L 2 R 175/13 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 603/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 175/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Unbegründetheit einer Beschwerde gegen die Verhängung von Ordnungsgeld gegen den nicht erschienenen sachverständigen Zeugen.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 300.- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.

In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit streitig. Mit Schreiben vom 7. August 2012 hat das Sozialgericht einen Befundbericht u.a. von dem Beschwerdeführer (im Folgenden Bf.) angefordert. Es hat mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 und 21. November 2012 an die Erledigung erinnert, zuletzt unter Fristsetzung bis 12. Dezember 2012. Der Befundbericht ist bis dahin nicht eingegangen.

Das Sozialgericht hat den Bf. als sachverständigen Zeugen zu einem Termin zur Beweisaufnahme am 11. Januar 2013, 9.00 Uhr, geladen. Die Ladung ist dem Bf. mit Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2012 zugegangen. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 hat der Bf. dem Gericht die Diagnosen aufgelistet und mitgeteilt, es sei zu erwarten, dass der Zustand der Klägerin aufgrund der Vielzahl ihrer chronischen Erkrankungen seit ihrer letzten internistischen Kontrolle am 31. November 2012 unverändert sei. Das Schreiben hat ferner verschiedene Arztberichte enthalten. Das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 darauf hingewiesen, dass dieses Schreiben einer Befundberichtsanforderung nicht genüge und um Beantwortung der in der Anforderung gestellten Fragen gebeten. Erst dann könne der Termin am 11. Januar 2013 aufgehoben werden. In einem Telefonat vom 10. Januar 2013 ist der Bf. nochmals auf die Notwendigkeit der Beantwortung auf das gerichtliche Schreiben vom 21. Dezember 2012, über das sich der Bf. "sehr verärgert" gezeigt habe, hingewiesen worden.

Da der Befundbericht nicht vorgelegen hat und der Bf. zur nichtöffentlichen Sitzung am 11. Januar 2013 nicht erschienen ist, hat das Sozialgericht die ordnungsgemäße Ladung festgestellt und mit Beschluss gegen den sachverständigen Zeugen ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt. Die Beweisfragen seien nicht vollständig beantwortet gewesen. Eine Entschuldigung für das Ausbleiben gemäß §§ 106 Abs. 4, 118 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 381 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sei nicht eingegangen.

Um 10.11 Uhr hat der Bf. beim Sozialgericht angerufen und sich nach der Faxnummer des Gerichts erkundigt. Es ist ihm mitgeteilt worden, dass in dem Beweisaufnahmetermin um 9.00 Uhr bereits ein Ordnungsgeldbeschluss ergangen ist. Der Befundbericht ist (einseitig) um 10.15 Uhr per Fax beim Gericht eingegangen.

Gegen den am 16. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 15. Februar 2013 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass er zum einen wegen einer bestehenden schweren Schulterverletzung aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht das Haus verlassen konnte. Er hat hierzu ein ärztliches Attest des Dr. S. vom 11. Januar 2013 vorgelegt. Zum anderen habe er am 10. Januar 2013 nach Dienstschluss seiner Mitarbeiterin versucht, die für notwendig erachteten Unterlagen an das Gericht zu faxen. Wegen eines Papierstaus sei ihm das aber nicht möglich gewesen. Im Übrigen seien bei Sozialgericht am 11. Januar 2013 zumindest teilweise (wohl wegen des Versuchs vom Vortag) die Unterlagen zugegangen und dem Gericht hätten sämtliche benötigten Unterlagen tatsächlich vorgelegen, da er diese im August 2012 übersandt habe. Mit Schreiben vom 9. Januar 2013 habe er noch einmal in komprimierter Form die Diagnosen der Klägerin und auf die gestellten Fragen die benötigten Informationen zusammengestellt. Das persönliche Erscheinen sei daher unnötig und die Verhängung von Ordnungsgeld unverhältnismäßig gewesen. Schließlich sei auch die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes unverhältnismäßig; die von ihm zu erbringenden Informationen seien von derart untergeordneter Bedeutung, dass hier ein im mittleren Bereich angesiedeltes Ordnungsgeld unverhältnismäßig sei. Es werde bestritten, dass das Gericht Ermittlungen zum Einkommen angestellt habe. Vielmehr spreche alles dafür, dass hier lediglich ein Exempel statuiert werden solle.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), aber unbegründet.
Nach §§ 106 Abs. 3 Nr. 4, 111 SGG kann das Gericht Beweis erheben durch Einvernahme von Zeugen. Der Vorsitzende kann insoweit das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anordnen sowie Zeugen und Sachverständige laden. Gemäß §§ 106 Abs. 4, 118 Abs. 1 SGG, § 380 Abs. 1 ZPO wird gegen einen Zeugen, der ordnungsgemäß geladen ist, zu dem Termin jedoch nicht erscheint, ein Ordnungsgeld festgesetzt. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BSG SozR Nr. 21 zu § 103 SGG). Die Anordnung ist dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weit.
Die Ladung des Bf. als sachverständigen Zeugen zum Termin war ermessensfehlerfrei, da bis zum Termin der von der Kammer angeforderte Befundbericht nicht vollumfänglich vorlag. Dieser wurde nach Aktenlage zwar am 9. Januar 2013 vom Bf. verfasst, ist jedoch erst am 11. Januar 2013 per Fax eingegangen. Der Eingang bei Gericht ist um 10.15 Uhr vermerkt, somit nach Ende der nichtöffentlichen Sitzung desselben Tages. Auf Nachfrage der Kammer vom 10. Januar 2013 um 16.20 Uhr machte der Bf. deutlich, dass er den Bericht noch nicht übersandt hatte. Dass vor dem Beginn der Sitzung um 9.06 Uhr ein Übertragungsfehler vorgelegen hat, wie vom Bf. vorgetragen, ist äußerst fraglich, da der Bf. sich erst bei seinem Anruf am 11. Januar 2013 um 10.11 Uhr nach der Faxnummer des Gerichts erkundigte. Aber selbst wenn der Senat unterstellt, dass am 10. Januar 2013 der Blatteinzug des Faxgerätes gestört war und das Fax mit dem Befundbericht nicht gesendet werden konnte, wäre im Hinblick auf den für den nächsten Tag um 9.00 Uhr angesetzten Sitzungstermin zumindest eine telefonische Benachrichtigung des Gerichts am Morgen des 11. Januar 2013 angezeigt gewesen - insoweit trifft den Bf. aufgrund der langen Zeitspanne seit Anforderung des Befundberichts im August 2012, den mehrmaligen Erinnerungen durch das Sozialgericht und das Verstreichenlassen der gesetzten Frist eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Der Senat konnte deshalb auf die Einvernahme der als Zeugin angebotenen S. F. zum Beweisthema "Papierstau" verzichten.
Soweit der Bf. angibt, es seien Faxsendungen bei Gericht unvollständig angekommen, betrifft dies nach Aktenlage nur die Faxsendung des Bf. vom 12. Januar 2013 auf das gerichtliche Faxschreiben vom 11. Januar 2013 und somit nicht die Zeit vor dem Termin zur Beweisaufnahme.
Das Schreiben des Bf. vom 20. Dezember 2012 stellt keinen vollständigen Befundbericht dar. Es enthält lediglich die Diagnosen sowie die Erwartung, dass der Zustand der Klägerin seit der letzten internistischen Kontrolle am 31. November 2012 unverändert ist. Insbesondere fehlt es an Angaben hinsichtlich des Krankheitsverlaufs seit dem Zeitraum ab dem Jahr 2010, wie in der Befundberichtsanforderung zum Ausdruck gebracht. Eine Übersendung der Unterlagen bereits im August 2012, wie im Beschwerdeverfahren genannt, liegt nicht vor. Das Schreiben vom 9. Januar 2013, in dem der Bf. "dem Gericht noch einmal in komprimierter Form die Diagnosen der Klägerin und auf die gestellten Fragen die benötigten Informationen zusammengestellt" hat, wurde dem Gericht vom Bf. erst nach der Sitzung am 11. Januar 2013 übermittelt.
Ob das Erscheinen eines (sachverständigen) Zeugen für erforderlich gehalten wird, obliegt im Übrigen der Einschätzung des ermittelnden Gerichts, nicht den Verfahrensbeteiligten oder dem Bf. als sachverständigen Zeugen.
Da der ordnungsgemäß geladene Bf. zum Sitzungstermin nicht erschienen ist, sind die Voraussetzungen der §§ 106 Abs. 4, 111, 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 380, 381 ZPO erfüllt. Dabei wurde das Ausbleiben auch wie dargelegt nicht rechtzeitig vor dem Termin entschuldigt im Sinne des § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt nach § 381 Abs. 1 S. 2 ZPO die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Bf. an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Eine Aufhebung erfolgt auch dann, wenn eine genügende Entschuldigung oder Glaubhaftmachung nachträglich erfolgt, § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO. Als Entschuldigung führt der Bf. im Beschwerdeverfahren an, dass er wegen der ungünstigen Witterungsverhältnisse bei bestehendem Schulterleiden auf ärztliches Anraten nicht zum Gericht fahren sollte. Allerdings wäre dann zu fordern gewesen, dass er dies am Morgen vor der Sitzung fernmündlich oder per Fax dem Gericht mitteilt. Dies ist nicht geschehen. Darüber hinaus hatte der Bf. auch nach eigenen Angaben offensichtlich auch wohl unabhängig von den Witterungsverhältnissen nicht vor, zum Gericht zu fahren, sondern den mit Datum 9. Januar 2013 gefertigten Bericht doch noch dem Gericht zuzufaxen.
Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Bf. sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei können insbesondere das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. sowie das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß zu bewerten sein. Insbesondere sind die vom Gericht durch den Befundbericht zu erwartenden Informationen nicht von "derart untergeordneter Bedeutung", wie vom Bf. angenommen, sondern ein wichtiger Bestandteil der Ermittlungen des medizinischen Sachverhalts für das Vorliegen einer Erwerbsminderung bei der Klägerin.
In der Regel bedarf es keiner eingehenden Begründung dieser Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren Mittel des vorgegebenen Rahmens bewegt. Dies ist hier bei der Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 300.- EUR der Fall, so dass auch Ermittlungen zu den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen des Bf. nicht erforderlich waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG, der hier Anwendung findet, weil der Bf. nicht zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Da die Beschwerde keinen Erfolg hatte, hat der Bf. die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert richtet sich nach der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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