Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 376/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Keine (schwere) HWS Schädigung 27 Jahre nach Unfall nachweisbar.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind im Rahmen eines Überprüfungsantrags die Folgen eines Arbeitsunfalls und dessen Entschädigung.
Die 1941 geborene Klägerin rutschte am 8. Februar 1984 auf dem Weg zur ihrem Arbeitsplatz aus und fiel auf Hinterkopf und Rücken. Der Durchgangsarzt (D-Arzt) nahm eine commotio cerebri sowie eine Wirbelsäulenprellung an; röntgenologisch fand sich keine Knochenverletzung an Schädel oder Wirbelsäule.
Im nervenärztlichen Gutachten vom 18. Juni 1984 der Unfallklinik M. wurde beschrieben, dass in einem cranialen Computertomogramm am 20. Februar 1984 keine Hinweise auf Kontusionsherde oder ein subdurales Hämatom gefunden worden seien. Es sei die Verdachtsdiagnose Contusio cerebri und contusio spinalis gestellt worden. Die Gutachter gingen davon aus, dass sich die Klägerin ein leichtes gedecktes Schädel-Hirn-Trauma (SHTr) ohne typisches postcommotionelles Syndrom und eine Wirbelsäulenprellung zugezogen habe, wobei eine commotio spinalis nicht auszuschließen sei. Bleibende neurologische Unfallfolgen seien nicht vorhanden, allerdings eine massive psychogene Gehstörung. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 0 v.H. bewertet.
Im chirurgischen Gutachten der Unfallklinik M. vom 16. August 1984 wurden als unfallbedingte Erstschäden eine Schädelprellung und eine Rückenprellung bezeichnet; knöcherne Verletzungen seien nicht entstanden. Eine MdE wurde ebenfalls nicht gesehen.
Ebenso stellte sich die Einschätzung im urologischen Gutachten der Unfallklinik M. vom 19. Juni 1984 dar.
Aufgrund dessen lehnte eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden ebenfalls: die Beklagte) mit Bescheid vom 28. August 1984 die Bewilligung einer Verletztenrente ab. Die Klägerin habe sich beim Unfall eine Gehirnerschütterung und eine Wirbelsäulenprellung zugezogen.
In dem dagegen beim Sozialgericht Augsburg angestrengten Verfahren (S 2 U 234/84) wurde zunächst von Dr. L. das orthopädische Gutachten vom 22. Januar 1985 eingeholt. Darin wurde die Halswirbelsäule (HWS) bei Untersuchung als frei beweglich beschrieben und auf orthopädischem Gebiet wurden keine Unfallfolgen erkannt.
Nach einem Gutachten auf neurologischem Fachgebiet durch Prof. Dr. B. vom 13. Mai 1986 zog sich die Klägerin möglicherweise eine Gehirnerschütterung und eine Erschütterung des Halsmarks zu. Eine sichere Diagnose sei nicht möglich. Selbst wenn man davon ausgehe, seien jedoch keine Unfallfolgen mehr vorhanden.
Der Neurologe Dr. H. ging in seinem Gutachten vom 17. September 1986 davon aus, dass die bei der Klägerin beobachtbare Gangstörung letztlich nur als psychogen zu werten sei und sich keinem neurologischen Krankheitsbild zuordnen lasse. Es sei allenfalls zu einem SHTr leichten Grades und möglicherweise einer HWS-Distorsion gekommen. Die Annahme einer contusio cerebri oder einer Subarachnoidalblutung sei durch nichts belegt.
Auf Antrag der Klägerin erstattete zudem der Neurootologe Prof. Dr. C. sein Gutachten vom 9. Dezember 1987. Prof. Dr. C. nahm eine unfallbedingte Degeneration im Bereich des Stammhirns an, wobei er auch von vorbestehenden Hirnstörungen ausging. Das occipitale Aufpralltrauma sei auf ein bereits vorgeschädigtes Zentralnervensystem getroffen. Es seien eine ausgebreitete zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung und eine diffuse Hirnstammtaumeligkeit hervorgerufen worden. Die MdE dafür wurde mit 50 v.H. eingeschätzt.
Daraufhin wurde noch das HNO-ärztliche Gutachten des Prof. Dr. W. vom 15. November 1988 in Auftrag gegeben. Dieser Gutachter fand eine zentral-vestibuläre Läsion, eine Hyposomie rechts sowie eine beidseitige Hypogeusie. Eine Läsion im Hirnstammbereich erscheine durchaus wahrscheinlich und könne durch eine psychogene Überlagerung zu einem erheblich gesteigerten subjektivem Beschwerdebild führen. Die Einschränkungen des Riechvermögens könnten in Zusammenhang mit dem Unfall gebracht werden mit Blick auf eine mögliche Verletzung der Schädelbasis. Die MdE wurde mit 15 v.H. bewertet.
Das Sozialgericht Augsburg stellte, maßgeblich gestützt auf die Beurteilung durch Prof. Dr. W., mit Urteil vom 14. März 1989 einen Zustand nach commotio cerebri, eine zentral-vestibuläre Läsion, eine Hyposomie rechts und eine Hypogeusie als weitere Unfallfolgen fest. Auf eine rentenberechtigende MdE wurde nicht erkannt.
Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht (L 1 U 82/89) erstattete Dr. H. sein weiteres Gutachten vom 15. April 1991. Er kam nicht zu einer Änderung seiner früheren Beurteilung. Es bestünde kein Zweifel am Vorliegen einer abnormen Erlebnisverarbeitung eines an sich geringen SHTr. Mehrfache neurologische Untersuchungen hätten keine schwerwiegenden objektivierbaren Funktionsstörungen ergeben. Es könne nicht einmal sicher festgestellt werden, dass die Klägerin bei dem Unfall eine commotio cerebri erlitten habe. Eine Geruchs- und Geschmacksstörung sei vor dem Gutachten von Prof. Dr. W. weder von der Klägerin angegeben noch sonst festgestellt worden und die Annahme einer Hirnstammläsion problematisch. Die Berufung wurde schließlich in der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 1991 zurückgenommen.
Nachdem der behandelnde HNO-Arzt Dr. K. Anfang der 2000er Jahre u.a. multisensorische neurootologische Funktionsstörungen, eine zentrale Gleichgewichtsstörung und ein zentralvestibuläres Depressionsphänomen auf den Unfall zurückführte, erfolgte eine Nachprüfung. Dazu befragte die Beklagte den HNO-Arzt Prof. Dr. T ... Dieser führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29. November 2004 aus, die im Rahmen der Gleichgewichtsuntersuchung erhobenen Befunde entsprächen den Veränderungen, die zur Anerkennung einer zentral-vestibulären Störung geführt hätten. Eine wesentliche Änderung sei jedoch nicht zu erwarten. Die MdE betrage weiterhin 15 v.H.
Bei einer Computertomographie des Neurocraniums am 24. Mai 2006 konnte kein chronisches Subduralhämatom/Hygrom gefunden werden.
Der Neurologe Dr. B. diagnostizierte unter dem 30. April 2008 bei der Klägerin einen Zustand nach SHTr mit Hirnblutung und residualer Hemiparese.
Der Zwischenbericht vom 1. Dezember 2008 wies nunmehr als Diagnosen ein SHTr 3. Grades, ein posttraumatisches HWS-Syndrom mit Fehlstatik und Myogelosen sowie neurologische Ausfälle an der Hand sowie arteriitis temporalis aus. Es handle sich um Folgen des Arbeitsunfalls. Später wurde dies dahin korrigiert, dass die HWS-Beschwerden nicht unfallbedingt seien.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. September 2010 beantragte die Klägerin dann bei der Beklagten die Anerkennung einer posttraumatischen Störung, eines Zervikalsyndroms sowie einer commotio spinalis und einer contusio spinalis als Unfallfolgen und die Zahlung von Verletztenrente.
Die Beklagte holte daraufhin weitere medizinische Unterlagen über die Klägerin ein und beauftragte Prof. Dr. B. mit dem Gutachten vom 23. März 2011. Prof. Dr. B. konnte einen Tinnitus nicht feststellen. Hinweise für eine peripher-vestibuläre Störung fand sie ebenfalls nicht. Es bestehe eine Ansomie rechtsseitig und eine Hyposomie linksseitig, eine relevante Geschmacksstörung könne ausgeschlossen werden. Eine Verschlimmerung der Beschwerden sei nicht feststellbar. Die anerkannte zentral-vestibuläre Läsion äußere sich bis heute als ungerichteter Schwindel, der vor allem in Dunkelheit oder in größeren Menschenmengen ausgelöst werde. Für die vestibuläre Störung sei keine messbare MdE anzusetzen. Die Riechstörung werde im Alltag so kompensiert, dass sie keine darüber hinausgehende MdE bedinge.
Eine neurologische Begutachtung durch Prof. Dr. L. ergab nach dem Gutachten vom 2. August 2011 über eine Hemihypästhesie rechts kein objektivierbares fokalneurologisches Defizit. Die von der Klägerin angegebenen Kopfschmerzen seien nicht mehr mit dem SHTr in Zusammenhang zu bringen. Eine MdE liege nicht vor.
Die Beklagte lehnte sodann mit Bescheid vom 9. September 2011 die Rücknahme ihres Bescheids vom 28. August 1984 in Verbindung mit dem Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989 sowie einen Anspruch auf Rente ab. Es könne dahin gestellt bleiben, ob es bei dem Arbeitsunfall auch zu einer contusio spinalis gekommen sei, da jedenfalls keine Folgen verblieben seien. Gleiches gelte für das Zervikalsyndrom. Posttraumatische Degenerations- und Umbauprozesse seien nicht als Unfallfolgen anerkannt. Es liege weiterhin keine rentenberechtigende MdE vor.
Im Widerspruchsverfahren nahm Prof. Dr. B. unter dem 4. Oktober 2011 noch dahin Stellung, dass die von Dr. K. diagnostizierte kombinierte periphere und zentrale vestibulospinale Störung nicht unfallbedingt sei. Aufgrund des langen zeitlichen Abstandes sei von einer vollständigen Erholung des peripher-vestibulären Gleichgewichtsorgans auszugehen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Aufgrund des D-Arzt-Berichts ergebe sich, dass die Klägerin auch ein Zervikalsyndrom, eine commotio spinalis und eine contusio spinalis erlitten habe. Die Klägerin leide unfallbedingt noch an erheblichen Kopfschmerzen und einer Art Brennen im Kopfbereich sowie an Schwindelgefühlen und einer Art Rauschgefühl im Kopfbereich. Die Beschwerden seien verfestigt und chronifiziert. Durch Dr. K. sei der unfallbedingte derzeitige Zustand dargelegt worden. Auch der D-Arzt K. habe einen Unfallzusammenhang bestätigt. Die genannten Folgen begründeten eine rentenberechtigende MdE.
Auf Antrag der Klägerin hat der HNO-Arzt Dr. D. sein Gutachten vom 17. Januar 2013 erstellt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kernspintomographie am 13. Februar 2013 den Nachweis erbracht habe, dass es bei dem Unfall nicht nur zu einem SHTr, sondern auch zu einer schweren Verletzung im Bereich der oberen HWS gekommen sei, die keinesfalls ausgeheilt sei. Diese Veränderungen seien Mitauslöser der zervikoenzephalen Symptomatik, die nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Der Beweis, dass eine commotio spinalis bzw. eine contusio spinalis vorgelegen habe, sei nunmehr auch gelungen. Die schweren Störungen der gleichgewichtsverarbeitenden Strukturen, zentral-vestibuläre Läsion und die Störung des propriozeptiven Systems, Hyposomie rechts sowie Hypogeusie und die funktionellen Schädigungen im Bereich der oberen HWS seien auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die MdE hat Dr. D. durchgehend auf 50 v.H. geschätzt.
Die Beklagte hat mittels der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. T. vom 6. Mai 2013 eingewandt, dass der Sachverständige sich auf wissenschaftliche Meinungen berufe, die nach heutigem Kenntnisstand keine allgemeine Anerkennung und Gültigkeit erreicht hätten. Die MdE-Bewertung sei nicht überzeugend, weil die Befunde aus der Corpocraniographie und Posturometrie nicht hinreichend gesichert seien. Auch sei die neurologische Einschätzung nicht völlig auszuschließen, wie hier geschehen.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Für die Klägerin wird beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid vom 9. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 wird aufgehoben und unter Abänderung des Bescheids vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84, wird festgestellt, dass ein Zervikalsyndrom, eine commotio spinalis, eine contusio spinalis und ein Zustand nach Hirnblutung links frontoparietal weitere Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 8. Februar 1984 sind, und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 8. Februar 1984 Leistungen, insbesondere Verletztenrente, zu bewilligen.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84.
Nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist auch ohne neues Vorbringen des Betroffenen (hier: der Klägerseite) zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens muss die Behörde in eine erneute Prüfung eintreten und den Betreffenden bescheiden. Nur für die zweite Alternative des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nämlich dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommen. Bei der ersten Alternative (unrichtige Rechtsanwendung) handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von der Klägerseite zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R).
Die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts wird weder geltend gemacht noch werden dazu Tatsachen oder Beweismittel genannt. Das Vorbringen der Klägerin zielt allein auf eine andere Beurteilung der Unfallfolgen und eine höhere Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ab.
Auch eine unrichtige Rechtsanwendung ist nicht erkennbar.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 8. Februar 1984 keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen und auf (weitere) Entschädigungsleistungen.
Der Versicherungsfall ist vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art. 36 Satz 1 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes) eingetreten. Auch ist die Verletztenrente bereits vor diesem Datum erstmals festzusetzen gewesen. Nach den §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII bestimmen sich somit die Voraussetzungen für eine Änderung der Rente nach § 73 SGB VII, während die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit sich weiter nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), hier v.a. den §§ 580 ff. RVO, richtet (vgl. BSG, Urteil vom 21. September 2010, B 2 U 3/10 R). Im Ergebnis besteht allerdings kein Unterschied zu den Regelungen des SGB VII.
In Bezug auf die Feststellung von Unfallfolgen gelten gemäß § 212 SGB VII ebenfalls die Bestimmungen der RVO. In Bezug auf die Anforderungen an die Feststellung von Unfallfolgen besteht jedoch ohnehin kein Unterschied zwischen den Vorschriften der RVO und des SGB VII.
Rente erhält ein Verletzter nach § 580 Abs. 1 RVO, wenn die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Spätestens zwei Jahre nach dem Unfall ist die Dauerrente festzustellen, § 1582 Abs. 2 RVO. Zur Höhe der Rente bestimmt § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO, dass als Verletztenrente, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente gewährt wird, der dem Grad der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht.
Hinsichtlich der Bemessung MdE galt bereits unter Geltung der RVO, was nun § 56 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich festschreibt: Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, B 2 U 41/97 R).
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch die Unfallfolgen eingeschränkt werden, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Beurteilung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung sowie von dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze - entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft - zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987, 2 RU 42/86, m. w. N.). Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen. Die Bemessung der MdE ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft; dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 25/05 R).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt: Als Voraussetzung für die Feststellung von Unfallfolgen und die Bewilligung von Leistungen müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinn des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem Gesundheitsschaden bzw. der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen; dafür reicht grundsätzlich die "hinreichende" Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - aus (BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 29/07 R). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSG, BSGE 45, 285; 60, 58). Hierbei trägt der Versicherte, also die Klägerseite, die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. deren etwaige Nichterweislichkeit geht zu ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 10/07 R).
Nach diesen Grundsätzen liegen bei der Klägerin keine noch nicht anerkannten, weiteren Unfallfolgen vor und es besteht auch keine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit und auch keine MdE von wenigstens 20 v.H.
Aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84, sind bisher als Unfallfolgen eine Gehirnerschütterung (commotio cerebri), eine Wirbelsäulenprellung, eine zentral-vestibuläre Läsion, eine Hyposomie rechts und eine Hypogeusie anerkannt. Das Gericht hat angesichts der Beurteilung in den neurologischen Gutachten, insbesondere den von Dr. H. erstatteten, Zweifel daran, ob tatsächlich eine zentral-periphere Läsion auf den Unfall zurückzuführen ist. Denn ein entsprechender Erstschaden ist doch fraglich. Allerdings kann das dahinstehen, da - was hier allein streitgegenständlich ist - jedenfalls keine weiteren Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Diesbezüglich kann zum einen auf das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84 verwiesen werden, das den Beteiligten bekannt. Zum anderen ergibt sich auch aus den danach bekannt gewordenen medizinischen Unterlagen und den später eingeholten Gutachten nichts anderes. Denn nach wie vor ist zur Überzeugung des Gerichts keine primäre Schädigung der Klägerin bei dem Unfall am 8. Februar 1964 nachgewiesen, die über die oben genannten Schädigungen und ihre Folgen hinausgeht. Insbesondere das am 20. Februar 1984, also zeitnah zum Unfall, erstellte Computertomogramm des Schädels hat keine Befunde erbracht, die für einen weitergehenden Schaden sprechen. Das am 13. bzw. 22. Februar 2013 durchgeführte "upright"-Magnetresonanztomogramm (MRT), aus dem der Sachverständige Dr. D. weitergehende Schäden an der HWS herleitet, ist in den Augen des Gerichts nicht geeignet, anderes sicher zu belegen. Dem Gericht erscheint es bereits zweifelhaft, dass 27 Jahre nach dem Unfall kernspintomographisch Befunde erkennbar sein sollen, die auf eine - sogar schwere - HWS-Schädigung beim Unfall hindeuten. Alle zeitnah zum Unfall erstellten Gutachten haben derartige Schäden nicht erkennen können bzw. solche ausgeschlossen. Das wäre bei einer schweren Schädigung der HWS sicherlich anders gewesen. Selbst wenn aber unterstellt wird, dass auch nach einer derart langen Zeit radiologisch auf eine Schädigung bzw. deren Folgen geschlossen werden kann, so bringt das upright-MRT diesen Beweis nicht. Es werden zwar Auffälligkeiten im Bereich der HWS, namentlich des Atlantodentalgelenks und der Ligamenta alaria, dargestellt. Allerdings bleibt der Befund diffus und eine irgendwie geartet (zeitliche) Zuordnung gerade zu dem Arbeitsunfall am 8. Februar 1964 wird vom Radiologen nicht vorgenommen. Diese erfolgt vielmehr nur durch den Sachverständigen Dr. D., allerdings ohne weitere Begründung. Für das Gericht ist das alles andere als überzeugend. Das gleiche gilt für das am 22. Februar 2013 erstellte upright-MRT. Interessant ist hier vor allem, dass der Radiologe alte Blutungsreste und eine Hirnatrophie sieht. Diese Befunde können aber der bereits anerkannten zentral-vestibulären Läsion zugeordnet werden. Zudem ist auch hier völlig offen, wie und weshalb aus dem Vorliegen einer Auffälligkeit gerade ein Zusammenhang mit dem weit zurückliegenden Unfall vom 8. Februar 1964 hergestellt werden sollte, wenn in keinem zeitnah zum Unfall erstellten radiologischen Befund und für keinen bisherigen neurologischen Gutachter eine Schädigung erkennbar war.
Auch die Angaben des Dr. K., der seit Anfang der 2000er Jahre in verschiedenen Berichten diverse Diagnosen, die das Gericht dem System der ICD nur mit Mühe zuordnen kann, auf den Unfall zurückführt, überzeugen von nichts anderem. Denn Dr. K. bringt keinerlei Begründung für seine Annahme, obschon die Beklagte ihn deswegen mehrfach befragt hat.
Das gilt ebenso für die von dem Neurologen Dr. B. 2008 diagnostizierte Hirnblutung mit residualer Hemiparese bei SHTr. Sie ist dem Unfall vom 8. Februar 1964 nicht zuzuordnen. Insofern fehlt es ebenfalls an jeglicher Begründung und durch die zeitnah zum Unfall durchgeführte Diagnostik wurde gerade eine Hirnblutung ausgeschlossen.
Im Ergebnis sind für das Gericht keine weiteren Unfallfolgen sicher nachzuweisen.
Bezüglich aller bereits anerkannten Unfallfolgen ist kein weitergehender Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte gegeben. Denn weder ist eine Verschlimmerung festzustellen noch ist sonst weitere Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit gegeben. Und auch die MdE für die festgestellten Unfallfolgen ist weiterhin mit unter 20 v.H. zu bewerten. Dazu kann auf die Bewertung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989 verwiesen werden sowie auf die Erfahrungswerte im unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 245, 263), die nach Auffassung des Gerichts hier herangezogen werden können. Auch Prof. Dr. B. und Prof. Dr. L. haben in ihren Gutachten vom 23. März 2011 bzw. 2. August 2011 die MdE unter 20 v.H. eingeschätzt. Der abweichenden Bewertung durch den Sachverständigen Dr. D. kann nicht gefolgt werden, weil er einen anderen, weitergehenden, ohnedies reichlich diffusen Unfallfolgenzustand zugrunde legt. Dass dieser zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht nachgewiesen ist, wurde oben dargelegt. Daher sind auch die daraus abgeleiteten Einschätzungen bezüglich der Entschädigung nicht überzeugend.
Anlass für weitere Ermittlungen bestand nicht. Insbesondere war vom Sachverständigen Dr. D. keine ergänzende Stellungnahme einzuholen, da er sich zu allen relevanten Befunden äußern konnte, namentlich zu dem upright-MRT vom 13. Februar 2013, auf das er sich bei seiner Beurteilung maßgeblich gestützt hat.
Daher ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind im Rahmen eines Überprüfungsantrags die Folgen eines Arbeitsunfalls und dessen Entschädigung.
Die 1941 geborene Klägerin rutschte am 8. Februar 1984 auf dem Weg zur ihrem Arbeitsplatz aus und fiel auf Hinterkopf und Rücken. Der Durchgangsarzt (D-Arzt) nahm eine commotio cerebri sowie eine Wirbelsäulenprellung an; röntgenologisch fand sich keine Knochenverletzung an Schädel oder Wirbelsäule.
Im nervenärztlichen Gutachten vom 18. Juni 1984 der Unfallklinik M. wurde beschrieben, dass in einem cranialen Computertomogramm am 20. Februar 1984 keine Hinweise auf Kontusionsherde oder ein subdurales Hämatom gefunden worden seien. Es sei die Verdachtsdiagnose Contusio cerebri und contusio spinalis gestellt worden. Die Gutachter gingen davon aus, dass sich die Klägerin ein leichtes gedecktes Schädel-Hirn-Trauma (SHTr) ohne typisches postcommotionelles Syndrom und eine Wirbelsäulenprellung zugezogen habe, wobei eine commotio spinalis nicht auszuschließen sei. Bleibende neurologische Unfallfolgen seien nicht vorhanden, allerdings eine massive psychogene Gehstörung. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 0 v.H. bewertet.
Im chirurgischen Gutachten der Unfallklinik M. vom 16. August 1984 wurden als unfallbedingte Erstschäden eine Schädelprellung und eine Rückenprellung bezeichnet; knöcherne Verletzungen seien nicht entstanden. Eine MdE wurde ebenfalls nicht gesehen.
Ebenso stellte sich die Einschätzung im urologischen Gutachten der Unfallklinik M. vom 19. Juni 1984 dar.
Aufgrund dessen lehnte eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden ebenfalls: die Beklagte) mit Bescheid vom 28. August 1984 die Bewilligung einer Verletztenrente ab. Die Klägerin habe sich beim Unfall eine Gehirnerschütterung und eine Wirbelsäulenprellung zugezogen.
In dem dagegen beim Sozialgericht Augsburg angestrengten Verfahren (S 2 U 234/84) wurde zunächst von Dr. L. das orthopädische Gutachten vom 22. Januar 1985 eingeholt. Darin wurde die Halswirbelsäule (HWS) bei Untersuchung als frei beweglich beschrieben und auf orthopädischem Gebiet wurden keine Unfallfolgen erkannt.
Nach einem Gutachten auf neurologischem Fachgebiet durch Prof. Dr. B. vom 13. Mai 1986 zog sich die Klägerin möglicherweise eine Gehirnerschütterung und eine Erschütterung des Halsmarks zu. Eine sichere Diagnose sei nicht möglich. Selbst wenn man davon ausgehe, seien jedoch keine Unfallfolgen mehr vorhanden.
Der Neurologe Dr. H. ging in seinem Gutachten vom 17. September 1986 davon aus, dass die bei der Klägerin beobachtbare Gangstörung letztlich nur als psychogen zu werten sei und sich keinem neurologischen Krankheitsbild zuordnen lasse. Es sei allenfalls zu einem SHTr leichten Grades und möglicherweise einer HWS-Distorsion gekommen. Die Annahme einer contusio cerebri oder einer Subarachnoidalblutung sei durch nichts belegt.
Auf Antrag der Klägerin erstattete zudem der Neurootologe Prof. Dr. C. sein Gutachten vom 9. Dezember 1987. Prof. Dr. C. nahm eine unfallbedingte Degeneration im Bereich des Stammhirns an, wobei er auch von vorbestehenden Hirnstörungen ausging. Das occipitale Aufpralltrauma sei auf ein bereits vorgeschädigtes Zentralnervensystem getroffen. Es seien eine ausgebreitete zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung und eine diffuse Hirnstammtaumeligkeit hervorgerufen worden. Die MdE dafür wurde mit 50 v.H. eingeschätzt.
Daraufhin wurde noch das HNO-ärztliche Gutachten des Prof. Dr. W. vom 15. November 1988 in Auftrag gegeben. Dieser Gutachter fand eine zentral-vestibuläre Läsion, eine Hyposomie rechts sowie eine beidseitige Hypogeusie. Eine Läsion im Hirnstammbereich erscheine durchaus wahrscheinlich und könne durch eine psychogene Überlagerung zu einem erheblich gesteigerten subjektivem Beschwerdebild führen. Die Einschränkungen des Riechvermögens könnten in Zusammenhang mit dem Unfall gebracht werden mit Blick auf eine mögliche Verletzung der Schädelbasis. Die MdE wurde mit 15 v.H. bewertet.
Das Sozialgericht Augsburg stellte, maßgeblich gestützt auf die Beurteilung durch Prof. Dr. W., mit Urteil vom 14. März 1989 einen Zustand nach commotio cerebri, eine zentral-vestibuläre Läsion, eine Hyposomie rechts und eine Hypogeusie als weitere Unfallfolgen fest. Auf eine rentenberechtigende MdE wurde nicht erkannt.
Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht (L 1 U 82/89) erstattete Dr. H. sein weiteres Gutachten vom 15. April 1991. Er kam nicht zu einer Änderung seiner früheren Beurteilung. Es bestünde kein Zweifel am Vorliegen einer abnormen Erlebnisverarbeitung eines an sich geringen SHTr. Mehrfache neurologische Untersuchungen hätten keine schwerwiegenden objektivierbaren Funktionsstörungen ergeben. Es könne nicht einmal sicher festgestellt werden, dass die Klägerin bei dem Unfall eine commotio cerebri erlitten habe. Eine Geruchs- und Geschmacksstörung sei vor dem Gutachten von Prof. Dr. W. weder von der Klägerin angegeben noch sonst festgestellt worden und die Annahme einer Hirnstammläsion problematisch. Die Berufung wurde schließlich in der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 1991 zurückgenommen.
Nachdem der behandelnde HNO-Arzt Dr. K. Anfang der 2000er Jahre u.a. multisensorische neurootologische Funktionsstörungen, eine zentrale Gleichgewichtsstörung und ein zentralvestibuläres Depressionsphänomen auf den Unfall zurückführte, erfolgte eine Nachprüfung. Dazu befragte die Beklagte den HNO-Arzt Prof. Dr. T ... Dieser führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29. November 2004 aus, die im Rahmen der Gleichgewichtsuntersuchung erhobenen Befunde entsprächen den Veränderungen, die zur Anerkennung einer zentral-vestibulären Störung geführt hätten. Eine wesentliche Änderung sei jedoch nicht zu erwarten. Die MdE betrage weiterhin 15 v.H.
Bei einer Computertomographie des Neurocraniums am 24. Mai 2006 konnte kein chronisches Subduralhämatom/Hygrom gefunden werden.
Der Neurologe Dr. B. diagnostizierte unter dem 30. April 2008 bei der Klägerin einen Zustand nach SHTr mit Hirnblutung und residualer Hemiparese.
Der Zwischenbericht vom 1. Dezember 2008 wies nunmehr als Diagnosen ein SHTr 3. Grades, ein posttraumatisches HWS-Syndrom mit Fehlstatik und Myogelosen sowie neurologische Ausfälle an der Hand sowie arteriitis temporalis aus. Es handle sich um Folgen des Arbeitsunfalls. Später wurde dies dahin korrigiert, dass die HWS-Beschwerden nicht unfallbedingt seien.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. September 2010 beantragte die Klägerin dann bei der Beklagten die Anerkennung einer posttraumatischen Störung, eines Zervikalsyndroms sowie einer commotio spinalis und einer contusio spinalis als Unfallfolgen und die Zahlung von Verletztenrente.
Die Beklagte holte daraufhin weitere medizinische Unterlagen über die Klägerin ein und beauftragte Prof. Dr. B. mit dem Gutachten vom 23. März 2011. Prof. Dr. B. konnte einen Tinnitus nicht feststellen. Hinweise für eine peripher-vestibuläre Störung fand sie ebenfalls nicht. Es bestehe eine Ansomie rechtsseitig und eine Hyposomie linksseitig, eine relevante Geschmacksstörung könne ausgeschlossen werden. Eine Verschlimmerung der Beschwerden sei nicht feststellbar. Die anerkannte zentral-vestibuläre Läsion äußere sich bis heute als ungerichteter Schwindel, der vor allem in Dunkelheit oder in größeren Menschenmengen ausgelöst werde. Für die vestibuläre Störung sei keine messbare MdE anzusetzen. Die Riechstörung werde im Alltag so kompensiert, dass sie keine darüber hinausgehende MdE bedinge.
Eine neurologische Begutachtung durch Prof. Dr. L. ergab nach dem Gutachten vom 2. August 2011 über eine Hemihypästhesie rechts kein objektivierbares fokalneurologisches Defizit. Die von der Klägerin angegebenen Kopfschmerzen seien nicht mehr mit dem SHTr in Zusammenhang zu bringen. Eine MdE liege nicht vor.
Die Beklagte lehnte sodann mit Bescheid vom 9. September 2011 die Rücknahme ihres Bescheids vom 28. August 1984 in Verbindung mit dem Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989 sowie einen Anspruch auf Rente ab. Es könne dahin gestellt bleiben, ob es bei dem Arbeitsunfall auch zu einer contusio spinalis gekommen sei, da jedenfalls keine Folgen verblieben seien. Gleiches gelte für das Zervikalsyndrom. Posttraumatische Degenerations- und Umbauprozesse seien nicht als Unfallfolgen anerkannt. Es liege weiterhin keine rentenberechtigende MdE vor.
Im Widerspruchsverfahren nahm Prof. Dr. B. unter dem 4. Oktober 2011 noch dahin Stellung, dass die von Dr. K. diagnostizierte kombinierte periphere und zentrale vestibulospinale Störung nicht unfallbedingt sei. Aufgrund des langen zeitlichen Abstandes sei von einer vollständigen Erholung des peripher-vestibulären Gleichgewichtsorgans auszugehen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2011 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Aufgrund des D-Arzt-Berichts ergebe sich, dass die Klägerin auch ein Zervikalsyndrom, eine commotio spinalis und eine contusio spinalis erlitten habe. Die Klägerin leide unfallbedingt noch an erheblichen Kopfschmerzen und einer Art Brennen im Kopfbereich sowie an Schwindelgefühlen und einer Art Rauschgefühl im Kopfbereich. Die Beschwerden seien verfestigt und chronifiziert. Durch Dr. K. sei der unfallbedingte derzeitige Zustand dargelegt worden. Auch der D-Arzt K. habe einen Unfallzusammenhang bestätigt. Die genannten Folgen begründeten eine rentenberechtigende MdE.
Auf Antrag der Klägerin hat der HNO-Arzt Dr. D. sein Gutachten vom 17. Januar 2013 erstellt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kernspintomographie am 13. Februar 2013 den Nachweis erbracht habe, dass es bei dem Unfall nicht nur zu einem SHTr, sondern auch zu einer schweren Verletzung im Bereich der oberen HWS gekommen sei, die keinesfalls ausgeheilt sei. Diese Veränderungen seien Mitauslöser der zervikoenzephalen Symptomatik, die nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Der Beweis, dass eine commotio spinalis bzw. eine contusio spinalis vorgelegen habe, sei nunmehr auch gelungen. Die schweren Störungen der gleichgewichtsverarbeitenden Strukturen, zentral-vestibuläre Läsion und die Störung des propriozeptiven Systems, Hyposomie rechts sowie Hypogeusie und die funktionellen Schädigungen im Bereich der oberen HWS seien auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die MdE hat Dr. D. durchgehend auf 50 v.H. geschätzt.
Die Beklagte hat mittels der beratungsärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. T. vom 6. Mai 2013 eingewandt, dass der Sachverständige sich auf wissenschaftliche Meinungen berufe, die nach heutigem Kenntnisstand keine allgemeine Anerkennung und Gültigkeit erreicht hätten. Die MdE-Bewertung sei nicht überzeugend, weil die Befunde aus der Corpocraniographie und Posturometrie nicht hinreichend gesichert seien. Auch sei die neurologische Einschätzung nicht völlig auszuschließen, wie hier geschehen.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden.
Für die Klägerin wird beantragt (sinngemäß):
Der Bescheid vom 9. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 wird aufgehoben und unter Abänderung des Bescheids vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84, wird festgestellt, dass ein Zervikalsyndrom, eine commotio spinalis, eine contusio spinalis und ein Zustand nach Hirnblutung links frontoparietal weitere Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 8. Februar 1984 sind, und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 8. Februar 1984 Leistungen, insbesondere Verletztenrente, zu bewilligen.
Für die Beklagte wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht macht von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Gebrauch. Die Beteiligten sind dazu angehört worden, der Sachverhalt ist geklärt und die Sache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84.
Nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist auch ohne neues Vorbringen des Betroffenen (hier: der Klägerseite) zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens muss die Behörde in eine erneute Prüfung eintreten und den Betreffenden bescheiden. Nur für die zweite Alternative des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nämlich dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommen. Bei der ersten Alternative (unrichtige Rechtsanwendung) handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von der Klägerseite zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R).
Die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts wird weder geltend gemacht noch werden dazu Tatsachen oder Beweismittel genannt. Das Vorbringen der Klägerin zielt allein auf eine andere Beurteilung der Unfallfolgen und eine höhere Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ab.
Auch eine unrichtige Rechtsanwendung ist nicht erkennbar.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls vom 8. Februar 1984 keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen und auf (weitere) Entschädigungsleistungen.
Der Versicherungsfall ist vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1. Januar 1997 (Art. 36 Satz 1 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes) eingetreten. Auch ist die Verletztenrente bereits vor diesem Datum erstmals festzusetzen gewesen. Nach den §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII bestimmen sich somit die Voraussetzungen für eine Änderung der Rente nach § 73 SGB VII, während die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit sich weiter nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), hier v.a. den §§ 580 ff. RVO, richtet (vgl. BSG, Urteil vom 21. September 2010, B 2 U 3/10 R). Im Ergebnis besteht allerdings kein Unterschied zu den Regelungen des SGB VII.
In Bezug auf die Feststellung von Unfallfolgen gelten gemäß § 212 SGB VII ebenfalls die Bestimmungen der RVO. In Bezug auf die Anforderungen an die Feststellung von Unfallfolgen besteht jedoch ohnehin kein Unterschied zwischen den Vorschriften der RVO und des SGB VII.
Rente erhält ein Verletzter nach § 580 Abs. 1 RVO, wenn die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Spätestens zwei Jahre nach dem Unfall ist die Dauerrente festzustellen, § 1582 Abs. 2 RVO. Zur Höhe der Rente bestimmt § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO, dass als Verletztenrente, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente gewährt wird, der dem Grad der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht.
Hinsichtlich der Bemessung MdE galt bereits unter Geltung der RVO, was nun § 56 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich festschreibt: Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, B 2 U 41/97 R).
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch die Unfallfolgen eingeschränkt werden, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Beurteilung der MdE sind auch die von der Rechtsprechung sowie von dem unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze - entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft - zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987, 2 RU 42/86, m. w. N.). Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen. Die Bemessung der MdE ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft; dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 25/05 R).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt: Als Voraussetzung für die Feststellung von Unfallfolgen und die Bewilligung von Leistungen müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinn des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem Gesundheitsschaden bzw. der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen; dafür reicht grundsätzlich die "hinreichende" Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - aus (BSG, Urteil vom 2. April 2009, B 2 U 29/07 R). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (BSG, BSGE 45, 285; 60, 58). Hierbei trägt der Versicherte, also die Klägerseite, die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. deren etwaige Nichterweislichkeit geht zu ihren Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 10/07 R).
Nach diesen Grundsätzen liegen bei der Klägerin keine noch nicht anerkannten, weiteren Unfallfolgen vor und es besteht auch keine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit und auch keine MdE von wenigstens 20 v.H.
Aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 28. August 1984, abgeändert durch das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84, sind bisher als Unfallfolgen eine Gehirnerschütterung (commotio cerebri), eine Wirbelsäulenprellung, eine zentral-vestibuläre Läsion, eine Hyposomie rechts und eine Hypogeusie anerkannt. Das Gericht hat angesichts der Beurteilung in den neurologischen Gutachten, insbesondere den von Dr. H. erstatteten, Zweifel daran, ob tatsächlich eine zentral-periphere Läsion auf den Unfall zurückzuführen ist. Denn ein entsprechender Erstschaden ist doch fraglich. Allerdings kann das dahinstehen, da - was hier allein streitgegenständlich ist - jedenfalls keine weiteren Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Diesbezüglich kann zum einen auf das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989, S 2 U 234/84 verwiesen werden, das den Beteiligten bekannt. Zum anderen ergibt sich auch aus den danach bekannt gewordenen medizinischen Unterlagen und den später eingeholten Gutachten nichts anderes. Denn nach wie vor ist zur Überzeugung des Gerichts keine primäre Schädigung der Klägerin bei dem Unfall am 8. Februar 1964 nachgewiesen, die über die oben genannten Schädigungen und ihre Folgen hinausgeht. Insbesondere das am 20. Februar 1984, also zeitnah zum Unfall, erstellte Computertomogramm des Schädels hat keine Befunde erbracht, die für einen weitergehenden Schaden sprechen. Das am 13. bzw. 22. Februar 2013 durchgeführte "upright"-Magnetresonanztomogramm (MRT), aus dem der Sachverständige Dr. D. weitergehende Schäden an der HWS herleitet, ist in den Augen des Gerichts nicht geeignet, anderes sicher zu belegen. Dem Gericht erscheint es bereits zweifelhaft, dass 27 Jahre nach dem Unfall kernspintomographisch Befunde erkennbar sein sollen, die auf eine - sogar schwere - HWS-Schädigung beim Unfall hindeuten. Alle zeitnah zum Unfall erstellten Gutachten haben derartige Schäden nicht erkennen können bzw. solche ausgeschlossen. Das wäre bei einer schweren Schädigung der HWS sicherlich anders gewesen. Selbst wenn aber unterstellt wird, dass auch nach einer derart langen Zeit radiologisch auf eine Schädigung bzw. deren Folgen geschlossen werden kann, so bringt das upright-MRT diesen Beweis nicht. Es werden zwar Auffälligkeiten im Bereich der HWS, namentlich des Atlantodentalgelenks und der Ligamenta alaria, dargestellt. Allerdings bleibt der Befund diffus und eine irgendwie geartet (zeitliche) Zuordnung gerade zu dem Arbeitsunfall am 8. Februar 1964 wird vom Radiologen nicht vorgenommen. Diese erfolgt vielmehr nur durch den Sachverständigen Dr. D., allerdings ohne weitere Begründung. Für das Gericht ist das alles andere als überzeugend. Das gleiche gilt für das am 22. Februar 2013 erstellte upright-MRT. Interessant ist hier vor allem, dass der Radiologe alte Blutungsreste und eine Hirnatrophie sieht. Diese Befunde können aber der bereits anerkannten zentral-vestibulären Läsion zugeordnet werden. Zudem ist auch hier völlig offen, wie und weshalb aus dem Vorliegen einer Auffälligkeit gerade ein Zusammenhang mit dem weit zurückliegenden Unfall vom 8. Februar 1964 hergestellt werden sollte, wenn in keinem zeitnah zum Unfall erstellten radiologischen Befund und für keinen bisherigen neurologischen Gutachter eine Schädigung erkennbar war.
Auch die Angaben des Dr. K., der seit Anfang der 2000er Jahre in verschiedenen Berichten diverse Diagnosen, die das Gericht dem System der ICD nur mit Mühe zuordnen kann, auf den Unfall zurückführt, überzeugen von nichts anderem. Denn Dr. K. bringt keinerlei Begründung für seine Annahme, obschon die Beklagte ihn deswegen mehrfach befragt hat.
Das gilt ebenso für die von dem Neurologen Dr. B. 2008 diagnostizierte Hirnblutung mit residualer Hemiparese bei SHTr. Sie ist dem Unfall vom 8. Februar 1964 nicht zuzuordnen. Insofern fehlt es ebenfalls an jeglicher Begründung und durch die zeitnah zum Unfall durchgeführte Diagnostik wurde gerade eine Hirnblutung ausgeschlossen.
Im Ergebnis sind für das Gericht keine weiteren Unfallfolgen sicher nachzuweisen.
Bezüglich aller bereits anerkannten Unfallfolgen ist kein weitergehender Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte gegeben. Denn weder ist eine Verschlimmerung festzustellen noch ist sonst weitere Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit gegeben. Und auch die MdE für die festgestellten Unfallfolgen ist weiterhin mit unter 20 v.H. zu bewerten. Dazu kann auf die Bewertung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 1989 verwiesen werden sowie auf die Erfahrungswerte im unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 245, 263), die nach Auffassung des Gerichts hier herangezogen werden können. Auch Prof. Dr. B. und Prof. Dr. L. haben in ihren Gutachten vom 23. März 2011 bzw. 2. August 2011 die MdE unter 20 v.H. eingeschätzt. Der abweichenden Bewertung durch den Sachverständigen Dr. D. kann nicht gefolgt werden, weil er einen anderen, weitergehenden, ohnedies reichlich diffusen Unfallfolgenzustand zugrunde legt. Dass dieser zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht nachgewiesen ist, wurde oben dargelegt. Daher sind auch die daraus abgeleiteten Einschätzungen bezüglich der Entschädigung nicht überzeugend.
Anlass für weitere Ermittlungen bestand nicht. Insbesondere war vom Sachverständigen Dr. D. keine ergänzende Stellungnahme einzuholen, da er sich zu allen relevanten Befunden äußern konnte, namentlich zu dem upright-MRT vom 13. Februar 2013, auf das er sich bei seiner Beurteilung maßgeblich gestützt hat.
Daher ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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