L 3 AL 3654/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 3609/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3654/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus dem Berufungsverfahren.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die beklagte Bundesagentur für Arbeit wendet sich mit ihrer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem sie dem Grunde nach verurteilt worden ist, dem Kläger für die Zeit einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben Arbeitslosengeld (Alg) zu gewähren.

Der Kläger war seit März 2004 als Serviceleiter in einem Autohaus beschäftigt. Ab dem 20.01.2010 war er arbeitsunfähig erkrankt. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung gewährte ihm ab dem 04.03.2010 die Techniker-Krankenkasse (TK) Krankengeld (Krg) i.H.v. EUR 46,38 netto täglich. Dieser Anspruch war mit dem 19.07.2011 erschöpft, die TK steuerte den Kläger aus.

Bereits am 12.07.2011 hatte sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum 20.07.2012 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Er teilte mit, er arbeite seit einem Jahr wieder an seinem Arbeitsplatz, komme aber über drei Stunden täglich nicht hinaus. Hierzu legte er die ärztliche Verordnung vom 28.07.2011 über eine stufenweise Wiedereingliederung von drei Stunden täglich vor, auf der sein Arbeitgeber angegeben hatte, ein Entgelt für diese Tätigkeit werde nicht bezahlt. Der Ärztliche Dienst der Beklagten stufte den Kläger in seiner gutachterlichen Äußerung vom 15.07.2011 vorläufig als vollschichtig leistungsfähig ein. Ferner legte er im Laufe des Antragsverfahrens den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund vom 02.08.2011 vor, mit dem ihm rückwirkend ab dem 01.02.2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zugesprochen worden war. Der Ärztliche Dienst der Beklagten führte in Kenntnis dieser Bewilligung unter dem 09.08.2011 aus, der Kläger seit für drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 12.08.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alg ab. Der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig, sodass die Vorschriften des § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die so genannte "Nahtlosigkeitsregelung", nicht anwendbar seien. Der Kläger befinde sich - jedoch - seit dem 01.08.2011 in einer Wiedereingliederung mit drei Stunden Arbeitszeit täglich. Er stehe daher der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Er sei (auch) nicht arbeitslos.

Der Kläger erhob Widerspruch. Er trug vor, die stufenweise Wiedereingliederung habe - erst - am 01.08.2011 begonnen, sodass für die davor liegende Zeit ab dem 20.07.2011 Alg bewilligt werden müsse. Auch danach sei er jedoch arbeitslos und verfügbar. Wiedereingliederungsmaßnahmen könnten nicht als Beschäftigungsverhältnis eingestuft werden. Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14.11.2011. Sie hielt an ihrer Ansicht fest, auch während einer Wiedereingliederungsmaßnahme von drei Stunden oder mehr arbeitstäglich könne keine Arbeitslosigkeit angenommen werden. Hinsichtlich der Zeit vom 20. bis 31.07.2011 verwies sie auf ein weiteres Schreiben vom 20.10.2011, in dem sie ausgeführt hatte, der Kläger tatsächlich schon seit Februar 2011 in der Wiedereingliederungsmaßnahme.

Während des Vorverfahrens hatte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 29.09.2011 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.11.2011 gekündigt. Der Kläger meldete sich am 15.11.2011 mit Wirkung zum 01.12.2011 erneut arbeitslos. In der dort eingeholten Arbeitsbescheinigung teilte der Arbeitgeber mit, der Kläger habe die Wiedereingliederungsmaßnahme von April 2010 bis September 2011 absolviert und in dieser Zeit kein Entgelt erhalten. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 02.01.2012 für die Zeit vom 15.11.2011 bis zum 01.01.2012 Alg in Höhe von netto EUR 19,64 kalendertäglich für 540 Tage, geändert mit Bescheid vom 19.01.2012 auf netto EUR 37,64 kalendertäglich; die Befristung bis zum 01.01.2012 beruhte darauf, dass der Kläger ab dem 02.01.2012 eine neue Beschäftigung aufnahm.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2011 hat der Kläger am 16.12.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er hat darauf verwiesen, dass er während der Wiedereingliederung kein Entgelt und seit dem 20.07.2011 auch kein Krg mehr erhalten habe. Er hat gemeint, eine solche Wiedereingliederungsmaßnahme stelle kein Beschäftigungsverhältnis dar. Sie habe medizinische Ziele verfolgt. Sie habe nicht der Entgelterzielung gedient. Deshalb sei auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers ganz in den Hintergrund gedrängt gewesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, es sei ohne Belang, ob ein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe oder nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.07.2012 hat das SG auf die Klage hin den Bescheid vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2011 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab dem 20.07.2011 Alg zu gewähren. Es hat unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.03.2007 (B 11a AL 31/06 R) ausgeführt, bei einer stufenweisen Wiedereingliederung werde ein die Arbeitslosigkeit ausschließendes Beschäftigungsverhältnis nicht begründet. Es stehe nicht die Erzielung von Arbeitsentgelt auf Grund einer für den Arbeitgeber wirtschaftlich verwertbaren Arbeitsleistung, sondern die Wiedereingliederung des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers im Sinne einer Rehabilitation im Vordergrund. Der Kläger sei spätestens ab dem 01.08.2011 in einer solchen Maßnahme gewesen. In der davor liegenden Zeit, vom 20. bis 31.07.2011, sei er in jedem Falle arbeitslos gewesen, auch wenn die Wiedereingliederungsmaßnahme noch nicht begonnen habe.

Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihr am 27.07.2012 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 23.08.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie verweist auf ein beim Bundessozialgericht (BSG) anhängiges Revisionsverfahren zu der Frage, ob eine unentgeltliche stufenweise Wiedereingliederung einem Beschäftigungsverhältnis gleichzustellen sei (B 11 AL 20/12 R). In der Sache hält sie vorläufig an ihrer bisherigen Rechtsansicht fest, eine solche Wiedereingliederung mit einem Umfang von 15 Stunden oder mehr wöchentlich schließe Beschäftigungslosigkeit aus und stehe auch der Verfügbarkeit entgegen, sodass keine Arbeitslosigkeit bestehe.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juli 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er behauptet, er habe sich bereits in der Zeit ab dem 12.07.2011 (und auch schon zuvor) in einer stufenweisen Wiedereingliederung befunden und sei arbeitsunfähig gewesen. Er verweist darauf, dass er ab dem 01.10.2011 (rückwirkend) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezogen habe.

Auf Anfrage des Senats hat die TK die (lückenlosen) ärztlichen Verordnungen der stufenweisen Wiedereingliederung des Klägers übersandt, die hiernach am 26.04.2010 begonnen hatte, anfangs zwischen zwei und vier Stunden täglich umfasste und seit dem 13.12.2010 zum 30.09.2011 drei Stunden täglich umfasst hat. Ferner hat der Arbeitgeber des Klägers mit Schreiben vom 28.03.2013 mitgeteilt, die Wiedereingliederung habe (nachmittags) drei Stunden täglich umfasst, tatsächlich sei die Präsenz des Klägers im Betrieb jedoch sehr eingeschränkt gewesen, ab Juli 2011 sei er zu 90 % nicht anwesend gewesen, er habe von dem Unternehmen kein Entgelt erhalten.

Der Kläger hat sich unter dem 24.05.2013, die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.05.2013 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 SGG) und auch sonst zulässig (§§ 144, 151 SGG). Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Die Beklagte ist aus dem angegriffenen Gerichtsbescheid um mehr als EUR 750,00 beschwert. Sie ist verurteilt worden, ab dem 20.07.2011 Alg zu gewähren. Da sie dem Kläger später, ab dem 15.11.2011, Alg bereits bewilligt hat, ist im Ergebnis streitig nur der Zeitraum vom 20.07. bis 14.11.2011. Ausgehend von einem kalendertäglichen Leistungssatz von EUR 37,64, wie ihn die Beklagte mit dem Bescheid vom 19.01.2012 später bewilligt hat, beträgt ihre Beschwer EUR 4.290,96.

2. Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass dem Kläger ab dem 20.07.2011 ein Anspruch auf Alg in gesetzlicher Höhe gegen die Beklagte zustand.

Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) a.F. (entspricht § 137 Abs. 1 SGB III in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung). Er hatte sich bei der Beklagten am 12.07.2011 arbeitslos gemeldet und er hatte - auf Grund seiner Beschäftigung in dem Autohaus, die zumindest bis zum 19.01.2010 lief, und auf Grund des anschließenden Bezugs von Krg (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III) die Anwartschaftszeit erfüllt. Ferner war der Kläger ab dem 20.07.2011 arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 SGB III a.F. Insbesondere stand er nicht in einem 15 Stunden oder mehr wöchentlich umfassenden Beschäftigungsverhältnis (§ 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III a.F.) und er stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung (§ 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III a.F.).

a) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28.03.2012 (L 3 AL 5132/11, Juris) entschieden, dass "während des Bezugs von Arbeitslosengeld ( ) die Aufnahme einer nicht vom Arbeitgeber entlohnten stufenweisen Wiedereingliederung auch mit mehr als 15 Stunden wöchentlich nicht als die Arbeitslosigkeit ausschließendes Beschäftigungsverhältnis einzuordnen (ist), unabhängig davon, ob das Arbeitslosengeld nach den allgemeinen Vorschriften oder auf Grund der ‚Nahtlosigkeitsregelung‘ gewährt wird". Jene Entscheidung, die nach der Verwerfung der dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde (Beschl. des BSG v. 07.08.2012, B 11 AL 41/12 B, Juris) rechtskräftig ist, betraf zwar in der Sache eine Wiedereingliederung, die zunächst weniger als drei Stunden umfasst hatte, sodass der dortige Kläger zunächst Alg erhalten hatte. Der Kläger des hiesigen Verfahrens absolvierte dagegen schon eine Wiedereingliederung von genau drei Stunden täglich, als er das Alg beantragte. Auch diesen Fall erfassen aber die Ausführungen des Senats in jener Entscheidung. Er hat dort - allgemeingültig - ausgeführt (a.a.O., Rn. 25 ff):

a) Im Bereich des Leistungsrechts der Arbeitsförderung, der hier einschlägig ist, ist eine nicht vom Arbeitgeber entlohnte stufenweise Wiedereingliederung nicht als Beschäftigungsverhältnis einzuordnen.

aa) Für ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne ist zwar nicht zwingend der Bezug von Arbeitsentgelt notwendig. Im Leistungsrecht können auch unentgeltliche Tätigkeiten erfasst werden (BSG, Urteil vom 13.07.2006, B 7a AL 16/05 R, Juris). Jedoch ist auch auf leistungsrechtlicher Seite ein wirtschaftliches Austauschverhältnis notwendig, bei dem die Leistung fremdnütziger Arbeit im Vordergrund steht (BSG, a.a.O., vgl. auch Brand, in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 119 Rn. 13). Dies zeigt sich auch daran, dass unentgeltliche Tätigkeiten auch auf leistungsrechtlicher Seite zum Teil anderen Regeln unterworfen werden als Beschäftigungsverhältnisse gegen Entgelt (vgl. § 119 Abs. 2 SGB III). Auch Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sprechen dafür, nur echte Austauschverhältnisse zu erfassen. Zwar führt jede Tätigkeit dazu, dass der betroffene Versicherte nicht mehr den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht; deshalb wird seine Arbeitslosigkeit verneint. Bereits dies gilt jedoch nur eingeschränkt, nachdem unentgeltliche Tätigkeiten, auch wenn sie in Form eines echten zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses erbracht werden wie z. B. Auftragsverhältnisse (§§ 662 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), durchgängig einfacher und kurzfristiger beendet werden können als entgeltliche Arbeits- oder Werkverhältnisse. Vor allem aber greift die Erwägung, dass jemand, der in einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis tätig ist, nicht der lebensunterhaltssichernden Leistung des Alg bedarf. Wer dagegen ohne Entgelt und ohne andere Sozialleistungen eine Wiedereingliederung absolviert, muss seinen Lebensunterhalt absichern, ohne dass er ggfs. auf bedürftigkeitsabhängige Grundsicherungsleistungen verwiesen werden soll. Aus diesen Erwägungen folgt, dass Wiedereingliederungsverhältnissen zumindest dann keine Beschäftigungsverhältnisse sind, wenn kein Entgelt gezahlt wird und wenn ihr Ziel und Zweck nicht in erster Linie die Erbringung nützlicher Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber ist, sondern die Rehabilitation des Versicherten. Wenn ein Arbeitgeber in einer solchen Situation kein Entgelt zahlt, ist dies ein Indiz dafür, dass er nicht von wirtschaftlich verwertbarer Arbeit des Beschäftigten ausgeht. In einem solchen Fall steht der medizinische Zweck der Wiedereingliederung, die Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit auf einem bestimmten Arbeitsplatz, im Vordergrund.

bb) Auch ein Vergleich mit den Vorschriften des SGB III über die beitragsrechtlichen Voraussetzungen des Beschäftigungsverhältnisses, also eine systematische Auslegung, bestätigt diese Einschätzung, wenngleich der beitrags- und der leistungsrechtliche Begriff des Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich unterschiedlich bestimmt werden müssen: Eine versicherungspflichtige Beschäftigung liegt nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III nur vor, wenn eine Person "gegen Arbeitsentgelt" beschäftigt ist. Eine Wiedereingliederung gehört dazu nicht, solange in ihrem Rahmen kein Arbeitsentgelt gezahlt wird. Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Nach dieser Vorschrift sind Beschäftigte während einer stufenweisen Wiedereingliederung, in der sie nur Arbeitsentgelt unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze beziehen und daher nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III grundsätzlich versicherungsfrei wären, gleichwohl versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung. Hieraus lässt sich entnehmen, dass dann, wenn überhaupt kein Arbeitsentgelt bezogen wird, auch keine Versicherungspflicht besteht. Diesen Punkt hat das BSG in dem auch von den Beteiligten genannten Urteil vom 21.03.2007 (Juris Rn. 33) noch offen gelassen. Der Kläger nun hat während der Wiedereingliederung kein Entgelt bezogen. Bei ihm war die Wiedereingliederung außerdem auch aus anderen Gründen nicht versicherungspflichtig. Grundsätzlich erhält ein Betroffener während einer von der Krankenkasse durchgeführten Rehabilitation (§ 74 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) als ergänzende Leistung nach § 28 i.V.m. §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weiterhin Krankengeld. In diesem Fall besteht Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Der Kläger jedoch hatte keinen Anspruch mehr auf Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V, sein Anspruch war erschöpft.

cc) Für eine Situation, die der des Klägers entspricht, hat auch das Hessische LSG (Urteil vom 15.12.2008, L 9 AL 177/07, Juris) entschieden, dass eine stufenweise Wiedereingliederung kein Beschäftigungsverhältnis darstellt. Es hat ausgeführt, es sei dabei ohne Belang, ob die Wiedereingliederung mehrere Stufen umfasst, oder – wie hier – für eine begrenzte Zeit eine tägliche Arbeitszeit von 4 Stunden, also circa der Hälfte der regulären Arbeitszeit, vorsieht. Unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O., Rn. 21) hat es ferner darauf hingewiesen, dass durch die reduzierte Arbeitszeit auch kein echtes Arbeitsverhältnis begründet werde, da Gegenstand der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung sei, sondern der Gesichtspunkt der Rehabilitation im Vordergrund stehe. Es entstehe ein Rechtsverhältnis eigener Art und der Arbeitnehmer unterliege z. B. auch nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dem ist zu folgen. Ein Arbeitsverhältnis im zivilrechtlichen Sinne, zumindest in Form des faktischen Arbeitsverhältnisses, ist nicht nur nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sondern auch nach dem Leistungsrecht des SGB III (vgl. Brand, a.a.O., Rn. 10), wesentliche Grundlage eines Beschäftigungsverhältnisses. Wenn es fehlt, kann in aller Regel auch kein Beschäftigungsverhältnis vorliegen. Dass im Falle des Klägers - neben dem Wiedereingliederungsverhältnis - auch noch sein früheres Arbeitsverhältnis zu den VBK fortbestand, weil dieses nicht gekündigt war, ändert an dieser Einschätzung nichts. Hätte der Kläger in dem streitigen Zeitraum im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gearbeitet, hätte er einen Lohnanspruch gegen die VBK innegehabt.

dd) Nichts anderes folgt aus dem Urteil des BSG vom 21.03.2007. Den Ausführungen der Beklagten, die oben genannte Einschätzung gelte nur in den Nahtlosigkeitsfällen des § 125 SGB III, folgt der Senat nicht. In jenem Urteil betreffen nur die Ausführungen des BSG zur objektiven Verfügbarkeit (Ziffer 1 der Entscheidungsgründe, Juris Rn. 15-18) und zu einer (möglichen, anspruchsausschließenden) Konkurrenz der Ansprüche auf Alg und auf "Leistungen bei AU" (gemeint wohl Übergangsgeld und Krankengeld) in Ziffer 2 der Entscheidungsgründe (Juris, Rn. 19-20) die Nahtlosigkeitsregelung. Die Ausführungen zur weiterbestehenden Arbeits- bzw. Beschäftigungslosigkeit sind in Ziffer 3 der Entscheidungsgründe (Rn. 21-35) deutlich von diesen Ausführungen abgesetzt. Dort wird die Nahtlosigkeitsregelung nicht mehr erwähnt. Vielmehr stellt sich das BSG - unabhängig von § 125 SGB III - auf den Standpunkt, dass eine stufenweise Wiedereingliederung Arbeitslosigkeit nicht ausschließe. Dies ergibt sich deutlich aus den Ausführungen bei Rn. 22 ff., in denen allein auf die Wiedereingliederung abgestellt wird, obwohl in dem zu Grunde liegenden Fall der Versicherte auch von der Nahtlosigkeitsregelung erfasst worden war.

ee) Das LSG Niedersachsen-Bremen hatte in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 21.09.2011 diesen Punkt aus einem etwas anderen Blickwinkel zu prüfen. Es hatte festgestellt, dass der dortige Kläger nach wie vor arbeitsunfähig war und deshalb den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv nicht zur Verfügung stand (Juris, Rn. 21). Nur ergänzend hat es dann ausgeführt, dass er auch nach der Nahtlosigkeitsregelung kein Alg verlangen könne, weil die Wiedereingliederung eine Alg-Gewährung nach § 125 SGB III nicht ausschließe (Rn. 22). Damit hat das LSG nicht ausgeführt, dass die Gewährung von Alg nach den allgemeinen Vorschriften, also außerhalb eines Nahtlosigkeitsfalls, nicht in Betracht komme. Der Kläger in diesem Verfahren jedoch war auch nach dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsschrift vollschichtig einsatzfähig und daher nicht arbeitsunfähig. Die Beklagte hat sich sowohl in dem angegriffenen Bescheid als auch später während des Verfahrens nur auf das Fehlen der Arbeitslosigkeit berufen, nicht auf das Fehlen der objektiven Verfügbarkeit.

ff) Dass eine unentgeltliche Wiedereingliederung allgemein und nicht nur in Nahtlosigkeitsfällen kein Beschäftigungsverhältnis darstellt, ist auch inhaltlich gerechtfertigt. Die Nahtlosigkeitsregelung fingiert nur das an sich fehlende Tatbestandsmerkmal der (objektiven) Verfügbarkeit, also die Fähigkeit und Bereitschaft, eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Beschäftigungslosigkeit ist eine daneben bestehende Voraussetzung des Alg-Anspruchs (wenngleich natürlich ein Arbeitsloser auch wegen einer anderen Tätigkeit objektiv nicht für eine neue verfügbar ist, aber diesen Punkt hat das SGB III eben gesondert geregelt). Daher kann es nicht von der Nahtlosigkeitsregelung abhängen, ob eine stufenweise Wiedereingliederung in dem einen Fall die Beschäftigungslosigkeit ausschließt und in dem anderen Fall nicht. Mit dieser Ansicht folgt der Senat den Ausführungen des Hessischen LSG in dem bereits zitierten Urteil vom 15.12.2008. Das Hessische LSG hat dort (Juris, Rn. 20) ausgeführt, dass während der Teilnahme an einer stufenweisen Wiedereingliederung ins Arbeitsleben durch Verrichtung einer Teilzeitarbeit weiterhin ein Anspruch auf Fortzahlung des Alg nach § 126 SGB III besteht, wenn Arbeitsunfähigkeit für diese Tätigkeit fortbesteht. Auch in jenem Fall lagen die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung nicht vor. Daraus ergibt sich, dass in Fällen, in denen keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, erst recht ein Anspruch auf Alg besteht. Auch den weiteren Ausführungen des Hessischen LSG ist zuzustimmen, dass nämlich die freiwillige stufenweise Wiederaufnahme einer Beschäftigung letztlich auch im Interesse der Beklagten liegt, da dadurch die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des aktuellen Leistungsfalls eröffnet wird (Rn. 21).

Ferner hat der Senat in jener Entscheidung ausgeführt, dass eine stufenweise Wiedereingliederung auch die Annahme einer (objektiven) Verfügbarkeit nicht ausschließt. Dazu hatte der Senat ausgeführt:

b) Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch des Klägers auf Alg ab dem 11.10.2010 auch nicht aus anderen Gründen entfallen war.

aa) Insbesondere fehlte es nicht an der objektiven Verfügbarkeit. Der Kläger war nicht aus gesundheitlichen Gründen nicht verfügbar. Wie bereits ausgeführt, hielt die Beklagte selbst den Kläger für vollschichtig einsatzfähig und daher vermittelbar. Dass der Kläger arbeitsunfähig im krankenversicherungsrechtlichen Sinne war, wie sich an der Bewilligung der Wiedereingliederung durch die AOK zeigt, steht dem nicht entgegen. Dort wird die Arbeitsunfähigkeit konkret auf den innegehabten Arbeitsplatz bezogen bestimmt, solange das Arbeitsverhältnis - wie hier - fortbesteht. Die objektive Verfügbarkeit nach dem SGB III fehlt dagegen erst, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitslosen dazu führt, dass er keine der Stellen, auf die die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen erstrecken muss, ausfüllen kann. Auch die Wiedereingliederung selbst stand der objektiven Verfügbarkeit nicht entgegen: Weil das Arbeitsverhältnis zu den VBK ruhte, jedenfalls die Wiedereingliederung nicht im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses durchgeführt wurde, da ansonsten ein Lohnanspruch bestanden hätte, hätte der Kläger die Wiedereingliederung jederzeit abbrechen können, um einem etwaigen Vermittlungsvorschlag der Beklagten für eine (leichtere, seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechende) Tätigkeit anzunehmen.

bb) Allerdings wäre der Kläger dazu vermutlich nicht bereit gewesen, denn durch die Wiedereingliederung zeigte er ja gerade, dass er auf seinen alten Arbeitsplatz zurückwollte. Möglicherweise fehlte es also an der subjektiven Verfügbarkeit. Aber wenn nach den gesetzlichen Wertungen, die das BSG in dem Urteil vom 21.03.2007 herausgearbeitet hat, eine Wiedereingliederung der Beschäftigungslosigkeit nicht entgegensteht, dann würde diese Wertung umgangen, wenn stattdessen ein Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit angenommen würde. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die Alg-Bewilligung nicht ab Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme aufgehoben hat, sondern erst ab dem Tag, zu dem der Kläger vier Stunden arbeitstäglich gearbeitet hat. Dadurch hat die Beklagte gezeigt, dass sie die Wiedereingliederung selbst nicht als leistungsschädlich eingestuft hat, sondern allein davon ausgegangen ist, die Wiedereingliederung stelle ein Beschäftigungsverhältnis dar und lasse die Arbeitslosigkeit entfallen, sobald sie 15 Stunden wöchentlich überschreite.

An diesen Ausführungen hält der Senat fest. Ihnen hat sich inzwischen auch das LSG Nordrhein-Westfalen angeschlossen, dessen Urteil vom 30.08.2012 (L 16 AL 90/12, Juris Rn. 37 ff.) Gegenstand des beim BSG schwebenden Revisionsverfahrens B 11 AL 20/12 R ist.

b) Diese Ausführungen erfassen auch die Situation des hiesigen Klägers. Der Kläger befand sich in der gesamten hier streitigen Zeit in einer nicht bezahlten, ärztlich verordneten stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGB V. Nach der Auskunft der TK im Berufungsverfahren steht fest, dass diese Wiedereingliederung auch schon in der zuvor noch nicht geklärten Zeit vom 20.07. bis 31.07.2011 lief und drei Stunden arbeitstäglich umfasste. Dass der Kläger des hiesigen Verfahrens vor Beginn der Wiedereingliederung (oder dem Erreichen der 3-Stunden-Marke) kein Alg bezogen hatte, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich.

c) Ergänzend ist lediglich auf zwei Punkte einzugehen:

Dass der Kläger - zumindest nach der Auskunft des Arbeitgebers im Berufungsverfahren - faktisch weniger als drei Stunden arbeitstäglich in der Wiedereingliederung war, ändert an der Rechtslage nichts. Maßgebend ist der Umfang, mit dem die Wiedereingliederungsmaßnahme nach § 74 SGB V verordnet worden ist. Kann der arbeitsunfähige Versicherte diesen Umfang nicht absolvieren, so ist diese Situation mit Krankheits- oder Urlaubsfällen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zu vergleichen, die ebenfalls den versicherten und damit maßgeblichen Umfang des Beschäftigungsverhältnisses selbst nicht verringern. Im Übrigen wäre der Kläger, stellte man auf die tatsächliche Zeit ab, die er in der stufenweisen Wiedereingliederung verbracht hat, erst recht beschäftigungslos gewesen.

Der laufende Bezug der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.10.2011 und auch die rückwirkende Bewilligung dieser Rente auf den 01.02.2011 ändert an dem Alg-Anspruch des Klägers nichts. Zu einem Ruhen des Alg-Anspruchs führt nur der Bezug einer Vollerwerbsminderungsrente (§ 142 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a.F.). Der Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung berechtigt die Beklagte nur zu der Aufforderung nach § 142 Abs. 1 Satz 2 SGB III, die hier aber nicht abgegeben wurde.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision sieht der Senat nicht. Er hält an seiner Ansicht aus seinem Urteil vom 28.03.2012 fest, wonach die aufgeworfenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG haben, da sie bereits durch das Urteil des BSG vom 21.03.2007 beantwortet sind. Eine Divergenz nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG besteht ebenfalls nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht von neuerer Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte ab, nachdem sich das LSG Nordrhein-Westfalen in dem genannten Urteil vom 30.08.2012 der Auffassung des Senats angeschlossen hat. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung war daher zurückzuweisen.
Rechtskraft
Aus
Saved