L 2 U 226/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 28/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 226/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 169/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus den Gründen eines Bescheides, dessen Verfügungssatz die Ablehnung eines Versicherungsfalles im Sinne des § 7 SGB VII zum Gegenstand hat, kann nicht die bestandskräftige konkludente Feststellung herausgelesen werden, dass bestimmte Gesundheitsschäden Folgen des im Verfügungssatz abgelehnten Versicherungsfalles sind.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. April 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls als Folge eines Arbeitsunfalls im Sinne des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Der 1966 geborene Kläger war am 21. und am 22.04.2010 beim Facharzt für Allgemeinmedizin C. S. wegen Myogelosen (Muskelverhärtungen) im Schulter-Nackenbereich in Behandlung. An beiden Tagen erfolgten lokale Infiltrationsbehandlungen (sog. Quaddeltherapie), woraufhin es laut einem Attest des Arztes vom 07.12.2010 zu deutlicher Besserung gekommen sei. Einen klinischen Hinweis auf einen zervikalen Bandscheibenvorfall konnte der Arzt nicht erkennen.

Am 24.04.2010 war der Kläger als ehrenamtlicher Rettungssanitäter im Einsatz und musste hierbei deutlich über eine halbe Stunde lang eine Herzdruckmassage durchführen. Sofort nach der Reanimationsmaßnahme verspürte er Schmerzen in der Halswirbelsäule (HWS) mit Pelzigkeit und Kraftlosigkeit im linken Arm. Er legte sich dann auf der Wache etwas hin und beendete seinen Dienst noch regulär. Am Morgen des 25.04.2010 wachte der Kläger gegen 3 Uhr auf und hatte ein Taubheitsgefühl im Bereich des gesamten linken Armes mit starken Schmerzen.

Am Morgen des 26.04.2010 stellte sich der Kläger in der chirurgischen Notfallambulanz des Klinikums N. vor (Entlassungsbrief des Klinikums vom 03.05.2010) vor und berichtete von seit ca. 3 Tagen bestehenden progredienten Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS), die in den unteren Arm ausstrahlten. Die grobe Kraft im Trizeps- und Bizepsbereich war links im Vergleich zu rechts auf drei Fünftel verringert. Bei einer Computertomographie der HWS wurde ein linkslateral intraforaminaler Prolaps im Segment C5/6 mit einem Transversaldurchmesser von 7x7 mm dargestellt. Am 27.04.2010 wurde der Kläger operiert, wobei der Bandscheibenvorfall knöchern dekomprimiert und mit einer Titancageeinlage versorgt wurde. Am 03.05.2010 wurde der Kläger mit rückläufigen Beschwerden entlassen.

Vom 16.05.2010 bis zum 12.06.2010 wurde der Kläger in der Fachklinik für physikalische Medizin und medizinische Rehablitation H. stationär behandelt (Entlassbrief vom 10.06.2010). Darin heißt es, dass Cervikobrachialgien links einhergehend mit sensomotorischen Defiziten im Sinn einer Radikulopathie C6 links bereits seit dem 23.04.2010 bestanden hätten. Bei Aufnahme des Klägers habe dieser noch eine Beeinträchitgung der Feinmotorik, Taubheitsgefühle am Daumen und Zeigefinger sowie ein Druckgefühl an der Oberarmseite des linken Armes angegeben. Bei der Entlassung bestanden insbesondere noch Einschränkungen hinsichtlich der Beweglichkeit des linken Armes.

Im Durchgangsarztbericht vom 27.05.2010 wurde angegeben, dass 30 Minuten nach der Reanimationsmaßnahme Schmerzen in der HWS mit Pelzigkeit und Kraftlosigkeit im linken Arm beim Kläger aufgetreten seien.

Die Beklagte holte das Gutachten des Chefarztes der unfallchirurgischen Klinik am Klinikum N ..., Dr. Th. S., vom 08.09.2010 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine länger dauernde Reanimation nicht geeignet sei, einen Bandscheibenvorfall hervorzurufen. Der Kläger habe kein Trauma erlitten. Auch habe es schon vor dem Reanimationsereignis eine Behandlung im Bereich der Halswirbelsäule gegeben, nämlich eine Infiltrationsbehandlung drei Tage vor der Reanmimationsmaßnahme. Ebenso seien im Rahmen der Bandscheiben-OP keine frischen traumatischen Veränderungen an der Halswirbelsäule aufgefallen. Im Gegenteil sei ein Vorschaden bildgebend nachgewiesen worden. Zu dem Befund wäre es mit Wahrscheinlichkeit auch durch eine normale Verrichtung des privaten täglichen Lebens zu etwa derselben Zeit in etwa demselben Ausmaß gekommen.

Daraufhin erging am 24.11.2010 ein Bescheid der Beklagten, in dem das Ereignis vom 24.04.2010 nicht als Versicherungsfall anerkannt wurde. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien daher nicht zu erbringen. In den Gründen heißt es, dass Erkrankungen, die lediglich während einer versicherten Tätigkeit auftreten, ohne durch sie verursacht worden zu sein, keine Arbeitsunfälle darstellten. Bereits vor der vom Kläger durchgeführten Reanimationsmaßnahme hätten Beschwerden in Form von Verspannungen und Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS mit Schmerzausstrahlung in den linken Oberarm und leichten Empfindungsstörungen der Finger III und IV der linken Hand ohne Kraftverlust bestanden. Er habe wegen dieser Beschwerden bereits am 21.04.2010 den Facharzt für Allgemeinmedizin S. in P. aufgesucht. Aufgrund der Lokalisation der Beschwerden habe es sich schon um die Auswirkungen eines Bandscheibenvorfalls im Bereich der HWS gehandelt. Daran schlossen sich wörtlich folgende Sätze an: "Die am 24.04.2010 durchgeführte Reanimationsmaßnahme ist somit ursächlich für Ihren Bandscheibenvorfall. Bei dieser Sachlage sind Leistungen des Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverbands [des Rechtsvorgängers der jetzigen Beklagten] nicht zu erbringen."

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hin holte die Beklagte die Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. K. vom 13.01.2011 ein, der dem Gutachter darin zustimmte, dass eine 30-minütige Reanimationsmaßnahme nicht zu einem Bandscheibenvorfall der HWS geführt haben könne. Allerdings sei es durchaus möglich, dass diese Maßnahme eine schmerzhafte Verspannung der Schulternackenmuskulatur bewirkt habe. Aufgrund des überlagernden unfallunabhängig bestehenden Bandscheibenvorfalls hätten diesbezüglich jedoch weder eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit noch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden.

Daraufhin änderte die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.01.2011 den angefochtenen Bescheid insoweit ab, als das Ereignis vom 24.04.2010 als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Als Unfallfolge erkannte sie eine folgenlos verbliebene Verspannung der Schulternackenmuskulatur an, welche keine Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit bedingt habe. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Ursächlichkeit des Bandscheibenvorfalls wurde nun jedoch abgelehnt, da das Reanimationsereignis nicht geeignet sei, einen solchen hervorzurufen. Vielmehr beruhe das Schadensbild auf schon bestehenden degenerativen Veränderungen.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 09.02.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass er zwar einige Tage vor dem Arbeitsunfall an der Halswirbelsäule behandelt worden sei, dies jedoch nicht wegen eines Bandscheibenvorfalles, sondern wegen Verspannungen der Muskulatur.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Sch., Facharzt für Chirurgie, vom 21.10.2011. Dieser ist wie Dr. S. zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Reanimationsmaßnahme kein geeignetes Unfallereignis darstelle, um einen Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule zu verursachen. Er geht insoweit auch auf die Operation an der Halswirbelsäule beim Kläger ein, bei der nach dem OP-Bericht bereits abgestorbenes Bandscheibengewebe (sog. Sequester) entfernt worden sei. Ein solches könne jedoch nicht innerhalb der drei Tage, die zwischen dem Unfallereignis und der OP gelegen hätten, entstanden sein, sondern müsse schon älter gewesen sein. Darüber hinaus seien auch radiologisch vor der Operation degenerative Veränderungen festgestellt worden, die nicht unfallbedingt gewesen sein, nämlich eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes C 5/6, Osteophytenbildung an der HWS und degenerative Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken. Der Hausarzt S. habe drei Tage vor dem Unfall bereits einen Schmerzzustand im Schulter-Nacken-Bereich beschrieben, der einem Cervikalsyndrom der HWS entspreche und sich durch Muskelverspannungen, Gefühlsstörungen und Schmerzausstrahlung bis in die linke Hand hinein äußere. Es habe also ein Vorschaden an der HWS bestanden. Zusammenfassend liege keine Gesundheitsstörung vor, die mit Wahrscheinlichkeit durch das Ereignis vom 24.04.2010 hervorgerufen wurde. Das Ereignis vom 24.04.2010 stelle keinen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar.

Einen Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. Sch. hat das SG mit Beschluss vom 26.04.2012 abgelehnt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2011 zu verpflichten, den Bandscheibenvorfall vom 24.04.2010 als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu gewähren sowie die weiteren Behandlungskosten zu übernehmen.

Das SG hat mit Urteil vom 26.04.2012 (Az. S 5 U 28/11) den Bescheid der Beklagten vom 24.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2011 insoweit abgeändert, als festgestellt wurde, dass der Bandscheibenvorfall vom 24.04.2010 Folge eines Arbeitsunfalls vom 24.04.2010 ist ("wie schon im Bescheid vom 24.11.2010 festgeschrieben"). Weiter hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger die diesbezüglichen Behandlungskosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, dass zwar sowohl der Gutachter des Verwaltungsverfahrens Dr. S. als auch der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. Sch. überzeugend einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Reanimationseinsatz und dem Bandscheibenvorfall verneint hätten. Außerdem liege ein Arbeitsunfall im Sinne der Definition des § 7 SGB VII, die ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis voraussetze, schon deshalb nicht vor, weil sich die Belastung ausdauernd und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum hingezogen habe und die Schmerzen erst eine halbe Stunde nach der Belastung aufgetreten seien. Allerdings sei die Klage aufgrund der Bestandskraft des Verwaltungsaktes vom 24.11.2010 begründet. In diesem Bescheid sei zwar nach dem Verfügungssatz das Vorliegen eines Versicherungsfalls abgelehnt worden, in den Gründen finde sich jedoch ausdrücklich der Satz, dass die am 24.04.2010 durchgeführte Reanimationsmaßnahme ursächlich für den Bandscheibenvorfall gewesen sei. Die Bestandskraft eines Bescheides erstrecke sich zwar grundsätzlich nur auf den Tenor einer Entscheidung, jedoch würden die zur Auslegung des Tenors notwendigen Begründungselemente von der Bestandskraft mitumfasst. Für die Entscheidung sei es wesentlich, aus welchen Gründen die Ablehnung erfolge. Dies könne sowohl am Vorliegen eines Unfallereignisses selbst liegen als auch am Fehlen des ursächlichen Zusammenhangs. Insoweit sei die Feststellung, dass der Ursachenzusammenhang gegeben sei, von der Bestandskraft des Bescheides mitumfasst. Der Widerspruch des Klägers habe sich nur auf die für ihn negativen Teile des Bescheides bezogen. Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 21.01.2011 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Reanimationsmaßnahme und dem Bandscheibenvorfall verneinte, hat das SG eine Ablehnungsentscheidung gesehen, die im Rahmen der Widerspruchsentscheidung nicht mehr möglich gewesen sei, sondern eine Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 24.11.2010 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vorausgesetzt hätte, die jedoch bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung nicht erfolgt sei.

Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 09.05.2012 zugestellt worden ist, am 06.06.2012 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Soweit in den Gründen des Bescheides vom 24.11.2010 der Satz enthalten sei, dass die am 24.04.2010 durchgeführte Reanimationsmaßnahme ursächlich für den Bandscheibenvorfall sei, handle es sich um ein schlichtes Redaktionsversehen, das unterlaufen sei, als in der Endfassung im Vergleich zu dem ebenfalls in den Akten enthaltenen Bescheidsentwurf der Satz leicht verändert worden sei. Dass es sich hierbei um ein Versehen handeln musste, sei aus dem Zusammenhang ohne Weiteres erkennbar gewesen, da der Satz im logischen Gegensatz zu den Ausführungen im vorausgehenden Absatz stehe, wonach der Kläger bereits vor dem Unfall unter Beschwerden gelitten habe, bei denen es sich um die Auswirkungen eines Bandscheibenvorfalls im Bereich der HWS gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beschränke sich die bindende Wirkung von Bescheiden grundsätzlich auf den Verfügungssatz. Im Übrigen wäre es geradezu widersinnig, wenn in den Gründen eines Bescheides, mit dem ein Versicherungsfall und Leistungen abgelehnt würden, ein Bandscheibenvorfall als Unfallfolge anerkannt würde.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.04.2012 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2011 abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 24.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2011 insoweit abgeändert, als festgestellt wird, dass der Bandscheibenvorfall vom 24.04.2010 Folge eines Arbeitsunfalls vom 24.04.2010 ist, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die diesbezüglichen Behandlungskosten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten. Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich auf die Erstattung der Behandlungskosten bezieht, weil diesbezüglich noch kein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden ist, insbesondere die Bemerkung im Bescheid vom 24.11.2010, wonach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen sind, noch keine näher konkretisierten Leistungen betraf und damit inhaltlich nicht über die Ablehnung des Versicherungsfalls hinausging. Soweit sich die Klage auf die Feststellung bezieht, dass der Bandscheibenvorfall vom 24.04.2010 Folge eines Arbeitsunfalls vom 24.04.2010 ist, ist sie als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig, aber unbegründet.

Im Gegensatz zur Auffassung des SG folgt die Begründetheit dieser Klage nicht bereits aus der Bestandskraft einer im Bescheid vom 24.11.2010 enthaltenen Feststellung, dass die am 24.04.2010 durchgeführte Reanimationsmaßnahme ursächlich für den Bandscheibenvorfall gewesen sei. Die Bindung an die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes nach § 77 SGG setzt voraus, dass diesbezüglich ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X, also eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme ergangen ist, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der in den Gründen des Bescheides vom 24.11.2010 enthaltene Satz, die am 24.04.2010 durchgeführte Reanimationsmaßnahme sei somit ursächlich für den Bandscheibenvorfall, stellt keinen eigenständigen Regelungsinhalt des Bescheides dar, sondern ein bloßes Begründungselement, das noch dazu einem offensichtlichen Redaktionsversehen entsprach. Der Regelungsgehalt des Bescheides vom 24.11.2010 beschränkt sich auf die in dem Verfügungssatz enthaltene Ablehnung eines Versicherungsfalles. Versicherungsfälle sind in der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Es ist zwar richtig, dass die Gründe zur Auslegung des Verfügungssatzes herangezogen werden können. Dies führt jedoch im vorliegenden Fall nur dazu, dass der im Verfügungssatz genannte Begriff des Versicherungsfalls auf den Unterbegriff des Arbeitsunfalls eingeengt und damit die Regelungswirkung auf die Feststellung beschränkt werden kann, dass kein Arbeitsunfall vorliegt, während die Frage, ob eine Berufskrankheit vorlag, ausweislich der Gründe nicht geprüft wurde. Soweit das SG dem in den Gründen enthaltenen Satz, dass die Reanimationsmaßnahme ursächlich für den Bandscheibenvorfall sei, den Charakter einer eigenständigen Regelung beimisst, handelt es sich aber nicht um eine Auslegung des Verfügungssatzes anhand der Gründe, sondern um das Herauslesen eines völlig neuen Verfügungssatzes aus den Gründen.

Auch soweit nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn Verfügungssatz und Begründung in einem Bescheid klar voneinander getrennt sind, Teile der Begründung eines Verwaltungsaktes als weiterer Verfügungssatz bewertet werden können, wenn ihnen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht eine solche Bedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 22.06.2004 Az. B 2 U 36/03 R Rdnr. 16 bei Juris mit Verweis auf weitere Rechtsprechung), kann dies nicht dazu führen, im vorliegenden Fall dem Bescheid eine rechtsverbindliche Feststellung des Bandscheibenvorfalls als Unfallfolge zu entnehmen. Nach der zitierten Rechtsprechung können einem Bescheid, nach dessen Verfügungssatz eine Verletztenrente abgelehnt wird und aus dessen Gründen sich ergibt, dass zwar bestimmte Unfallfolgen vorliegen, die aber nicht zu dem mindestens erforderlichen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % geführt haben, die bestandskraftfähigen Feststellungen entnommen werden, dass bestimmte Gesundheitsschäden Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit sind, nicht dagegen eine bestandskraftfähige Feststellung über die Höhe der MdE (BSG, aaO., Rdnrn. 17 und 20). Begründet hat das BSG diese Differenzierung damit, dass der Unfallversicherungsträger bei Ablehnung einer Versichertenrente zwar nicht grundsätzlich dazu verpflichtet, aber auch nicht daran gehindert sei, die verbliebenen Unfallfolgen anzuerkennen, insbesondere sofern eine frühzeitige Klärung des Ursachenzusammenhangs im Hinblick auf mögliche zukünftige Rentenansprüche zweckmäßig erscheine (BSG, aaO. Rdnr. 19), und dass andererseits Feststellungen über die Höhe einer MdE im nicht mehr rentenberechtigenden Umfang mangels gesetzlicher Grundlage sogar unzulässig seien (BSG, aaO. Rdnr. 20). Das BSG hält es also für möglich, aus den Gründen eines Bescheides, in dessen Verfügungssatz eine Verletztenrente abgelehnt wird, Feststellungen über die Anerkennung von Unfallfolgen mit Regelungscharakter herauszulesen. Diese Rechtsprechung gilt umso mehr, als das BSG inzwischen sogar einen Rechtsanspruch der Versicherten auf verbindliche Klärung, ob ein Versicherungsfall vorliegt und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind, aus § 102 SGB VII abgeleitet hat (BSGE 108, 274, Rdnr. 16 bei Juris). Auch im Lichte dieser Rechtsprechung scheidet jedoch die Interpretation der Gründe des Bescheides vom 24.11.2010 dahingehend, dass darin der Bandscheibenvorfall als Folge eines Arbeitsunfalls festgestellt worden wäre, aus. Denn anders als in den vom BSG entschiedenen Fällen, in denen sich aus den Gründen klar ergab, dass die Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge eines Arbeitsunfalls gewollt war, und diese Anerkennung auch nicht im Gegensatz zu den übrigen Feststellungen des Bescheides stand - insbesondere nicht zum Verfügungssatz betreffend die Ablehnung einer Verletztenrente -, stünde im vorliegenden Fall die Feststellung, dass der Bandscheibenvorfall Folge eines Arbeitsunfalls wäre, im Widerspruch zum Verfügungssatz, in dem nicht nur eine Verletztenrente, sondern bereits der Versicherungsfall als solcher verneint wurde, so dass die Anerkennung von Gesundheitsschäden als Folge eines Versicherungsfalls von vornherein nicht möglich ist. Dieser Widerspruch lässt sich auch nicht mit der Überlegung des SG auflösen, dass der Versicherungsfall nur deshalb abgelehnt worden sei, weil es an einem geeigneten Unfallereignis gefehlt habe; denn erstens wird ein Unfallereignis in den Gründen des Bescheides mit keinem einzigen Wort abgelehnt, und zweitens hätte auch in diesem Fall kein rechtliches Interesse an der Feststellung bestanden, welche Gesundheitsstörungen als Folgen des - ja nicht vorhandenen - Arbeitsunfalls anzusehen waren. Schließlich stünde die Feststellung, dass der Bandscheibenvorfall als Folge des Unfalls vom 24.04.2010 anzuerkennen sei, in einem ins Auge springenden Gegensatz zur gesamten vorausgehenden Begründung, die darauf abzielte zu zeigen, dass gerade kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Bandscheibenvorfall bestand, weil der Kläger bereits in den Tagen zuvor an Beschwerden, die auf den Bandscheibenvorfall zurückzuführen waren, gelitten hatte. Unter Würdigung dieser Umstände handelte es sich bei dem fraglichen Satz um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 38 SGB X, die von der Behörde jederzeit berichtigt werden konnte und keinerlei Bindungswirkung entfaltete. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut des fraglichen Satzes nur die "Ursächlichkeit" der Reanimationsmaßnahme für den Bandscheibenvorfall festgestellt wurde, nicht aber die Zurechnung als Unfallfolge im Rechtssinne, für die es nicht auf die Ursächlichkeit im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern auf die wertend zu ermittelnde "wesentliche Ursächlichkeit" ankommt.

Nachdem die mit der Klage beantragte Anerkennung des Bandscheibenvorfalls als Unfallfolge nicht bereits von der Bestandskraft des Bescheides vom 24.11.2010 umfasst ist, kommt es darauf an, ob eine solche Kausalität mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu bejahen ist. Dies ist nach den übereinstimmenden Gutachten von Dr. S. und dem vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. Sch. zu verneinen, die den Senat voll überzeugen. Maßgebend ist hierfür zum einen, dass der Unfallhergang schon für sich genommen nicht geeignet war, einen Bandscheibenvorfall hervorzurufen, dass der sich aus dem Operationsbericht ergebende Befund für degenerative Ursachen spricht und dass der Kläger bereits in der Woche vor dem Unfall wegen Beschwerden in Behandlung war, die als Folgen eines Bandscheibenvorfalls anzusehen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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