Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3530/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 275/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für den Beginn der Beschäftigtenversicherung (§ 186 Abs 1 SGB V)
kann die tatsächliche Aufnahme der vereinbarten Beschäftigung
nicht verlangt werden (Anschluss an LSG Nordrhein-Westfalen,
23.08.2012, L 16 KR 372/10).
kann die tatsächliche Aufnahme der vereinbarten Beschäftigung
nicht verlangt werden (Anschluss an LSG Nordrhein-Westfalen,
23.08.2012, L 16 KR 372/10).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13.12.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, das die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin Krankengeld für die Zeit vom 14.02.2011 bis 20.02.2011 zu zahlen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Krankengeld (Krg) ab dem 14.2.2011, bis zum 20.02.2011; für Zeiten ab dem 21.02.2011 haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung durch Teilvergleich darauf geeinigt, dass die Beklagte im Fall ihrer rechtskräftigen Verurteilung mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid sachlich über Krg-Ansprüche der Klägerin entscheidet.
Die 1963 geborene Klägerin war seit dem 13.03.1985 als Produktionsmitarbeiterin bei den deutschen S.-Werken (E.) beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichertes Mitglied. Bis zum 31.12.2010 ruhte das Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit bzw Kindererziehung für insgesamt drei Jahre; in dieser Zeit war die Klägerin bei der Beklagten familienversichert. Die Klägerin begehrte im Jahr 2010 gegenüber dem Arbeitgeber ein weiteres Ruhen des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2010 hinaus, dieses weitere Ruhen kam jedoch nicht zustande.
Am 22.12.2010 meldete die Klägerin gegenüber ihrem Vorgesetzten, dass sie arbeitsunfähig (AU) sei. Sie hat die Arbeit seither nicht wieder aufgenommen, das Arbeitsverhältnis wurde seitens des Arbeitgebers zum 30.09.2012 gekündigt.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sp. attestierte der Klägerin mittels einer Erst-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-B) AU vom 03.01.2011 bis zum 11.01.2011. Im Folgenden wurde AU wie folgt attestiert:
AU-B vom Beginn AU Voraussichtliches Ende der AU festgestellt am Erst-/Folge-AU-B Arzt 11.01.2011 03.01.2011 23.01.2011 11.01.2011 Folge-AU-B Sp. 21.01.2011 03.11.2011 06.02.2011 21.01.2011 Folge-AU-B Sp. 04.02.2011 03.11.2011 20.02.2011 04.02.2011 Folge-AU-B Sp.
Wegen darüber hinausgehender AU-Schreibungen wird auf Blatt 28, 29 und 72 der Senatsakte Bezug genommen.
Vom 22.02.2011 bis zum 08.06.2011 befand sich die Klägerin auf Kosten der Beklagten in einer akutstationären/teilstationären Behandlung im Psychiatrischem Zentrum N. (ZfP/PZN N.).
Der Arbeitgeber leistete vom 01.01.2011 bis zum 13.02.2011 Entgeltfortzahlung.
Mit dem Bescheid vom 01.03.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Versicherungspflicht und eine Mitgliedschaft habe nach Beendigung des unbezahlten Urlaubs am 01.01.2011 nicht neu begonnen, da die Klägerin die Arbeit nicht aufgenommen habe. Bei Eintritt der AU sei die Klägerin lediglich familienversichert gewesen. Somit habe kein Versicherungsschutz mit Krankengeldanspruch bestanden. Krankengeld (Krg) könne daher nicht gezahlt werden.
Den Widerspruch der Klägerin vom 21.03.2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011, der Klägerin zugestellt am 16.09.2011, zurück. Die Mitgliedschaft von versicherungspflichtig Beschäftigten beginne nach § 186 Abs 1 SGB V mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Hätten Versicherungspflicht und Mitgliedschaft wegen mehrerer Monate dauernder unbezahlter Freistellung geendet, werde das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis nicht erneut begründet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit wegen AU nicht aufnehmen könne. Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für sechs Wochen zahle.
Am 17.10.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Zur Begründung der Versicherungspflicht bzw der Mitgliedschaft sei alleine der Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis maßgeblich. Eine tatsächliche Arbeitsaufnahme sei nicht erforderlich. Dagegen spreche auch nicht, dass die Arbeit am vereinbarten Tag wegen AU nicht wieder aufgenommen werde.
Mit Urteil vom 13.12.2011 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2011 verurteilt, der Klägerin ab dem 14.02.2011 Krg zu zahlen ... Die Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für versicherungspflichtige Arbeitnehmer beginne gemäß § 186 Abs 1 SGB V an dem Tag, an dem diese in das Beschäftigungsverhältnis einträten. Nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Rechtslage sei für die Begründung der Versicherungspflicht die tatsächliche Arbeitsaufnahme vorausgesetzt worden. Hiervon sei der Gesetzgeber zum 01.01.1998 abgewichen und stelle nunmehr auf den Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis ab. Hierdurch werde klargestellt, dass die Mitgliedschaft in der GKV auch dann beginne, wenn zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zunächst eine Freistellung von der Arbeitspflicht oder AU vorliege, also eine Arbeitsaufnahme faktisch noch nicht erfolge bzw erfolgen könne. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG habe das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 15.05.2007 (L 11 KR 1574/07) festgestellt, dass für den Beginn der Mitgliedschaft nicht die tatsächliche Arbeitsaufnahme entscheidend sei. Vielmehr komme es darauf an, für welchen Tag die Arbeitsvertragsparteien die Wiederaufnahme der Beschäftigung vereinbart hätten. Scheitere die tatsächliche Arbeitsaufnahme dann daran, dass an diesem Tage AU bestehe, hindere dies den Beginn der Versicherungspflicht bzw der Mitgliedschaft nicht. Dann sei der Arbeitnehmer trotz fehlender Arbeitsleistung in das Beschäftigungsverhältnis eingetreten und Mitglied der GKV geworden. Daher könne er, wenn AU die Dauer der Lohnfortzahlung übersteige, Krg beanspruchen. Das Gericht sei zudem davon überzeugt, dass die Klägerin seinerzeit AU gewesen sei. Insoweit könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass keine umfassende Befunddokumentation vorliege. Denn dies habe sie letztlich selbst zu verantworten, da sie den Krg-Anspruch aus unzutreffenden versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt habe. Die Festlegung der genauen Leistungshöhe und der konkreten Leistungsdauer bleibe einer erneuten Entscheidung der Beklagten vorbehalten.
Gegen das der Beklagten am 21.12.2011 zugestellte Urteil hat diese am 18.01.2012 beim LSG Berufung eingelegt. Die Klägerin sei seit dem Spätsommer 2010 wegen Angstzuständen AU gewesen. Sie sei daher nicht in der Lage gewesen, die Arbeit aufzunehmen. Von einer Eingliederung in die S.-Werke könne damit nicht ausgegangen werden. Die Klägerin habe vielmehr bewusst von der Verlängerung der bis 31.12.2010 befristeten Beurlaubung des Arbeitsverhältnisses abgesehen. Die Folgen des Urteils seien nicht abzusehen, wenn ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen habe und dieser danach AU erkranke. Auch habe das SG nicht festgestellt, ob die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung AU gewesen sei. Selbst wenn von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen wäre, könne nicht von durchgängiger AU ausgegangen werden.
Die Beklagte hat zusätzlich Gutachten des MDK vom 13.03.2012 vorgelegt (Blatt 13 bis 16 der Senatsakte). Anhand der vorliegenden Unterlagen könne nicht festgestellt werden, ob die Klägerin damals derart in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, dass es ihr grds nicht möglich gewesen sei, die Beschäftigung zum 01.01.2011 wieder aufzunehmen. Zwar spreche einiges dafür, jedoch seien die vorliegenden Beurteilungsgrundlagen nicht ausreichend für eine fundierte Längsschnittbeurteilung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es treffe nicht zu, dass sie bereits im Spätsommer 2010 nicht in der Lage gewesen wäre eine Arbeit aufzunehmen. Maßgeblich sei alleine der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 01.01.2011. Sie habe nicht bewusst von einer Verlängerung der Berufung abgesehen um Krg zu erhalten. Da der Arbeitgeber die Beurlaubung bereits verlängert habe, sei die Wederaufnahme der Tätigkeit zum 01.01.2011 nicht mehr disponibel gewesen. Die Klägerin sei jedenfalls auch vom 03.01.2011 bis zum 27.02.2011 und vom 09.06.2011 bis 06.11.2011 AU gewesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 23 bis 24, 25 bis 34 sowie 36 bis 39 der Senatsakte Bezug genommen.
Prof. Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, hat mit Schreiben vom 26.03.2012 mitgeteilt, er habe die Diagnose Angst und Depression, gemischt, gestellt. Es habe sich wohl Mitte November 2011 eine vorübergehende Besserung eingestellt. Er habe vom 14.06.2011 bis 28.06.2011 AU attestiert. Vor dem 01.01.2011 habe er die Klägerin zuletzt am 20.12.2010 gesehen, er könne die Arbeitsfähigkeit ab 01.01.2011 nicht beurteilen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sp. hat dem Senat am 16.04.2012 geschrieben, die Klägerin klage immer über die gleichen Beschwerden, Ängste vor Menschenmengen, Angst vor Dunkelheit oder Alleinsein oder beim Einkaufen. Selbst Gespräche mit dem Arbeitgeber oder Anrufe von diesem oder der Versicherung versetzten sie in Panik, ja schon der Gedanke daran mache ihr Angst. Während der Behandlung in der Tagesklinik des ZfP/PZN N. vom 22.02.2011 bis 08.06.2011 schien es der Klägerin besser gegangen zu sein. Kaum sei die Behandlung jedoch beendet gewesen, sei sie am 10.06.2011 wieder mit den gleichen Symptomen zu ihm gekommen.
Das ZfP/PZN N. hat am 29.05.2012 geschrieben, die Klägerin vom 22.02.2011 bis 08.06.2011 teilstationär behandelt zu haben. Der Zeitraum zuvor könne nicht beurteilt werden. Aufgrund der nach der Entlassung wieder einsetzenden Ängste sowie der depressiven Symptomatik sei Arbeitsfähigkeit weder in Bezug auf eine vollschichtige Tätigkeit bei den S.-Werken noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben gewesen.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, die vom Facharzt Sp. verordneten Medikamente seien überhaupt nicht abgerechnet worden, von den Verordnungen von Dr. G. seien lediglich solche am 06.10.2010 und 13.12.2012 sowie am 21.04.2011 übernommen worden. Die tatsächlich abgerechneten Verordnungen ließen nicht den Schluss auf eine umfassende medikamentöse Therapie zu. Die Klägerin hat ausgeführt, es sei unzutreffend, dass sie keine umfangreiche medikamentöse Therapie durchgeführt habe. Sie werde weiterhin mit starken Medikamenten behandelt. Der Ehemann habe die Medikamente für die Klägerin gekauft.
Der vom Senat befragte Arbeitgeber hat mit Schreiben vom 20.07.2012 (Blatt 56 bis 60 der Senatsakte) ua angegeben, das Arbeitsverhältnis habe bis zum 30.09.2012 bestanden. Am 22.12.2010 habe sich die Klägerin AU gemeldet. Nach dem 01.01.2011 habe die Klägerin die Arbeit nicht wieder aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig aber nur im Sinne einer Neufassung des Tenors des SG-Urteils begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 01.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2011, mit denen die Beklagte zum einen die Gewährung von Krg ab dem 14.02.2011 abgelehnt hat. Dieser ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand durch Teilvergleich in der mündlichen Verhandlung dahingehend beschränkt, dass Streitgegenstand nur noch ein Krg-Anspruch vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011 ist; für darüber hinausgehende Krg-Ansprüche wird die Beklagte im Falle ihrer rechtskräftigen Verurteilung im vorliegenden Verfahren erneut sachlich und rechtsbehelfsfähig entscheiden.
Soweit die Klägerin Krg vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011 geltend macht – bis zum 13.02.2011 hat der Arbeitgeber Entgelt gezahlt -, richtet sich der geltend gemachte Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB V in der seit 01.01.2009 geltenden Fassung. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie AU macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der AU an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).
Ein Krg-Anspruch setzt damit nicht nur das Vorliegen von AU voraus. Vielmehr ist auch ein Versichertsein mit Krg-Anspruch und die ärztliche Feststellung der AU erforderlich.
Bis zum 31.12.2010 war die Klägerin über den Ehemann familienversichert, mithin ohne Anspruch auf Krg (vgl § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V). Ab dem 01.01.2011 wäre sie nur dann mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert gewesen, wenn sie nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V wegen abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig gewesen wäre. Das Vorliegen von abhängiger Beschäftigung bestimmt sich nach den Maßstäben des § 7 SGB IV. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginnt gemäß § 186 Abs 1 SGB V mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Maßgeblich ist vorliegend also, ob die Klägerin am 03.01.2011 bzw 04.01.2011 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte.
Mit dem Abstellen auf den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses (vgl § 186 Abs 1 SGB V) sollte klargestellt werden, dass die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers in der GKV auch dann beginnt, wenn dieser zu Beginn des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist und daher die Beschäftigung erst zu einem späteren Zeitpunkt aufnimmt oder wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden kann, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat (BT-Drucks 13/9818 S 13; BSG 14.12.2006, B 1 KR 9/06 R, BSGE 98, 33-43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6 = juris RdNr 19; LSG Rheinland-Pfalz 05.06.2003, L 5 KR 111/02, juris RdNr 22; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 186 RdNr 11; Hänlein in LPK-SGB V, 3. Auflage, § 186 RdNr 5; Peters in Kasseler Kommentar, § 186 SGB V RdNr 10, 10a; so im Ergebnis auch Senatsurteil vom 15.05.2007, L 11 KR 1574/07, juris). Damit kommt es nicht auf den tatsächlichen Beginn der Arbeitsleistung (Felix in juris-PK SGB V, 2. Auflage, § 186 RdNr 12), sondern auf den Beginn der arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme an (Gerlach aaO). Auch Baier (in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung – Pflegeversicherung, § 168 RdNr 8) führt aus, dass ein Beschäftigungsverhältnis und mithin eine Mitgliedschaft bestehe, wenn die Mitgliedschaft durch einen längeren unbezahlten Urlaub beendet werde und der Arbeitnehmer am vereinbarten Wiederbeginn die Beschäftigung wegen krankheitsbedingter AU nicht wieder aufnehme.
Seitdem das Gesetz die Mitgliedschaft an den "Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis" knüpft, kann die Aufnahme der vereinbarten Arbeit für den Beginn der Beschäftigtenversicherung nicht mehr verlangt werden (LSG Nordrhein-Westfalen 23.08.2012, L 16 KR 372/10, juris RdNr 35). Wo das Gesetz vom "Beschäftigungsverhältnis" spricht meint es im Zusammenhang des Deckungsverhältnisses der Versicherung allein den rechtlichen Rahmen der Beschäftigung (LSG aaO). Die Voraussetzungen der Beschäftigung werden hier bereits durch den "Eintritt" in das Beschäftigungsverhältnis, also einem unterhalb der Stufe tatsächlicher Arbeitsleistung liegenden Vollzugakt herbeigeführt (LSG aaO unter Hinwies auf Berchtold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Watermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Auflage, § 7 SGB IV RdNr 10). Für den Beginn der Beschäftigung genügt daher bei fortbestehender Orientierung des Arbeitnehmers an den getroffenen Vereinbarungen der vertraglich festgelegte Beginn des Arbeitsverhältnisses (LSG aaO; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen 14.08.2012, L 1 KR 473/11, juris, anhängig beim BSG, B 1 KR 64/12 R). Das BSG hatte (24.09.2008, B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 9 = juris RdNr 18) ausgeführt, die gesetzlichen Regelungen für den Beginn der Mitgliedschaft (§ 186 Abs 1 SGB V) - bestätigt durch die sog Materialien (zu § 186 Abs 1 SGB V, BT-Drucks 13/9741 S 12) – verdeutlichten hinreichend deutlich, dass es auch insofern einer tatsächlichen Erbringung von Arbeit ua dann nicht bedürfe, wenn der Arbeitnehmer zu dem im Arbeitsvertrag festgelegten Zeitpunkt AU erkrankt oder zunächst von der Arbeitsverpflichtung freigestellt sei.
Nachdem sich der Senat davon überzeugen konnte, dass die Klägerin die ernstliche Absicht gehabt hatte, am ersten Arbeitstag nach dem 01.01.2011, mithin am Montag, 03.01.2011, die Arbeit wieder aufzunehmen stand die Klägerin nach Ende des Ruhens des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2010 ab dem 01.01.2011 wieder in einem Beschäftigungsverhältnis bei ihrem Arbeitgeber, den deutschen S.-Werken. Sie war damit - auch am 03./04.01.2011 und in der Folge bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2012 - mit Anspruch auf Krg versichert. Dass die Klägerin den Willen zur Arbeitsaufnahme hatte, ergibt sich aus dem in der mündlichen Verhandlung noch glaubhaft vorgetragenen Umstand, dass die Klägerin vom Arbeitgeber die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangt und sich so arbeitsbereit gezeigt, sich außerdem gegen die krankheitsbegründete arbeitgeberseitige Kündigung vom 27.02.2012 gewehrt hatte und das Arbeitsverhältnis im Gerichtsverfahren nur gegen die Zahlung einer Abfindung (14.600,00 EUR zuzüglich Urlaubsabgeltung) zum 30.09.2012 aufgelöst worden war.
Die Klägerin war auch nach Überzeugung des Senats, die sich auf die Auskünfte von Herrn Sp., Prof. Dr. G: und den Ärzten des ZfP/PZN N. stützt jedenfalls im vorliegend streitigen Zeitraum bis 20.02.2011 AU. Denn die Klägerin war im vorliegend streitigen Zeitraum wegen der psychischen Erkrankung (Angst-, Panikstörung, Depression) nicht in der Lage, ihre Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin (zur Tätigkeitsbeschreibung vgl Blatt 60 der Senatsakte) vollschichtig auszuführen. Die Klägerin konnte insoweit wegen massiven Ängsten und Panikattacken mit körperlichen Symptomen (dazu vgl die Auskunft des ZfP/PZN N. auf Blatt 36 bis 39 der Senatsakte und die Auskunft von Herrn Sp. sowie Prof. Dr. G. auf Blatt 23 bis 26 der Senatsakten) eine solche Tätigkeit mit Zwei-Schichtbetrieb und dem Erfordernis einer Kommunikation mit Vorgesetzten und Mitarbeitern krankheitsbedingt nicht mehr vollschichtig ausüben. Sie war daher im streitigen Zeitraum AU; weitere AU liegt im Hinblick auf die teilstationäre Behandlung im ZfP/PZN nahe.
AU war ärztlicherseits auch festgestellt für die Zeit vom 03.01.2011 bis zum 20.02.2011; zu weiteren AU-Feststellungen vgl Blatt 28, 29 und 72 der Senatsakte). Da der Arbeitgeber bis 13.02.2011 Entgeltfortzahlung leistete, weshalb der Krg-Anspruch bis zu diesem Tag ruhte (§ 49 Abs 1 Nr 1 SGB V) und ein Krg-Anspruch gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an besteht, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt, stand der Klägerin Krg auf Grundlage der AU-B vom 04.02.2011 in der Zeit vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011 zu.
Da die Klägerin durchgehend mit Krg-Anspruch pflichtversichertes Mitglied der Beklagten war und jedenfalls für die zuvor genannten Zeiten AU bestand und diese auch ärztlich festgestellt war, hat die Klägerin Anspruch auf Krg in gesetzlicher Höhe in der Zeit vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011. Entsprechend war der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin im Ergebnis vollständig obsiegt hat.
Die Revision wird zugelassen, da eine höchstrichterliche Entscheidung zum Beginn der Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter in der GKV iS der aktuellen Fassung des § 186 Abs 1 SGB V noch nicht vorliegt und daher eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage anzunehmen ist. (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Die Beklagte erstattet der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Krankengeld (Krg) ab dem 14.2.2011, bis zum 20.02.2011; für Zeiten ab dem 21.02.2011 haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung durch Teilvergleich darauf geeinigt, dass die Beklagte im Fall ihrer rechtskräftigen Verurteilung mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid sachlich über Krg-Ansprüche der Klägerin entscheidet.
Die 1963 geborene Klägerin war seit dem 13.03.1985 als Produktionsmitarbeiterin bei den deutschen S.-Werken (E.) beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichertes Mitglied. Bis zum 31.12.2010 ruhte das Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit bzw Kindererziehung für insgesamt drei Jahre; in dieser Zeit war die Klägerin bei der Beklagten familienversichert. Die Klägerin begehrte im Jahr 2010 gegenüber dem Arbeitgeber ein weiteres Ruhen des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2010 hinaus, dieses weitere Ruhen kam jedoch nicht zustande.
Am 22.12.2010 meldete die Klägerin gegenüber ihrem Vorgesetzten, dass sie arbeitsunfähig (AU) sei. Sie hat die Arbeit seither nicht wieder aufgenommen, das Arbeitsverhältnis wurde seitens des Arbeitgebers zum 30.09.2012 gekündigt.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sp. attestierte der Klägerin mittels einer Erst-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-B) AU vom 03.01.2011 bis zum 11.01.2011. Im Folgenden wurde AU wie folgt attestiert:
AU-B vom Beginn AU Voraussichtliches Ende der AU festgestellt am Erst-/Folge-AU-B Arzt 11.01.2011 03.01.2011 23.01.2011 11.01.2011 Folge-AU-B Sp. 21.01.2011 03.11.2011 06.02.2011 21.01.2011 Folge-AU-B Sp. 04.02.2011 03.11.2011 20.02.2011 04.02.2011 Folge-AU-B Sp.
Wegen darüber hinausgehender AU-Schreibungen wird auf Blatt 28, 29 und 72 der Senatsakte Bezug genommen.
Vom 22.02.2011 bis zum 08.06.2011 befand sich die Klägerin auf Kosten der Beklagten in einer akutstationären/teilstationären Behandlung im Psychiatrischem Zentrum N. (ZfP/PZN N.).
Der Arbeitgeber leistete vom 01.01.2011 bis zum 13.02.2011 Entgeltfortzahlung.
Mit dem Bescheid vom 01.03.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Versicherungspflicht und eine Mitgliedschaft habe nach Beendigung des unbezahlten Urlaubs am 01.01.2011 nicht neu begonnen, da die Klägerin die Arbeit nicht aufgenommen habe. Bei Eintritt der AU sei die Klägerin lediglich familienversichert gewesen. Somit habe kein Versicherungsschutz mit Krankengeldanspruch bestanden. Krankengeld (Krg) könne daher nicht gezahlt werden.
Den Widerspruch der Klägerin vom 21.03.2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011, der Klägerin zugestellt am 16.09.2011, zurück. Die Mitgliedschaft von versicherungspflichtig Beschäftigten beginne nach § 186 Abs 1 SGB V mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Hätten Versicherungspflicht und Mitgliedschaft wegen mehrerer Monate dauernder unbezahlter Freistellung geendet, werde das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis nicht erneut begründet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit wegen AU nicht aufnehmen könne. Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt für sechs Wochen zahle.
Am 17.10.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Zur Begründung der Versicherungspflicht bzw der Mitgliedschaft sei alleine der Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis maßgeblich. Eine tatsächliche Arbeitsaufnahme sei nicht erforderlich. Dagegen spreche auch nicht, dass die Arbeit am vereinbarten Tag wegen AU nicht wieder aufgenommen werde.
Mit Urteil vom 13.12.2011 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2011 verurteilt, der Klägerin ab dem 14.02.2011 Krg zu zahlen ... Die Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für versicherungspflichtige Arbeitnehmer beginne gemäß § 186 Abs 1 SGB V an dem Tag, an dem diese in das Beschäftigungsverhältnis einträten. Nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Rechtslage sei für die Begründung der Versicherungspflicht die tatsächliche Arbeitsaufnahme vorausgesetzt worden. Hiervon sei der Gesetzgeber zum 01.01.1998 abgewichen und stelle nunmehr auf den Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis ab. Hierdurch werde klargestellt, dass die Mitgliedschaft in der GKV auch dann beginne, wenn zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zunächst eine Freistellung von der Arbeitspflicht oder AU vorliege, also eine Arbeitsaufnahme faktisch noch nicht erfolge bzw erfolgen könne. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG habe das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 15.05.2007 (L 11 KR 1574/07) festgestellt, dass für den Beginn der Mitgliedschaft nicht die tatsächliche Arbeitsaufnahme entscheidend sei. Vielmehr komme es darauf an, für welchen Tag die Arbeitsvertragsparteien die Wiederaufnahme der Beschäftigung vereinbart hätten. Scheitere die tatsächliche Arbeitsaufnahme dann daran, dass an diesem Tage AU bestehe, hindere dies den Beginn der Versicherungspflicht bzw der Mitgliedschaft nicht. Dann sei der Arbeitnehmer trotz fehlender Arbeitsleistung in das Beschäftigungsverhältnis eingetreten und Mitglied der GKV geworden. Daher könne er, wenn AU die Dauer der Lohnfortzahlung übersteige, Krg beanspruchen. Das Gericht sei zudem davon überzeugt, dass die Klägerin seinerzeit AU gewesen sei. Insoweit könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass keine umfassende Befunddokumentation vorliege. Denn dies habe sie letztlich selbst zu verantworten, da sie den Krg-Anspruch aus unzutreffenden versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt habe. Die Festlegung der genauen Leistungshöhe und der konkreten Leistungsdauer bleibe einer erneuten Entscheidung der Beklagten vorbehalten.
Gegen das der Beklagten am 21.12.2011 zugestellte Urteil hat diese am 18.01.2012 beim LSG Berufung eingelegt. Die Klägerin sei seit dem Spätsommer 2010 wegen Angstzuständen AU gewesen. Sie sei daher nicht in der Lage gewesen, die Arbeit aufzunehmen. Von einer Eingliederung in die S.-Werke könne damit nicht ausgegangen werden. Die Klägerin habe vielmehr bewusst von der Verlängerung der bis 31.12.2010 befristeten Beurlaubung des Arbeitsverhältnisses abgesehen. Die Folgen des Urteils seien nicht abzusehen, wenn ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen habe und dieser danach AU erkranke. Auch habe das SG nicht festgestellt, ob die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung AU gewesen sei. Selbst wenn von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen wäre, könne nicht von durchgängiger AU ausgegangen werden.
Die Beklagte hat zusätzlich Gutachten des MDK vom 13.03.2012 vorgelegt (Blatt 13 bis 16 der Senatsakte). Anhand der vorliegenden Unterlagen könne nicht festgestellt werden, ob die Klägerin damals derart in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, dass es ihr grds nicht möglich gewesen sei, die Beschäftigung zum 01.01.2011 wieder aufzunehmen. Zwar spreche einiges dafür, jedoch seien die vorliegenden Beurteilungsgrundlagen nicht ausreichend für eine fundierte Längsschnittbeurteilung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es treffe nicht zu, dass sie bereits im Spätsommer 2010 nicht in der Lage gewesen wäre eine Arbeit aufzunehmen. Maßgeblich sei alleine der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 01.01.2011. Sie habe nicht bewusst von einer Verlängerung der Berufung abgesehen um Krg zu erhalten. Da der Arbeitgeber die Beurlaubung bereits verlängert habe, sei die Wederaufnahme der Tätigkeit zum 01.01.2011 nicht mehr disponibel gewesen. Die Klägerin sei jedenfalls auch vom 03.01.2011 bis zum 27.02.2011 und vom 09.06.2011 bis 06.11.2011 AU gewesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 23 bis 24, 25 bis 34 sowie 36 bis 39 der Senatsakte Bezug genommen.
Prof. Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, hat mit Schreiben vom 26.03.2012 mitgeteilt, er habe die Diagnose Angst und Depression, gemischt, gestellt. Es habe sich wohl Mitte November 2011 eine vorübergehende Besserung eingestellt. Er habe vom 14.06.2011 bis 28.06.2011 AU attestiert. Vor dem 01.01.2011 habe er die Klägerin zuletzt am 20.12.2010 gesehen, er könne die Arbeitsfähigkeit ab 01.01.2011 nicht beurteilen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Sp. hat dem Senat am 16.04.2012 geschrieben, die Klägerin klage immer über die gleichen Beschwerden, Ängste vor Menschenmengen, Angst vor Dunkelheit oder Alleinsein oder beim Einkaufen. Selbst Gespräche mit dem Arbeitgeber oder Anrufe von diesem oder der Versicherung versetzten sie in Panik, ja schon der Gedanke daran mache ihr Angst. Während der Behandlung in der Tagesklinik des ZfP/PZN N. vom 22.02.2011 bis 08.06.2011 schien es der Klägerin besser gegangen zu sein. Kaum sei die Behandlung jedoch beendet gewesen, sei sie am 10.06.2011 wieder mit den gleichen Symptomen zu ihm gekommen.
Das ZfP/PZN N. hat am 29.05.2012 geschrieben, die Klägerin vom 22.02.2011 bis 08.06.2011 teilstationär behandelt zu haben. Der Zeitraum zuvor könne nicht beurteilt werden. Aufgrund der nach der Entlassung wieder einsetzenden Ängste sowie der depressiven Symptomatik sei Arbeitsfähigkeit weder in Bezug auf eine vollschichtige Tätigkeit bei den S.-Werken noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben gewesen.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, die vom Facharzt Sp. verordneten Medikamente seien überhaupt nicht abgerechnet worden, von den Verordnungen von Dr. G. seien lediglich solche am 06.10.2010 und 13.12.2012 sowie am 21.04.2011 übernommen worden. Die tatsächlich abgerechneten Verordnungen ließen nicht den Schluss auf eine umfassende medikamentöse Therapie zu. Die Klägerin hat ausgeführt, es sei unzutreffend, dass sie keine umfangreiche medikamentöse Therapie durchgeführt habe. Sie werde weiterhin mit starken Medikamenten behandelt. Der Ehemann habe die Medikamente für die Klägerin gekauft.
Der vom Senat befragte Arbeitgeber hat mit Schreiben vom 20.07.2012 (Blatt 56 bis 60 der Senatsakte) ua angegeben, das Arbeitsverhältnis habe bis zum 30.09.2012 bestanden. Am 22.12.2010 habe sich die Klägerin AU gemeldet. Nach dem 01.01.2011 habe die Klägerin die Arbeit nicht wieder aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig aber nur im Sinne einer Neufassung des Tenors des SG-Urteils begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 01.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2011, mit denen die Beklagte zum einen die Gewährung von Krg ab dem 14.02.2011 abgelehnt hat. Dieser ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand durch Teilvergleich in der mündlichen Verhandlung dahingehend beschränkt, dass Streitgegenstand nur noch ein Krg-Anspruch vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011 ist; für darüber hinausgehende Krg-Ansprüche wird die Beklagte im Falle ihrer rechtskräftigen Verurteilung im vorliegenden Verfahren erneut sachlich und rechtsbehelfsfähig entscheiden.
Soweit die Klägerin Krg vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011 geltend macht – bis zum 13.02.2011 hat der Arbeitgeber Entgelt gezahlt -, richtet sich der geltend gemachte Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB V in der seit 01.01.2009 geltenden Fassung. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie AU macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt (§ 46 Satz 1 SGB V). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der AU an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).
Ein Krg-Anspruch setzt damit nicht nur das Vorliegen von AU voraus. Vielmehr ist auch ein Versichertsein mit Krg-Anspruch und die ärztliche Feststellung der AU erforderlich.
Bis zum 31.12.2010 war die Klägerin über den Ehemann familienversichert, mithin ohne Anspruch auf Krg (vgl § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V). Ab dem 01.01.2011 wäre sie nur dann mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert gewesen, wenn sie nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V wegen abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig gewesen wäre. Das Vorliegen von abhängiger Beschäftigung bestimmt sich nach den Maßstäben des § 7 SGB IV. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginnt gemäß § 186 Abs 1 SGB V mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Maßgeblich ist vorliegend also, ob die Klägerin am 03.01.2011 bzw 04.01.2011 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte.
Mit dem Abstellen auf den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses (vgl § 186 Abs 1 SGB V) sollte klargestellt werden, dass die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers in der GKV auch dann beginnt, wenn dieser zu Beginn des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt ist und daher die Beschäftigung erst zu einem späteren Zeitpunkt aufnimmt oder wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden kann, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat (BT-Drucks 13/9818 S 13; BSG 14.12.2006, B 1 KR 9/06 R, BSGE 98, 33-43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6 = juris RdNr 19; LSG Rheinland-Pfalz 05.06.2003, L 5 KR 111/02, juris RdNr 22; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 186 RdNr 11; Hänlein in LPK-SGB V, 3. Auflage, § 186 RdNr 5; Peters in Kasseler Kommentar, § 186 SGB V RdNr 10, 10a; so im Ergebnis auch Senatsurteil vom 15.05.2007, L 11 KR 1574/07, juris). Damit kommt es nicht auf den tatsächlichen Beginn der Arbeitsleistung (Felix in juris-PK SGB V, 2. Auflage, § 186 RdNr 12), sondern auf den Beginn der arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme an (Gerlach aaO). Auch Baier (in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung – Pflegeversicherung, § 168 RdNr 8) führt aus, dass ein Beschäftigungsverhältnis und mithin eine Mitgliedschaft bestehe, wenn die Mitgliedschaft durch einen längeren unbezahlten Urlaub beendet werde und der Arbeitnehmer am vereinbarten Wiederbeginn die Beschäftigung wegen krankheitsbedingter AU nicht wieder aufnehme.
Seitdem das Gesetz die Mitgliedschaft an den "Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis" knüpft, kann die Aufnahme der vereinbarten Arbeit für den Beginn der Beschäftigtenversicherung nicht mehr verlangt werden (LSG Nordrhein-Westfalen 23.08.2012, L 16 KR 372/10, juris RdNr 35). Wo das Gesetz vom "Beschäftigungsverhältnis" spricht meint es im Zusammenhang des Deckungsverhältnisses der Versicherung allein den rechtlichen Rahmen der Beschäftigung (LSG aaO). Die Voraussetzungen der Beschäftigung werden hier bereits durch den "Eintritt" in das Beschäftigungsverhältnis, also einem unterhalb der Stufe tatsächlicher Arbeitsleistung liegenden Vollzugakt herbeigeführt (LSG aaO unter Hinwies auf Berchtold, in: Kreikebohm/Spellbrink/Watermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Auflage, § 7 SGB IV RdNr 10). Für den Beginn der Beschäftigung genügt daher bei fortbestehender Orientierung des Arbeitnehmers an den getroffenen Vereinbarungen der vertraglich festgelegte Beginn des Arbeitsverhältnisses (LSG aaO; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen 14.08.2012, L 1 KR 473/11, juris, anhängig beim BSG, B 1 KR 64/12 R). Das BSG hatte (24.09.2008, B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 9 = juris RdNr 18) ausgeführt, die gesetzlichen Regelungen für den Beginn der Mitgliedschaft (§ 186 Abs 1 SGB V) - bestätigt durch die sog Materialien (zu § 186 Abs 1 SGB V, BT-Drucks 13/9741 S 12) – verdeutlichten hinreichend deutlich, dass es auch insofern einer tatsächlichen Erbringung von Arbeit ua dann nicht bedürfe, wenn der Arbeitnehmer zu dem im Arbeitsvertrag festgelegten Zeitpunkt AU erkrankt oder zunächst von der Arbeitsverpflichtung freigestellt sei.
Nachdem sich der Senat davon überzeugen konnte, dass die Klägerin die ernstliche Absicht gehabt hatte, am ersten Arbeitstag nach dem 01.01.2011, mithin am Montag, 03.01.2011, die Arbeit wieder aufzunehmen stand die Klägerin nach Ende des Ruhens des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2010 ab dem 01.01.2011 wieder in einem Beschäftigungsverhältnis bei ihrem Arbeitgeber, den deutschen S.-Werken. Sie war damit - auch am 03./04.01.2011 und in der Folge bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2012 - mit Anspruch auf Krg versichert. Dass die Klägerin den Willen zur Arbeitsaufnahme hatte, ergibt sich aus dem in der mündlichen Verhandlung noch glaubhaft vorgetragenen Umstand, dass die Klägerin vom Arbeitgeber die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangt und sich so arbeitsbereit gezeigt, sich außerdem gegen die krankheitsbegründete arbeitgeberseitige Kündigung vom 27.02.2012 gewehrt hatte und das Arbeitsverhältnis im Gerichtsverfahren nur gegen die Zahlung einer Abfindung (14.600,00 EUR zuzüglich Urlaubsabgeltung) zum 30.09.2012 aufgelöst worden war.
Die Klägerin war auch nach Überzeugung des Senats, die sich auf die Auskünfte von Herrn Sp., Prof. Dr. G: und den Ärzten des ZfP/PZN N. stützt jedenfalls im vorliegend streitigen Zeitraum bis 20.02.2011 AU. Denn die Klägerin war im vorliegend streitigen Zeitraum wegen der psychischen Erkrankung (Angst-, Panikstörung, Depression) nicht in der Lage, ihre Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin (zur Tätigkeitsbeschreibung vgl Blatt 60 der Senatsakte) vollschichtig auszuführen. Die Klägerin konnte insoweit wegen massiven Ängsten und Panikattacken mit körperlichen Symptomen (dazu vgl die Auskunft des ZfP/PZN N. auf Blatt 36 bis 39 der Senatsakte und die Auskunft von Herrn Sp. sowie Prof. Dr. G. auf Blatt 23 bis 26 der Senatsakten) eine solche Tätigkeit mit Zwei-Schichtbetrieb und dem Erfordernis einer Kommunikation mit Vorgesetzten und Mitarbeitern krankheitsbedingt nicht mehr vollschichtig ausüben. Sie war daher im streitigen Zeitraum AU; weitere AU liegt im Hinblick auf die teilstationäre Behandlung im ZfP/PZN nahe.
AU war ärztlicherseits auch festgestellt für die Zeit vom 03.01.2011 bis zum 20.02.2011; zu weiteren AU-Feststellungen vgl Blatt 28, 29 und 72 der Senatsakte). Da der Arbeitgeber bis 13.02.2011 Entgeltfortzahlung leistete, weshalb der Krg-Anspruch bis zu diesem Tag ruhte (§ 49 Abs 1 Nr 1 SGB V) und ein Krg-Anspruch gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V von dem Tag an besteht, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt, stand der Klägerin Krg auf Grundlage der AU-B vom 04.02.2011 in der Zeit vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011 zu.
Da die Klägerin durchgehend mit Krg-Anspruch pflichtversichertes Mitglied der Beklagten war und jedenfalls für die zuvor genannten Zeiten AU bestand und diese auch ärztlich festgestellt war, hat die Klägerin Anspruch auf Krg in gesetzlicher Höhe in der Zeit vom 14.02.2011 bis zum 20.02.2011. Entsprechend war der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin im Ergebnis vollständig obsiegt hat.
Die Revision wird zugelassen, da eine höchstrichterliche Entscheidung zum Beginn der Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter in der GKV iS der aktuellen Fassung des § 186 Abs 1 SGB V noch nicht vorliegt und daher eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage anzunehmen ist. (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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