Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 2 AL 292/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 201/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Vorliegen eines (ggf. schuldhaften) arbeitsvertragswidrigen Verhaltens bedingt nicht das Vorliegen der schuldhaften Herbeiführung der Arbeitslosigkeit.
2. Auch bei durch die Arbeitsgerichtsbarkeit als wirksam festgestellter fristloser Kündigung kann es an einem Verschulden hinsichtlich der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit fehlen.
2. Auch bei durch die Arbeitsgerichtsbarkeit als wirksam festgestellter fristloser Kündigung kann es an einem Verschulden hinsichtlich der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit fehlen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 19. März 2005 bis 10. Juni 2005 und wendet sich gegen den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und einer Minderung seiner Anspruchsdauer.
Der 1957 geborene Kläger meldete sich am 18. März 2005 zum 19. März 2005 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zuvor war er vom 01. Juni 1993 bis 18. März 2005 bei der Stadt C. als Sachbearbeiter in der D.planung beschäftigt gewesen. Er war nicht verheiratet und kinderlos. Er erzielte im maßgeblichen Zeitraum vom 01. März 2004 bis 18. März 2005 ein Arbeitsentgelt in Höhe von 49.712,19 EUR (Bl. 18 d. LA).
Der Kläger war vom 13. September 2004 bis 28. Februar 2005 wegen Urlaubs, Erkrankung und Kur nicht beruflich tätig. Er kehrte am 01. März 2005 an seinen Arbeitsplatz zurück und wurde sogleich von seinem Vorgesetzten aufgefordert, an einem Seminar am 08. März 2005 teilzunehmen. Er hatte wiederum für diesen Tag Urlaub beantragt, da er an diesem Tag einen Arzt- und einen Anwaltstermin gehabt hätte. Er lehnte daher die Teilnahme zunächst ab, nahm dann aber, nach weiteren Gesprächen, an der Fortbildung am 08. März 2005 teil. Danach erhielt er vom Personalrat Kenntnis über eine geplante fristlose Kündigung.
Das Arbeitsverhältnis endete durch eine außerordentliche Kündigung vom 18. März 2005 zum 18. März 2005. Der Arbeitgeber stützte die Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe. Er gab an, dass der Kläger in einem Gespräch am 01. März 2005 mit seinen Vorgesetzten, Herrn E. und Frau F., aufgefordert worden sei, am 08. März 2005 an einem Fachseminar in Mannheim teilzunehmen. Am 04. März 2005 habe der Kläger mitgeteilt, er könne wegen privater Termine, die seit Monaten feststünden, an diesem Seminar nicht teilnehmen. Außerdem sei die Teilnahme zu kurzfristig und er wolle warten, bis ein entsprechendes Seminar in Wohnortnähe angeboten werde. In einem Gespräch am 07. März 2005 sei die Angelegenheit nochmals erörtert und der Kläger gebeten worden, mitzuteilen, um welche privaten Termine es sich handele. Dazu habe der Kläger keine Angaben machen wollen, so dass eine Abwägung der Belange nicht möglich gewesen sei. Bedingt durch die Abwesenheit des Klägers vom 13. September 2004 bis 28. Februar 2005 wegen Urlaubs, Krankheit und Kur sei eine frühere Information über den Seminartermin nicht möglich gewesen. Der Kläger sei gebeten worden, sich um eine Terminsverschiebung zu bemühen, ansonsten werde die Seminarteilnahme dienstlich angeordnet. Im Verlauf des Gesprächs habe Herr E. geäußert, er habe den Kläger bereits im Sommer 2004 zu einer entsprechenden Seminarteilnahme aufgefordert. Der Kläger habe dieses Gespräch bestritten und gegenüber Herrn E. erklärt: "Sie lügen, wie Sie das immer machen." Die Bezichtigung des Vorgesetzten der Lüge sei massiv ehrverletzend, so dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich sei. Bereits am 25. September 2003 habe sich der Kläger ehrverletzend verhalten, in dem er geäußert habe, bei der Stadt C. würde nach Stasi - Methoden vorgegangen. Dazu seien bereits arbeitsrechtliche Maßnahmen (Abmahnung) ergriffen worden.
Der Kläger war als Ersatzmitglied zeitweilig im Personalrat tätig. Er nahm zuletzt am 30. Juni 2004 an einer Sitzung dieses Gremiums teil. Der Personalrat legte am 17. März 2005 eine Stellungnahme zur außerordentlichen Kündigung vor (Bl. 9, 10 d. LA). Der Personalrat erklärte darin, die Differenzen zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten E. bestünden seit Jahren. Der Kläger sei gegen den Willen von Herrn E. eingestellt worden. Die Auseinandersetzungen persönlicher und beruflicher Art seien ständig geführt worden, weswegen der Kläger auch immer wieder Hilfe beim Personalrat gesucht habe. Eine dieser Auseinandersetzungen habe Eingang in die Personalakte gefunden. Der Kläger sei in diesem Zusammenhang kein Einzelfall. Es gebe im gleichen Fachbereich mehrere schwelende Verfahren, was nicht nur auf ein schlechtes Arbeitsklima, sondern auch auf mangelnde Personalführung schließen lasse. Die Personalakte des Klägers sei einwandfrei. Das Ziel, dem Kläger zu kündigen, sei dem Personalrat schon länger bekannt. Der Personalrat sehe ein eindeutiges Führungsproblem, bei dem der Kläger das Opfer sei. Ob es zu der vorliegenden Kündigung eine erste Abmahnung gebe, sei noch nicht bekannt, da dazu noch ein Verfahren anhängig sei. Der Personalrat lehne insgesamt eine außerordentliche Kündigung ab.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage. Er bestritt die Äußerung und führte an, dass er gesagt habe, dass die Äußerung des Herrn E. eine Lüge sei, wie so manches andere auch. Mit Urteil des Arbeitsgerichtes Offenbach vom 12. Oktober 2005 wurde (unter anderem) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 18. März 2005 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich zum 31. August 2005 aufgelöst wurde. Die Kündigung sei unwirksam, da ein zu ihrem Ausspruch berechtigender wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht ersichtlich sei. Es folge aus der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung, dass es dem Arbeitgeber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Zu Gunsten des Klägers seien seine fast zwölfjährige Betriebszugehörigkeit und sein Lebensalter zu berücksichtigen. Ferner sei zu bedenken, dass der Arbeitgeber selbst einräume, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei erheblich belastet. Schließlich wirke sich zu Gunsten des Klägers aus, dass nach der mit einer Abmahnung sanktionierten Beleidigung durch den Vorwurf der Verwendung von Stasi-Methoden mehr als 1,5 Jahre vergangen seien. Die Stadt C. legte gegen dieses Urteil beim Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt am Main Berufung ein. Mit Urteil vom 01. Juni 2006 hob das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts nach mündlicher Verhandlung mit Zeugenvernehmung auf und wies die Klage ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 18. März 2005 geendet. Die Äußerung des Klägers, "Sie lügen, wie Sie das immer machen", sei an sich geeignet gewesen, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Es sei auch durch Zeugenvernehmung bewiesen, dass der Kläger diese Äußerung getätigt habe. Bei einer Abwägung der Interessen sei denen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Klägers der Vorrang einzuräumen. Das Fehlverhalten des Klägers sei kein Einzelfall gewesen. Die zuvor ergangene Abmahnung sei nicht durch Zeitablauf wirkungslos geworden. Der Arbeitgeber habe befürchten müssen, dass der Kläger auch künftig seinen Vorgesetzten in seiner Ehre herabwürdigen werde. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen. Gleiches gilt für die erhobene Verfassungsbeschwerde.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 12. April 2005 Arbeitslosengeld ab 11. Juni 2005 bewilligt mit einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 43,09 EUR (Bl. 63 d. GA). Mit Bescheid vom 30. März 2007 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 19. März bis 10. Juni 2005 fest. Der Kläger habe die Beschäftigung bei der Stadt C. verloren, weil er sich gegenüber seinem Vorgesetzten vertragswidrig verhalten habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2007 als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob am 22. Juni 2007 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main. Er behauptete weiterhin, dass er nicht gesagt habe, dass Herr E. lüge, wie er das immer tue, sondern, dass die Aussage eine Lüge sei, wie so manches andere auch. Er war der Ansicht, dass er die Lösung nicht vertragswidrig verursacht habe. Die Beklagte hielt an der Auffassung fest, dass eine Sperrzeit eingetreten sei. Das SG Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 27. Oktober 2011 den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2007 aufgehoben, den Bewilligungsbescheid vom 12. April 2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld zu gewähren im Zeitraum vom 19. März 2005 bis 10. Juni 2005; eine Sperrzeit trete nicht ein. Zur Begründung führte es an, dass das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Klägers zwar zu einer Lösung des Arbeitsverhältnisses geführt habe. Der Kläger habe jedoch die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt, da er nicht damit habe rechnen müssen, dass ihm fristlos gekündigt werde.
Gegen das der Beklagten am 28. November 2011 zugestellte Urteil hat diese am 27. Dezember 2011 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie ist der Ansicht, dass der Kläger die Arbeitslosigkeit in schuldhafter Weise herbeigeführt habe.
Sie beantragt,
das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass er sich nicht vertragswidrig verhalten habe. Er habe sich nie geweigert an dem Seminar in Mannheim teilzunehmen. Er behauptet, dass er im Laufe der Auseinandersetzungen geäußert habe: "Das ist gelogen, wie so manches andere auch." Er ist der Ansicht, dass er damit die außerordentliche Kündigung nicht selbst verschuldet habe.
Am 07. August 2012 hat ein Erörterungstermin vor dem Hess. Landessozialgericht stattgefunden, in welchem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt haben. Es wird für den weiteren Inhalt auf das Protokoll vom 07. August 2012 zum Erörterungstermin (Bl. 136 f. d. GA) Bezug genommen.
Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG Frankfurt am Main den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2007 aufgehoben, den Bewilligungsbescheid vom 12. April 2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 19. März 2005 bis 10. Juni 2005 zu gewähren. Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Sperrzeitbescheid vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2007 auch der Bewilligungsbescheid vom 12. April 2005. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bilden nämlich diese Bescheide eine rechtliche Einheit mit dem Sperrzeitbescheid (BSG, Urteil vom 17. November 2005, Az.: B 11a/11 AL 49/04 R, SozR 4-4300 § 144 Nr. 10 Rn. 12; BSG, Urteil vom 02. Mai 2012, Az.: B 11 AL 6/11 R - juris -).
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld, da eine Sperrzeit nicht eingetreten ist. Rechtsgrundlage für den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 gültigen Fassung. Hiernach ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Der Arbeitnehmer hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit, § 144 Abs. 2 SGB III. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt gemäß § 144 Abs. 3 SGB III zwölf Wochen. Sie verkürzt sich auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
Der Eintritt einer Sperrzeit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst ein arbeitsvertragswidriges Verhalten voraus, das in jeglichem Verstoß gegen geschriebene oder ungeschriebene Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen kann. Dieses Verhalten muss kausal (im Sinne der Wesentlichkeitstheorie) für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geworden sein. Die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber muss - ebenfalls im Sinne einer wesentlichen Bedingung - ihrerseits Ursache für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit sein. Schließlich muss die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers beruhen, wobei nicht - wie nach § 276 Bürgerliches Gesetzbuch - von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Maßstab auszugehen ist, ausgerichtet an den Kenntnissen und Fähigkeiten des Betroffenen (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - B 7a AL 46/05 R - juris -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar liegt eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung vor. Unklar ist jedoch, ob ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers vorlag. Das LAG Frankfurt am Main hat dies als erwiesen angesehen, da Herr E. und Frau F. ihre Behauptung bzgl. des Inhaltes des streitigen Gesprächs in der Zeugenvernehmung wiederholten. Unabhängig jedoch von dieser Frage, hat der Kläger die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt. Da er nicht selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt und das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er im Gespräch mit seinen Vorgesetzten die Herbeiführung der Lösung wenigstens billigend in Kauf genommen hat, scheidet das Vorliegen von Vorsatz aus. Es liegt aber auch keine grobe Fahrlässigkeit bzgl. der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit vor. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor, wenn der Versicherte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Vorausgesetzt wird damit, dass er aufgrund einfachster und (ganz) naheliegender Überlegungen den Eintritt der Arbeitslosigkeit hätte erkennen können, oder dass er dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei ist nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Maßstab zugrunde zu legen (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Auflage 2010, § 144 Rn. 53 ff.). Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen einem Verschulden bzgl. des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens und einem Verschulden bzgl. der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit ist festzustellen, dass die Bewertung diesbezüglich unterschiedlich voneinander ausfallen kann. So ist es kündigungsrechtlich anerkannt, dass ausnahmsweise sogar schuldlose Pflichtverletzungen die (ggf. auch außerordentliche) verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können (Rolf in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Auflage 2012, § 144 Rn. 23). Das BSG hat angenommen, dass auch in derartigen Fällen der Tatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III verwirklicht sei, weil sich das grobe Verschulden nur auf die Verursachung der Arbeitslosigkeit, nicht aber auf den Arbeitsvertragsverstoß zu beziehen brauche (BSG, BB 1982, 559 und NZA 1986, 141). Dies gilt umgekehrt in gleicher Weise. Es ist daher – entgegen der Ansicht der Beklagten – möglich, dass aus arbeitsrechtlicher Sicht ein schuldhaftes arbeitsvertragswidriges Verhalten vorliegt, trotzdem das für die Sperrzeit erforderliche Verschulden nicht besteht. Im vorliegenden Fall liegt uneinheitliche arbeitsgerichtliche Rechtsprechung bzgl. der Wirksamkeit der Kündigung vor; beide Urteile jedoch setzen sich mit der Frage des Verschuldens bzgl. des arbeitsvertragswidrigen Verstoßes nicht auseinander. Maßgeblich wird in beiden Entscheidungen auf die Interessenabwägung abgestellt. Das LAG sah das Geschehen im Sinne des vom Arbeitgeber behaupteten Ablaufs als erwiesen an und knüpfte daran an, dass ein Vorgesetzter eine solche Ehrverletzung nicht dulden müsse, zumal die Gefahr bestünde, dass sie sich wiederhole. Argumentiert wurde vollständig aus Sicht des Vorgesetzten und bezogen auf eine Interessenabwägung, die zu Lasten des Klägers ausfiel. Hieraus ergibt sich für den Senat nicht, dass der Kläger seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat. Im Kontext des belasteten Arbeitsklimas und weiterer Streitigkeiten in der gesamten Abteilung, musste der Kläger nicht damit rechnen, dass er aufgrund des Gesprächs fristlos gekündigt werden würde. Dies ergibt sich für den Senat aus den gesamten Umständen, die das Beschäftigungsverhältnis prägten. Es gab zuvor schon mehrfach Streitigkeiten, auch mit anderen Mitarbeitern. Dies ergibt sich eindeutig aus der Stellungnahme des Personalrates. Der Kläger hat im Erörterungstermin vor dem Hess. Landessozialgericht auch noch einmal betont, dass das Arbeitsklima insgesamt sehr belastet gewesen sei durch die Personalführung des Herrn E. Es wurde diesbezüglich auch eine Supervision durchgeführt. Der Kläger schilderte auch, genauso wie Herr E. und Frau F. im Termin vor dem LAG Frankfurt am Main, dass es ein ruhiges Gespräch gewesen sei. Für den Senat ist daher nicht erkennbar, weshalb der Kläger hätte davon ausgehen müssen, dass er nunmehr eine fristlose Kündigung erhalten werde. Dies wird zudem untermauert dadurch, dass der Kläger mit der erwarteten Seminarteilnahme an seinem ersten Arbeitstag am 01. März 2005 nach längerer Abwesenheit konfrontiert wurde und schon anderweitige Pläne für diesen Tag hatte. Er hat sich jedoch kurzfristig umentschieden und ebenso kurzfristig an dem Seminar am 08. März 2005 teilgenommen. Dies hat er auch in einem weiteren Gespräch seinem Vorgesetzten mitgeteilt. Hätte der Kläger bei Anstellung der sich aufdrängenden Erwägungen nach den Gesprächen erkennen können, dass aufgrund seiner Äußerungen das Arbeitsverhältnis beendet werden soll, so wäre er wohl nicht in dieser Art verfahren. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass, wegen der vorherigen Ereignisse, der Kläger wusste, dass Herr E. offenbar auf eine Gelegenheit wartete, um das Arbeitsverhältnis zu beenden, denn auch aus Sicht des Senates führen beide hier in Rede stehenden Versionen der streitigen Äußerung nicht dazu, dass der Kläger nach Abschluss des Gesprächs davon ausgehen musste, dass er damit den Bogen überspannt hat und die Kündigung erfolgen wird. Vielmehr relativiert sich eine solche Äußerung in einem ruhigen Gespräch, wenn der Umgangston und die Umgangsart in der gesamten Abteilung offenbar ausgesprochen ruppig und belastet waren. Der Kläger teilte hierzu mit, dass keine Begrüßungen erfolgten, Akten mit Rotstift korrigiert wurden und ähnliches. Unter Berücksichtigung aller Umstände und eines subjektiven Maßstabes bezogen auf den Kläger kann daher nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Eintritt der Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Da auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass andere Gründe dem Vorliegen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld entgegenstehen könnten, war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger im Zeitraum vom 19. März bis 10. Juni 2005 Arbeitslosengeld in der festgestellten Höhe (43,09 EUR, Leistungssatz/tgl.) zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 19. März 2005 bis 10. Juni 2005 und wendet sich gegen den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und einer Minderung seiner Anspruchsdauer.
Der 1957 geborene Kläger meldete sich am 18. März 2005 zum 19. März 2005 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zuvor war er vom 01. Juni 1993 bis 18. März 2005 bei der Stadt C. als Sachbearbeiter in der D.planung beschäftigt gewesen. Er war nicht verheiratet und kinderlos. Er erzielte im maßgeblichen Zeitraum vom 01. März 2004 bis 18. März 2005 ein Arbeitsentgelt in Höhe von 49.712,19 EUR (Bl. 18 d. LA).
Der Kläger war vom 13. September 2004 bis 28. Februar 2005 wegen Urlaubs, Erkrankung und Kur nicht beruflich tätig. Er kehrte am 01. März 2005 an seinen Arbeitsplatz zurück und wurde sogleich von seinem Vorgesetzten aufgefordert, an einem Seminar am 08. März 2005 teilzunehmen. Er hatte wiederum für diesen Tag Urlaub beantragt, da er an diesem Tag einen Arzt- und einen Anwaltstermin gehabt hätte. Er lehnte daher die Teilnahme zunächst ab, nahm dann aber, nach weiteren Gesprächen, an der Fortbildung am 08. März 2005 teil. Danach erhielt er vom Personalrat Kenntnis über eine geplante fristlose Kündigung.
Das Arbeitsverhältnis endete durch eine außerordentliche Kündigung vom 18. März 2005 zum 18. März 2005. Der Arbeitgeber stützte die Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe. Er gab an, dass der Kläger in einem Gespräch am 01. März 2005 mit seinen Vorgesetzten, Herrn E. und Frau F., aufgefordert worden sei, am 08. März 2005 an einem Fachseminar in Mannheim teilzunehmen. Am 04. März 2005 habe der Kläger mitgeteilt, er könne wegen privater Termine, die seit Monaten feststünden, an diesem Seminar nicht teilnehmen. Außerdem sei die Teilnahme zu kurzfristig und er wolle warten, bis ein entsprechendes Seminar in Wohnortnähe angeboten werde. In einem Gespräch am 07. März 2005 sei die Angelegenheit nochmals erörtert und der Kläger gebeten worden, mitzuteilen, um welche privaten Termine es sich handele. Dazu habe der Kläger keine Angaben machen wollen, so dass eine Abwägung der Belange nicht möglich gewesen sei. Bedingt durch die Abwesenheit des Klägers vom 13. September 2004 bis 28. Februar 2005 wegen Urlaubs, Krankheit und Kur sei eine frühere Information über den Seminartermin nicht möglich gewesen. Der Kläger sei gebeten worden, sich um eine Terminsverschiebung zu bemühen, ansonsten werde die Seminarteilnahme dienstlich angeordnet. Im Verlauf des Gesprächs habe Herr E. geäußert, er habe den Kläger bereits im Sommer 2004 zu einer entsprechenden Seminarteilnahme aufgefordert. Der Kläger habe dieses Gespräch bestritten und gegenüber Herrn E. erklärt: "Sie lügen, wie Sie das immer machen." Die Bezichtigung des Vorgesetzten der Lüge sei massiv ehrverletzend, so dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich sei. Bereits am 25. September 2003 habe sich der Kläger ehrverletzend verhalten, in dem er geäußert habe, bei der Stadt C. würde nach Stasi - Methoden vorgegangen. Dazu seien bereits arbeitsrechtliche Maßnahmen (Abmahnung) ergriffen worden.
Der Kläger war als Ersatzmitglied zeitweilig im Personalrat tätig. Er nahm zuletzt am 30. Juni 2004 an einer Sitzung dieses Gremiums teil. Der Personalrat legte am 17. März 2005 eine Stellungnahme zur außerordentlichen Kündigung vor (Bl. 9, 10 d. LA). Der Personalrat erklärte darin, die Differenzen zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten E. bestünden seit Jahren. Der Kläger sei gegen den Willen von Herrn E. eingestellt worden. Die Auseinandersetzungen persönlicher und beruflicher Art seien ständig geführt worden, weswegen der Kläger auch immer wieder Hilfe beim Personalrat gesucht habe. Eine dieser Auseinandersetzungen habe Eingang in die Personalakte gefunden. Der Kläger sei in diesem Zusammenhang kein Einzelfall. Es gebe im gleichen Fachbereich mehrere schwelende Verfahren, was nicht nur auf ein schlechtes Arbeitsklima, sondern auch auf mangelnde Personalführung schließen lasse. Die Personalakte des Klägers sei einwandfrei. Das Ziel, dem Kläger zu kündigen, sei dem Personalrat schon länger bekannt. Der Personalrat sehe ein eindeutiges Führungsproblem, bei dem der Kläger das Opfer sei. Ob es zu der vorliegenden Kündigung eine erste Abmahnung gebe, sei noch nicht bekannt, da dazu noch ein Verfahren anhängig sei. Der Personalrat lehne insgesamt eine außerordentliche Kündigung ab.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage. Er bestritt die Äußerung und führte an, dass er gesagt habe, dass die Äußerung des Herrn E. eine Lüge sei, wie so manches andere auch. Mit Urteil des Arbeitsgerichtes Offenbach vom 12. Oktober 2005 wurde (unter anderem) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 18. März 2005 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich zum 31. August 2005 aufgelöst wurde. Die Kündigung sei unwirksam, da ein zu ihrem Ausspruch berechtigender wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht ersichtlich sei. Es folge aus der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung, dass es dem Arbeitgeber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Zu Gunsten des Klägers seien seine fast zwölfjährige Betriebszugehörigkeit und sein Lebensalter zu berücksichtigen. Ferner sei zu bedenken, dass der Arbeitgeber selbst einräume, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei erheblich belastet. Schließlich wirke sich zu Gunsten des Klägers aus, dass nach der mit einer Abmahnung sanktionierten Beleidigung durch den Vorwurf der Verwendung von Stasi-Methoden mehr als 1,5 Jahre vergangen seien. Die Stadt C. legte gegen dieses Urteil beim Landesarbeitsgericht (LAG) Frankfurt am Main Berufung ein. Mit Urteil vom 01. Juni 2006 hob das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts nach mündlicher Verhandlung mit Zeugenvernehmung auf und wies die Klage ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 18. März 2005 geendet. Die Äußerung des Klägers, "Sie lügen, wie Sie das immer machen", sei an sich geeignet gewesen, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Es sei auch durch Zeugenvernehmung bewiesen, dass der Kläger diese Äußerung getätigt habe. Bei einer Abwägung der Interessen sei denen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Klägers der Vorrang einzuräumen. Das Fehlverhalten des Klägers sei kein Einzelfall gewesen. Die zuvor ergangene Abmahnung sei nicht durch Zeitablauf wirkungslos geworden. Der Arbeitgeber habe befürchten müssen, dass der Kläger auch künftig seinen Vorgesetzten in seiner Ehre herabwürdigen werde. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen. Gleiches gilt für die erhobene Verfassungsbeschwerde.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 12. April 2005 Arbeitslosengeld ab 11. Juni 2005 bewilligt mit einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 43,09 EUR (Bl. 63 d. GA). Mit Bescheid vom 30. März 2007 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 19. März bis 10. Juni 2005 fest. Der Kläger habe die Beschäftigung bei der Stadt C. verloren, weil er sich gegenüber seinem Vorgesetzten vertragswidrig verhalten habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2007 als unbegründet zurück.
Der Kläger erhob am 22. Juni 2007 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main. Er behauptete weiterhin, dass er nicht gesagt habe, dass Herr E. lüge, wie er das immer tue, sondern, dass die Aussage eine Lüge sei, wie so manches andere auch. Er war der Ansicht, dass er die Lösung nicht vertragswidrig verursacht habe. Die Beklagte hielt an der Auffassung fest, dass eine Sperrzeit eingetreten sei. Das SG Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 27. Oktober 2011 den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2007 aufgehoben, den Bewilligungsbescheid vom 12. April 2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld zu gewähren im Zeitraum vom 19. März 2005 bis 10. Juni 2005; eine Sperrzeit trete nicht ein. Zur Begründung führte es an, dass das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Klägers zwar zu einer Lösung des Arbeitsverhältnisses geführt habe. Der Kläger habe jedoch die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt, da er nicht damit habe rechnen müssen, dass ihm fristlos gekündigt werde.
Gegen das der Beklagten am 28. November 2011 zugestellte Urteil hat diese am 27. Dezember 2011 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie ist der Ansicht, dass der Kläger die Arbeitslosigkeit in schuldhafter Weise herbeigeführt habe.
Sie beantragt,
das Urteil des SG Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass er sich nicht vertragswidrig verhalten habe. Er habe sich nie geweigert an dem Seminar in Mannheim teilzunehmen. Er behauptet, dass er im Laufe der Auseinandersetzungen geäußert habe: "Das ist gelogen, wie so manches andere auch." Er ist der Ansicht, dass er damit die außerordentliche Kündigung nicht selbst verschuldet habe.
Am 07. August 2012 hat ein Erörterungstermin vor dem Hess. Landessozialgericht stattgefunden, in welchem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt haben. Es wird für den weiteren Inhalt auf das Protokoll vom 07. August 2012 zum Erörterungstermin (Bl. 136 f. d. GA) Bezug genommen.
Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG Frankfurt am Main den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2007 aufgehoben, den Bewilligungsbescheid vom 12. April 2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 19. März 2005 bis 10. Juni 2005 zu gewähren. Gegenstand des Rechtsstreits ist neben dem Sperrzeitbescheid vom 30. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2007 auch der Bewilligungsbescheid vom 12. April 2005. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bilden nämlich diese Bescheide eine rechtliche Einheit mit dem Sperrzeitbescheid (BSG, Urteil vom 17. November 2005, Az.: B 11a/11 AL 49/04 R, SozR 4-4300 § 144 Nr. 10 Rn. 12; BSG, Urteil vom 02. Mai 2012, Az.: B 11 AL 6/11 R - juris -).
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld, da eine Sperrzeit nicht eingetreten ist. Rechtsgrundlage für den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 gültigen Fassung. Hiernach ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Der Arbeitnehmer hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit, § 144 Abs. 2 SGB III. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt gemäß § 144 Abs. 3 SGB III zwölf Wochen. Sie verkürzt sich auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
Der Eintritt einer Sperrzeit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst ein arbeitsvertragswidriges Verhalten voraus, das in jeglichem Verstoß gegen geschriebene oder ungeschriebene Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen kann. Dieses Verhalten muss kausal (im Sinne der Wesentlichkeitstheorie) für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geworden sein. Die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber muss - ebenfalls im Sinne einer wesentlichen Bedingung - ihrerseits Ursache für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit sein. Schließlich muss die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers beruhen, wobei nicht - wie nach § 276 Bürgerliches Gesetzbuch - von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Maßstab auszugehen ist, ausgerichtet an den Kenntnissen und Fähigkeiten des Betroffenen (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - B 7a AL 46/05 R - juris -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar liegt eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung vor. Unklar ist jedoch, ob ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers vorlag. Das LAG Frankfurt am Main hat dies als erwiesen angesehen, da Herr E. und Frau F. ihre Behauptung bzgl. des Inhaltes des streitigen Gesprächs in der Zeugenvernehmung wiederholten. Unabhängig jedoch von dieser Frage, hat der Kläger die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt. Da er nicht selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt und das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er im Gespräch mit seinen Vorgesetzten die Herbeiführung der Lösung wenigstens billigend in Kauf genommen hat, scheidet das Vorliegen von Vorsatz aus. Es liegt aber auch keine grobe Fahrlässigkeit bzgl. der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit vor. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor, wenn der Versicherte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Vorausgesetzt wird damit, dass er aufgrund einfachster und (ganz) naheliegender Überlegungen den Eintritt der Arbeitslosigkeit hätte erkennen können, oder dass er dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei ist nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Maßstab zugrunde zu legen (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Auflage 2010, § 144 Rn. 53 ff.). Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen einem Verschulden bzgl. des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens und einem Verschulden bzgl. der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit ist festzustellen, dass die Bewertung diesbezüglich unterschiedlich voneinander ausfallen kann. So ist es kündigungsrechtlich anerkannt, dass ausnahmsweise sogar schuldlose Pflichtverletzungen die (ggf. auch außerordentliche) verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können (Rolf in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Auflage 2012, § 144 Rn. 23). Das BSG hat angenommen, dass auch in derartigen Fällen der Tatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III verwirklicht sei, weil sich das grobe Verschulden nur auf die Verursachung der Arbeitslosigkeit, nicht aber auf den Arbeitsvertragsverstoß zu beziehen brauche (BSG, BB 1982, 559 und NZA 1986, 141). Dies gilt umgekehrt in gleicher Weise. Es ist daher – entgegen der Ansicht der Beklagten – möglich, dass aus arbeitsrechtlicher Sicht ein schuldhaftes arbeitsvertragswidriges Verhalten vorliegt, trotzdem das für die Sperrzeit erforderliche Verschulden nicht besteht. Im vorliegenden Fall liegt uneinheitliche arbeitsgerichtliche Rechtsprechung bzgl. der Wirksamkeit der Kündigung vor; beide Urteile jedoch setzen sich mit der Frage des Verschuldens bzgl. des arbeitsvertragswidrigen Verstoßes nicht auseinander. Maßgeblich wird in beiden Entscheidungen auf die Interessenabwägung abgestellt. Das LAG sah das Geschehen im Sinne des vom Arbeitgeber behaupteten Ablaufs als erwiesen an und knüpfte daran an, dass ein Vorgesetzter eine solche Ehrverletzung nicht dulden müsse, zumal die Gefahr bestünde, dass sie sich wiederhole. Argumentiert wurde vollständig aus Sicht des Vorgesetzten und bezogen auf eine Interessenabwägung, die zu Lasten des Klägers ausfiel. Hieraus ergibt sich für den Senat nicht, dass der Kläger seine Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat. Im Kontext des belasteten Arbeitsklimas und weiterer Streitigkeiten in der gesamten Abteilung, musste der Kläger nicht damit rechnen, dass er aufgrund des Gesprächs fristlos gekündigt werden würde. Dies ergibt sich für den Senat aus den gesamten Umständen, die das Beschäftigungsverhältnis prägten. Es gab zuvor schon mehrfach Streitigkeiten, auch mit anderen Mitarbeitern. Dies ergibt sich eindeutig aus der Stellungnahme des Personalrates. Der Kläger hat im Erörterungstermin vor dem Hess. Landessozialgericht auch noch einmal betont, dass das Arbeitsklima insgesamt sehr belastet gewesen sei durch die Personalführung des Herrn E. Es wurde diesbezüglich auch eine Supervision durchgeführt. Der Kläger schilderte auch, genauso wie Herr E. und Frau F. im Termin vor dem LAG Frankfurt am Main, dass es ein ruhiges Gespräch gewesen sei. Für den Senat ist daher nicht erkennbar, weshalb der Kläger hätte davon ausgehen müssen, dass er nunmehr eine fristlose Kündigung erhalten werde. Dies wird zudem untermauert dadurch, dass der Kläger mit der erwarteten Seminarteilnahme an seinem ersten Arbeitstag am 01. März 2005 nach längerer Abwesenheit konfrontiert wurde und schon anderweitige Pläne für diesen Tag hatte. Er hat sich jedoch kurzfristig umentschieden und ebenso kurzfristig an dem Seminar am 08. März 2005 teilgenommen. Dies hat er auch in einem weiteren Gespräch seinem Vorgesetzten mitgeteilt. Hätte der Kläger bei Anstellung der sich aufdrängenden Erwägungen nach den Gesprächen erkennen können, dass aufgrund seiner Äußerungen das Arbeitsverhältnis beendet werden soll, so wäre er wohl nicht in dieser Art verfahren. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass, wegen der vorherigen Ereignisse, der Kläger wusste, dass Herr E. offenbar auf eine Gelegenheit wartete, um das Arbeitsverhältnis zu beenden, denn auch aus Sicht des Senates führen beide hier in Rede stehenden Versionen der streitigen Äußerung nicht dazu, dass der Kläger nach Abschluss des Gesprächs davon ausgehen musste, dass er damit den Bogen überspannt hat und die Kündigung erfolgen wird. Vielmehr relativiert sich eine solche Äußerung in einem ruhigen Gespräch, wenn der Umgangston und die Umgangsart in der gesamten Abteilung offenbar ausgesprochen ruppig und belastet waren. Der Kläger teilte hierzu mit, dass keine Begrüßungen erfolgten, Akten mit Rotstift korrigiert wurden und ähnliches. Unter Berücksichtigung aller Umstände und eines subjektiven Maßstabes bezogen auf den Kläger kann daher nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Eintritt der Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat.
Da auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass andere Gründe dem Vorliegen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld entgegenstehen könnten, war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger im Zeitraum vom 19. März bis 10. Juni 2005 Arbeitslosengeld in der festgestellten Höhe (43,09 EUR, Leistungssatz/tgl.) zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
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