L 7 AS 48/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 54 AS 983/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 48/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Durch Verwendung des Zusatzes "BG" bei Überweisungen von ALG II auf das Bankkonto von Leistungsberechtigten wird das Sozialgeheimnis nicht verletzt. Das Jobcenter darf die Kundennummer zur Identifikation verwenden, ohne dass ein Verstoß gegen Datenschutz vorliegt.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger möchte vom Beklagten, dass dieser Arbeitslosengeld II ohne den Zusatz "BG" an die Bank des Klägers überweist.

Der 1966 geborene Kläger bezieht vom Beklagten laufend Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bis Dezember 2010 war auf den Kontoauszügen als Überweisender lediglich "BA" und als Verwendungszweck eine Zahlenkombination angegeben.

Ab Januar 2011 erschienen auf den Kontoauszügen die Angaben "Bundesagentur für Arbeit" und zusätzlich zu einer Zahlenkombination die Buchstaben "BG". Der Kläger wandte sich deshalb Anfang Februar 2011 den Beklagten; der seit 2011 übliche Überweisungsvermerk "Bundesagentur für Arbeit" mit Angabe der Kundennummer der Bedarfsgemeinschaft, die aus einer Zahlenkombination und dem Zusatz "BG" (BG-Nummer) besteht, sei rechtswidrig. Das Sozialgeheimnis verlange, dass Daten bei der Überweisung - wie früher auch üblich - zu anonymisieren seien.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass er auf die Angaben bei der Überweisung aus technischen Gründen - die Software werde von der Bundesagentur bundesweit zentral zur Verfügung gestellt - keinen Einfluss nehmen könne. Die Verwendung der Kundennummer, die den Zusatz BG enthalte, beruhe auf § 51a Satz 2 SGB II. Nach Fristsetzung durch den Kläger bis zum 31.03.2011 zur künftigen Anonymisierung des Überweisungsvorgangs verwies der Beklagte lediglich darauf, dass das Arbeitslosengeld II auch bar ausgezahlt werden könne. Der Kläger forderte daraufhin eine Unterlassungserklärung bzgl. der Verwendung der Angaben "Bundesagentur für Arbeit" und "BG" im Überweisungsvermerk bis 10.04.2011. Hierauf erfolgte keine Reaktion des Beklagten.

Am 12.04.2011 erhob der Kläger Unterlassungsklage zum Sozialgericht München. Der Beklagte solle es künftig unterlassen, der Bank des Klägers Kenntnis von dessen Leistungsbezug nach dem SGB II durch Verwendung der Angaben "Bundesagentur für Arbeit" und "BG" im Überweisungsvermerk zu geben. Die Herkunftsbezeichnung sei zu anonymisieren und die Kundennummer, die den Zusatz "BG" enthalte, durch eine "neutrale" Nummer zu ersetzen. Nachdem der Beklagte im Laufe des Verfahrens dargelegt hatte, dass auch das Arbeitsentgelt für Bedienstete der Bundesagentur zum Teil mit dem Vermerk "Bundesagentur für Arbeit" überwiesen wird, beschränkte der Kläger sein Unterlassungsbegehren im Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 15.01.2013 auf die Angabe "BG".

Mit Urteil vom 15. Januar 2013 wies das Sozialgericht München die Unterlassungsklage hinsichtlich der Verwendung der Angabe "BG" bei Überweisungen von Arbeitslosengeld II an den Kläger ab. Voraussetzung für den Erfolg des Unterlassungsbegehrens wäre, dass durch die Angabe "BG" das in § 35 Abs 1 SGB I normierte Sozialgeheimnis verletzt würde. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Überweisung mit der Angabe "BG" stelle eine zulässige Datenübermittlung dar, die zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe des Beklagten, der Erbringung von Leistungen nach dem SGB II erforderlich und damit nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X zulässig sei.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. § 69 SGB X sei nicht einschlägig, da Banken keine "Dritten" i.S. dieser Vorschrift - insbesondere auch nicht in § 35 SGB X aufgelistet - seien. Der Beklagte habe sich zudem nicht bemüht, die Software so zu ändern, dass das Kürzel "BG" nicht mehr erscheine. Die Abkürzung "BG" werde in der heutigen Zeit sofort mit Bedarfsgemeinschaft in Verbindung gebracht, insbesondere im Internet.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu Protokoll sein Unterlassungsbegehren für die Vergangenheit nicht weiter verfolgt und klargestellt, dass er dieses nur für die Zeit ab der mündlichen Verhandlung weiterverfolge.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, bei der Überweisung von Arbeitslosengeld II den Zusatz "BG" zu verwenden.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass das Sozialgeheimnis mit der gegenwärtigen Überweisungspraxis hinreichend geschützt sei. Zahlungen könnten ohne die Kundennummer, die den Zusatz "BG" enthalte, nicht mehr klar zugeordnet werden. Eine Änderung der Software A2LL sei insoweit für den Beklagten allein technisch ohnehin nicht möglich.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht der begehrte Unterlassungsanspruch nicht zu.

Die erhobene Unterlassungsklage ist zwar zulässig.

Der Kläger kann sein Begehren, das auf das Nichtoffenbaren von Sozialgeheimnisen i.S.d § 35 SGB I Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) abzielt, entweder im Wege einer Feststellungsklage (vgl. BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 9 ff, ebenso schon BSG Urteil vom 25.10.1978, 1 RJ 32/78) oder, wenn es dem Kläger um künftige Beeinträchtigungen geht, auch im Wege einer Unterlassungsklage - wie hier geschehen - verfolgen (vgl. insoweit BSG Urteil vom 15.11.1995, 6 RKa 17/95 Rz. 15, 17; vgl. auch SG Duisburg, Urteil vom 17.01.2011, S 31 AS 479/08 zur Unterlassung der Angabe der Behörde auf Briefen an einen Leistungsberechtigten). Die Unterlassungsklage ist demnach für die Zeit ab der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die richtige Klageart. Ob für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungsklage vorgelegen hätten, kann dahingestellt belieben, da der Kläger seinen Antrag auf eine Unterlassung ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beschränkt hat.

Die Unterlassungsklage ist jedoch unbegründet.

Rechtsgrundlage für das Unterlassungsbegehren ist das in § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I normierte Sozialgeheimnis, wonach Sozialdaten i.S.v. § 67 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) von Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Die Vorschrift gilt auch für den Bereich des SGB II (BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 14), wobei der Beklagte Leistungsträger i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I ist (BSG, aaO, Rz. 15 unter Verweis auf §§ 12, 19a SGB I).

Der Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist ein Sozialdatum, das unbefugt nicht offenbart werden darf (BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 16). Die Mitteilung des Bezugs von Sozialleistungen ist als Einzelangabe über die persönlichen Verhältnisse einer bestimmten Person eine Übermittlung von Sozialdaten nach § 67 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 SGB X.

Der Überweisungsvermerk enthält eine derartige Information ausdrücklich nicht.

Die Angabe "Bundessagentur für Arbeit" auf dem Überweisungsvermerk stellt insoweit für sich genommen kein Sozialdatum dar. Überweisungen mit dem Vermerk "Bundesagentur für Arbeit" erfolgen nicht allein zum Zwecke der Leistungsgewährung, sondern, wie im erstinstanzlichen Verfahren geklärt, auch etwa, um Entgelt an Mitarbeiter der Behörde auszubezahlen. Der Kläger hat demgemäß seinen Klageantrag auf den Vermerk "BG" beschränkt, aus dem sich nach Ansicht des Klägers für die Bank sein Leistungsbezug ergeben soll.

Aber auch die Kundennummer samt Kürzel "BG" stellt kein Sozialdatum dar, gegen dessen Offenbarung der Kläger gemäß § 35 SGB I geschützt wäre.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgerichts einen Überweisungsvermerk "Sozialleistung" für unzulässig erklärt (BVerwG, Urteil vom 23.06.1994, 5 C 16/92, vgl. schon BSG, Urteil vom 25.10.1978, 1 RJ 32/78). So liegt der Fall hier gerade aber nicht. Das Wort Sozialleistung oder Alg II wird gerade nicht verwendet. Aus den Buchstaben "BG" lässt sich nicht erkennen, dass es sich um eine Sozialleistung handelt.

Vielmehr verwendet der Beklagte entsprechend der Vorgabe in § 51a SGB II im Einklang mit dem Gesetz lediglich die Kundennummer zur Identifikation. Ähnlich der Versichertennummer im Rentenrecht (vgl. dazu BSG Urteil vom 21.02.1996, 5 RJ 12/95) hat die vom Beklagten auf dem Überweisungsvermerk verwendete Kundennummer nur Ordnungsfunktion (vgl. BSG, a.a.O., Rz. 11) und dient dabei auch als Identifikationsmerkmal (BSG, a.a.O., vgl. auch BSG Urteil vom 12.05.1982, 7Rar 20/81 zur Stammnummer in der Arbeitslosenversicherung und der Notwendigkeit von zusätzlichen Angaben bei der Überweisung von Arbeitslosengeld im Hinblick auf etwaige Pfändungen, insbesondere Rz. 40).

Nach § 51a SGB II wird jeder Person, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, eine Kundennummer, für Bedarfsgemeinschaften eine Kundennummer, zugeteilt. Diese dient nach Satz 2 dieser Vorschrift als Identifikationsmerkmal und den Zwecken nach § 51b Abs. 3 SGB II. Nach § 51b Abs. 3 Nr. 1 SGB II dürfen die vom jeweiligen Jobcenter zugeteilten und der Bundesagentur für Arbeit übermittelten Kundennummern für die zukünftige Gewährung von Leistungen verarbeitet und genutzt werden. Diese Nummern bestehen aus fortlaufenden Zahlen und den Buchstaben "BG". Die Zahlen enthalten keine erkennbaren Informationen zum einzelnen Leistungsempfänger. Anders als der Kläger meint, ist allein aus dem Kürzel "BG" nicht sofort offensichtlich, dass damit "Bedarfsgemeinschaft" i.S.d. SGB II gemeint ist. Andere Bedeutungen liegen viel näher, etwa Berufsgenossenschaft, wie eine Suchanfrage bei Suchmaschinen im Internet ergibt. Die Behauptung des Klägers, aus dem Internet ergäbe sich ohne Weiteres, dass "BG" nur Bedarfsgemeinschaft, noch dazu i.S.d. SGB II, bedeuten könne, lässt sich im Übrigen so nicht verifizieren. Vielmehr spricht schon der Umstand, dass sich die Bedeutung von "BG" nicht auf den ersten Blick erschließt, sondern Suchanfragen im Internet zur Bedeutungserforschung notwendig sind, dagegen, dass der Beklagte mit "BG" ein Sozialdatum preisgegeben hätte. Dies gilt umso mehr, als erst bei einer erweiterten Suchanfrage mit "BG" und "Nummer" sich im Internet der Hinweis auf Bedarfsgemeinschaften findet.

Im Ergebnis handelt es sich bei der Kundennummer nach § 51a SGB II, die den Zusatz "BG" enthält um kein vom Sozialgeheimnis geschütztes Sozialdatum.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Beklagte durch Verwendung der Kundennummer ein Sozialdatum preisgegeben hat, ist die Unterlassungsklage gleichwohl unbegründet, da der Beklagte ein solches Sozialdatum des Leistungsbezugs nicht unbefugt offenbart hat.

Die Offenbarung, insbesondere Übermittlung, von Sozialdaten ist nach § 35 Abs. 2 SGB I zulässig, wenn sie nach §§ 67 ff SGB X erlaubt ist. Nach § 67d Abs. 1 Satz 1 SGB X ist eine Übermittlung von Daten zulässig, soweit eine Übermittlungsbefugnis nach §§ 68 bis 77 SGB X oder anderen Rechtsvorschriften des SGB vorliegt. Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach dem SGB. Dabei bedarf die Datenübermittlung an Dritte, die keine Stelle iS des § 35 SGB I sind, der besonderen Rechtfertigung (BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 35). Die Bank ist hier ein Dritter i.S. des § 35 SGB I, so dass eine besondere Rechtfertigung notwendig ist.

Ausgehend von diesem Maßstab ist die Preisgabe der Daten auf dem Überweisungsvermerk gerechtfertigt.

Mit der Banküberweisung erfüllt der Beklagte - nachdem der Kläger eine Barauszahlung ausdrücklich abgelehnt hat - eine gesetzliche Aufgabe nach dem SGB II. Nach § 42 Satz 1 SGB II werden Geldleistungen auf das im Leistungsantrag angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen, sofern sie nicht gemäß Satz 2 - regelmäßig auf Kosten des Leistungsempfängers - in anderer Weise (insbes. in bar oder per Scheck) übermittelt werden. Der Beklagte darf demnach die Kundennummer bzw. BG-Nummer nach § 51a SGB II für die (zukünftige) Gewährung von Leistungen nutzen, die gemäß § 42 SGB II regelmäßig durch Überweisung erfolgt.

Die Überweisung mit dem Überweisungsvermerk "Bundesagentur für Arbeit" unter Angabe der BG-Nummer ist dabei auch in dieser Kombination eine zulässige Datenübermittlung. Sie ist zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe der Erbringung der Leistungen erforderlich. Wie der Beklagte dargelegt hat, geht es um monatliche Zahlungen an Millionen von Leistungsempfängern. Bei einer derartigen Massenverwaltung muss die zuständige Behörde eindeutige Kennzahlen und eine Behördenbezeichnung verwenden, um nachvollziehbar zu machen, ob die Leistung in jedem Einzelfall erbracht wurde. Im Zuge der Leistungserbringung ist die Verwendung der Kundennummer im Sinne von § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X erforderlich, weil nur dann die Leistungsempfänger die Zahlungen zuordnen können (gerade im SGB II kommt es oft zu monatlich unterschiedlichen Zahlungsbeträgen), zu geringe oder zu hohe Zahlungen nachgewiesen werden können und der Pfändungsschutz bei der Bank nach § 55 SGB I erleichtert wird. Auch nach Umstellung des Pfändungsschutzes bei der Bank auf ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO (vgl. § 55 Abs. 5 SGB I) muss der Leistungsempfänger den Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nachweisen, um den erhöhten Pfändungsschutz nach § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b ZPO durchzusetzen.

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass bis Ende 2010 offenbar eine bloße Zahlenkombination ohne die Buchstaben "BG" im Überweisungsvermerk genügte. Das ändert aber nichts an der rechtlichen Beurteilung, ob die Verwendung des Zusatzes "BG" zum jetzigen Zeitpunkt "erforderlich" i.S.v. § 69 SGB X und damit die Offenbarung der Daten gerechtfertigt ist. Denn bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ist auf den Zeitpunkt der Offenbarung abzustellen. Die verwendete Software ließ eine Änderung nur mehr mit unvertretbarem Aufwand zu. Demgegenüber erscheint die Offenbarung des Sozialdatums "BG" vergleichsweise als verhältnismäßiger Eingriff, da der Leistungsbezug nicht ausdrücklich genannt wird, sondern allenfalls nach einer Internetrecherche geschlossen werden kann.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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