eine Ausnahmeregelung von diesem Grundsatz getroffen habe, sei die gesetzliche Unfallversicherung davon nicht betroffen. Diese sei in der abschließenden gesetzlichen Regelung der Sozialversicherungsbeiträge in § 28d Sozialgesetzbuch, 4. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) nicht aufgeführt. Es könne im Übrigen von ihr nicht erwartet werden, bei einer Unternehmensweiterführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter weiterhin vollen Versicherungsschutz bieten zu müssen, für den keine entsprechenden Beiträge geleistet würden. Das widerspräche dem Solidarprinzip einer gesetzlichen Versicherung und würde zu einer Ungleichbehandlung und damit zu einer Benachteiligung der anderen Mitgliedsunternehmen führen. Gegenüber der Beklagten zu 2) mache sie Schadensersatz für nicht beglichene Beitragsforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung geltend. Die Klage habe sich zunächst zwar nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtet. Allerdings habe bereits in der 1. Instanz eine Klageerweiterung in Form einer Parteierweiterung auf die Beklagte zu 2) stattgefunden. Spätestens mit ihrem Hilfsantrag aus dem erstinstanzlichem Schriftsatz vom 12. September 2006 habe sie deutlich gemacht, dass die Insolvenzverwalterin persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden sollte. Dieser Hilfsantrag sei von der Beklagtenseite auch von vornherein als Klageerweiterung aufgefasst worden. Die Beklagte zu 2) sei dementsprechend auch von vornherein anwaltlich vertreten gewesen und habe die Klage offensichtlich auch als ihr persönlich zugestellt angesehen. Die Beklagtenseite habe im Schriftsatz vom 12. September 2006 sowie später in den mündlichen Verhandlungen den Antrag gestellt, auch den Hilfsantrag abzuweisen. Hierin sei eine rügelose Klageänderung gem. § 99 Abs. 2 SGG zu sehen. Hilfsweise werde die Parteierweiterung und eine gerichtliche Entscheidung darüber nebst entsprechender Zustellung an die Beklagte zu 2) beantragt. Eine solche Parteierweiterung sei nach der insoweit vergleichbaren zivilrechtlichen Rechtsprechung auch in der Berufungsinstanz möglich. Danach wäre eine mögliche Verweigerung der Zustimmung durch die neue (weitere) Beklagte unbeachtlich, wenn sie rechtsmißbräuchlich sei. Dies sei der Fall, wenn ein schutzwürdiges Interesse für eine Weigerung fehle und die neue (zusätzliche) Beklagte keine irgendwie geartete Schlechterstellung zu befürchten habe. Dies sei auch auf die Regelungen der §§ 99, 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) übertragbar, zumal vorliegend zunächst ein landgerichtliches Verfahren geführt worden sei. Wegen natürlicher Personenidentität habe die Beklagte als Insolvenzverwalterin von diesem Gerichtsverfahren von Anfang an auch persönlich Kenntnis gehabt. Überdies sei sie spätestens ab dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 22. Januar 2007 persönlich verteidigt und vertreten worden, auch bezüglich des angekündigten Hilfsantrages. Damit sei sie von Anfang an mit dem gesamten Prozessverlauf vertraut gewesen und habe Einfluss auf ihn nehmen können. Daher sei eine Zustimmung zur Klageerweiterung, jedenfalls jedoch ein Rügeverzicht, anzunehmen. Überdies sei die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung gegeben. Die geforderten Beiträge seien trotz Fälligkeit und Mahnungen nicht beglichen worden. Damit sei die Haftung der Beklagten zu 2) nach §§ 61, 55 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. InsO gegeben. Der Umstand, dass das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen sei, stehe dem nicht entgegen. Die Haftung des Verwalters in Ansehung eines noch laufenden Insolvenzverfahrens vorerst abzulehnen, komme allenfalls dann in Betracht, wenn die durch vorhandene Barmittel ungedeckten Masseverbindlichkeiten aus Außenständen befriedigt werden könnten, die unschwer und in angemessener Zeit zu realisieren seien. Aus der Masse sei für die Klägerin vorliegend praktisch nichts mehr zu erlangen, da sie nach dem Willen der Beklagten zu 2) nie etwas habe erlangen sollen. Schon während der vorläufigen Insolvenzverwaltung sei diese offenbar nicht willens gewesen, die anfallenden Unfallversicherungsbeiträge aus der Masse bei Fälligkeit zu begleichen, was jedoch § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO einem Insolvenzverwalter als ordnungsgemäßes Verhalten vorschreibe. Der Gläubiger einer Masseverbindlichkeit sei durch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters vor einem Ausfall seiner Forderung zu schützen, den dieser zu vertreten habe. Schließlich habe der Gläubiger im Zeitraum der vorläufigen Insolvenz eine Leistung im Vertrauen auf den Insolvenzverwalter erbracht. Dieses Vertrauen müsse u.a. durch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters geschützt werden. Dabei sei ein schon anfänglich vorhandenes Nichterfüllen-Wollen ein wesentlich schwerwiegenderes Verschulden des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO als ein fahrlässig nicht erkanntes Nichterfüllen-Können, für das die Vorschrift bereits eine Haftung anordne. Das Verschulden des Insolvenzverwalters werde bei Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit im Rahmen des § 61 InsO gesetzlich vermutet. Die Beklagte zu 2) habe unschwer erkennen können und müssen, dass es sich bei den geforderten Unfallversicherungsbeiträgen um fällige, fristgerecht zu begleichende Masseverbindlichkeiten handele. Sie habe entgegen ihrer Pflichten und damit entgegen der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters gehandelt. Sie hätte die Rechtsnatur der Beitragsforderung rechtlich richtig einordnen müssen, andernfalls hätte sie den Betrieb nicht weiterführen dürfen, wenn sie über das Entstehen und Bestehen von Masseverbindlichkeiten nicht ausreichend informiert gewesen sei. Die Beklagte zu 2) hätte entweder die Mitarbeiter freistellen müssen, oder aber alle mit der Weiterbeschäftigung verbundenen Kosten und gesetzlichen Folgekosten aus der Masse bei deren Fälligkeit begleichen müssen. Ein von Amts wegen bestellter Insolvenzverwalter habe bei ordnungsgemäßer Amtsausübung berechtigte gesetzliche Beitragsforderungen bei deren Fälligkeit zu zahlen. Dies sei im Dezember 2005 auch noch möglich gewesen. Wegen der zwischenzeitlich angezeigten Masseunzulänglichkeit erscheine eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse nunmehr aussichtslos. Als Fachanwältin für Insolvenzrecht und erfahrene Insolvenzverwalterin hätte die Beklagte zu 2) um die mit der Unternehmensweiterführung verbundenen gesetzlichen Folgekosten als Masseverbindlichkeiten wissen müssen. Dies habe sie im vorliegenden Fall vorwerfbar verkannt und eine Begleichung der Forderung im Zeitpunkt der Fälligkeit pflichtwidrig unterlassen. Mindestens jedoch hätte es für die Beklagte zu 2) nahe gelegen, den geforderten Unfallversicherungsbeitrag vorsorglich als Masseschuld zu berücksichtigen und eine entsprechende Rücklage zu bilden. Masseverbindlichkeiten dürften nur begründet werden, wenn vorauszusehen sei, dass ihnen eine zur Befriedigung ausreichende Masse gegenüberstehen werde. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei bereits ein Schaden eingetreten gewesen. Dieser sei entstanden, als die Zahlung der Beiträge nach mehreren Zahlungsaufforderungen endgültig verweigert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ihr der streitgegenständliche Betrag "in der Kasse" gefehlt. Als dieses turnusmäßige Umlageverfahren im April 2005 stattgefunden habe, seien die anderen Mitgliedsbetriebe um den fehlenden streitgegenständlichen Betrag zu Unrecht höher belastet worden und hätten daher einen erhöhten Umlagebetrag zahlen müssen. Durch ihre grundlose Weigerung habe die Beklagte zu 2) zu diesem Zeitpunkt einen Schaden für die Solidargemeinschaft herbeigeführt. Diesen Schaden mache sie als zuständige Einzugsstelle treuhänderisch für alle anderen Mitgliedsbetriebe geltend. An der Entstehung des Schadens ändere auch die Tatsache nichts, dass eine Zeitlang die Möglichkeit bestanden habe, in die Masse vollstrecken zu können. Sie sei nicht a priori verpflichtet, unverzüglich die Zwangsvollstreckung in die Masse zu betreiben. Vielmehr stehe ihr ein Ermessensspielraum zu. Es entspreche ihrer ständigen Verwaltungspraxis und pflichtgemäßem Ermessen, dass rückständige Beiträge - jedenfalls gegenüber Insolvenzverwaltern - zunächst schriftlich angemahnt würden. Auch danach betreibe sie nur notgedrungen die Zwangsvollstreckung gegenüber Insolvenzverwaltern während einer laufenden Betriebsfortführung. Der Hintergrund sei, dass Insolvenzverwalter bei der Ausübung ihres gerichtlich bestellten Amtes gesetzlich verpflichtet seien, ordnungsgemäß zu handeln und fällige Forderungen zu begleichen. So seien sie auch verpflichtet, in der Unternehmensweiterführung das Geld für die Arbeitnehmer und die Folgekosten der Arbeit, insbesondere für Sozialversicherung und Steuer, zu berechnen, zu sichern und zu begleichen. Für die bekannten Folgekosten seien sie verpflichtet, entsprechende Rücklagen zu bilden. Die Zwangsvollstreckung sehe sie daher als "ultima ratio" an, zumal sie auch an einer gedeihliche Zusammenarbeit mit den Insolvenzverwaltern interessiert sei. Es sei ihr nicht vorzuwerfen, zunächst einmal gemäß ihrem üblichen Verfahren Mahnungen an die Beklagte zu 1) versendet zu haben. Dieser sei so Gelegenheit gegeben worden, ihren eigenen Standpunkt zu überprüfen und zu korrigieren. Nicht zuletzt sehe sie sich gemäß ihrem eigenen Leitbild als Partnerin ihrer Kunden und nicht als "Bußgeldstelle", die sofort nach Fristablauf Vollstreckungsvorgänge einleite. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hätte das Einleiten der Zwangsvollstreckung zudem objektiv zu keinem Erfolg mehr führen können, da ein Vollstreckungsauftrag mehrere Wochen bis Monate Bearbeitungszeit mit sich bringe, aber bereits eine Woche später Masseunzulänglichkeit angezeigt worden sei. Auch bei einer früher eingeleiteten Vollstreckung wäre der Schaden nicht abwendbar gewesen, da das Umlageverfahren bereits vor April 2006 durchgeführt worden sei. Es sei nicht ihre Aufgabe und Verpflichtung, durch eine sofortige Zwangsvollstreckung diesen Schaden selbst zu beheben.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Juni 2009 aufzuheben und festzustellen, dass ihre Beitragsforderung gegenüber der Beklagten zu 1) aus der Zeit der Betriebsfortführung vom 22. März 2005 bis zum 14. Mai 2005 als Masseverbindlichkeit zu begleichen ist,
hilfsweise die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 6.337,19 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 29. März 2006 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) und 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für Zeiten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auch bei einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung, keine Masseforderungen, sondern Insolvenzforderungen darstellten. Vorliegend handele es sich bei den Ansprüchen der Klägerin weder um Verbindlichkeiten, die auf Handlungen oder Rechtsgeschäften der Beklagten in ihrer Funktion als vorläufige Insolvenzverwalterin beruhten, noch um Neugeschäfte. Sie sei als vorläufige Insolvenzverwalterin von Gesetzes wegen verpflichtet, den Betrieb im vorläufigen Insolvenzverfahren fortzuführen (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens seien die sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsstilllegung nicht erfüllt gewesen. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Beitragsforderung der Klägerin als Bestandteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages anzusehen, so dass es sich hierbei bereits aufgrund der Regelung des § 55 Abs. 3 InsO nicht um eine Masseverbindlichkeit sondern um eine Insolvenzforderung handele, die zur Insolvenztabelle anzumelden sei. Hierauf sei die Klägerin bereits frühzeitig hingewiesen worden. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung fehle es zudem an einer Pflichtverletzung, welche ihr gem. § 60 InsO vorgeworfen werden könnte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des Landgerichts Kassel sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin Bezug.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässig. Die Berufung wurde innerhalb der Berufungsfrist erhoben. Der kalendarische Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist fiel auf Sonntag, den 26. Juli 2009, so dass die Einlegung der Berufung am darauffolgenden Montag, den 27. Juli 2009 fristgemäß erfolgt ist (§ 64 Abs. 3 SGG).
Hinsichtlich des Feststellungsantrags liegen auch im Übrigen die Sachurteilsvoraussetzungen vor. Keine Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich der Zulässigkeit der Änderung des ursprünglich in der ersten Instanz gestellten Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag im Berufungsverfahren. Der Übergang von der Leistungsklage in eine Feststellungsklage stellt eine Klageänderung nach § 99 SGG im Sinne einer Erweiterung bzw. Beschränkung des Klageantrags dar, wenn zugleich eine Änderung des Klagegrundes vorliegt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 99, Rn. 4). Eine Änderung des Klagegrundes ist dabei die Änderung des dem Klageantrag zugrunde liegenden Lebenssachverhalts. Ob eine solche hier vorliegt, erscheint fraglich, bedarf vorliegend allerdings keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Grund der Änderung des Klageantrags ist vorliegend lediglich die zwischenzeitlich eingetretene Masseunzulänglichkeit bei ansonsten unverändertem Sachverhalt. Selbst wenn darin eine Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Lebenssachverhalts und damit eine Änderung des Klagegrundes gesehen werden könnte, ist die Klageänderung auf jeden Fall nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig. Die als solche auch noch in der Berufung grundsätzlich zulässige Änderung der Anträge (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 99, Rn. 12) ist aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich, um eine ansonsten notwendige erneute Klageerhebung zu vermeiden. Bei der Prüfung der Sachdienlichkeit soll das Gericht die Interessen der Beteiligten und der Prozessökonomie berücksichtigen und die Frage hierbei nicht kleinlich beurteilen. Eine Klageänderung ist daher als sachdienlich anzusehen, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer u.a., a.a.O., § 99, Rn. 10). Die Beklagte zu 1) hat sich zudem bezüglich des Feststellungsantrages auch in der Sache eingelassen, ohne die Klageänderung zu rügen, so dass sie hierzu konkludent ihre Einwilligung erteilt hat.
Die Feststellungsklage steht weiterhin nicht gegenüber einer vorrangigen Leistungsklage zurück, da eine unmittelbare gerichtliche Geltendmachung der behaupteten Masseforderung aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Masseunzulänglichkeit und dem damit einhergehenden Vollstreckungsverbot gem. § 210 InsO zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung nicht mehr möglich war. Die Prozessvoraussetzungen sind vom Gericht in jeder Instanz von Amts wegen zu prüfen, wobei hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung auf den Zeitpunkt ihrer Einlegung abzustellen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 51 Rn. 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 143, Rn. 10b). In diesem Zusammenhang kommt es deshalb auch nicht (mehr) darauf an, ob es der zunächst erstinstanzlich erhobenen Leistungsklage angesichts der Möglichkeit, die Forderung aus dem Beitragsbescheid mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen, an einem Rechtschutzbedürfnis mangelte.
Zugunsten der Klägerin lässt sich weiterhin das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse bejahen. In Betracht kommt hier allein eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, d.h. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Von der Beklagten wurde hierzu eingewandt, dass die Beitragsforderung der Klägerin als solche und damit grundsätzlich auch das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen den Beteiligten nicht in Frage gestellt werde. Streitig sei lediglich die insolvenzrechtliche Einordnung der Beitragsschuld (Masseforderung gem. § 55 InsO oder einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO). Dies steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen, da es sich auch insoweit um die Frage des Bestehens eines Rechtsverhältnisses handelt. Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem Sachverhalt aufgrund einer Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Dies ist prozessrechtlich bei einem Streit anzunehmen, der die Anwendung einer Norm u.a. auf Rechtsbeziehungen betrifft, die aus einem konkreten Sachverhalt zwischen mehreren Personen entstanden sind. Unabhängig von der Verdichtung und Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses ist dieses nur dann feststellungsfähig, wenn zwischen den Beteiligten ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite fordern zu können (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 9. Februar 1995 - 7 RAr 78/93). Die Feststellungsklage muss dabei nicht zwingend auf die Feststellung des Rechtsverhältnisses in umfassendem Sinn zielen. Es kann auch auf Feststellung einzelner Rechte und Pflichten geklagt werden, die auf dem Rechtsverhältnis im umfassenden Sinn basieren und vom Inhalt dieses Rechtsverhältnisses abhängen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 6). Begehrt wird vorliegend die Feststellung, dass zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis im Sinne der Beteiligung als Gläubiger bzw. Schuldner an einer Masseforderung besteht. Hierbei handelt es sich nach den vorstehenden Ausführungen um ein Rechtverhältnis im Sinne des § 55 SGG, da die Anspruchsberechtigung bzw. Realisierbarkeit der Forderungen der Klägerin wesentlich hiervon abhängig ist. Die begehrte Feststellung (der zwischen den Beteiligten bestehenden Masseverbindlichkeit) ist für einen möglichen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte eine wesentliche Vorfrage und ist darüber hinaus aufgrund der Tätigkeit der Beklagten als Insolvenzverwalterin auch in weiteren Verfahren mit der Klägerin von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung. Damit lässt sich vorliegend in hinreichendem Maße ein Feststellungsinteresse der Klägerin bejahen.
Der danach insgesamt zulässige Antrag der Klägerin festzustellen, dass die Beitragsforderungen bezüglich des Zeitraums der Betriebsfortführung während der vorläufigen Insolvenzverwaltung Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO darstellen, ist in der Sache hingegen nicht begründet.
Bei den streitgegenständlichen Beitragsforderungen der Klägerin handelt es sich aufgrund der vorliegend einschlägigen Bestimmung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO (in der vorliegend anwendbaren Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 - BGBl. I, 2003, 2848, nachfolgend InsO a.F.) um einfache, nicht privilegierte Forderungen eines Insolvenzgläubigers nach § 38 InsO (sog. Insolvenzforderung), die als solche zur Insolvenztabelle anzumelden sind. Bei der Bestimmung des § 55 Abs. 3 InsO a.F. handelt es um eine Ausnahmereglung zu § 55 Abs. 2 InsO a.F. Nach § 55 Abs. 2 InsO a.F. gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Demgegenüber bestimmt § 55 Abs. 3 InsO a.F., dass die Bundesagentur für Arbeit begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt die nach § 187 SGB III (ebenfalls in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, nachfolgend SGB III a.F.) auf sie übergehen, nur als Insolvenzgläubiger geltend machen kann. Entsprechendes gilt nach § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. für die in § 208 Abs. 1 SGB III a.F. bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben. Nach dieser Bestimmung können die für den Insolvenzgeldzeitraum rückständigen Gesamtbeiträge zur Sozialversicherung, die aus der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter herrühren und die nicht auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen, von der Einzugsstelle nur als einfache Insolvenzforderung geltend gemacht werden (Hefermehl, Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 55, Rn. 222; Peters-Lange in Gagel, SGB II/SGB III, 48. Erg.-Lfg. 2013, Rn. 15).
Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist zunächst grundsätzlich eröffnet, da vorliegend ausschließlich Beiträge bezüglich Ansprüchen auf Arbeitsentgelt vom 22. März bis 14. Mai 2005 streitig sind, die vollständig den von der Regelung des § 55 Abs. 3 InsO a.F. i.V.m. § 187 SGB III a.F. umfassten dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraum betreffen. Dieser ergibt sich aus § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. und umfasst die dem Insolvenzereignis (hier "Eröffnung des Insolvenzverfahrens" nach Abs. 1 Nr. 1) vorausgehenden drei Monate mit Arbeitsentgeltansprüchen.
Die streitgegenständlichen Beitragsforderungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 150 Sozialgesetzbuch, 7. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sind den in § 208 SGB III a.F. genannten Beitragsansprüchen gleichgestellt, so dass sich die Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. auch auf diese erstreckt. Nach § 208 SGB III a.F. zahlt die Agentur für Arbeit der Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist.
Die Gleichstellung der Beitragspflicht von Unternehmern nach § 150 SGB VII mit den im Übrigen aus der Arbeitgeberstellung resultierenden Beitragspflichten bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach §§ 28d und 28e SGB IV und die daraus folgende Anwendbarkeit des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. auf die streitgegenständlichen Forderungen folgt aus der Rechtsprechung des BSG in seinen Entscheidungen vom 27. Mai 2008 (Az. B 2 U 21/07 R und Az. B 2 U 11/07 R). Im Hinblick auf die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrags im Baugewerbe hat das BSG dort ausgeführt, dass sich diese ausschließlich an Unternehmer richte. Diese seien regelmäßig Mitglied einer Berufsgenossenschaft und zudem auch Arbeitgeber. Sie seien damit sowohl hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung als auch der Gesamtsozialversicherungsbeiträge in das System der Beitragsfestsetzung und erhebung einbezogen. Für das betreffende Verfahren wurde daher vom BSG festgestellt, dass auf den Haftungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht nur der Absatz 3a, sondern auch die Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV Anwendung fänden, da die Gesetz gewordene Fassung des § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII eine Gesetzeslücke in Form eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers beinhalte, welche im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch eine Erweiterung der Verweisung des § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII auf die Absätze 3a bis 3f des § 28e SGB IV zu schließen sei. Die Auswertung der Gesetzesmaterialien zur Entstehung von § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII und § 28e Abs 3a bis 3f SGB IV ergebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Auseinanderfallen der Haftungssysteme im Bereich der Unfallversicherungsbeiträge und der Gesamtsozialversicherungsbeiträge beabsichtigt gewesen sei. Der maßgebliche Grund dafür, dass die Beiträge zur Unfallversicherung nicht gemeinsam mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen eingezogen werden, liege in der Art und Weise ihrer Ermittlung und Festsetzung. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien für den zur Abführung verpflichteten Arbeitgeber leicht zu ermitteln und eigenständig abzuführen. Eines Verwaltungsaktes bedürfe es hierfür nur im Streitfall. Die Beiträge zur Unfallversicherung seien hingegen im Wege der nachträglichen Bedarfsdeckung für jedes Unternehmen konkret zu ermitteln und durch Verwaltungsakt festzusetzen. Dieser Umstand vermöge jedoch einen unterschiedlichen Haftungsmaßstab in beiden Bereichen nicht zu rechtfertigen. Das BSG hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung haftungsrechtlich den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach § 28d SGB IV gleichzustellen sind. Dieser rechtlichen Bewertung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Die vom BSG genannten Gründe für die haftungsrechtliche Gleichbehandlung der Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung nach § 150 SGB VII mit den übrigen, ausdrücklich in § 28d SGB IV genannten Beiträgen zur Sozialversicherung sind ohne weiteres auf die Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO i.V.m. § 208 SGB III übertragbar.
Die Einbeziehung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in die Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. bzw. deren Gleichstellung mit den dort genannten Gesamtbeiträgen zur Sozialversicherung ist insbesondere auch aufgrund des Zwecks der insolvenzrechtlichen Regelung gerechtfertigt. Ob das Masseprivileg der Arbeitsentgeltansprüche gem. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO a.F. auch zugunsten der Bundesagentur für Arbeit gelten sollte, wenn im Rahmen des an die Arbeitnehmer gezahlten Insolvenzgeldes deren Entgeltansprüche in Höhe des gewährten Nettobetrages nach §§ 183, 187 SGB III a.F. auf sie übergehen, war bis zur Einführung des § 55 Abs. 3 InsO (Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 - BGBl. I 2710) zunächst umstritten. Die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes erlaubt es dem "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter, trotz fehlender Liquidität die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter zu bezahlen und damit den Betrieb weiterzuführen. Die finanzielle Situation des Unternehmens bessert sich grundlegend, wenn die Personalkosten aus dem Eröffnungsverfahren nicht als Masseverbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse vorweg bezahlt werden müssen. Darin liegt der Subventionseffekt der Insolvenzgeldvorfinanzierung, ohne den Betriebsfortführungen in der Mehrheit der Fälle nicht erfolgreich möglich sind. Die Gewährung der Vorfinanzierung ist ausschließlich davon abhängig, ob die Weiterführung des Unternehmens geeignet ist, zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen. Wenn dies bejaht werden kann, z.B. auf der Grundlage einer entsprechenden Stellungnahme des vorläufigen Insolvenzverwalters, ist die Vorfinanzierung durchzuführen in Kenntnis dessen, dass damit dem betroffenen Unternehmen ein entsprechender "Sanierungsbeitrag" zur Verfügung gestellt wird. Im Hinblick darauf ist deshalb eine Gleichbehandlung von vorläufigen Insolvenzverwaltern ohne und mit Verfügungsbefugnis geboten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis ist gesetzlich zur einstweiligen Betriebsfortführung verpflichtet. Ihm müssen deshalb zumindest die gleichen finanziellen Voraussetzungen eingeräumt werden, dieser Verpflichtung nachzukommen. Die Betriebsfortführung darf nicht durch die von der Arbeitsagentur im Eröffnungsverfahren vorfinanzierten Löhne und Gehälter mit Masseverbindlichkeiten belastet werden, wenn nachfolgend das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Mit Einführung des § 55 Abs. 3 InsO a.F. hat sich die Streitfrage, wie die Entgeltansprüche der durch Insolvenzgeld abgefundenen Arbeitnehmer nach dem Übergang auf die Bundesagentur für Arbeit einzuordnen sind, erledigt. Die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerleistung durch den "starken" vorläufigen Verwalter und die Auszahlung des Insolvenzgeldes begründen nunmehr keine Masseverbindlichkeit zu Gunsten der Bundesagentur für Arbeit, so dass die Massebelastungen aus starker vorläufiger Verwaltung u. die Haftungsrisiken für den Verwalter verringert werden. Mit dieser gesetzlichen Klarstellung ist ein wesentliches Hindernis für die verstärkte Einsetzung von vorläufigen Insolvenzverwaltern mit Verfügungsbefugnis i.S.d. § 55 Abs. 2 InsO a.F. und für eine erfolgversprechende Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren beseitigt worden (Hefermehl, Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 55 InsO, Rn. 221 f.)
Danach sind die Beiträge zur Unfallversicherung haftungsrechtlich und damit auch im Zusammenhang mit der Regelung des § 55 InsO mit den übrigen Beiträgen zur gesamten Sozialversicherung gleich zu behandeln. Folglich sind diese gemeinsam mit den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt nach § 55 Abs. 3 InsO a.F. i.V.m. § 208 SGB III a.F. sowie § 28d SGB IV als Insolvenzforderungen geltend zu machen. Die Beklagte zu 1) hat die Klägerin bezüglich der geltend gemachten Beitragsforderungen in Höhe von 6.337,19 EUR damit zutreffend auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle verwiesen und insoweit eine Anerkennung als Masseforderung zu Recht abgelehnt.
Der Hilfsantrag bezüglich der Geltendmachung von Schadenersatz gegenüber der Beklagten zu 2) (d.h. außerhalb ihrer Organstellung als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der XY.) ist nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts bereits unzulässig, da es sich hier hierbei um einen bedingt erklärten Parteiwechsel handelt. Eine Parteiänderung, die zu einer subjektiven Klagehäufung führt, kann wirksam nicht bedingt erfolgen, weder unter der prozessualen Bedingung, dass der Anspruch der in erster Linie angeführten Partei für unbegründet befunden wird (Bundesgerichtshof BGH , Urteil vom 25. September 1972 - II ZR 28/69, MDR 1973, 742), noch unter der Bedingung, dass das Gericht die Zulässigkeit der Klage der ursprünglichen Klägerin als Prozessstandschafterin verneint. Bei einem nur bedingten Parteiwechsel handelt es sich nicht wie bei gewöhnlichen Hilfsanträgen darum, ob demselben Kläger der eine oder der andere Anspruch zuzubilligen ist, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches besteht, darf, schon um der Rechtsklarheit willen, nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 209/03; ebenso Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 4 U 944/06). Selbst wenn der auf Schadenersatz gegenüber der Beklagten zu 2) gerichtete Antrag als zulässig angesehen werden könnte, ist dieser aufgrund der vorstehenden Ausführungen zum Feststellungsantrag jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu 2) auf Grundlage der §§ 60 und 61 InsO sind danach nicht erfüllt. Da es sich bei den streitgegenständlichen Beitragsforderungen nicht um Masseverbindlichkeiten handelt, kommt die Anwendung des § 61 InsO bereits nach dem Wortlaut nicht in Betracht, da hierbei die Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit vorausgesetzt wird, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht besteht. Im Hinblick auf § 60 InsO steht einem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegen, dass der Beklagten keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Sie hat es nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht abgelehnt, die Beitragsforderungen als Masseverbindlichkeiten anzuerkennen und zu begleichen bzw. insoweit Rückstellungen zu bilden. Weitere Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2), die zu einem Schadenersatzanspruch der Klägerin führen könnten, sind weder von dieser geltend gemacht worden noch ansonsten für den Senat ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war zuzulassen, da die vom Senat in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG vom 27. Mai 2008 (Az. B 2 U 21/07 R und Az. B 2 U 11/07 R) die spezifische Fallkonstellation des Haftungssystems im Baugewerbe nach § 28e Abs. 3a - 3f SGB IV betreffen, so dass noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die dortigen Ausführungen auch allgemein auf die insolvenzrechtliche Norm des § 55 Abs. 3 InsO übertragbar sind. Insoweit misst der Senat der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Feststellungsklage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit stehen Forderungen der Klägerin aus Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der Beklagten als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Auto XY. GmbH (XY.) für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenz zwischen Verhängung des Verfügungsverbotes und Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 22. März 2005 wurde gegen XY. ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen und die Beklagte zu 2) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Deren Bestellung zur Insolvenzverwalterin sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten durch weiteren gerichtlichen Beschluss vom 15. Mai 2005.
Mit Schreiben an die Beklagte zu 1) vom 31. Mai 2005 wurde dieser von der Klägerin ein Sondervorschussbescheid über Vorausleistungen für das Umlagejahr 2005 über insgesamt 14.299 EUR sowie ein Vordruck zum Lohnnachweis für das Jahr 2005 übersandt. Mit weiterem Schreiben der Klägerin vom gleichen Tag wurden gegenüber der Beklagten zu 1) für den Zeitraum vom 22. März bis 14. Mai 2005 dem Grunde nach Masseforderungen geltend gemacht und eine Sicherheit in Höhe von 8844,53 EUR angemeldet.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 wurden der Klägerin von der Beklagten zu 1) die Lohnnachweise für den Zeitraum vom 22. März bis zum 14. Mai 2005 übersandt und dabei mitgeteilt, dass die Beiträge für diesen Zeitraum von ihr nicht als Masseforderung anerkannt werden könnten, sondern gegebenenfalls zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssten.
Am 18. November 2005 wurde der Beklagten zu 1) von der Klägerin ein Beitragsbescheid gegenüber XY. für den Zeitraum vom 22. März bis zum 14. Mai 2005 über 6337,19 EUR übersandt und zugleich mitgeteilt, dass die mit Schreiben vom 31. Mai 2005 angemeldete Massesicherheit auf diesen Betrag berichtigt werde und der genannte Betrag als Masseforderung bis zum 15. Dezember zu überweisen sei.
Nachfolgend wurde die Beklagte zu 1) von der Klägerin mehrfach zur Zahlung aufgefordert (Schreiben vom 19. Januar 2006, 10. März 2006 und 29. März 2006). Von der Beklagten zu 1) wurde dies durch Schreiben vom 30. November 2005 und 19. April 2006 unter Hinweis auf die zuvor geäußerte Rechtsansicht abgelehnt.
Die Veröffentlichung der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Insolvenzordnung (InsO) erfolgte laut Mitteilung des Amtsgerichts Kassel am 26. Juni 2006.
Mit Klage vom 19. Juni 2006 wurden von der Klägerin zunächst vor dem Landgericht Kassel Forderungen in Höhe von 6337,19 EUR gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemacht. Mit Beschluss vom 14. März 2007 wurde das Verfahren vom Landgericht Kassel an das Sozialgericht Kassel verwiesen.
Das Sozialgericht Kassel hat die Klage mit Urteil vom 23. Juni 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die auch vom Landgericht so verstandene und allein die Zuständigkeit des Sozialgerichts begründende Leistungsklage der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) sei unzulässig. Es habe im Zeitpunkt der Erhebung der Klage bereits ein entsprechender Titel existiert, der hätte vollzogen, d. h. vollstreckt werden können. Die Beklagte sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie gehöre der vollziehenden Gewalt an und sei befugt, Verwaltungsakte zu erlassen. Es mangele regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis dafür, öffentlich-rechtliche Forderungen, die durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden könnten, mit einer Leistungsklage zu verfolgen. Vorliegend komme hinzu, dass in Form des Verwaltungsaktes vom 18. November 2005 bereits ein vollstreckbarer Titel existiert habe, welcher ähnlich wie ein Abgaben- und Steuerbescheid auch im Falle der Erhebung eines Widerspruchs sofort vollziehbar gewesen sei. Einer Zahlungsklage habe es daher nicht bedurft. Sofern die Klage auf Schadensersatz gerichtet gewesen sein sollte, mangele es an der auch im Rahmen des § 60 InsO zu prüfenden Kausalität des Schadens. Die Klägerin habe am 18. November 2005 einen von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt erlassen und die Beklagte zu 1) zur Zahlung aufgefordert, was diese verweigert habe. Damit habe es der Klägerin freigestanden, den Verwaltungsakt zu vollziehen, d. h. die Verwaltungsvollstreckung zu betreiben. Eines Streites über die Frage, ob es sich um eine Masseforderung handele oder nicht, bedürfe es dafür nicht. Am 15. Mai 2005 sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Spätestens sechs Monate später hätte die Vollstreckung auch in die Masse betrieben werden dürfen (§ 90 InsO). Bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit und des daraus folgenden Vollstreckungsverbotes (§ 210 InsO) am 26. Juni 2006 habe die Klägerin folglich über sechs Monate Zeit gehabt, die nach ihrer Ansicht berechtigte Beitragsforderung zwangsweise durchzusetzen. Es wäre dann Sache der Beklagten zu 1) gewesen, ggf. im Wege der Vollstreckungsgegenklage überprüfen zu lassen, ob die Vollstreckung in die Masse zulässig gewesen sei oder nicht. Wäre das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um eine Masseforderung handele, so hätte dies zur Befriedigung der Klägerin geführt. Wäre das Gericht dagegen der Überzeugung gewesen, dass es sich bei der geltend gemachten Forderung um eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO handele, hätte es ebenfalls keiner Schadensersatzklage bedurft. Der seitens der Klägerin so bezeichnete Hilfsantrag, die Beklagte zu 2) persönlich in Anspruch zu nehmen, erweise sich vor diesem Hintergrund nicht als Hilfsantrag, sondern vielmehr als bedingt erhobene Klage. Indem die Klägerin ausführe, sie beabsichtige die Beklagte persönlich in Anspruch zu nehmen, falls diese aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Masseunzulänglichkeit nicht in der Lage sein sollte, die Forderung als Masseforderung zu befriedigen, verknüpfe sie nicht einen Haupt- mit einem Hilfsantrag, sondern strebe mit dem so von ihr bezeichneten Hilfsantrag einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite unter der Bedingung an, dass die im Hauptantrag bezeichnete Klage wegen Masseunzulänglichkeit wirtschaftlich wertlos sein sollte. Eine solche bedingte Klageerhebung sei unzulässig. Es gehe dabei nicht um die Frage, ob demselben Kläger der eine oder (hilfsweise) der andere Anspruch zuzubilligen sei, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches bestehe, dürfe schon um der Rechtsklarheit willen nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben. An der Unzulässigkeit dieses Hilfsantrages ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin mit Schriftsatz an das Gericht vom 27. Mai 2009 eine Parteiberichtigung beantragt und ausgeführt habe, dass die Klage sich gegen die Beklagte zu 2) persönlich und nicht in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin richte. Unabhängig davon, dass aus den zunächst formulierten Haupt- und Hilfsanträgen ersichtlich sei, dass mit dem Hauptantrag tatsächlich die Beklagte als Insolvenzverwalterin in Anspruch genommen werden sollte, werde mit dem Antrag letztendlich ein Parteiwechsel auf Beklagtenseite erstrebt, der einerseits eine verdeckte Klagerücknahme enthalte, andererseits aber auch, nachdem die Beklagte nicht zugestimmt habe, unzulässig sei, weil bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht stattgefunden habe. Im Übrigen sei insoweit auch die Sachdienlichkeit zu verneinen.
Gegen das ihr am 26. Juni 2009 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 27. Juli 2009.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie habe ein Feststellungsinteresse bezüglich der Frage, ob ihr gegenüber der Masse eine Forderung zustehe und sie damit rechtlich als Massegläubigerin gem. § 53 InsO anzusehen sei. Daraus folgten bestimmte Sonderrechte, etwa aus § 208 Abs. 2 Satz 2 InsO. Da das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen sei, sei es auch denkbar, dass die Masseunzulänglichkeit wegfallen könnte. Eine Vollstreckung der Forderung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zulässig (§ 210 InsO). Auch der Aspekt der Wiederholungsgefahr begründe ein Feststellungsinteresse. Die Beklagte zu 2) sei als Fachanwältin für Insolvenzrecht in einer der bundesweit größten Insolvenzverwalter-Kanzleien tätig. Es stehe zu erwarten, dass diese in weiteren Insolvenzverfahren - auch gegenüber der Klägerin - wiederum ein Begleichen von Beitragsforderungen der Klägerin aus der Masse für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung ablehnen werde. Zudem bestehe die Gefahr, dass Kollegen der Beklagten zu 2) auf deren Linie umschwenken könnten, wenn die Frage der Einordnung der Beiträge als Masseverbindlichkeiten im vorliegenden Verfahren keine Klärung erfahre. Viele Berufsgenossenschaften dürften sich dann einer Flut gerichtlicher Verfahren ausgesetzt sehen. Bei den Unfallversicherungsbeiträgen aus einer Betriebsweiterführung in der vorläufigen Insolvenz durch einen vorläufigen sog. starken Insolvenzverwalter handele es sich um vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO. Im Falle eines Verfügungsverbotes trete der vorläufige starke Insolvenzverwalter in alle Rechte und Pflichten des insolventen Unternehmens ein. Dies gelte auch für die Stellung als Arbeitgeber. Nehme der vorläufige starke Insolvenzverwalter Leistungen aus einem Dauerschuldverhältnis entgegen, so werde eine Masseschuld begründet (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies gelte auch für die Dauerschuldverhältnisse aus den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter. Deren Arbeitsangebot habe die Beklagte zu 2) als vorläufige starke Insolvenzverwalterin angenommen, d.h. die Belegschaft habe in der Zeit der vorläufigen Insolvenz aufgrund ihrer Entscheidung weitergearbeitet. Dazu sei die Beklagte zu 2) nicht gezwungen gewesen. Ihr habe es auch frei gestanden, die Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen. In diesem Fall wäre es nicht zu der streitgegenständlichen Forderung gekommen. Damit seien Masseverbindlichkeiten in Form der Gehaltsansprüche der Belegschaft für diese Zeit begründet worden (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die damit in Verbindung stehenden gesetzlichen Folgekosten (Unfallversicherung, Lohnsteuer) könnten dann aber nicht bloße Insolvenzforderungen sein, da diese an die erst begründeten Masseverbindlichkeiten unmittelbar anknüpften. Dafür spreche auch, dass die Beitragspflicht gesetzlich an die bloße Gewerbeaufnahme gekoppelt sei. Soweit der Gesetzgeber in § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gem. § 208 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 3. Buch - Arbeitsförderung (SGB III) eine Ausnahmeregelung von diesem Grundsatz getroffen habe, sei die gesetzliche Unfallversicherung davon nicht betroffen. Diese sei in der abschließenden gesetzlichen Regelung der Sozialversicherungsbeiträge in § 28d Sozialgesetzbuch, 4. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) nicht aufgeführt. Es könne im Übrigen von ihr nicht erwartet werden, bei einer Unternehmensweiterführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter weiterhin vollen Versicherungsschutz bieten zu müssen, für den keine entsprechenden Beiträge geleistet würden. Das widerspräche dem Solidarprinzip einer gesetzlichen Versicherung und würde zu einer Ungleichbehandlung und damit zu einer Benachteiligung der anderen Mitgliedsunternehmen führen. Gegenüber der Beklagten zu 2) mache sie Schadensersatz für nicht beglichene Beitragsforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung geltend. Die Klage habe sich zunächst zwar nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtet. Allerdings habe bereits in der 1. Instanz eine Klageerweiterung in Form einer Parteierweiterung auf die Beklagte zu 2) stattgefunden. Spätestens mit ihrem Hilfsantrag aus dem erstinstanzlichem Schriftsatz vom 12. September 2006 habe sie deutlich gemacht, dass die Insolvenzverwalterin persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden sollte. Dieser Hilfsantrag sei von der Beklagtenseite auch von vornherein als Klageerweiterung aufgefasst worden. Die Beklagte zu 2) sei dementsprechend auch von vornherein anwaltlich vertreten gewesen und habe die Klage offensichtlich auch als ihr persönlich zugestellt angesehen. Die Beklagtenseite habe im Schriftsatz vom 12. September 2006 sowie später in den mündlichen Verhandlungen den Antrag gestellt, auch den Hilfsantrag abzuweisen. Hierin sei eine rügelose Klageänderung gem. § 99 Abs. 2 SGG zu sehen. Hilfsweise werde die Parteierweiterung und eine gerichtliche Entscheidung darüber nebst entsprechender Zustellung an die Beklagte zu 2) beantragt. Eine solche Parteierweiterung sei nach der insoweit vergleichbaren zivilrechtlichen Rechtsprechung auch in der Berufungsinstanz möglich. Danach wäre eine mögliche Verweigerung der Zustimmung durch die neue (weitere) Beklagte unbeachtlich, wenn sie rechtsmißbräuchlich sei. Dies sei der Fall, wenn ein schutzwürdiges Interesse für eine Weigerung fehle und die neue (zusätzliche) Beklagte keine irgendwie geartete Schlechterstellung zu befürchten habe. Dies sei auch auf die Regelungen der §§ 99, 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) übertragbar, zumal vorliegend zunächst ein landgerichtliches Verfahren geführt worden sei. Wegen natürlicher Personenidentität habe die Beklagte als Insolvenzverwalterin von diesem Gerichtsverfahren von Anfang an auch persönlich Kenntnis gehabt. Überdies sei sie spätestens ab dem Schriftsatz der Beklagtenseite vom 22. Januar 2007 persönlich verteidigt und vertreten worden, auch bezüglich des angekündigten Hilfsantrages. Damit sei sie von Anfang an mit dem gesamten Prozessverlauf vertraut gewesen und habe Einfluss auf ihn nehmen können. Daher sei eine Zustimmung zur Klageerweiterung, jedenfalls jedoch ein Rügeverzicht, anzunehmen. Überdies sei die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung gegeben. Die geforderten Beiträge seien trotz Fälligkeit und Mahnungen nicht beglichen worden. Damit sei die Haftung der Beklagten zu 2) nach §§ 61, 55 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. InsO gegeben. Der Umstand, dass das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen sei, stehe dem nicht entgegen. Die Haftung des Verwalters in Ansehung eines noch laufenden Insolvenzverfahrens vorerst abzulehnen, komme allenfalls dann in Betracht, wenn die durch vorhandene Barmittel ungedeckten Masseverbindlichkeiten aus Außenständen befriedigt werden könnten, die unschwer und in angemessener Zeit zu realisieren seien. Aus der Masse sei für die Klägerin vorliegend praktisch nichts mehr zu erlangen, da sie nach dem Willen der Beklagten zu 2) nie etwas habe erlangen sollen. Schon während der vorläufigen Insolvenzverwaltung sei diese offenbar nicht willens gewesen, die anfallenden Unfallversicherungsbeiträge aus der Masse bei Fälligkeit zu begleichen, was jedoch § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO einem Insolvenzverwalter als ordnungsgemäßes Verhalten vorschreibe. Der Gläubiger einer Masseverbindlichkeit sei durch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters vor einem Ausfall seiner Forderung zu schützen, den dieser zu vertreten habe. Schließlich habe der Gläubiger im Zeitraum der vorläufigen Insolvenz eine Leistung im Vertrauen auf den Insolvenzverwalter erbracht. Dieses Vertrauen müsse u.a. durch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters geschützt werden. Dabei sei ein schon anfänglich vorhandenes Nichterfüllen-Wollen ein wesentlich schwerwiegenderes Verschulden des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO als ein fahrlässig nicht erkanntes Nichterfüllen-Können, für das die Vorschrift bereits eine Haftung anordne. Das Verschulden des Insolvenzverwalters werde bei Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit im Rahmen des § 61 InsO gesetzlich vermutet. Die Beklagte zu 2) habe unschwer erkennen können und müssen, dass es sich bei den geforderten Unfallversicherungsbeiträgen um fällige, fristgerecht zu begleichende Masseverbindlichkeiten handele. Sie habe entgegen ihrer Pflichten und damit entgegen der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters gehandelt. Sie hätte die Rechtsnatur der Beitragsforderung rechtlich richtig einordnen müssen, andernfalls hätte sie den Betrieb nicht weiterführen dürfen, wenn sie über das Entstehen und Bestehen von Masseverbindlichkeiten nicht ausreichend informiert gewesen sei. Die Beklagte zu 2) hätte entweder die Mitarbeiter freistellen müssen, oder aber alle mit der Weiterbeschäftigung verbundenen Kosten und gesetzlichen Folgekosten aus der Masse bei deren Fälligkeit begleichen müssen. Ein von Amts wegen bestellter Insolvenzverwalter habe bei ordnungsgemäßer Amtsausübung berechtigte gesetzliche Beitragsforderungen bei deren Fälligkeit zu zahlen. Dies sei im Dezember 2005 auch noch möglich gewesen. Wegen der zwischenzeitlich angezeigten Masseunzulänglichkeit erscheine eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse nunmehr aussichtslos. Als Fachanwältin für Insolvenzrecht und erfahrene Insolvenzverwalterin hätte die Beklagte zu 2) um die mit der Unternehmensweiterführung verbundenen gesetzlichen Folgekosten als Masseverbindlichkeiten wissen müssen. Dies habe sie im vorliegenden Fall vorwerfbar verkannt und eine Begleichung der Forderung im Zeitpunkt der Fälligkeit pflichtwidrig unterlassen. Mindestens jedoch hätte es für die Beklagte zu 2) nahe gelegen, den geforderten Unfallversicherungsbeitrag vorsorglich als Masseschuld zu berücksichtigen und eine entsprechende Rücklage zu bilden. Masseverbindlichkeiten dürften nur begründet werden, wenn vorauszusehen sei, dass ihnen eine zur Befriedigung ausreichende Masse gegenüberstehen werde. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei bereits ein Schaden eingetreten gewesen. Dieser sei entstanden, als die Zahlung der Beiträge nach mehreren Zahlungsaufforderungen endgültig verweigert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ihr der streitgegenständliche Betrag "in der Kasse" gefehlt. Als dieses turnusmäßige Umlageverfahren im April 2005 stattgefunden habe, seien die anderen Mitgliedsbetriebe um den fehlenden streitgegenständlichen Betrag zu Unrecht höher belastet worden und hätten daher einen erhöhten Umlagebetrag zahlen müssen. Durch ihre grundlose Weigerung habe die Beklagte zu 2) zu diesem Zeitpunkt einen Schaden für die Solidargemeinschaft herbeigeführt. Diesen Schaden mache sie als zuständige Einzugsstelle treuhänderisch für alle anderen Mitgliedsbetriebe geltend. An der Entstehung des Schadens ändere auch die Tatsache nichts, dass eine Zeitlang die Möglichkeit bestanden habe, in die Masse vollstrecken zu können. Sie sei nicht a priori verpflichtet, unverzüglich die Zwangsvollstreckung in die Masse zu betreiben. Vielmehr stehe ihr ein Ermessensspielraum zu. Es entspreche ihrer ständigen Verwaltungspraxis und pflichtgemäßem Ermessen, dass rückständige Beiträge - jedenfalls gegenüber Insolvenzverwaltern - zunächst schriftlich angemahnt würden. Auch danach betreibe sie nur notgedrungen die Zwangsvollstreckung gegenüber Insolvenzverwaltern während einer laufenden Betriebsfortführung. Der Hintergrund sei, dass Insolvenzverwalter bei der Ausübung ihres gerichtlich bestellten Amtes gesetzlich verpflichtet seien, ordnungsgemäß zu handeln und fällige Forderungen zu begleichen. So seien sie auch verpflichtet, in der Unternehmensweiterführung das Geld für die Arbeitnehmer und die Folgekosten der Arbeit, insbesondere für Sozialversicherung und Steuer, zu berechnen, zu sichern und zu begleichen. Für die bekannten Folgekosten seien sie verpflichtet, entsprechende Rücklagen zu bilden. Die Zwangsvollstreckung sehe sie daher als "ultima ratio" an, zumal sie auch an einer gedeihliche Zusammenarbeit mit den Insolvenzverwaltern interessiert sei. Es sei ihr nicht vorzuwerfen, zunächst einmal gemäß ihrem üblichen Verfahren Mahnungen an die Beklagte zu 1) versendet zu haben. Dieser sei so Gelegenheit gegeben worden, ihren eigenen Standpunkt zu überprüfen und zu korrigieren. Nicht zuletzt sehe sie sich gemäß ihrem eigenen Leitbild als Partnerin ihrer Kunden und nicht als "Bußgeldstelle", die sofort nach Fristablauf Vollstreckungsvorgänge einleite. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hätte das Einleiten der Zwangsvollstreckung zudem objektiv zu keinem Erfolg mehr führen können, da ein Vollstreckungsauftrag mehrere Wochen bis Monate Bearbeitungszeit mit sich bringe, aber bereits eine Woche später Masseunzulänglichkeit angezeigt worden sei. Auch bei einer früher eingeleiteten Vollstreckung wäre der Schaden nicht abwendbar gewesen, da das Umlageverfahren bereits vor April 2006 durchgeführt worden sei. Es sei nicht ihre Aufgabe und Verpflichtung, durch eine sofortige Zwangsvollstreckung diesen Schaden selbst zu beheben.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Juni 2009 aufzuheben und festzustellen, dass ihre Beitragsforderung gegenüber der Beklagten zu 1) aus der Zeit der Betriebsfortführung vom 22. März 2005 bis zum 14. Mai 2005 als Masseverbindlichkeit zu begleichen ist,
hilfsweise die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 6.337,19 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 29. März 2006 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) und 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für Zeiten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auch bei einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung, keine Masseforderungen, sondern Insolvenzforderungen darstellten. Vorliegend handele es sich bei den Ansprüchen der Klägerin weder um Verbindlichkeiten, die auf Handlungen oder Rechtsgeschäften der Beklagten in ihrer Funktion als vorläufige Insolvenzverwalterin beruhten, noch um Neugeschäfte. Sie sei als vorläufige Insolvenzverwalterin von Gesetzes wegen verpflichtet, den Betrieb im vorläufigen Insolvenzverfahren fortzuführen (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO). Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens seien die sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsstilllegung nicht erfüllt gewesen. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Beitragsforderung der Klägerin als Bestandteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages anzusehen, so dass es sich hierbei bereits aufgrund der Regelung des § 55 Abs. 3 InsO nicht um eine Masseverbindlichkeit sondern um eine Insolvenzforderung handele, die zur Insolvenztabelle anzumelden sei. Hierauf sei die Klägerin bereits frühzeitig hingewiesen worden. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung fehle es zudem an einer Pflichtverletzung, welche ihr gem. § 60 InsO vorgeworfen werden könnte.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte des Landgerichts Kassel sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin Bezug.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässig. Die Berufung wurde innerhalb der Berufungsfrist erhoben. Der kalendarische Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist fiel auf Sonntag, den 26. Juli 2009, so dass die Einlegung der Berufung am darauffolgenden Montag, den 27. Juli 2009 fristgemäß erfolgt ist (§ 64 Abs. 3 SGG).
Hinsichtlich des Feststellungsantrags liegen auch im Übrigen die Sachurteilsvoraussetzungen vor. Keine Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich der Zulässigkeit der Änderung des ursprünglich in der ersten Instanz gestellten Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag im Berufungsverfahren. Der Übergang von der Leistungsklage in eine Feststellungsklage stellt eine Klageänderung nach § 99 SGG im Sinne einer Erweiterung bzw. Beschränkung des Klageantrags dar, wenn zugleich eine Änderung des Klagegrundes vorliegt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 99, Rn. 4). Eine Änderung des Klagegrundes ist dabei die Änderung des dem Klageantrag zugrunde liegenden Lebenssachverhalts. Ob eine solche hier vorliegt, erscheint fraglich, bedarf vorliegend allerdings keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Grund der Änderung des Klageantrags ist vorliegend lediglich die zwischenzeitlich eingetretene Masseunzulänglichkeit bei ansonsten unverändertem Sachverhalt. Selbst wenn darin eine Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Lebenssachverhalts und damit eine Änderung des Klagegrundes gesehen werden könnte, ist die Klageänderung auf jeden Fall nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig. Die als solche auch noch in der Berufung grundsätzlich zulässige Änderung der Anträge (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 99, Rn. 12) ist aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich, um eine ansonsten notwendige erneute Klageerhebung zu vermeiden. Bei der Prüfung der Sachdienlichkeit soll das Gericht die Interessen der Beteiligten und der Prozessökonomie berücksichtigen und die Frage hierbei nicht kleinlich beurteilen. Eine Klageänderung ist daher als sachdienlich anzusehen, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer u.a., a.a.O., § 99, Rn. 10). Die Beklagte zu 1) hat sich zudem bezüglich des Feststellungsantrages auch in der Sache eingelassen, ohne die Klageänderung zu rügen, so dass sie hierzu konkludent ihre Einwilligung erteilt hat.
Die Feststellungsklage steht weiterhin nicht gegenüber einer vorrangigen Leistungsklage zurück, da eine unmittelbare gerichtliche Geltendmachung der behaupteten Masseforderung aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Masseunzulänglichkeit und dem damit einhergehenden Vollstreckungsverbot gem. § 210 InsO zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung nicht mehr möglich war. Die Prozessvoraussetzungen sind vom Gericht in jeder Instanz von Amts wegen zu prüfen, wobei hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung auf den Zeitpunkt ihrer Einlegung abzustellen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 51 Rn. 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Vor § 143, Rn. 10b). In diesem Zusammenhang kommt es deshalb auch nicht (mehr) darauf an, ob es der zunächst erstinstanzlich erhobenen Leistungsklage angesichts der Möglichkeit, die Forderung aus dem Beitragsbescheid mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen, an einem Rechtschutzbedürfnis mangelte.
Zugunsten der Klägerin lässt sich weiterhin das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse bejahen. In Betracht kommt hier allein eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, d.h. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Von der Beklagten wurde hierzu eingewandt, dass die Beitragsforderung der Klägerin als solche und damit grundsätzlich auch das Bestehen eines Schuldverhältnisses zwischen den Beteiligten nicht in Frage gestellt werde. Streitig sei lediglich die insolvenzrechtliche Einordnung der Beitragsschuld (Masseforderung gem. § 55 InsO oder einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO). Dies steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen, da es sich auch insoweit um die Frage des Bestehens eines Rechtsverhältnisses handelt. Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem Sachverhalt aufgrund einer Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Dies ist prozessrechtlich bei einem Streit anzunehmen, der die Anwendung einer Norm u.a. auf Rechtsbeziehungen betrifft, die aus einem konkreten Sachverhalt zwischen mehreren Personen entstanden sind. Unabhängig von der Verdichtung und Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses ist dieses nur dann feststellungsfähig, wenn zwischen den Beteiligten ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite fordern zu können (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 9. Februar 1995 - 7 RAr 78/93). Die Feststellungsklage muss dabei nicht zwingend auf die Feststellung des Rechtsverhältnisses in umfassendem Sinn zielen. Es kann auch auf Feststellung einzelner Rechte und Pflichten geklagt werden, die auf dem Rechtsverhältnis im umfassenden Sinn basieren und vom Inhalt dieses Rechtsverhältnisses abhängen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 6). Begehrt wird vorliegend die Feststellung, dass zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis im Sinne der Beteiligung als Gläubiger bzw. Schuldner an einer Masseforderung besteht. Hierbei handelt es sich nach den vorstehenden Ausführungen um ein Rechtverhältnis im Sinne des § 55 SGG, da die Anspruchsberechtigung bzw. Realisierbarkeit der Forderungen der Klägerin wesentlich hiervon abhängig ist. Die begehrte Feststellung (der zwischen den Beteiligten bestehenden Masseverbindlichkeit) ist für einen möglichen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte eine wesentliche Vorfrage und ist darüber hinaus aufgrund der Tätigkeit der Beklagten als Insolvenzverwalterin auch in weiteren Verfahren mit der Klägerin von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung. Damit lässt sich vorliegend in hinreichendem Maße ein Feststellungsinteresse der Klägerin bejahen.
Der danach insgesamt zulässige Antrag der Klägerin festzustellen, dass die Beitragsforderungen bezüglich des Zeitraums der Betriebsfortführung während der vorläufigen Insolvenzverwaltung Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO darstellen, ist in der Sache hingegen nicht begründet.
Bei den streitgegenständlichen Beitragsforderungen der Klägerin handelt es sich aufgrund der vorliegend einschlägigen Bestimmung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO (in der vorliegend anwendbaren Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 - BGBl. I, 2003, 2848, nachfolgend InsO a.F.) um einfache, nicht privilegierte Forderungen eines Insolvenzgläubigers nach § 38 InsO (sog. Insolvenzforderung), die als solche zur Insolvenztabelle anzumelden sind. Bei der Bestimmung des § 55 Abs. 3 InsO a.F. handelt es um eine Ausnahmereglung zu § 55 Abs. 2 InsO a.F. Nach § 55 Abs. 2 InsO a.F. gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Demgegenüber bestimmt § 55 Abs. 3 InsO a.F., dass die Bundesagentur für Arbeit begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt die nach § 187 SGB III (ebenfalls in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, nachfolgend SGB III a.F.) auf sie übergehen, nur als Insolvenzgläubiger geltend machen kann. Entsprechendes gilt nach § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. für die in § 208 Abs. 1 SGB III a.F. bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben. Nach dieser Bestimmung können die für den Insolvenzgeldzeitraum rückständigen Gesamtbeiträge zur Sozialversicherung, die aus der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter herrühren und die nicht auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen, von der Einzugsstelle nur als einfache Insolvenzforderung geltend gemacht werden (Hefermehl, Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 55, Rn. 222; Peters-Lange in Gagel, SGB II/SGB III, 48. Erg.-Lfg. 2013, Rn. 15).
Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist zunächst grundsätzlich eröffnet, da vorliegend ausschließlich Beiträge bezüglich Ansprüchen auf Arbeitsentgelt vom 22. März bis 14. Mai 2005 streitig sind, die vollständig den von der Regelung des § 55 Abs. 3 InsO a.F. i.V.m. § 187 SGB III a.F. umfassten dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraum betreffen. Dieser ergibt sich aus § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. und umfasst die dem Insolvenzereignis (hier "Eröffnung des Insolvenzverfahrens" nach Abs. 1 Nr. 1) vorausgehenden drei Monate mit Arbeitsentgeltansprüchen.
Die streitgegenständlichen Beitragsforderungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 150 Sozialgesetzbuch, 7. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sind den in § 208 SGB III a.F. genannten Beitragsansprüchen gleichgestellt, so dass sich die Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. auch auf diese erstreckt. Nach § 208 SGB III a.F. zahlt die Agentur für Arbeit der Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist.
Die Gleichstellung der Beitragspflicht von Unternehmern nach § 150 SGB VII mit den im Übrigen aus der Arbeitgeberstellung resultierenden Beitragspflichten bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach §§ 28d und 28e SGB IV und die daraus folgende Anwendbarkeit des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. auf die streitgegenständlichen Forderungen folgt aus der Rechtsprechung des BSG in seinen Entscheidungen vom 27. Mai 2008 (Az. B 2 U 21/07 R und Az. B 2 U 11/07 R). Im Hinblick auf die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrags im Baugewerbe hat das BSG dort ausgeführt, dass sich diese ausschließlich an Unternehmer richte. Diese seien regelmäßig Mitglied einer Berufsgenossenschaft und zudem auch Arbeitgeber. Sie seien damit sowohl hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung als auch der Gesamtsozialversicherungsbeiträge in das System der Beitragsfestsetzung und erhebung einbezogen. Für das betreffende Verfahren wurde daher vom BSG festgestellt, dass auf den Haftungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht nur der Absatz 3a, sondern auch die Absätze 3b bis 3f des § 28e SGB IV Anwendung fänden, da die Gesetz gewordene Fassung des § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII eine Gesetzeslücke in Form eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers beinhalte, welche im Rahmen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch eine Erweiterung der Verweisung des § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII auf die Absätze 3a bis 3f des § 28e SGB IV zu schließen sei. Die Auswertung der Gesetzesmaterialien zur Entstehung von § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII und § 28e Abs 3a bis 3f SGB IV ergebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Auseinanderfallen der Haftungssysteme im Bereich der Unfallversicherungsbeiträge und der Gesamtsozialversicherungsbeiträge beabsichtigt gewesen sei. Der maßgebliche Grund dafür, dass die Beiträge zur Unfallversicherung nicht gemeinsam mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen eingezogen werden, liege in der Art und Weise ihrer Ermittlung und Festsetzung. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien für den zur Abführung verpflichteten Arbeitgeber leicht zu ermitteln und eigenständig abzuführen. Eines Verwaltungsaktes bedürfe es hierfür nur im Streitfall. Die Beiträge zur Unfallversicherung seien hingegen im Wege der nachträglichen Bedarfsdeckung für jedes Unternehmen konkret zu ermitteln und durch Verwaltungsakt festzusetzen. Dieser Umstand vermöge jedoch einen unterschiedlichen Haftungsmaßstab in beiden Bereichen nicht zu rechtfertigen. Das BSG hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung haftungsrechtlich den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach § 28d SGB IV gleichzustellen sind. Dieser rechtlichen Bewertung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Die vom BSG genannten Gründe für die haftungsrechtliche Gleichbehandlung der Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung nach § 150 SGB VII mit den übrigen, ausdrücklich in § 28d SGB IV genannten Beiträgen zur Sozialversicherung sind ohne weiteres auf die Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO i.V.m. § 208 SGB III übertragbar.
Die Einbeziehung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in die Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO a.F. bzw. deren Gleichstellung mit den dort genannten Gesamtbeiträgen zur Sozialversicherung ist insbesondere auch aufgrund des Zwecks der insolvenzrechtlichen Regelung gerechtfertigt. Ob das Masseprivileg der Arbeitsentgeltansprüche gem. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO a.F. auch zugunsten der Bundesagentur für Arbeit gelten sollte, wenn im Rahmen des an die Arbeitnehmer gezahlten Insolvenzgeldes deren Entgeltansprüche in Höhe des gewährten Nettobetrages nach §§ 183, 187 SGB III a.F. auf sie übergehen, war bis zur Einführung des § 55 Abs. 3 InsO (Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 - BGBl. I 2710) zunächst umstritten. Die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes erlaubt es dem "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter, trotz fehlender Liquidität die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter zu bezahlen und damit den Betrieb weiterzuführen. Die finanzielle Situation des Unternehmens bessert sich grundlegend, wenn die Personalkosten aus dem Eröffnungsverfahren nicht als Masseverbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse vorweg bezahlt werden müssen. Darin liegt der Subventionseffekt der Insolvenzgeldvorfinanzierung, ohne den Betriebsfortführungen in der Mehrheit der Fälle nicht erfolgreich möglich sind. Die Gewährung der Vorfinanzierung ist ausschließlich davon abhängig, ob die Weiterführung des Unternehmens geeignet ist, zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen. Wenn dies bejaht werden kann, z.B. auf der Grundlage einer entsprechenden Stellungnahme des vorläufigen Insolvenzverwalters, ist die Vorfinanzierung durchzuführen in Kenntnis dessen, dass damit dem betroffenen Unternehmen ein entsprechender "Sanierungsbeitrag" zur Verfügung gestellt wird. Im Hinblick darauf ist deshalb eine Gleichbehandlung von vorläufigen Insolvenzverwaltern ohne und mit Verfügungsbefugnis geboten. Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis ist gesetzlich zur einstweiligen Betriebsfortführung verpflichtet. Ihm müssen deshalb zumindest die gleichen finanziellen Voraussetzungen eingeräumt werden, dieser Verpflichtung nachzukommen. Die Betriebsfortführung darf nicht durch die von der Arbeitsagentur im Eröffnungsverfahren vorfinanzierten Löhne und Gehälter mit Masseverbindlichkeiten belastet werden, wenn nachfolgend das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Mit Einführung des § 55 Abs. 3 InsO a.F. hat sich die Streitfrage, wie die Entgeltansprüche der durch Insolvenzgeld abgefundenen Arbeitnehmer nach dem Übergang auf die Bundesagentur für Arbeit einzuordnen sind, erledigt. Die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerleistung durch den "starken" vorläufigen Verwalter und die Auszahlung des Insolvenzgeldes begründen nunmehr keine Masseverbindlichkeit zu Gunsten der Bundesagentur für Arbeit, so dass die Massebelastungen aus starker vorläufiger Verwaltung u. die Haftungsrisiken für den Verwalter verringert werden. Mit dieser gesetzlichen Klarstellung ist ein wesentliches Hindernis für die verstärkte Einsetzung von vorläufigen Insolvenzverwaltern mit Verfügungsbefugnis i.S.d. § 55 Abs. 2 InsO a.F. und für eine erfolgversprechende Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren beseitigt worden (Hefermehl, Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 55 InsO, Rn. 221 f.)
Danach sind die Beiträge zur Unfallversicherung haftungsrechtlich und damit auch im Zusammenhang mit der Regelung des § 55 InsO mit den übrigen Beiträgen zur gesamten Sozialversicherung gleich zu behandeln. Folglich sind diese gemeinsam mit den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt nach § 55 Abs. 3 InsO a.F. i.V.m. § 208 SGB III a.F. sowie § 28d SGB IV als Insolvenzforderungen geltend zu machen. Die Beklagte zu 1) hat die Klägerin bezüglich der geltend gemachten Beitragsforderungen in Höhe von 6.337,19 EUR damit zutreffend auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle verwiesen und insoweit eine Anerkennung als Masseforderung zu Recht abgelehnt.
Der Hilfsantrag bezüglich der Geltendmachung von Schadenersatz gegenüber der Beklagten zu 2) (d.h. außerhalb ihrer Organstellung als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der XY.) ist nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts bereits unzulässig, da es sich hier hierbei um einen bedingt erklärten Parteiwechsel handelt. Eine Parteiänderung, die zu einer subjektiven Klagehäufung führt, kann wirksam nicht bedingt erfolgen, weder unter der prozessualen Bedingung, dass der Anspruch der in erster Linie angeführten Partei für unbegründet befunden wird (Bundesgerichtshof BGH , Urteil vom 25. September 1972 - II ZR 28/69, MDR 1973, 742), noch unter der Bedingung, dass das Gericht die Zulässigkeit der Klage der ursprünglichen Klägerin als Prozessstandschafterin verneint. Bei einem nur bedingten Parteiwechsel handelt es sich nicht wie bei gewöhnlichen Hilfsanträgen darum, ob demselben Kläger der eine oder der andere Anspruch zuzubilligen ist, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches besteht, darf, schon um der Rechtsklarheit willen, nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 209/03; ebenso Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 4 U 944/06). Selbst wenn der auf Schadenersatz gegenüber der Beklagten zu 2) gerichtete Antrag als zulässig angesehen werden könnte, ist dieser aufgrund der vorstehenden Ausführungen zum Feststellungsantrag jedenfalls unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu 2) auf Grundlage der §§ 60 und 61 InsO sind danach nicht erfüllt. Da es sich bei den streitgegenständlichen Beitragsforderungen nicht um Masseverbindlichkeiten handelt, kommt die Anwendung des § 61 InsO bereits nach dem Wortlaut nicht in Betracht, da hierbei die Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit vorausgesetzt wird, die nach den vorstehenden Ausführungen nicht besteht. Im Hinblick auf § 60 InsO steht einem Schadensersatzanspruch der Klägerin entgegen, dass der Beklagten keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Sie hat es nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht abgelehnt, die Beitragsforderungen als Masseverbindlichkeiten anzuerkennen und zu begleichen bzw. insoweit Rückstellungen zu bilden. Weitere Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2), die zu einem Schadenersatzanspruch der Klägerin führen könnten, sind weder von dieser geltend gemacht worden noch ansonsten für den Senat ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war zuzulassen, da die vom Senat in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG vom 27. Mai 2008 (Az. B 2 U 21/07 R und Az. B 2 U 11/07 R) die spezifische Fallkonstellation des Haftungssystems im Baugewerbe nach § 28e Abs. 3a - 3f SGB IV betreffen, so dass noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob die dortigen Ausführungen auch allgemein auf die insolvenzrechtliche Norm des § 55 Abs. 3 InsO übertragbar sind. Insoweit misst der Senat der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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